Wahrscheinlich habe ich im Laufe meines 25-jährigen Journalistendaseins schon mehrere Menschenleben auf dem Gewissen. Nicht wissentlich und nicht absichtlich, doch sicherlich durch so manchen Artikel, den ich im Laufe dieser Zeit produziert habe (vielleicht auch durch manchen Blog-Beitrag hier), und mit dem ich meine Leser gelangweilt habe. Denn Langeweile ist, wie nun wissenschaftlich belegt wurde, auch im wörtlichen Sinn tödlich! Wäre sicher auch eine BILD-Schlagzeile wert. A propos BILD: Aus langjähriger Tätigkeit für dieses Blatt (zwischen 1990 und 2001 war ich als Springer-Korrespondent auch ein BILD-Zulieferer) kann ich zumindest bestätigen, dass es eines nicht ist: langweilig. Ärgerlich oft, marktschreierisch laut und plakativ vereinfacht praktisch immer – aber langweilig eigentlich nie. Doch ich schweife ab …

Das mit der tödlichen Langeweile wird offenbar im Aprilheft des International Journal of Epidemiology veröffentlich; vorab steht der Artikel “Bored to Death?” für Abonnenten schon auf der Webseite abrufbereit. Bin aber kein Abonnent, und 32 Dollar pro Artikel sind jenseits dessen, was ich mir hier leisten kann, also muss ich aus dem zitieren, was offenbar per Pressemitteilung verbreitet wurde. Demnach haben die beiden Autoren der Studie, Annie Britton und Martin Shipley, beide von der School of Life and Medical Sciences am University College London, Daten ausgewertet, die im Rahmen der zweiten Tranche der Whitehall Study, einer Langzeitstudie mit 7500 Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes in Großbritannien, zwischen 1985 und 1988 erhoben worden waren. Eine der Fragen war, ob sie sich im Monat vor der Befragung bei der Arbeit gelangweilt hatten. (Welch eine Steilvorlage: Beamte langweilen sich bei der Arbeit!)

Die beiden Forscher suchten dann heraus, welche der Teilnehmer – alle im Alter zwischen 35 und 55 Jahren – seither gestorben waren, und kamen dadurch zu dem Resultat, dass unter jenen, die an Langeweile gelitten hatten, das Herztod-Risiko um das Zweieinhalbfache größer war. So, da hätten wir also die Schlagzeile!

Naja, so einfach ist das offenbar selbst in der Studie nicht. Dieser Langweile-Quotient schrumpft wohl schon gewaltig, wenn man körperliche Aktivität, Ernährungsweise etc. berücksichtigt: Langeweile sei oft nur ein Ausdruck anderer Risikofaktoren, schreiben auch die beiden Studienautoren: “Es ist wahrscheinlich, das jene, die sich gelangweilt haben, auch in keinem guten Gesundheitszustand waren.” Doch viel entscheidender ist: Ohne die Originalstudie lässt sich nicht nachvollziehen, a) wie viele der Befragten sich tatsächlich gelangweilt haben (und hier müsste ich meinen Spott über Beamte vermutlich schnell wieder zurücknehmen), und b) wieviele Studienteilnehmer insgesamt an Herzkrankheiten gestorben waren. Denn davon hängt letztlich ab, wie viele Fälle die gelangweilte Herztod-Gruppe aufzuweisen hatte – und wie aussagekräftig die Studie damit tatsächlich ist.

Aber all das wäre, wenn man daraus einen Zeitungsartikel stricken würde, doch eher langweilig. Und damit (Trommelwirbel) … tödlich.

flattr this!

Kommentare (3)

  1. #1 derari
    11. Februar 2010

    Auch wenn die Langweile selbst nicht tödlich ist, kann man sie immerhin als Indiz für einen schlechten Gesundheitszustand nehmen… ist doch auch nicht schlecht.

    Bei uns an der Uni gibt es einen Dozenten, der demnach der Tod persönlich sein müsste…

  2. #2 Conny
    12. Februar 2010

    Naja zumindestens ein guter Denkanstoß : 9
    Gruß Conny

  3. #3 erich egermann
    13. Februar 2010

    Langeweile ?? -> subjektiver Ausdruck für occulte Depressio ??
    – ebenso Risikofaktor ??