Im zweiten Teil meiner kleinen Gegenüberstellung der Bundestags-Wahlprogramme soll es heute – pünktlich zum spannenden Wahlabend in Bayern – um die Vorstellungen der Parteien zur Zukunft der Forschungsförderung gehen. Wer die aktuellen Aussagen mit denen zur letzten Bundestagswahl im Jahr 2009 vergleichen möchte, findet den entsprechenden Artikel hier.

CDU/CSU
(Link zum Vollprogramm – “Gemeinsam erfolgreich für Deutschland”)

  • Der Fokus der Forschungsförderung liegt in diesem Prorgamm klar im Bereich der Produkt- und Dienstleistungsinnovation. Durch steuerliche Vergünstigungen soll zudem die Forschung durch und in Unternehmen an Attraktivität gewinnen.
  • Zukünftig sollen etwa 3% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für die Forschungsförderung verausgabt werden (aktuell sind es noch etwa 2,8%).
  • Die Planungssicherheit außeruniversitärer Forschungseinrichtungen soll durch eine Verstetigung der Haushalte mit einem Wachstum von 5% pro Jahr garantiert werden.
  • Es sollen mehrere weitere Deutsche Zentren für Gesundheitsforschung gegründet werden.
  • Für die neuen Bundesländer soll es über Förderprogramme wie Unternehmen Region bzw. Zwanzig20 auch weiterhin gesonderte Möglichkeiten der Forschungsförderung geben.
  • Während Tierversuche weiter legal bleiben sollen, soll die Forschung zur Entwicklung von alternativen Methoden zur Umgehung von Tierversuchen stärker gefördert werden.
  • Um die Teilnahme deutscher Wissenschaftler und Einrichtungen an Projekten im Rahmen des neuen EU-Forschungsförderrahmenprogramms HORIZON 2020 ab 2014 zu erleichtern, sollen Forschungskontakte in andere EU-Staaten stärker gefördert werden.
  • Explizit als förderfähige Forschungsthemen benannt werden: Energiewende, generationengerechtes Wohnen, Alternativen zu Tierversuchen, Medizinische Forschung zu den sogenannten Volkskrankheiten, Schutz von Bienenvölkern, Agrarforschung (tiergerechte Haltung, nachwachsende Rohstoffe, Lebensmittelsicherheit, Energiepflanzen), IT-Sicherheit.

„Weil der Anteil neuer Produkte am Umsatz immer stärker steigt, ist es wichtig, dass aus Ideen schnell neue Produkte werden. Deshalb wollen wir unsere Forschungsförderung noch stärker darauf ausrichten.“ – Seite 42

FDP
(Link zum Vollprogramm – “Damit Deutschland stark bleibt”)

  • Forschung in und durch Unternehmen soll steuerlich stärker begünstigt werden. Auch die Gründung von forschungsbasierten Unternehmen (EXIST) soll stärker unterstützt werden.
  • Die Kernforschung soll trotz des Atomausstiegs explizit weiter förderfähig bleiben.
  • Eine Selbsteinschränkung von Hochschulen durch Zivilklauseln wird nicht befürwortet.
  • Die Haushalte der außeruniversitären Forschungseinrichtungen sollen bis 2015 jährlich um 5% steigen.
  • Explizit als förderfähige Forschungsthemen benannt werden: Erneuerbare Energien, Agrarforschung (Standards in der Nutztierhaltung, Energiepflanzen, Biokraftstoffe, Biotechnologie in der Landwirtschaft), Altersmedizin.

„Wir stehen wissenschaftlichem Fortschritt offen gegenüber und setzen uns für verantwortungsvollen Umgang mit Forschung und Wissenschaft ein, statt diese beispielsweise durch Zivilklauseln – also die Selbstverpflichtung von wissenschaftlichen Einrichtungen, ausschließlich für zivile Zwecke zu forschen – oder massive Kürzung finanzieller Mittel bei einzelnen Forschungsgebieten einzuschränken.“ – Seite 67

SPD
(Link zum Vollprogramm – “Das WIR entscheidet”)

  • Forschung in und durch Unternehmen soll steuerlich stärker begünstig werden.
  • Für wissenschaftliche Führungsgremien sollen verbindliche Frauenquoten gelten.
  • Die Hochschulforschung soll durch eine bessere Grundfinanzierung von Universitäten und Hochschulen durch Bund und Länder gestärkt werden.
  • Die Anzahl von Tierversuchen soll durch die Förderung des 3R-Konzepts verringert werden.
  • Die Forschungsinvestitionen sollen über die Marke von 3% des BIP angehoben werden.
  • Die Zivilgesellschaft soll über die Fördermittelvergabe durch das BMBF mitbestimmen.
  • Explizit als förderfähige Forschungsthemen benannt werden: Energieforschung, Demografie, Ressourceneffizienz, Gesundheit, sozialer Zusammenhalt, digitale Sicherheit, artgerechtere Tierhaltung, Pflegeforschung.

„Frauen sind in Wissenschaft und Forschung nach wie vor deutlich unterrepräsentiert. Wir wollen den Frauenanteil im Wissenschaftssystem durch am Kaskadenmodell orientierte Zielquoten nachhaltig erhöhen. In wissenschaftlichen Führungsgremien wollen wir einen Anteil von mindestens 40 Prozent erreichen.“ – Seite 48

„Transparenz und Partizipation bei der Festlegung von Forschungszielen und deren finanzieller Ausstattung wird von der Zivilgesellschaft zu Recht eingefordert. Wir richten daher beim Bundesministerium für Bildung und Forschung ein Wissenschaftsforum ein, in dem der Zivilgesellschaft eine signifikante Partizipation, insbesondere bei der Bearbeitung zentraler Zukunftsfragen (z.B. Klimawandel, Energiewende, Ernährungssicherheit, Urbanisierung, Armutsbekämpfung), in öffentlich geförderten Projekten sichergestellt wird. – Seite 48

Bündnis 90/Die Grünen
(Link zum Vollprogramm – “Zeit für den grünen Wandel”)

  • Für Forschung im Kernenergiebereich inkl. Kernfusionsforschung soll es keinerlei öffentliche Fördermittel mehr geben. Dies schließt auch den Ausstieg aus ITER und EURATOM ein.
  • Die Forschungsinvestitionen sollen bis 2020 auf 3,5% des BIP angehoben werden.
  • Tierversuche an menschlichen Primaten sollen vollständig verboten, Tierversuche mit nichtmenschlichen Primaten weitgehend eingeschränkt werden. Es soll ein nationales Kompetenzzentrum für tierversuchsfreie Forschungsmethoden aufgebaut werden.
  • Ethikkommissionen, die über die Zulassung von Tierversuchen entscheiden, sollen mindestens zu 50% mit Vertretern des organisierten Tierschutzes besetzt werden.
  • Für den Nachweis der Wirksamkeit von sogenannter Komplementärmedizin bzw. für die Entwicklung entsprechender Nachweismethoden sollen öffentliche Mittel bereitgestellt werden.
  • Die Hochschulforschung soll durch eine bessere Grundfinanzierung von Universitäten und Hochschulen durch Bund und Länder gestärkt werden.
  • Die Vergabe von Haushaltsmitteln an Hochschulen soll an die Erreichung einer Frauenquote von 50% geknüpft werden. Außerdem ist die Schaffung einer durch den Bund finanzierten Forschungseinrichtung zum Thema Geschlechtergerechtigkeit vorgesehen.
  • Der Bund soll zukünftig 70% des Haushaltes von Leibnitz-Gesellschaft sowie von Max-Planck-Gesellschaft finanzieren (anstatt wie bisher 50%). Die dadurch bei den Ländern freiwerdenden Gelder sollen in die Grundfinanzierung der Hochschulen fließen.
  • Das Grundgesetz soll mit dem Ziel geändert werden, das Kooperationsverbot für Bund und Länder im Forschungsbereich auszuhebeln.
  • Um Themen wie militärischen Einsatz und Tierversuche in der Forschung besser diskutieren zu können, sollen Informationen zu Forschern, Projekten und Geldern publiziert werden.
  • Explizit als förderfähige Forschungsthemen benannt werden: Energiewende, Ressourceneffizienz, IT-Sicherheit, Demokratieforschung, Drogen, Forschung zu Diskriminierung und queeren Lebensweisen, Genderforschung, Friedensforschung.

„Forschung zur weiteren Nutzung der Atomenergie und zur Kernfusion ist nicht zukunftsfähig. Anstatt Geld für die kerntechnische Transmutation und das Kernfusionsprojekt ITER zu verschleudern, werden wir öffentliche Forschungsmittel für Transformationsforschung einsetzen, die technologische Innovationen und die gesellschaftliche Verankerung der Energiewende unterstützt. Deshalb setzen wir uns auch für ein Ende des EURATOM-Vertrags und die Fusionsforschung durch das Projekt ITER ein. Wenn dabei keine konsensuale Einigung mit den anderen Vertragspartnern möglich ist, sollte Deutschland einseitig aussteigen.“ – Seite 36

„Frauen sind im Wissenschaftssystem nach wie vor deutlich unterrepräsentiert – mit jeder Qualifikationsstufe steigend. Das ist nicht nur ein gravierendes Gerechtigkeitsproblem, es drohen dadurch auch bedeutende Innovations- und Qualitätseinbußen in Forschung und Lehre. Wir wollen Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen verpflichten, Zielquoten mindestens dem Kaskadenmodell entsprechend zu bestimmen. Wenn diese nicht erfüllt werden, soll das Folgen für die Mittelvergabe haben. Auch die institutionelle und die projektgebundene Forschungsförderung wollen wir an gleichstellungspolitische Verpflichtungen knüpfen, um so mittelfristig mindestens 50 % Frauen auf allen Ebenen zu haben.“ – Seite 113

Wir wollen das Grundgesetz ändern, um das Kooperationsverbot in der Bildung aufzuheben und die Zusammenarbeit in der Wissenschaft zu erleichtern. Unser Ziel ist eine Ermöglichungsverfassung für bessere Bildung und Wissenschaft. Um beide Zukunftsfelder zu stärken und Chancengerechtigkeit zu fördern, braucht es einen kooperativen Bildungsföderalismus, eine echte Verantwortungspartnerschaft zwischen Bund, Ländern und Kommunen sowie eine neue Kooperations- und Vertrauenskultur.“ – Seite 115

„Patientinnen und Patienten sollen auch Angebote der besonderen Therapierichtungen wahrnehmen können. Dazu muss die Komplementärmedizin Nachweise zur Wirksamkeit erbringen. Es sind geeignete Methoden zum Wirksamkeitsnachweis für die Komplementärmedizin als auch andere medizinische Bereiche (z.B. Physio- oder Psychotherapie) zu entwickeln. Dafür sind öffentliche Forschungsgelder zur Verfügung zu stellen. – Seite 125/126

LINKE
(Link zum Vollprogramm – “100% sozial”)

  • Die Bundesrepublik soll zum „Forschungsland Nummer 1“ im Bereich der Energieforschung ausgebaut werden.
  • Für staatliche Hochschulen soll eine verbindliche Frauenquote von 50% auf allen Karrierestufen eingeführt werden.
  • Vereinbarungen im Bereich der Forschungskooperation zwischen Hochschulen und Unternehmen sollen grundsätzlich offengelegt werden.
  • Militärische Forschung an staatlichen Hochschulen soll grundsätzlich ausgeschlossen werden.
  • In den neuen Bundesländern soll es auch weiterhin gesonderte Programme für die Forschungsförderung geben.
  • Staatliche Einrichtungen wie etwa Kommunalverwaltungen und Krankenhäuser sollen die Möglichkeit erhalten, Forschungsleistungen von Hochschulen nachfragen zu können.

An allen Universitäten soll mit einer Zivilklausel militärische Forschung ausgeschlossen werden. – Seite 34

„DIE LINKE fordert eine verbindlich sanktionierte Quotierung in Wissenschaftseinrichtungen, die einen Mindestanteil von 50 Prozent für Frauen auf jeder Karrierestufe gewährleistet.“ – Seite 38

Piratenpartei
(Link zum Vollprogramm – “Wir stellen das mal infrage”)

  • Die Exzellenzinitiative des Bundes soll beendet und die freiwerdenden Mittel in eine bessere Grundfinanzierung aller Hochschulen investiert werden.
  • Subventionen für Tierversuche sollen gestrichen und freiwerdende Mittel statt dessen für die Erforschung alternativer Methoden eingesetzt werden. Sobald wissenschaftlich erprobte Alternativen für Tierversuche vorliegen, sind diese aus der öffentlich geförderten Forschung auszuschließen. Darüber hinaus sollen durch Tierversuche erzielte Erkenntnisse möglichst breit publiziert werden, um Wiederholungsversuche zu vermeiden.
  • Die Patentierung von Gensequenzen (und von Geschäftsmodellen) soll verboten werden.
  • Die Sicherheitsforschung in Deutschland soll durch das Einbinden von Parteivertretern, Opferverbänden und NGOs in Entscheidungs- und Vergabeverfahren demokratisiert werden.

Forschung sollte ebenso wie Bildung möglichst wenigen Beschränkungen unterliegen – sei es die naturwissenschaftliche Forschung oder Forschung im Rahmen der Zeitgeschichte.“ – Seite 37

Die finanzielle Bevorzugung einzelner Forschungsfelder aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verwertbarkeit, wie zum Beispiel bei der Exzellenzinitiative, gefährdet Freiheit und Vielfalt der Forschung. Innovation findet auch in den Bereichen statt, die nicht im Fokus des medialen (und ökonomischen) Interesses liegen. Aus diesem Grund lehnt die Piratenpartei kurzfristige Projektförderung ab und setzt sich für eine verbesserte langfristige Sockelfinanzierung der Hochschulen ein.“ – Seite 46

Kurzfazit

Von meiner Seite (auch wenn ich da sicher nicht völlig objektiv urteile) vielleicht ein Wort zum Wahlprogramm der Grünen: Bereits zur letzten Bundestagswahl im Jahr 2009 hatten wir hier auf den ScienceBlogs sowie auf dem Blog des Grünen-Politikers Till Westermayer eine spannende Debatte zur Frage, ob die Grünen an sich als forschungsfeindliche Partei zu betrachten sind. Dies war schon damals nicht der Fall und ich würde eine so pauschalisierte Aussage nach wie vor ablehnen. Trotzdem komme ich nicht umhin zu bemerken, dass die Wahlprogramme der „linken“ Parteien – und dabei eben insbesondere das der Grünen – der Wissenschaft schon ganz schön die Zügel anlegen wollen: Verbindliche Frauenquoten, Forschungsverbote oder schwere Einschränkungen in etlichen Bereichen (Atomenergie, Forschung mit militärischem Nutzen, Tierversuche) einerseits und Ankündigungen von Förderung ideologisch gewollter Forschung (Gendertheorie, Komplementärmedizin etc.) anderseits.

Auch die von SPD und Grünen geforderte stärkere Beteiligung der Zivilgesellschaft sieht für mich – auch wenn das Prinzip ja erst mal gut klingt – mehr nach einem versteckten Weg aus, der Forschung weitere Daumenschrauben anlegen zu können (Szenario: eine Mehrheit der Teilnehmer in irgendeinem überhaupt erst noch zu definierenden Bürgerbeteiligungsverfahren wünscht sich keine Grüne Gentechnik = Grüne Gentechnik ist nicht mehr förderfähig). Nicht dass ich falsch verstanden werde: Die benannten Programme enthalten gerade im Bereich Open Access, Grundfinanzierung der Hochschulen und Kooperationsverbot auch Ansätze, die ein Großteil aller Wissenschaftler sicher bedenkenlos unterstützen würde. Der Wunsch der Politik, eine stärkere inhaltliche Kontrolle über die Forschungslandschaft ausüben zu können, scheint mir aber dennoch deutlich erkennbar zu sein.

Auf der anderen Seite dieser Gleichung steht natürlich die erkennbar starke Ausrichtung der Forschungsziele an den Bedürfnissen der Wirtschaft in den Programmen von CDU/CSU und FDP, die ebenfalls eher suboptimal ist. Das „klassische Ideal“ der Forschungsförderung – ein grundfinanziertes Wissenschaftssystem legt eigeständig fest, welche Forschungsziele verfolgt werden sollen – ist da für mich noch am ehesten bei der FDP und bei den Piraten erkennbar.

Und noch eine kleine persönliche Anmerkung zum Thema Frauenquoten in der Forschung: Die Diskriminierung von Frauen im Wissenschaftsbereich muss natürlich ausgemerzt werden – das ist überhaupt keine Frage. Immer dann, wenn ein weniger talentierter und weniger engagierter Wissenschaftler nur aufgrund seinen Geschlechts einer stärkeren Kollegin vorgezogen wird, wird wertvolles Potential verschwendet und die Forschungslandschaft insgesamt geschwächt. Diese Diskriminierung ausgerechnet auf Basis von starren Quoten (50%) beenden zu wollen, scheint mir jedoch eine äußerst ungeschickte Herangehensweise zu sein, da ein starres Quotensystem ja nur dann die besten Ergebnisse erbringt, wenn die 10 besten von 100 Bewerbern auf die 10 Plätze eines wissenschaftlichen Gremiums zufällig 5 Männer und 5 Frauen sind. Ist dies nicht der Fall, führt auch eine starre Quote wieder zu einer Fehlallokation von Talent, wenn auch vielleicht zu einer weniger gravierenden als in einem Szenario ohne jede Quote, dafür jedoch mit erheblicher Geschlechterdiskriminierung. Vom theoretischen Optimum wären wir mit einem solchen Quotensystem also noch weit entfernt – und würden zugleich neue Ungerechtigkeiten produzieren.

Wie beurteilen die geschätzten Leserinnen und Leser die Programme? Sollte es die Aufgabe der Politik sein, in die inhaltliche Ausrichtung der Hochschulforschung einzugreifen und bestimmte Themen zu blocken bzw. verstärkt zu fördern? Gibt es überhaupt einen Grund, zukünftig noch am Kooperationsverbot festzuhalten? Wie kommt es, dass die Programme der Bundesparteien derart unterschiedlich viel Gewicht auf das Thema Forschung legen (in den Programmen von LINKEN und Piraten kommt das Thema kaum vor, bei den Grünen dagegen nimmt es enorm viel Platz ein)? Und braucht die Wissenschaft eine verbindliche Frauenquote?

Und nicht vergessen: Wer nicht zur Wahl geht, darf hinterher auch nicht jammern!

Kommentare (15)

  1. #1 Stephan Matthiesen
    15. September 2013

    “Tierversuche an menschlichen Primaten sollen vollständig verboten, Tierversuche mit nichtmenschlichen Primaten weitgehend eingeschränkt werden.” – ja, also, ich will doch sehr hoffen, dass man an menschlichen Primaten nur mit deren expliziter Einwilligung Versuche unternimmt. 🙂

    Gemeint war wahrscheinlich: “Tierversuche an nichtmenschlichen Primaten sollen vollständig verboten, Tierversuche mit anderen Tieren weitgehend eingeschränkt werden.”

  2. #2 Turi
    15. September 2013

    Erstmal: Ich finde, Politik sollte kaum Einfluss auf Forschungsthemen haben, alleine schon, um soetwas nicht mehr lesen zu müssen:
    “Für Forschung im Kernenergiebereich inkl. Kernfusionsforschung soll es keinerlei öffentliche Fördermittel mehr geben. Dies schließt auch den Ausstieg aus ITER und EURATOM ein.”. Weil Atomkraftwerke auch nach einem Ausstieg sich nicht in Luft auflösen. Und Kernfusion nicht selten ökologisch sogar besser verträglich ist als bestimme Methoden der erneuerbaren Energien.

    Oder gar sowas:
    Für den Nachweis der Wirksamkeit von sogenannter Komplementärmedizin bzw. für die Entwicklung entsprechender Nachweismethoden sollen öffentliche Mittel bereitgestellt werden.
    Es gibt die Nachweismethoden schon. Sie wurden angewandt und haben negative Ergebnisse gebracht. Damit muss man sich halt irgendwann auch mal abfinden.

    Und zur Frauenquote: Eine Quote wird ja nicht über ein Gremium gemittelt, sondern über alle Führungspositonen einer Universität. Und da sollten genug Stellen zusammen kommen, um eine Situation wie im Beispiel zu vermeiden. Ich bin durchaus für eine Frauenquote mit mindestens 40%.

  3. #3 michael
    15. September 2013

    > Wer nicht zur Wahl geht, darf hinterher auch nicht jammern!

    Natürlich darf er jammern: “Hätt ich doch gewählt, hätt ich doch gewählt, … Dann wär die FDP nicht mehr im Parlament vertreten und die CDU eine Oppositionspartei.”

    Ansonsten darf und soll die Regierung natürlich Forschungsschwerpunkte setzen. Ich find es nur schade, dass niemand mehr die Merkel zum Mond schiessen will. Raumfahrt ist wohl momentan nicht so angesagt.

  4. #4 enbeh
    16. September 2013

    Zum Parteiprogramm der Grünen schreibst Du:

    Tierversuche an menschlichen Primaten sollen vollständig verboten, Tierversuche mit nichtmenschlichen Primaten weitgehend eingeschränkt werden..

    Das wundert mich, denn menschliche Primaten sind meines Wissens Menschen. Tierversuche an Menschen sollen verboten werden? Im Original des Wahlprogramms steht hierzu allerdings (S. 112):

    Versuche an Menschenaffen wollen wir strikt
    verbieten. Wir streben ein weitgehendes Verbot von Versuchen an nicht menschlichen Primaten an.p>

    Also keine Experimente an Schimpansen etc. und weitestgehend keine Experimente an Makaken und Rhesusaffen.

  5. #5 Havok
    16. September 2013

    @enbeh:

    Deine besserwisserische Kritik ging leider ins Leere. Schimpansen, Gorillas, Orang-Utans gehören EBENSO wie Menschen in die Familie der Menschenaffen (Hominidae) und werden dadurch von anderen (nicht-menschenähnlichen) Primaten unterschieden.
    Insofern ist Christians Formulierung durchaus richtig.

  6. #6 Andreas
    16. September 2013

    Herr Reinboth, wie sähe denn Ihr “Wahlprogramm” zum Thema Forschungsförderung aus? Welche konkreten Maßnahmen kann die Politik aus Ihrer Sicht ergreifen, um die Situation zu verbessern?

  7. #7 michael
    17. September 2013

    Interessanter wäre es zu vergeicheln, was eine Partei angekündigt hat und was sie nacher in der Regierung umgesetzt hat.

  8. #8 Spritkopf
    19. September 2013

    Ich erlaube mir, die entsprechende Passage aus dem grünen Wahlprogramm nochmal zu zitieren:

    Anstatt Geld für die kerntechnische Transmutation und das Kernfusionsprojekt ITER zu verschleudern, werden wir öffentliche Forschungsmittel für Transformationsforschung einsetzen, die technologische Innovationen und die gesellschaftliche Verankerung der Energiewende unterstützt.

    Wieviel Geld gibt der deutsche Staat jährlich für ITER aus, also ein Projekt, welches geeignet ist, die Energieprobleme der Menschheit ein für allemal zu lösen und Kernspaltungsreaktoren sowie auf fossilen Brennstoffen basierende Kraftwerke kurzfristig überflüssig zu machen? Antwort: Etwa genausoviel, wie die Parteien (also auch die Grünen) an jährlicher Staatsfinanzierung erhalten, rund 100 – 150 Millionen EUR.

    Die Grünen sind für mich allein schon für diese sagenhafte Dummheit unwählbar.

  9. #9 Eheran
    20. September 2013

    Spritkopf, dem ich wohl nichts hinzuzufügen.
    Aber mit einer Frauenquote und Förderung für Alternativmedizin toppen sie das ganze nochmal.
    Ebenso die Linke.

    Dem hingegen:
    “Forschung sollte ebenso wie Bildung möglichst wenigen Beschränkungen unterliegen”
    Kann ich uneingeschränkt zustimmen.
    Eine stark gegenteilige Entwicklung ist aktuell leider der Fall.

  10. #10 Orci
    20. September 2013

    Ich würde von ITER nicht zu viel erwarten. Die Anlage ist kein Demonstrationskraft (Das passenderweise unter dem Namen DEMO diskutiert wird), sondern soll insbesondere der Materialforschung dienen und zum ersten Mal den Break-Even-Point (Was die thermische Energiebilanz angeht) erreichen. Und das auch erst nach 2020 (2018 war bei Planungsbeginn in den 90er Jahren angepeilt, die Vorstellung kann allerdings getrost begraben werden), DEMO vermutlich nicht vor 2050. Also leider auchn nicht besonders kurzfristig. Und auch dann sind wir vom ersten wirtschaftlich arbeitenden Kraftwerk noch mindestens ein, eher zwei Jahrzehnte entfernt. Ich denke nicht, dass ich Kernfusionskrafte noch erleben werde – ich würd mich freuen, wenn ich falsch liege.

    Die Wahlprogramme spiegeln was Forschung angeht im Grunde das Bild der Parteien wieder und sind damit stimmig. Schade finde ich, das viele gute Ansätze sich immer mit äußerst fragwürdigen im selben Boot finden müssen – vor allem was die sehr hohen Frauenquoten angeht. Unterm strich könnte man deswegen sagen, das Programm der Piraten gefällt mir am wenigsten schlecht.

  11. […] dritten und letzten Teil meiner kleinen Gegenüberstellung der Bundestags-Wahlprogramme soll es heute – am Vorabend der Bundestagswahl – um ein Problem […]

  12. #12 Spritkopf
    21. September 2013

    Die Anlage ist kein Demonstrationskraft (Das passenderweise unter dem Namen DEMO diskutiert wird), sondern soll insbesondere der Materialforschung dienen und zum ersten Mal den Break-Even-Point (Was die thermische Energiebilanz angeht) erreichen. Und das auch erst nach 2020

    Orci, weiß ich ja auch. Das Wort “kurzfristig” bezog sich bei mir auch eher auf den Moment, in dem Fusionsreaktoren einsatzbereit für den Produktionsbetrieb sind. Dass dies noch mehrere Jahrzehnte dauern wird, ist mir bewußt.

    Ich will auch keinen Forschungsreaktor, der nur für den PR-Effekt eine positive Energiebilanz hat. ITER sollte allein zur Wissensgewinnung dienen und je besser er diesen Zweck erfüllen kann, umso sinnvoller. Es mag ja sogar sein, dass man in der Zukunft von der Tokamak-Bauart wie beim ITER abkommt und stattdessen das Stellarator-Design sich als geeigneter erweist. Wichtig ist, dass wir mit ITER etwas darüber lernen, wie eine gesteuerte Kernfusion ablaufen kann und welche Materialien wir dafür benötigen, egal welcher Bauart ein späterer Produktionsreaktor sein wird.

    Wir müssen aber weiter forschen, denn von allein wird die Technologie für Fusionsreaktoren nicht produktionsfähig. Und die Gelder, die wir einsetzen, sind – verglichen mit dem, was wir mit der Fusionstechnologie erreichen wollen – wirklich Peanuts. Wobei ich den starken Verdacht hege, dass es nicht das Geld ist, was die Grünen am ITER auszusetzen haben. Es ist das schlimme A-Wort.

  13. #13 Orci
    22. September 2013

    Sätze wie “Ein Projekt, das geeignet ist die Energieprobleme der Menschein ein für allemal zu lösen und (…) kurzfristig überflüssig zu machen.” klingen sicher nicht nur für meine Ohren weit weniger zurückhaltend.

    Ich finde allgemein, dass Leuchtturmprojekte zu heiß diskutiert werden und zu viele Erwartungen wecken – vor einiger Zeit hab ich dazu ein schönes Buch namens “weiße Elefanten” gelesen. Kann ich empfehlen.

  14. #14 Spritkopf
    23. September 2013

    Ich finde allgemein, dass Leuchtturmprojekte zu heiß diskutiert werden und zu viele Erwartungen wecken – vor einiger Zeit hab ich dazu ein schönes Buch namens “weiße Elefanten” gelesen.

    Ich gestehe dir zu, dass ich bei multinationalen Unternehmungen immer ein blödes Gefühl habe, weil sich in solchen schnell massive Hürden in Form von Eifersüchteleien und kleinlichen und von nationalen Egoismen geprägten Verteilungskämpfen einstellen. Haben wir ja nicht zuletzt beim Airbuskonsortium erlebt.

    Meine Frage an dich wäre jetzt nur, ob die Alternative lauten soll, ein Forschungsprojekt wie ITER auf rein nationaler Ebene zu stemmen oder ob wir die Bemühungen, einen Kernfusionsreaktor zu bauen, gleich ganz einstellen, so wie es die Grünen planten.

  15. #15 Orci
    23. September 2013

    Gute Frage. Wenn ich Entscheidungsträger wäre, stünde ich vor der paradoxen Situation, ein Projekt unterstützen zu wollen, von dem ich der Meinung bin, dass es erst dann Ergebnisse liefern wird, wenn man sie nicht mehr braucht bzw. Alternativen dazu besser umsetzbar sind – wir reden über 40 Jahre, bis das erste Demonstrationskraftwer steht, über 60 Jahre bis zur Kommerzialisierung. Ich bin der Meinung, ITER sollte unterstützt werden und der immerhin knapp zweistellige Eurobetrag, der dafür jedes Jahr aus meiner Tasche gezogen wird ist mir dabei wohl bewusst. Trotz dessen bin ich nicht der Meinung, das Kernfusionskraftwerke die Zukunft darstellen. Ich bin durchaus der Meinung, dass der deutsche Weg mittelfristig gut und richtig ist. In den letzten zehn Jahren hat sich auf vielen Gebieten eine Menge getan – ein Beispiel, das zwar nicht ganz passt, aber stille Revolutionen verdeutlicht, ist der Sanyo Eneloop. Ein Akku für den Haushalt mit so geringer Selbstentladung war eine Sensation, die kaum jemand bemerkt hat und die heute selbstverständlich ist.

    Für ITER zu sein, obwohl den Optimismus bezüglich seines Sinns nicht teile ist natürlich widersprüchlich – aber vielleicht damit zu erklären, dass ich für Grundlagenforschung bin, wenn sie uns irgendwie weiterbringen kann und unsere Gesellschaft reich und leistungsfähig genug ist, sie zu betreiben. Und das ist sie allemal.