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Endlich mal wieder Stoff für den Geographen in mir: Zwei Wissenschaftler der Brown University in Providence (Rhode Island) haben sich mal Gedanken gemacht, ob es vielleicht tiefere Wurzeln für die Verteilung des Wohlstands auf der Erde gibt. Dazu kamen David N. Weil und sein Kollege Louis Putterman auf die Idee, diesen Wohlstand – gemessen im Bruttoinlandsprodukt pro Kopf – mit dem kulturgeschichtlichen Hintergrund der Bewohner zu korrelieren; als Indikator wählten sie in insgesamt 160 Ländern den geschätzten Übergang der jeweiligen Kulturen von Jägern und Sammlern zu einer agrarischen Lebensweise. Ihr Fazit: Die ungleiche Verteilung des Wohlstandes hat stammesgeschichtliche Wurzeln. Und die ökonomische Nase vorn haben dabei, versteht sich, die Europäer.

Und damit dieser Effekt nicht durch die großen Wanderungsbewegungen – wie etwa die Kolonisierung Nordamerikas oder Australiens – der Neuzeit verwaschen wird, haben die Forscher als kulturellen Bezugsrahmen nicht die heutigen Lebensräume der Bevölkerung betrachtet, sondern wo die Vorfahren dieser heutigen Bevölkerung vor 500 Jahren lebten. Spätestens damit war der “Heimvorteil” der Europäer zementiert.

Denn da beginnt auch der Punkt, wo ich ein bisschen kalte Füße bei der simplen Korrelation von “ältere Wirtschaftskultur” und “Wohlstand” bekomme. Erstens ist die Definition von Wohlstand = Pro-Kopf-Einkommen eine sehr europäische Sichtweise; bei den Kwakiutl Nordamerikas beispielsweise ist ökonomischer Status noch heute an die Fähigkeit geknüpft, so viel wie möglich verschenken zu können, wie man aktuell in dieser Story über die Tradition des Potlatchs in der New York Times nachlesen kann. Zweitens hat natürlich das Verhalten der Europäer in der Kolonialphase selbst dazu beigetragen, dass indigene Wirtschaften kein Bein auf die Erde bekamen und damit die europäische Wirtschaftsdominanz bis in unser Jahrhundert hinein zementiert.

Diese beiden Faktoren würden meiner Ansicht nach schon genügen, den “ursächlichen” Zusammenhang zwischen dem Übergang in die Agrargesellschaft und dem heutigen Wohlstand zu demontieren. Und wenn es diese Kausaliät tatsächlich gäbe: Warum ist dann der Mittelmeerraum und der Nahe Osten nicht der ökonomisch erfolgreichste der Welt – und umgekehrt: Warum haben dann die Öl-Emirate, in denen es bis heute keine wirklich nachhaltige Agrarkultur gibt, die höchsten Pro-Kopf-Einkommen?

Aber wenigstens ist die Karte schön bunt …

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Kommentare (2)

  1. #1 Arno
    17. Dezember 2008

    Zu dem Thema würde ich “Guns, Germs and Steel” von Jared Diamond empfehlen.

  2. #2 Geographin
    4. Januar 2009

    Warum haben dann die Öl-Emirate, in denen es bis heute keine wirklich nachhaltige Agrarkultur gibt, die höchsten Pro-Kopf-Einkommen?

    Diese spezielle Schwachstelle hätte man womöglich überspielen können, wenn man den Median genommen hätte. Aber Statistik ist wohl nix für Kulturkämpfer, sondern für Langweiler 😉