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Klingt paradox, nicht wahr? Fällt aber in die gleiche logische Konsequenz wie das “viel-Licht-viel-Schatten”-Sprichwort. In der knappen Abstract-Formulierung von Kimberly Pollard und Daniel Blumenstein, die in der nächsten Ausgabe von Current Biology ein Paper über Social Group Size Predicts the Evolution of Individuality veröffentlichen werden, liest sich das so:

► Individual recognition is important for social behaviors in humans and other animals ► Individual recognition is harder in larger groups, but increased individuality helps ► In evolutionary analyses, social group size predicts individuality in social signals ► Social group size promotes the evolution of individualistic signatures


In anderen Worten: Je größer die soziale Gruppe, desto notwendiger die Ausprägung individuell unterscheidbarer Merkmale. Untersucht wurde dies zwar “nur” am Beispiel von Präriehunden und anderen sozialen Nagetieren, ist aber, wie Pollard und Blumstein versichern, auch auf den Menschen übertragbar:

“The number of individuals that humans must recognize seems to be growing, especially as we become more globally connected and as social groups become less clearly defined. (…) This is probably increasing the evolutionary pressure on our own individuality.”
“Die Zahl der Individuen, die Menschen erkennen müssen, scheint zu wachsen, vor allem weil wir global vernetzter und als soziale Gruppen weniger klar definiert sind. (…) Die erhöht wahrscheinlich den Evolutionsdruck auf unsere eigene Individualität.” Kim Pollard in der Pressemitteilung der University of California Los Angeles zum Thema.

Dass bei den untersuchten Präriehunden durch Gruppengröße etwa 88 Prozent der Variationen in vokaler Individualität erklärt werden kann, ist also nicht nur ein statistischer Nebeneffekt (der “Individualität” als zufällige Streuung um einen Mittelwert deuten würde), sondern nach Auffassung von Pollard und Blumstein das Resultat eines steigenden Evolutionsdrucks in großen Bevölkerungsaggregaten. Mit anderen Worten: Wir sind Individualisten, nicht weil wir es sein wollen, sondern weil es unserer Natur als Herdentier entspricht.

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Foto: Nevit Dilmen (Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported), via Wikimedia Commons

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Kommentare (8)

  1. #1 Dr. Webbaer
    23. Februar 2011

    Wie wahr, wie wahr, was muss heutzutage eine Kraft -auch eine Kommentatorenkraft- alles leisten, um sich absetzen zu können vom Mittelmaß, positiv absetzen zu können!

    Ergänzt werden darf vielleicht noch, dass eine wohl verstandene Diversität, also eine gesellschaftlich nutzbringende, nur in modernen aufklärerischen Systemen funktionieren kann, die bekanntlich im Dreieck Marktwirtschaft, Demokratie und persönliche Freiheit stehen.

    Nur in solchen Systemen kann der Mehrwert, den die Masse aus ihrer Natur heraus generiert, voll mitgenommen werden; in geschlossenen Gesellschaften bleibt dieser Mehrwert dagegen weitgehend ungenutzt, ein ganz wichtiger Punkt für den Erfolg “westlicher” Systeme btw!

    Übertriebener Individualismus und Spaßmachertum, gerne auch gepaart mit dem evolutionär-biologischen individuellen Ausscheiden, ist natürlich [sic] eine Chance, aber auch ein Risiko. Früher (oder heutzutage gerne auch: anderswo :), als die persönliche Meinung immer auch mit Machtfragen verbunden war, konnte es also für die Menge keinen Individualimus geben. Ein einfaches “Der König ist dick.” oder “Der Pfaffe stinkt nach Fischöl.” beispielsweise konnte den Ausschluss bedeuten.

    Anders formuliert: Wir hier sind Individualisten, weil wir es sein wollen und weil dies unsere Systeme ermöglicht.

    HTH
    Dr. Webbaer

  2. #2 Bullet
    23. Februar 2011

    Früher (oder heutzutage gerne auch: anderswo :), als die persönliche Meinung immer auch mit Machtfragen verbunden war, konnte es also für die Menge keinen Individualimus geben. Ein einfaches “Der König ist dick.” oder “Der Pfaffe stinkt nach Fischöl.” beispielsweise konnte den Ausschluss bedeuten.

    Ist das jetzt wieder eine deiner lustigen Individualprojektionen oder hast du belastbare Belege für diese steile These? (Absolutes Win-Argument ist hier: “ich bin 936*n² Jahre alt. Ich war dabei, als es so war.” Kannst du das?)

  3. #3 Dr. Webbaer
    23. Februar 2011

    Ist es wirklich schon in Vergessenheit geraten, dass erst die Europäische Aufklärung Gesellschaftssysteme schaffen ließ, die durch persönliche Freiheiten, dabei im Paket auch die Freiheit der Meinungsäußerung [1], diesbezügliche Äußerungen erst haben möglich werden lassen? Dass die wissenschaftliche oder persönliche Wahrheit erst in diesen Systemen in der öffentlichen Debatte gesucht werden kann?

    Schauen Sie nur woanders hin [2] und Sie werden verstehen, dass der Individualismus eine gesellschaftliche Neuerung ist, weit davon entfernt ist selbstverständlich zu sein, und ganz sicher nicht über die Natur des Menschen als Herdentier und über dessen schiere Masse definiert werden kann, wie der Artikel transportiert.

    Sohn, mit dem “Der König ist dick.” und dem anderen waren natürlich der Blasphemie-Straftatsbestand und der nackte König referenziert.

    HTH
    Dr. Webbaer

    [1] Q: Und was war vorher ohne Freiheit der Meinungsäusserung? A: Genau! Man sagte, wessen man (im übertragenden Sinne) mächtig war.
    [2] nach Arabien bspw.

    PS und ganz am Rande: Für Sie bitte immer noch Dr. Webbaer oder -auch weil es zur Zeit Mode zu sein scheint den Titel ruhen zu lassen; sympathisch sind Sie ja nicht- einfach nur Webbaer. Da-anke!

  4. #4 michael
    23. Februar 2011

    > Dr. Webbaer

    Soll der doch erstmal nachweisen, dass er einen (Fachgebiet / Universität / Thema der Arbeit / Betreuer ) Doktor titel hat. Arrogantes Herumschnöseln reicht nicht, um diesbezüglich ernst genommen zu werden.

  5. #5 Niels
    24. Februar 2011

    Das halte ich für eine dramatische Überinterpretation der Ergebnisse.
    Bei Präriehunden ist die vokale Individualität also eindeutig nicht nur durch Zufall zu erklären. Offenbar ist es nützlich zu wissen, wer den Warnruf ausgestoßen hat.

    Der Schritt zum Menschen und zum menschlichen Individualismus in allen Ausprägungen ist für mich keineswegs zwingend.
    Wie man dann noch zur globalen Vernetzung und einem dadurch steigenden Evolutionsdruck kommt ist mir völlig unklar.

  6. #6 Dr. Webbaer
    24. Februar 2011

    מיכאל‎

    , nun unterstellen Sie doch bitte keine Arroganz, wenn Individualismus vorliegt. Selbstverständlich verleitet ein Artikel wie dieser den einen oder anderen dazu ein wenig aus sich herauszugehen und den Text in exaltierter Form aufzubereiten.

    Die im Artikel angestellten metabiologischen Überlegungen [1] und deren Reflektion in den heutigen Gesellschaften waren, dezent formuliert, mutig.

    Von Ihnen will Dr. Webbaer übrigens auch gar nicht ernst genommen werden, Sie sind zu viel Herde und zu wenig Individuum.

    MFG
    Dr. Webbaer

    [1] kurz angemerkt, zu prüfen wäre u.a.: Individualismus vs Individualität vs Diversität – zudem die Frage in welchem Verhältnis Biotopgröße und Artenvielfalt, und Art und Individuum mit seinen unterschiedlichen Merkmalsausprägungen, stehen – außerdem leidet die Betrachtung am Vorhandensein nur eines Groß-Biotops

  7. #7 Bullet
    24. Februar 2011

    Für Sie bitte immer noch Dr. Webbaer oder -auch weil es zur Zeit Mode zu sein scheint den Titel ruhen zu lassen; sympathisch sind Sie ja nicht- einfach nur Webbaer. Da-anke!

    Du beliebst zu scherzen. Deinen “Dr.” kannst du dir in eine deiner Körperöffnungen deiner Wahl stecken. Selbst wenn du ein Dokument vorweisen könntest, aus dem hervorgeht, daß du diesen Titel tatsächlich zu führen berechtigt bist. Und wie ich dich sonst nenne, entscheide ich – und sonst niemand. Schon gar nicht du, der ein kleines Problem mit a) eigener Kompetenz und b) dem pseudolustigen Beharren auf einer Selbstreferenz in dritter Person hat.
    War das deutlich genug?

  8. #8 BreitSide
    25. Februar 2011

    OMG, muss Dr.eister WeBBArsch wieder einen Fred vollkacken?

    Zum Thema: der Mechanismus scheint(!) völlig einleuchtend: jeder von uns (behaupte ich mal) will sowohl “dazugehören” als auch “anders sein”. Und je nach Situation ist uns das Eine oder das Andere gerade “angesagt”.

    Ich persönlich glaube, zuerst “muss” ich zu einer Gruppe dazugehören, dann kann ich mich abgrenzen (extrem Wenige sind zum Einsamen “geboren”). Und je mehr Leute, umso schneller/mehr muss ich mich abgrenzen.

    Vielleicht gehört es aber auch einfach zur Partnerwahl: je mehr Konkurrenz, umso unterschiedlicher muss ich mich gebärden.

    Mich würde auch interessieren, inwiefern dieses Fänomen in Kulturen mit stärker ausgeprägter Individualität (wie es ja “der Westen” schon länger war, auch im Mittelalter) anders/stärker ausgebildet ist als in Kulturen, die eher die “Harmonie” in den Vordergrund stellen, wie es ja eher von Asien kolportiert wird, auftritt. Aber wie immer ist das ja nur eine Studie, der noch viele, viele Weitere folgen werden.

    Interessant ist die Sache auf jeden Fall. Vor allem für Hobbypsycholgen…