Es ist immer wieder befriedigend, wenn man durch Zeitunglesen etwas hinzu lernt. Selbst wenn es nur die Erweiterung meines englischen Wortschatzes um den Begriff eleemosynary wäre, den ich in diesem Artikel der New York Times heute zum ersten Mal in meinen mehr als zwei Jahrzehnten in den USA gesehen oder gehört habe. Aber der Artikel dreht sich – natürlich – nicht um Wohltätigkeit und Almosen, im Gegenteil: Mit dem Zitat, in dem diese Vokabel auftaucht, rechtfertigt der 65-jährige US-Terrorspezialist Neil C. Livingstone, warum er und drei amerikanische Partner auf der Höhe der libyschen Revolte dem Diktator Muammar Gaddafi für zehn Millionen Dollar ihre Dienste angeboten hatten.


Um es gleich vorweg zu sagen: Gaddafi ließ (dankend?) abwinken. Und das, obwohl ihm nicht nur – wie Livingstone der New York Times versicherte – ein eleganter Abgang durch die Intervention der selbsternannten American Action Group vermittelt werdern sollte, sondern in einem Schreiben (das allerdings von einem belgischen Partner der Amerikaner namens Dirk Borgers, angeblich ohne deren Wissen, verfasst und abgeschickt wurde) ausdrücklich Unterstützung gegen die “internationale Medien- und politisch/militärische Kampagne gegen Libyen” zugesichert und Hilfe dabei angedient wurde, “die Aktionen Ihrer internatioalen Feinde zu blockieren und eine normale Arbeitsbeziehung mit der US-Regierung zu fördern” – gezeichnet “Ihre gehorsamsten Diener”:

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Das Schreiben ist eines von vielen – zumeist in arabischer Schrift verfassten – Dokumente, die auf einer Facebook-Seite namens Wikileaks Libya veröffentlich sind (wer diesem Link folgt, kann sich mit “Next”, rechts über der Abbildung des Briefes, durch die folgenden Seiten des Schreibens durchklicken).

War das nun eine ehrliche politische Aktion, mit der, wie Livingstone gegenüber der NY Times versichert, lediglich ein schnelles Ende des libyschen Aufstandes und das Verschwinden des Gaddafi-Clans erreicht werden sollte? Oder war es eine Abzocke, mit der aus der Verzweiflung einer Familie schnelles Geld gemacht werden sollte – auch wenn die “verzweifelte Familie” in diesem Fall eine beinahe schon dynastisch regierender Diktatorenclan ist? Für letzteres spricht, dass – auf Seite 18 der Facebook-Bilderstrecke nachzulesen – die geforderten zehn Millionen Dollar eine im Voraus fällige, nicht rückzahlbare Mindestgebühr sein sollte. (Dass die Entgegennahme der Zahlung angesichts eines US-Embargos nur mit einer Sondergenehmigung des US-Finanzministeriums möglich geworden wäre, steht auf einem anderen Blatt: Das Ministerium prüft den Antrag derzeit immer noch …) Und hier kommt nun “eleemosynary” ins Spiel – man sei ja schließlich kein Wohltätigkeitsverein, erklärte Livingstone der New York Times.

Aha: Hilfe für Diktatoren = Wohltätigkeit. Komisch, dass ich das Wort also noch nie vorher gehört hatte.

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Kommentare (5)

  1. #1 Redfox
    18. November 2011

    Geld stinkt nicht….

    Amerikanische PR-Firma soll arabischen Frühling aufhalten

    Die Herrscher Bahrains versuchen den arabischen Frühling ganz modern und elegant mit Hilfe der amerikanischen PR Firma Qarvis aufzuhalten und ihr angeschlagenes Image aufzupolieren. Kostenpunkt: 40.000 Dollar im Monat. Qorvis selbst wirbt mit dem Solgan „Integrierte Stragegien, um ihnen zu helfen, ihre Geschichte besser zu erzählen“. Das haben die Herrscher in Bahrain nach der blutigen Niederschlagung eines Aufstandes ihrer schiitischen Bürgerbewegung auch bitter nötig.

  2. #2 michael
    18. November 2011

    > We are working inside the different services, intelligence, Military… since 30+ years and we know how to proceed.

    Eine kleine Gruppe, die ihren eigenen pekuniären Interessen nachgeht, und das nach eigener Angabe schon öfter gemacht habt.

    Ob es wohl einen Geheimdienst gibt, der den Geheimdienst überwacht?

  3. #3 BreitSide
    19. November 2011

    xxx

  4. #4 Dr. Webbaer
    20. November 2011

    Fairerweise muss man erwähnen, dass Gaddafi vor dem Abschwören vom Terrorismus viele linke Freunde in Europa hatte, Libyen gab sich ja sozialistisch, auch wenn es im Gegensatz zu Tunesien und Ägypten nicht zu einer Aufnahme der Regierungspartei in der Sozialistischen Internationalen gereicht hat, vielleicht wegen erkennbar nationalsozialistischer Strukturen, und nach dem Abschwören vom Terrorismus auch viele europäische Staatsmänner Gaddafis Nähe suchten, um Geschäfte zu machen, oft auch Ölgeschäfte, Gaddafi war also fast resozialisiert.

    Symptomatisch auch das Wirken des linken Schweizer Politologen Jean Ziegler, die Ereignisse um den sogenannten Gaddafi-Preis für Menschenrechte und die vielen wohlwollenden Analysen aus Journalistenkreisen…

    Dass da am Ende welche einen Happen abhaben wollten, nunja, folgerichtig ist das schon, irgendwie.
    Gaddafi hat als guter Geschäftsmann und Diktator vermutlich die mangelnde Seriösität des Angebots erkannt. – Ansonsten: Er hat natürlich seine Abreise und die seines Clans versäumt, hier war lange Zeit verhandlungsmäßig sicherlich noch was zu machen, kA warum Gaddafi hier so zögerlich war, vermutlich Realitätsverlust, gell?!

  5. #5 a+
    22. November 2011

    Fairerweise muss man erwähnen, dass Gaddafi vor dem Abschwören vom Terrorismus viele linke Freunde in Europa hatte,

    LOL, z.B. Il Cacaliere…

    warum Gaddafi hier so zögerlich war, vermutlich Realitätsverlust, gell?!

    LOL again. Webbaer, Realitätsverlust? Wie kommt er denn darauf?