Sorry, dass mir nur diese etwas kryptische Headline einfiel – dieser Post ist zwar ein Nachtrag zu “Legalisiert die H…!”, aber ich will bewusst NICHT das Reizwort H o m ö o p a t h i e erwähnen (auch nicht in den Tags). Das bringt zwar reichlich Klicks und Kommentare, wie ich sehen konnte – aber wenn es mir darauf ankäme, würde ich nicht über Wissenschaft bloggen, sondern über Sport, Promis oder Apple-Gadgets. Jede Diskussion um die H. lockt unweigerlich die Cranks an, die dann der Diskussion jenen unvermeidlichen (und unglaublich unergiebigen) Verlauf geben, den ein Kommenator hier sehr treffend beschrieben hat. Und das will ich hier mal vermeiden (wenn’s denn gelingt). Soviel vorweg.

In einem Kommentar zum oben erwähnten Posting wurde mir – mit Verbalinjurien garniert – vorgeworfen, meine Ausführungen seien ein “Angriff auf die H(…) um sie zu vernichten”. Nichts könnte falscher sein. Denn in der Tat bin ich von Menschen umgeben – Menschen, die mir sehr nahe stehen, die mir lieb und wertvoll sind – die von der Wirkung der H. überzeugt sind. Ich will ihnen diesen Glauben gar nicht nehmen (weil es eben ein Glaube ist – der entzieht sich eigentlich zwangsläufig der rationalen Diskussion) – ich gehe sogar so weit zu sagen, dass ich finde, ein paar h.’ische Mittelchen sollten in jeder “Hausapotheke” stehen (dazu später vielleicht mehr).

Es ist gerade weil ich diesen Menschen ihren Glauben nicht nehmen möchte, dass ich es für erforderlich halte, sie nicht mehr als nötig zu behumsen. Dass man ihnen eben auch das verkauft, was man verspricht – also dass in Bryonia alba D6 auch wirklich der eine Million Mal (und nicht etwa 999.999fach oder 1,1 Millionen Mal) verdünnte Extrakt der Weißen Zaunrübe drin ist, beispielsweise. Oder dass D12 von Egal-was wirklich anders wirkt als C6, das ja als ein anderes Präparat verkauft wird. Und dass die H. wenigstens ihren eigenen inneren Ansprüchen gerecht wird.

Mein Problem mit der H. liegt nicht darin, dass sie existiert – obwohl sie auf einem Gedankengebäude beruht, das nicht nur alle Grundlagen der Chemie und der Physik oder auch das (logische) Prinzip von Ursache und Wirkung negiert, sondern sogar die Mathematik, da laut der H. 1012 1006 sein muss. Vielleicht hatte Samuel Hahnemann ja wirklich ein nützliches Prinzip entdeckt, wer weiß. Die Idee, Gleiches mit Gleichem zu bekämpfen, ist ja im ersten Moment wirklich gar nicht so absurd – sonst gäbe es ja auch keine Impfungen. Und vor zwei Jahrhunderten, als auch die Medizin noch eher Quacksalberei denn Wissenschaft war, mag dies sogar eine echt revolutionäre Erkenntnis gewesen sein.

Aber mit der Entdeckung ist es nicht getan, wie – um mal ein wenig abzuschweifen – das Beispiel von Luigi Galvani (der ein Arzt und Zeitgenosse Hahnemanns war) zeigt: Er hatte zufällig bei seinen Forschungen mit toten Fröschen und Elektrizität entdeckt, dass die Muskeln der Tiere, wenn sie zwischen zwei Metalle gerieten, zu zucken begannen. Seine Interpretation war die “tierische Elektrizität”, die in den Fröschen stecken musste – erst dank Allesandro Volta wissen wir, dass diese Zuckungen nur das Messergebnis einer Redox-Reaktion waren; nur durch Forschung und Weiterentwicklung konnten uns Galvanis Froschschenkel eine Welt voller Batterien und Akkus oder auch den Chromglanz unserer Autos bescheren. (Mit der Bitte um Milde an alle Wissenschaftshistoriker geschrieben …)

Wo sind die Forschungsarbeiten, die in einem (leicht durchführbaren) Doppelblindtest die unterschiedlichen Wirkungsweisen von – mathematisch identischen – D- oder C-Verdünnungen beweisen? Wäre es nicht auch für H.’iker nützlich zu wissen, ob es noch einen Unterschied zwischen D24 und D30 gibt (und sei es nur, weil man dann seine “Hausapotheke” rationeller strukturieren kann)? Warum muss man auf dem allen wissenschaftlichen Erkenntnissen widersprechenden Prinzip beharren, dass die Wirkung mit der Verdünnung steiogt, wenn es vielleicht bei D4 oder D6 sogar noch echte, messbare (und medizinisch nutzbare) Effekte geben könnte? Warum will man keine Antwort auf die Frage haben, wie das Wasser “wissen” kann, welche Eigenschaften des “Wirkstoffs” es sich denn nun merken soll? Oder ob, wie viele Anhänger behaupten, die Intention des Produzenten, die sich im Verdünnungsritual manifestieren soll (oder so ähnlich – ich kapier’s leider wirklich nicht), tatsächlich für die Wirkung selbst jenseits des phsyikalisch Möglichen verantwortlich ist. Was ja wichtig zu wissen wäre, denn schließlich werden h.’ische Präparate heute industriell gefertigt – wer kann da schon garantieren, dass immer die richtigen Intentionen (“Vibes” wurde man heute wohl auch sagen) im Raum sind?

Nein, dies sind eigentlich keine Fragen, auf die ich wirklich eine Antwort haben will. Denn inzwischen habe ich – auch aus dem Lesen der einschlägigen Blogkommentare – gelernt, dass Fragen nicht beantwortet werden; denn hier hält’s die H. wie die Religion: Wer fragt, ist ein Häretiker. Heilung ist in der H. eine Glaubenssache.

Und das wäre ja nur halb so schlimm, wenn man es nur zugeben würde. Glaube und Medizin sind ja nicht grundsätzlich inkompatibel – man darf sie nur nicht miteinander verwechseln. Gebet und Medizin sind sicher auch für die meisten Ärzte ok oder gar (kenn ich einige) absolut normal – Gebet statt Medizin ist im besten Fall naiv und im schlimmsten Fall tödlich. Wer will, kann hier nun statt “Gebet” jede andere spirituelle (und hierzu kann man eigentlich nur die H. zählen) “Heilungsmethode” einsetzen. Oder auch das Pusten aufs Wehwehchen …

Und hier komme ich nun auf meinen Satz von oben zurück, dass ein paar Globuli durchaus einen Platz in der Hausapotheke haben sollten. Sie sind nicht mehr, aber halt auch nicht weniger als Placebos, und sollten auch nur als solche verstanden werden. Jaja, ich weiß, dass wir diese Debatte auch schon erfolglos geführt haben und ich damit oft im Widerspruch zu anderen Sciencebloggern und vielen Kommentatoren stehe. Aber unterm Strich bleibt, dass Placebos manchmal nützlich sein können. Oder was haben Ärzte wohl im Sinn, wenn sie – was ich übrigens sehr lobenswert finde – einem Patienten erklären: “Damit kommt Ihr Körper eigentlich von alleine zurecht, aber ich kann Ihnen, wenn Sie wollen, auch etwas verschreiben”? Selbst der Arztbesuch an sich kann schon einen Placebo-Effekt haben – wer fühlt sich nicht schon alleine deshalb besser, weil er weiß, dass ihm nicht wirklich etwas fehlt oder dass das, was ihm fehlt, nichts wirklich Schlimmes ist? Manchmal ist so ein Zuversichts-Booster nicht das Schlechteste, was man seinem Körper geben kann.

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Kommentare (2)

  1. #1 E. Soterik
    14. Mai 2009

    “Wäre es nicht auch für H.’iker nützlich zu wissen, ob es noch einen Unterschied zwischen D24 und D30 gibt?”

    wozu? der glaube genügt vollauf. im schlimmsten fall würde (wieder einmal) herauskommen, daß es keinen unterschied, weil keine (über placebo) wirkung gibt.

    und hier liegt m.e. der größte irrtum im zusammenhang mit HP:

    es wird geglaubt und vor allem von HP kommuniziert, placebos wären wirkungslos. aber das sind sie nicht. im gegenteil. placebo und nocebo können ganz erstaunliche effekte zeitigen.
    natürlich haben sowohl homöopathen als auch ihre kundschaft ein existenzielles interesse an solcherlei win-win-fehlinformationen. der kranke möchte mit seinen beschwerden ernst genommen werden, ein “richtiges” mittel und nicht als eingebildter kranker oder psychosomatischer fall mit scheinmedikamenten abspeist werden. der behandler möchte natürlich als kompetent und mit speziellen fachkenntissen ausgestattet eine ernsthafte heilkunde ausüben und nicht nur wasser mit hokuspokus verordnen. den heilerfolg verbuchen beide für sich: der behandler, weil er so kompetent und das mittel so wirksam ist, der nunmehr gesunde, weil er eine alternative heilmethode und einen echten experten konsultiert hat. würde er zugeben, durch ein scheinmedikament geheilt worden zu sein, wie stünde er da?

  2. #2 Andrea N.D.
    14. Mai 2009

    Ein gelungener Artikel zu dem viel diskutierten Thema, vielen Dank!