Der Drang, Geschichten aus Zeitungen – genauer gesagt, deren Webseiten – an Freunde und Bekannte per E-Mail weiter zu streuen, ist bei mir nicht sehr ausgeprägt. Muss wohl eine altmodische Berufskrankheit sein: Ich glaube halt immer noch, dass Publikation im traditionellen Sinn (durch ein Medium) der “normale” Weg ist, eine Nachricht zu verbreiten. Aber sei’s drum: Ob und wie häufig ein Artikel von Lesern weiter gegeben wird, ist eine wichtige Feedback-Messgröße für Online-Medien. Die Frage ist nur: Was wird eigentlich besonders gerne weiter gereicht, was wird “viral”? Die Antwort darauf haben Jonah Berger und Katherine Milkman, beide von der Wharton School (Wirtschafts-Fakultät) der University of Pennsylvania, anhand der entsrechenden Liste der New York Times untersucht. Ohne in Details zu versinken, lässt sich das Resultat des Papers über Social Transmission and Viral Culture am besten so zusammenfassen: Am “viralsten” sind Geschichten, die den Leser in ehrfürchtiges Erstaunen (“awe” ist das englischen Wort, das hier gebraucht wird) versetzen können. Etwas lockerer ausgedrückt: Sie müssen den Leser umhauen können.

Insgesamt 7500 Times-Artikel wurden für die Studie ausgewertet (ein Webcrawler rief alle 15 Minuten die Liste der am meisten gemailten Storys ab); für die Studie wurden sie unter fünf Gesichtspunkten klasssifiziert: Nutzwert, Erbauung (Positivität), Emotionalität, Überraschungseffekt und eben jener “Awe”-Effekt, den ich hier mal Staun-Faktor nennen will. Und dann ging’s nach der Formel

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(Nicht, dass ich mit dieser Formel viel anfangen könnte – aber sie sieht schon irgendwie cool aus, finde ich.)

Heraus kam dabei, dass der “Awe”-Effekt über alle anderen Emotionen oder Nutzwert-Erwartungen dominiert, die ein Leser mit solchen Artikeln verbinden könnte. Und das hat einen für uns hier interessanten Aspekt, den auch der Times-Kolumnist John Tierney in seinem Artikel über die Studie noch einmal hervor hebt: Es sind überdurchschnittlich oft wissenschaftliche Themen, die diesen Staun-Effekt auslösen. von den Storys, die auf der Homepage standen, wurden im Durchschnitt etwa 20 “viral” – Wissenschaftsthemen erreichten jedoch eine Viral-Quote von rund 30 Prozent. Na, wenn einen diese Erkenntnis nicht umhaut …

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Kommentare (2)

  1. #1 Ulrich Berger
    10. Februar 2010

    Die “Formel” ist ja eigentlich gar keine, sondern eine Schätzgleichung, offenbar eine simple logistische Regression. Das Interessante ist das, was dabei rauskommt, nämlich die Werte und Signifikanz der beta-Parameter.

  2. #2 Kristin
    10. Februar 2010

    Man sollte aber beachten, daß es sich dabei um Leser der NYT handelt. Wie es wohl mit anderen Publikation aussieht?