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Klarer Fall von Boulevard-Schlagzeile, oder? Dazu hat sich der nature-online-Chefredakteur Ananyo Bhattacharya im britischen Guardian schon ein paar Gedanken gemacht*, mit dem Tenor: “The purpose of a headline is not to tell the story. That’s the purpose of the story. The purpose of the headline is to pique the interest of readers without lying” (Der Zweck einer Schlagzeile ist nicht, die Geschichte zu erzählen. Das ist der Zweck der Geschichte. Der Zweck der Schlagzeile ist, das Interesse der Leser zu wecken, ohne zu lügen). Und gelogen ist die Überschrift nicht – ein Artikel über Changes in Wind Pattern Alter Albatross Distribution and Life-History Traits in der aktuellen Ausgabe von Science kann diesen Zusammenhang belegen:

Westerly winds in the Southern Ocean have increased in intensity and moved poleward. Using long-term demographic and foraging records, we show that foraging range in wandering albatrosses has shifted poleward in conjunction with these changes in wind pattern, while their rates of travel and flight speeds have increased. Consequently, the duration of foraging trips has decreased, breeding success has improved, and birds have increased in mass by more than 1 kilogram.


Die ForscherInnen des französischen Centre d’Etudes Biologiques de Chizé hatten dazu Daten von 40 Jahren über die Wanderalbatrosse (Abbildung) der Crozet-Inseln im Indischen Ozean ausgewertet und dabei festgestellt, dass sich seit den 70-er Jahren die durchschnittliche Zeit eines Futter-Suchtrips von 12,4 Tagen um 22 Prozent auf 9,7 Tage verkürzt hatte. Dies wiederum bedeutet, dass der in dieser Zeit die Brut versorgende Partner entsprechend kürzere Fastenperioden erdulden muss, was sich in einer Gewichtszunahme niederschlägt. Und dass diese Westwinde, die den auf ihnen “reitenden” Albatrossen schnellere = kürzere Nahrungssuche und damit bessere Fortpflanzungschancen sowie ein durchschnittlich um 1 Kilogramm höheres Körpergewicht ermöglichen, entsprechend stärker geworden sind, sei mit hoher Plausibilität auf den Klimawandel zurückzuführen, vermuten die AutorInnen.

Naja, könnte man nun sagen, wenigstens eine Spezies (diomedea exulans), die vom Klimawandel profitiert, und dazu noch eine, die gefährdet ist. Vielleicht ist dieser Klimawandel ja doch zu etwas nütze … Mal abgesehen davon, dass dies ein eher kurzfristiger Effekt sein kann, da es keine linearen Zusammenhänge zwischen Windgeschwindigkeiten und Futtererfolg der Albatrosse gibt (mehr Stürme, die ja in Zukunft zu erwarten sind, bedeuten ein höheres Risiko): Erstens gibt es andere – und weitaus gravierendere – Prozesse, die den Bestand der Albatrosse mittel- und langfristig dennoch gefährden können, allen voran die Überfischung der Meere, und zweitens lässt sich das Wohl oder Wehe einer einzelnen Spezies (oder, im Fall von homo sapiens, von Teilpopulationen derselben) nicht einfach gegen die Existenz einer anderen aufrechnen. Umweltschutz, Naturschutz und Klimaschutz sind keine konkurrierenden Alternativen, sondern Aufgaben, die zusammen zu lösen sind. Hab’ cih, glaube ich, gerade hier schon mal festgestellt.

* Dank an Lars Fischer für den Hinweis auf den Guardian-Artikel

Foto: Lieutenant Elizabeth Crapo, NOAA Corps: NOAA Photo Library [CC-BY-2.0], via Wikimedia Commons

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