Aus der Ferne kriege ich hier ja sporadisch mit, dass sich manche deutsche Politiker offenbar ein Bildungssystem wie die USA wünschen, wo staatliche Colleges und Universitäten mit privaten konkurrieren. Ich bin eh’ kein Fan des Marktes, wenn’s um Bildung geht (sie sollte ein Grundrecht sein, kein Privileg) – aber wenn man sich den neuesten Hochschul-Bericht des National Center for Public Policy and Higher Education anschaut, dann kann einem schon leicht das Grausen kommen.

i-bb8989853e202d1bb395be634aece146-StudienkostenUSA.jpg

Nicht nur, weil die Kosten eines Studiums für die Masse der Amerikaner bald nicht mehr tragbar sein werden: Inflationsbereinigt sind sie seit 1982 um 439 Prozent gestiegen, während die Realeinkommen im gleichen Zeitraum nur um 147 Prozent wuchsen und selbst das Studium an einer öffentlichen (= staatlichen) Hochschule – in das ja neben den reinen Studiengebühren vor allem noch die zumindest im Grundstudium obligatorische Unterkunft im Wohnheim eingerechnet werden muss – inzwischen mehr als 28 Prozent des durchschnittlichen Familieneinkommens verzehrt (private Unis: 76 Prozent). Und nicht nur, weil selbst Studienbeihilfen (die sowohl an staatlichen als auch den meiste privaten Unis gewährt werden) nicht verhindern können, dass für immer mehr junge Amerikaner ein Studium entweder unerschwinglich wird oder in einer Schuldenlast endet, die selbst deutsche Hypothekenabzahler noch schaudern ließe.

Sondern vor allem, weil dieser Bericht zeigt, wie schlecht wir Deutschen, trotz eines allgemein verfügbaren öffentlichen Bildungssystems, im internationalen Vergleich da stehen:

i-f51f3577f96dd1466270b395eb666a4a-Studienstatistik.jpg

Vielleicht bin ich ja schon zu lange aus dem “Geschäft” der Bildung draußen und habe also nur vergessen, dass das eigentliche Ziel der deutschen Gymnasien und Universitäten sein soll, eine Elite der besser Gebildeten zu schaffen. Filterung statt Förderung, wenn man so will. Und gaaanz weit hinten in meinem Gedächtnis lungern tatsächlich noch so ein paar Erinnerungsfetzen an eine gewisse soziale Abiturienten-Arroganz herum, die mir, als Abkömmling der Arbeiterklasse (alter Schnee, ich weiß – aber in den 60-er und 70-er Jahren war dies jedenfalls noch ein relevantes gesellschaftliches Merkmal), schon damals gewaltig gegen den Strich ging. Aber Bildung sollte, wie gesagt, kein Privileg sein, sondern ein Grundrecht. Und schon gar nicht etwas, das für Normalverdiener unerschwinglich wird.

flattr this!

Kommentare (15)

  1. #1 Soziobloge
    4. Dezember 2008

    Wenn ich mich recht erinnere hat Bourdieu gesagt, dass durch die Zunahme der Studenten eine Titelinflation stattfindet, die das den Status der Eliten gefärdet und deren recht hohen Investitionen in Bildung gefärdet. Wenn das stimmt, wäre es nur logisch, wenn die Elite dafür sorgen will, dass Bildung teurer wird, so dass die Masse sich nicht mehr so hohe Abschlüsse leisten kann und damit ihre Rendite aus der Investition Bildung steigt.

    Wenn ich mir die Reden der Politiker so anhöre zum Thema Bildung und dann sehe was getan wird, dann kommt mir manchmal der Verdacht, dass diese Theorie stimmen könnte…

  2. #2 Tim
    4. Dezember 2008

    Ich bin eh’ kein Fan des Marktes, wenn’s um Bildung geht (sie sollte ein Grundrecht sein, kein Privileg)
    Bis zum Schulabschluß muß Bildung ein Grundrecht sein – d’accord. Ein Hochschulstudium ist aber vor allem eine Investition in die eigene berufliche Zukunft. Warum diese Investition praktisch ausschließlich von der Allgemeinheit getragen werden soll, läßt sich kaum plausibel begründen.

  3. #3 Joerg
    4. Dezember 2008

    “Warum diese Investition praktisch ausschließlich von der Allgemeinheit getragen werden soll, läßt sich kaum plausibel begründen.”

    War Deutschland nicht mal das Land der Dichter und Denker? Ist es jetzt doch Arbeiter- und Bauernstaat?

  4. #4 Jürgen Schönstein
    4. Dezember 2008

    @Tim
    Warum diese Investition praktisch ausschließlich von der Allgemeinheit getragen werden soll, läßt sich kaum plausibel begründen.
    Doch, lässt sich: Weil der höchstmögliche Bildungsabschluss idealer Weise nur von der Begabung, nicht vom Geldbeutel bestimmt werden sollte. Dann, und nur dann, werden diese Ressourcen am nutzbringendsten genutzt. Und dass dies ein wichtiger Faktor ist, habe ich in meiner eigenen Familie erlebt: Der Bildungs- und Wissenshunger meines Vaters, der bei Ende des 2. Weltkrieges 14 Jahre alt war, musste ungestillt bleiben, weil es damals noch keine Lernmittelfreiheit gab und die achtköpfige Familie das Einkommen, das er als Lehrling (das war damals noch der politisch korrekte Begriff) verdienen konnte, dringend brauchte. Dass er sowohl die Intelligenz als auch den Lernwillen gehabt hätte, um ein akademisches Studium zu meistern, kann ich hingegen aus eigener Erfahrung gut genug beurteilen.

  5. #5 Tim
    4. Dezember 2008

    @Joerg
    War Deutschland nicht mal das Land der Dichter und Denker?
    Ja. Zu jenen Zeiten verlangten die Professoren übrigens Hörgeld von ihren Studenten.

    @Jürgen Schönsteinh
    Weil der höchstmögliche Bildungsabschluss idealer Weise nur von der Begabung, nicht vom Geldbeutel bestimmt werden sollte.
    Natürlich, aber das hat nichts mit Studiengebühren nichts zu tun. Die soziale Misere der deutschen Hochschulausbildung ist in Kindergarten & Schule begründet. Dort wird leider nicht viel dafür getan, daß Kinder aus sozial schwachen Familien später möglichst große Chancen haben. Wenn Ihre Argumentation stimmte, hätten die deutsche Hochschulen in den vergangenen Jahrzehnten doch zu mehr sozialer Gleichheit beitragen müssen. Genau das ist aber nicht geschehen.

    Was ist denn dagegen einzuwenden, wenn Studienabsolventen ab einem bestimmten Einkommen ihre Studienkosten zurückzahlen müssen? Es gibt da doch wirklich gute Modelle, in denen sehr gut soziale Belange berücksichtigt werden.

    Daß es ungerecht ist, wenn sich eine Elite ihr Studium (und damit ihre Karrierechancen) von der Allgemeinheit bezahlen läßt, liegt doch auf der Hand.

  6. #6 Soziobloge
    4. Dezember 2008

    “War Deutschland nicht mal das Land der Dichter und Denker?
    Ja. Zu jenen Zeiten verlangten die Professoren übrigens Hörgeld von ihren Studenten.”

    Das war ja auch damals wirklich eine Elite. Oder kennt jemand millionen akademisch ausgebildete Dichter und Denker aus dem 17/18. Jahrhundert?

    Wenn akademische Ausbildung zu einem Massenphänomen wird, dann isgt das für mich keine Elite mehr. Es ist ja auch nicht so, dass die Gesellschaft nicht davon profitieren würde. Wenn wir nur noch Arbeiter und Bauern hätten, dann hätte man besser direkt den Morgentauplan umgesetzt. Im übrigen sinkt die individuelle Karrierechance je mehr Akademiker es gibt.

  7. #7 David Marjanović
    4. Dezember 2008

    Ein Hochschulstudium ist aber vor allem eine Investition in die eigene berufliche Zukunft.

    Wirklich?

    Nicht eine Investition in die Zukunft der Menschheit oder sowas?

    Warum diese Investition praktisch ausschließlich von der Allgemeinheit getragen werden soll, läßt sich kaum plausibel begründen.

    Sie wird nicht von der Allgemeinheit getragen. Wer ein Studium abschließt, kriegt mit höherer Wahrscheinlichkeit eine gutbezahlte Arbeit und zahlt dann mehr an Einkommensteuer, als die Ausbildung gekostet hat.

  8. #8 Tim
    4. Dezember 2008

    @ David Marjanović
    Wer ein Studium abschließt, kriegt mit höherer Wahrscheinlichkeit eine gutbezahlte Arbeit und zahlt dann mehr an Einkommensteuer, als die Ausbildung gekostet hat.

    Mit dem Argument könnte man übrigens bequem noch ganz andere staatliche Zahlungen rechtfertigen, zum Beispiel staatlich finanzierte Investitionen in privatwirtschaftlich genutzte Produktionsanlagen. Warum dann überhaupt noch Dinge privat finanzieren?

    Aber mal im Ernst: Niemand hier bestreitet, daß eine gute Hochschulausbildung auch gesellschaftlich wichtig ist. Der Punkt ist aber, daß der einzelne Student natürlich am meisten von seiner Ausbildung profitiert. Und das sollte sich meiner Meinung nach in einer erheblichen Beteilung an seinen Studienkosten ausdrücken. Mich würde mal interessieren, welches plausible Argument denn dagegen spräche?

  9. #9 Soziobloge
    4. Dezember 2008

    “Der Punkt ist aber, daß der einzelne Student natürlich am meisten von seiner Ausbildung profitiert.”

    Mal abgesehen von der schwierigen Messbarkeit von “profitieren”, würde ich ja gerne mal harte Zahlen dazu haben. Denn für so “natürlich” halte ich das nicht.

  10. #10 Tim
    5. Dezember 2008

    Mal abgesehen von der schwierigen Messbarkeit von “profitieren”, würde ich ja gerne mal harte Zahlen dazu haben.

    Ich auch. Momentan zahlt ja die Allgemeinheit fast 100 % der Studienkosten, ohne daß ihr dafür eine Begründung geliefert würde.

    Denn für so “natürlich” halte ich das nicht.

    Nun, ein Studienabsolvent erzielt i.d.R. ein höheres Einkommen als andere Arbeitnehmer. Ein Teil des Einkommensunterschieds (wohl <40 %) geht über Steuern etc. zurück an die Allgemeinheit, der (überwiegende) Rest bleibt bei ihm. Sie können diese Rechnung natürlich beliebig komplex machen und noch berücksichtigen, daß Hochschulabsolventen seltener arbeitslos sind, dafür häufiger (subventionierte) Kultureinrichtungen besuchen usw.

    Es bleibt aber die Tatsache, daß ein Hochschulabsolvent heute nur vielleicht 10 % seiner Studienkosten gezahlt hat, aber sicher mehr als 10 % der (finanziellen) Vorteile seines Studiums einfährt.

    Was ist daran sozial gerecht?

  11. #11 Tim
    5. Dezember 2008

    Mal abgesehen von der schwierigen Messbarkeit von “profitieren”, würde ich ja gerne mal harte Zahlen dazu haben.

    Ich auch. Momentan zahlt ja die Allgemeinheit fast 100 % der Studienkosten, ohne daß ihr dafür eine Begründung geliefert würde.

    Denn für so “natürlich” halte ich das nicht.

    Nun, ein Studienabsolvent erzielt i.d.R. ein höheres Einkommen als andere Arbeitnehmer. Ein Teil des Einkommensunterschieds (wohl weniger als 40 %) geht über Steuern etc. zurück an die Allgemeinheit, der (überwiegende) Rest bleibt bei ihm. Sie können diese Rechnung natürlich beliebig komplex machen und noch berücksichtigen, daß Hochschulabsolventen seltener arbeitslos sind, dafür häufiger (subventionierte) Kultureinrichtungen besuchen usw.

    Es bleibt aber die Tatsache, daß ein Hochschulabsolvent heute nur vielleicht 10 % seiner Studienkosten gezahlt hat, aber sicher mehr als 10 % der (finanziellen) Vorteile seines Studiums einfährt.

    Was ist daran sozial gerecht?

  12. #12 Ludmila
    5. Dezember 2008

    @Tim: Ich hab mein Studium angefangen, ohne Bafög beziehen zu können. Weil ich aus einer sozial schwachen Familie stammte, wo noch diverse Komplikationen dazu kamen.

    Stipendien hatte ich beantragt, aber der Wettbewerb war hart, ich noch sehr unerfahren. Ich bekam also keins. Wenn dann noch Studiengebühren dazugekommen wären, hätte das für mich das Aus bedeutet. Und ich hatte einen verdammt gutem Abidurchschnitt.

    Wir haben bereits prozentuell gesehen, eine ziemlich niedrige Akademiker-Quote. Alle wissen, dass es gerade an technischen Berufen mangelt. Wir können es uns schlicht nicht leisten, die Hürden noch höher zu hängen. Ich zahle gerne nach dem Studium mein Bafög zurück, was ich nach einem Jahr dann doch erhielt. Aber es war ein verdammt hartes Jahr.

    Als Student ist es gerade jungen Menschen aus sozial schwachen Familien kaum zumutbar sich direkt mit der Frage rumzuplagen, ob man sich das Studium überhaupt leisten kann. Es ist schon hart genug sich vorher da überhaupt hochzuarbeiten. Was soll denn daran gerecht sein, willigen und begabten Leuten unnötige Steine in den Weg zu legen?

  13. #13 Tim
    5. Dezember 2008

    @Ludmilla:
    Als Student ist es gerade jungen Menschen aus sozial schwachen Familien kaum zumutbar sich direkt mit der Frage rumzuplagen, ob man sich das Studium überhaupt leisten kann. Es ist schon hart genug sich vorher da überhaupt hochzuarbeiten. Was soll denn daran gerecht sein, willigen und begabten Leuten unnötige Steine in den Weg zu legen?

    Ich staune immer wieder, daß das momentane System (= Umverteilung nach oben) als gerecht und Studiengebühren pauschal als ungerecht gesehen werden. Diesen Reflex begreife ich nicht.

    Was bitte spricht gegen folgendes System: Ein Student studiert an einer Hochschule und muß sich zunächst einmal keine Gedanken über die Kosten machen. Sobald er einen Job hat und ein gewisses Einkommen überschreitet, bezahlt er die Kosten seines Studiums ab. Wenn er an der Hochschule bleibt, kann sie ihm die Kosten auch ganz erlassen.

  14. #14 Jürgen Schönstein
    5. Dezember 2008

    @Tim
    Ich würde das momentane System auch nicht als gerecht empfinden. Ein Uni-Ausbildung ist nämlich auch ohne Studiengebühren schon eine enorme finanzielle Belastung, die man sich erst mal leisten (können) muss. Es ist ja nicht so, dass ein Student alle seine Kosten – also auch die für den Lebensunterhalt – auf den “Steuerzahler” (wen immer man sich dann darunter vorstellen mag) abwälzt. Das kleine BAFöG-Darlehen, das ich zum Beispiel erhalten hatte (und das ich durch eigene Studentenjobs sowie dem, was meine Eltern mit Geduld und Liebe zu meinem Unterhalt beisteuerten, ergänzen musste), war eben das – ein Darlehen, das ich ein paar Jahre lang absstottern musste. Und zwar von einem Einkommen, das keineswegs die große Kohle war, auf die man vielleicht hoffen konnte: Wer damals (im München der frühen 80-er Jahre) die akademische Laufbahn einschlagen wollte, konnte schon froh sein, wenn er eine halbe Assistentenstelle mit einem Monatssold von 2800 Mark brutto ergattert hatte. In der freien Wirtschaft war’s nicht viel besser: Mein erstes Monatsgehalt lag bei 2500 Mark, drei Jahre später hatte ich mich immerhin schon auf 4000 Mark – für die Jüngeren: Das sind knapp über 2000 Euro – hocharbeiten können. Umgerechnet wären das unter 12 Euro pro Stunde …

    Aber entscheidend ist doch, was Ludmila gesagt hat: Wir brauchen nicht weniger (allen Elite-Theorien zum Trotz), sondern mehr Akademiker. Mehr gute Akademiker, sollte man vielleicht sagen. Warum sollte man also die materiellen – nicht die geistigen – Einstiegshürden höher legen?

  15. #15 David Marjanović
    9. Dezember 2008

    Ein Student studiert an einer Hochschule und muß sich zunächst einmal keine Gedanken über die Kosten machen. Sobald er einen Job hat und ein gewisses Einkommen überschreitet, bezahlt er die Kosten seines Studiums ab.

    Das gibt es längst in Australien und oft auch den USA. Es bedeutet, dass man sein Berufsleben mit einem irrsinnigen Haufen Schulden beginnt, die man jahre-, oft jahrzehntelang abzahlt. Ist das nicht dumm?

    “Yes, I am an elitist. I love my elite so much that I believe everyone should belong to it.”
    — Werde den Autor bei Gelegenheit nachschlagen.