Nicht, dass mir jemand gleich wieder Ärztebashing vorwirft. Aber was kann ich dafür, wenn ich über die folgende Aussage im Wall Street Journal (in einem Meinungsbeitrag zwar, aber immerhin von der Ärztin Betsy McCaughey, Vorsitzende des von ihr gegründeten Committee to Reduce Infection Deaths) stolpere: Laut einer internen Untersuchung der University of Maryland, so behauptet sie, würden 65 Prozent des medizinischen Personals der Uni ihre weißen Kittel seltener als einmal wöchentlich wechseln, 15 Prozent sogar nur einmal im Monat oder seltener. Angesichts der Tatsache, dass solche Kittel ebenso Krankheitskeime übertragen können wie alle anderen medizinischen “Instrumente”, finde ich solche Zahlen – wie repräsentativ sie sind, darüber will ich noch nicht einmal spekulieren – natürlich beängstigend.

Ich weiß zwar nicht mehr, wie das im deutschen Praxis- und Krankenhausalltag ist. Aber aus eigener Anschauung habe ich wenig Zweifel, dass diese Zahlen weitab der Realität liegen: Überall in den USA ist mir schon aufgefallen, dass Klinik- und Praxispersonal diese “Scrubs” (so nennt man die an Schlafanzüge erinnernden klinischen Uniformen) oft auch nach dem Dienst, auf dem Weg nach Hause noch trägt.

Doch das ist gar nicht der eigentliche Skandal, den ich in dem WSJ-Beitrag entdecke: Ursache für diese mangelnde Hygiene ist offenbar, dass viele US-Krankenhäuser aus Kostengründen den Wasch- und Reinigungsdienst für die Bekleidung des Personals abgeschafft haben. Und ich hätte gedacht, seit Ignaz Semmelweis sei die Notwendigkeit der Hygiene und der Antisepsis im medizinischen Alltag so selbstverständlich geworden wie das Tanken für einen Berufskraftfahrer.

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Kommentare (4)

  1. #1 GeMa
    9. Januar 2009

    Zuwenig und gestresstes Personal (Kostengründe) dürfte auch hier die überwiegende Ursache sein. Da wird schon mal der notwendige Schutzkittel nicht gewechselt, sondern zum nächsten Bett gegangen. Ansonsten gibt das sicher ausreichend Kittel (bei uns hat man damals sogar Rückfragen erhalten, wenn auffiel, dass zuwenig pro Woche in der Schmutzwäsche gezählt wurden – die waren alle mit Namen drauf ;-).

    Gedankenlosigkeit gibt es aber auch (man sollte wirklich nicht für möglich halten, wie viele das WC verlassen, ohne dass man das Wasser am nebenhängenden Becken hört ;-).
    Genauso wie richtig gepflegtes Volldeppentum, gepaart mit hierarchischem Kriechertum. Ich erinnere mich noch an einen Vorfall, wo ich einmal eine Person erst hindern konnte, einen auf den Fußboden gefallenen Handschuh nicht nur wieder anzuziehen, sondern zur Tonsillektomie einem Patienten in den Rachen zu stecken, mit der Drohung sturen Eintrags in Protokoll + OP Buch (letzteres kann nicht geändert werden 😉 und sich daraus ergebender Haftungsregelung im E-Fall, so sie nicht stande pede die Dinger auszieht. Vorher wurde rumdiskutiert (!) – wäre ja ne unsterile Sache – und dann versucht, mich mit Hinweis auf die Rangfolge (chefarztverheiratet) “ruhigzustellen”. Deppen darf man immer nur so lange machen lassen, wie sie andere nicht schädigen (könnten). Naja, ich war damals froh, in der Abteilung nur mal kurz zur Vertretung gewesen zu sein ;-), bestimmt hätte es noch mehr solche Vorfälle gegeben – es hatte nämlich kein anderer was gesagt dazu *hüstel*

  2. #2 Popeye
    10. Januar 2009

    In unser Altenheim kommen immer wieder Bewohner aus dem Krankenhaus zurück und erst ein paar Tage später erfahren wir, das sie MRSA haben.
    Es kann auch schon mal vorkommen, das wir zum Wechseln der transurethraler Harnblasenkatheter keine Sets bekommen, sondern Einzelteile, natürlich ohne sterile Handschuhe.
    Ich habe auch noch nie Spinde gesehen, in denen die Trennung von Schwarz- und Weißwäsche möglich ist.

  3. #3 GeMa
    13. Januar 2009

    @Jürgen Schönstein
    Wenn Du Zahlen sehen willst, empfehle ich unter Hartmann Kompendium zu googeln. Von dort aus dann weiter.

  4. #4 vorzeitiger
    31. Januar 2009

    Aber es ist doch so ekelhaft!
    Amerika interessiert mich gar nicht, was aber in deutschen Krankhäusern geht, würde mich sehr interessieren.
    Ärztebashings ist das Letzte, woran man denken solle in der Zeit des immer verschlimmernden Gesundheitszustands der deutschen Bevölkerung.