… fielen mir wieder ein, als ich eine Pressemitteilung über das Paper “Remembering instructors: play, pain and pedagogy” las, die der kanadische Sportpädagogik-Professor Billy Strean von der Sportwissenschaftlichen Fakultät der University of Alberta, Edmonton, in der November-Ausgabe von Qualitative Research in Sport and Exercise veröffentlicht hat. Streans Aufsatz – wie der Titel der Zeitschrift schon ahnen lässt, kein Produkt ausführlicher quantitativer Analysen und daher wohl eher am Rand dessen anzusiedeln, was wir hier bei den Scienceblogs noch als wissenschaftlich ansehen, na wennschon – behandelt nämlich nicht nur die Erziehungserfolge, die positiv eingestellte Lehrer bei ihren Schülern erzielen können, sondern vor allem auch die beobachtbare Tatsache, dass falsche Lehrmethoden in den Schülern eine lebenslange Abneigung gegen das erzeugen können, was ihnen da eigentlich mitgegeben wird.

Dies ist sicher auf jegliche pädagogische Anstrengung übertragbar, wird aber halt nirgends so deutlich wie bei der “Leibeserziehung” (sagt man das heute eigentlich noch? Für mich klang das immer wie eine Strafe …) Nirgendwo ist das Nicht-Leisten-Können augenscheinlicher als im Sport, wie jeder weiß, der – sei es wegen Übergewicht, unterentwickeltem Muskeltonus oder einfach nur, wie in meinem Fall, einer kinetischen Unterbegabung – wie ein Sack am Reck hing oder auf der Aschenbahn hinter allen her keuchte. Und nichts ist demütigender als wenn dies von abfälligen Kommentaren des Sportpädagogen begleitet wird (was, wie ich nach Streans Arbeit nun vermuten darf, eben nicht nur in meiner subjektiven Erfahrung oft der Fall ist).

Aber wie gesagt, Streans Erkenntnis ist sicher auch auf jeglichen Unterricht übertragbar: Lernen funktioniert am besten, wenn die Sache Spaß macht. Und Lernen funktioniert bestimmt nicht, wenn einem die Sache vergällt wird. Schlechte Noten mögen in unserem System aus Gründen der Leistungserfassung unvermeidlich sein – aber ihren pädgogischen Wert darf man zumindest anzweifeln (ich würde ihn sogar kategorisch bestreiten). Die Behauptung, eine Fünf in Mathe sei ja nur ein Signal an den Schüler, sich mehr anzustrengen, entbehrt nach meiner persönlichen Schulerfahrung jeglicher Grundlage.

Auf all das könnte man auch ganz ohne wissenschaftliche Anstrengung kommen – ein bisschen Menschenverstand und eine Qäntchen Einfühlungsvermögen würden schon genügen. Aber ich bin trotzdem dankbar für Streans Paper – es gibt dem, was das Gespür schon sagt, ein akademisches Stützkorsett. Und auch dafür kann Wissenschaft manchmal gut sein.

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Kommentare (4)

  1. #1 Christian A.
    8. Januar 2010

    Das mit dem Sportunterricht kann ich nur bestätigen. Leichtathletik war nie und nimmer mein Fall. Turnen ebenso wenig. Nur die Spiele im Sport waren gut (Fussball, Tischtennis, Badminton etc). Darum war ich froh, als ich später endlich die Kurse aussuchen konnte.

  2. #2 L.
    8. Januar 2010

    Mich erinnert das an einen meiner ehemaligen Sportlehrer, für den ich jetzt nicht die passenden netten Worte finde. Hat mir immer nur 3er oder 4er gegeben, was mich natürlich wahnsinnig motiviert hat. Er hat jedoch die Noten nur nach irgendwelchen Kriterien vergeben, die ich bis heute nicht kenne, denn beim Noten machen ist er gerne eingeschlafen, und einmal hat er sogar vergessen, mir eine Note im Zeugnis zu geben (ich hab dann auch nicht darauf bestanden, dass er mir noch eine gibt. Würfeln kann ich nämlich selbst.).

    Naja, wenn einen der Sportunterricht, der übrigens eines meiner zumindest damals absolut meist gehassten Fächer war, nicht motiviert, dann muss man das eben selbst tun. Als ich dann mal im zum Glück letzten Jahr, in dem ich ihn hatte, beim Coopertest 2,7 km gelaufen bin, hat er mir trotzdem ne 4 gegeben.

    Schön, dass ich ihn in der Oberstufe nicht mehr hatte, wär aber auch egal gewesen, weil man da Sport nicht mehr zählen musste (und in der Oberstufe hatte ich komischerweise dann bessere Noten…)

    War jedenfalls echt extrem demotivierend, und dementsprechend wars mir auch egal, was ich in dem Fach hatte. Und für lange Zeit hab ich Sport dementsprechend auch generell gehasst. Ich glaube aber auch (bzw. hoffe es), dass man so schlechte Leerkörper selten findet.

  3. #3 Jan
    9. Januar 2010

    Wen man in diesem Zusammenhang aber auch nicht vergessen sollte, sind die Mathematiklehrer, die bevorzugt die Schüler an die Tafel rufen, von denen sie schon vorher wissen, das da nichts gutes bei herauskommen kann.

    Meine Frau träumt heute noch davon 😉

  4. #4 Mirko
    14. Januar 2010

    Ich finde auch gerade im Bereich der körperlichen Erziehung und Ertüchtigung in der Schule die Diskrepanz sehr groß. Man vergleiche den langweiligen und misserfolgsbehangenen Sportunterricht mit den vielfältigen sporlichen Angeboten im “echten” Leben. Dort gibt es Yoga, Qi Gong, Jiu Jitsu, Tai Chi, Taekwondo, Unterwasserrugby, Tanzen und so vieles mehr. Viele Kurse sind gut besucht und selbst die meist eintönigen Fitnessstudios sind voll.
    Dabei ist körperliche Bewegung so wichtig, sowohl für ein gesundes Körpergefühl als auch für ein Fithalten des Gehirns (Tanzen ist effektiver als Kreuzworträtsel). Viele Menschen lernen die vielfältigen Möglichkeiten körperlicher Bewegung erst nach der Schule kennen. Das ist pädagogisch eigentlich eine Katastrophe.
    Den Leistungsgedanken kann man aus dem Sport sowieso nicht entfernen. Viele Schüler wollen sich gegenseitig messen (gerade Jungs) und auch die Sportarten (Spiele, Kampfsport) gewinnen dadurch ihren Reiz. Aber der permanente Notendruck bei völlig sinnfreien und auch erzwungenen Übungen ist dem zu fördernden Interesse an körperlicher Bewegung enorm abträglich.
    Man sollte daher nicht nur mehr Angebote (ohne Zwang) zur körperlichen Bewegung machen, sondern auch das Benoten von körperlicher Leistung unterlassen.