Eigentlich schade, wenn so lang und überzeugend geglaubte Erkenntnisse dann plötzlich als legenden entlarvt werden. Worum es geht? Um die Augenflecken der Schmetterlinge, vom Pfauenauge bis zum blauschillernden Morphofalter. Eineinhalb Jahrhunderte hatte man fest geglaubt, dass diese runden Flecke die Augen größerer Raubtiere vortäuschen sollen. Klang ja auch total plausibel. Doch der britische Zoologe Martin Stevens hat mit seinen Kollegen Chloe Hardman und Claire Stubbins die Theorie mal getestet, und fand heraus: Es ist nicht die “Augenartigkeit”, die diesen Flecken eine Schutzwirkung verleiht, sondern lediglich die Auffälligkeit (Artikel wird in der nächsten Ausgabe von “Bevavioural Science” erscheinen).


Stevens und seine Kolleginnen hatten Motten-Attrappen aus Papier – die natürlich mit einer schönen Made schmackhaft gemacht werden mussten – mit verschiedenen Warnmustern getestet: nicht nur mehr oder weniger überzeugend simulierte Augenflecken, sondern auch Blockstreifen oder Quadrate. Resultat: Die Form spielte keine Rolle, eher schon die Größe und die Zahl – je mehr, je besser. Entscheidend sei gewesen, so erklären die Forscher, dass die Muster besonders auffällig waren; ob sie realistisch Augenpaare simulierten, hatte sich bei ihrem Experiment in den Wäldern von Cambridgeshire als nebensächlich erwiesen.

Ich werde mich zwar hüten, bei meinem nächsten Besuch in einem Schmetterlings-Pavillon (der im American Muesum of Natural History ist vor allem im Winter ein echter Anziehungspunkt) den Falter-Fans diese Erkenntnis unter die Augen zu reiben; die Diskussion ist erst Mal Sache der Lepidopterologen untereinander. Was mich an der Geschichte eigentlich fasziniert ist der Gedanke, dass es sich immer wieder lohnt, selbst die plausibelsten und längst generell anerkannten Erklärungen einer wissenschaftlichen Prüfung zu unterziehen.

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