Als Journalist kann ich fast gar nicht anders, als an die Macht des Wortes zu glauben. An die Macht der Grammatik hingegen hätte ich bisher – abgesehen von der Macht, die sie den Lektoren über die Schreiber geben kann – gar nicht gedacht. Sollte ich aber wohl: Ein Artikel, der in der US-Fachzeitschrift Psychological Science erschienen ist, scheint zu belegen, dass die Verwendung des Präteritum (früher nannte man es das Imperfekt) eine deutliche Steigerung bei Gedächtnisleistungen bewirken kann.

In “What I Was Doing Versus What I Did” beschreiben die Autoren William Hart von der University of Florida und Dolores Albarracin von der University of Ilinois in Urbana-Champaign, dass Testpersonen sich besser an die Details eines von ihnen gespielten Wort-Puzzles erinnern konnten und auch bei einem zweiten Wort-Test besser abschnitten, wenn sie ihre Erinnerungen an den ersten Test im Imperfekt (will heißen: “Ich löste das Rätsel”) aufgeschrieben hatten; eine Vergleichsgruppe, die von den Versuchsleitern angehalten wurde, ihre Erinnerungen im Perfekt – etwa: “ich habe das Rätsel gelöst” – niederzulegen, schnitt hingegen schwächer ab.

Hmm. Ich hätte spontan erst mal argumentiert, dass der Gebrauch des Präteritums eher in den Bereich “gehobenes Sprachniveau” fällt (nicht zufällig begnügt sich die Umganssprache zumeist mit dem Perfekt) und daher mit einem höheren Bildungsgrad der Probanden korreliert. Doch offenbar wurde den Testpersonen die Wahl des Tempus nicht frei gestellt, sondern von den Versuchsleitern vorgegeben – was diesen Effekt, bei korrekter Versuchsanordung (ich berufe mich hier immer nur auf das was ich dem Abstract und der Verlags-Pressemitteilung entnehmen kann, woraus sich dieser Aspekt nicht beurteilen lässt), eigentlich ausschließen müsste.

Die Verfasser der Studie sind jedenfalls überzeugt, dass durch den Gebrauch des Präteritums dem Bewusstsein der Eindruck vermittelt werde, dass der beschriebene Vorgang noch andauere (darum nannten wir es ja auch “Imperfekt”) und daher der Vorgang selbst besser im Bewusstsein verankert werde. In jedem Fall ein Grund mehr, den korrekten Gebrauch des Präteritums in den Schulen zu pauken. Nee, besser noch: ich fordere von jetzt an “Schluss mit dem Perfekt!”

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Kommentare (4)

  1. #1 Gregor
    13. März 2009

    Ich kann nicht sagen, wie es im Englischen ist, aber im Deutschen habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Verwendung des Präteritums den Gegenüber aufhorchen lässt. Das liegt wohl daran, dass er (nach meinem Eindruck) selten geworden ist. Was klingt normaler: “Ich kaufte ein.” oder “Ich habe eingekauft.”? Vielleicht ist es das “Ungewöhnliche”, an das man sich erinnert.

  2. #2 Justus Conrad
    25. April 2009

    Ich fürchte, da kennt der Autor einfach den Unterschied zwischen Imperfekt und Präteritum nicht.
    Das Imperfekt gibt es im Deutschen nicht und gab es auch nie. Nur Aspektsprachen wie eben das Englische haben es und können damit unterscheiden zwischen Tätigkeiten, die in der Vergangenheit begannen und zum Zeitpunkt des berichteten Ereignisses a) abgeschlossen sind oder b) noch andauer(te)n. Eine Unterscheidung wie “I went down the street when suddenly …” und “I was walking down the street when suddenly …” hat das Deutsche (leider) nicht – und damit ist die Erklärung, dass “dem Bewusstsein der Eindruck vermittelt werde, dass der beschriebene Vorgang noch andauere”, nicht aufs Deutsche übertragbar.
    Wenn der Autor glaubt, “Imperfekt” sei eine alte Bezeichnung für “Präteritum”, dann hatte er zu Schulzeiten vermutlich Latein- und Deutschlehrer, die öfter mal ihre Sprachen durcheinander brachten.

  3. #3 rolak
    25. April 2009

    Mal abgesehen davon, daß ich nicht davon ausgehe, daß oben eine Verwechslung stattfand: Was auch immer im Hochdeutschen gelten mag, im Deutschen, speziell im Rheinischen gibt es das Imperfekt (Ich war jrad am büjele, als Tant Lenchen anrief).

  4. #4 Justus Conrad
    25. April 2009

    Stimmt, viele Dialekte haben noch ein reicheres Tempussystem als das Standarddeutsche bewahrt. Dieses habe ich mit “im Deutschen” gemeint (pardon für die Ungenauigkeit), und hierauf lässt sich die oben beschriebene Studie eben nicht übertragen. (Sollte sich der Effekt trotzdem im Stddt. nachweisen lassen, dann folglich nicht mit der gegebenen Begründung – sondern allenfalls damit, dass hiesige Sprecher sich einen Sekundenbruchteil länger auf das Verb konzentrieren müssen, bis sie die immer seltener werdenden Präteritalformen parat haben).