Ich lese gerade in der aktuellen Ausgabe von nature, dass kein/e Wissenschaftler/in mehr Publikationen veröffentlicht hat als Y. Wang – 3926 allein im Jahr 2011. Wie bitte, mehr als zehn Artikel pro Kalendertag? Das Problem ist halt, dass Y. Wang nicht ein/e Wissenschaftler/in ist, sondern dass der Nachname Wang, kombiniert mit einem Vornamen, der mit “Y” beginnt, alles andere als selten unter den ForscherInnen der Welt ist – häufiger als D. Müller oder R. Smith. Vor allem China, in wo viele Menschen relativ wenige Nachnamen teilen – typisch sind auch Zhang, Chang oder Chen – ist eine Quelle solcher “multiplen” Forscheridentitäten.

Damit ist natürlich niemandem geholfen: den entsprechend benamten AutorInnen von Papern nicht (und zugegeben: selbst wenn sich alle Paper angewöhnen würden, die VerfasserInnen immer bei vollem Namen zu nennen, würde das Problem zwar etwas kleiner, aber trotzdem nicht verschwinden), und den LeserInnen noch weniger. Was tun?

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Eine Idee, die in nature vorgestellt wird (und die ich hier mal zur Diskussion stellen will), ist eine eindeutige Personalkennziffer für Wissenschaftler – die Open Researcher & Contributor ID, kurz ORCID. Anstatt also sein/ihre kompletten biografischen Angaben bei Papern oder auch einem Förderantrag beizupacken – die bei populären Namen und häufigen Institutswechseln eh’ nie vollständig zuverlässig sein können – würde jede/r Wissenschaftler/in eine 16-stellige Identifikationsnummer angeben; alle weiteren relevanten Informationen könnte dann aus beteiligten Datenbanken gezogen werden.

Ich erinnere mich daran, dass es mal die Idee gab, solch eine persönliche Identifikationsnummer für die Bundesrepublik Deutschland einzuführen, was dann mit Entsetzenschreien vom “gläsernen Menschen” quittiert und verfassungsrechtlich abgeschossen wurde. Wären Wissenschaftler hier weniger um Daten- und Personenschutz besorgt? (Was natürlich einfacher wäre, so lange diese Nummer nicht auch für Steuer- und sonstige Behördenzwecke verwendet würde …)

Foto: Faceofwiki (public domain) via Wikimedia Commons; Montage: GeoGraffitico

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Kommentare (9)

  1. #1 MartinB
    31. Mai 2012

    Ja, ja, ich will, dann hört endlich dieser Mist auf, dass man meine Papers mal unter Bäker, mal unter Baeker und mal unter Baker bei google findet (obwohl google scholar das inzwischen besser kann als früher). Gar nicht zu reden von all den russischen -owas oder -ovas, den Mukherji’s oder Mukherjee’s etc. (Und John Hutchinsons gibt’s auch mehr als einen…)
    Die Transkription von Namen ist ja auch ein ziemliches Problem…

  2. #2 para
    31. Mai 2012

    …es würde auch Datenbanken soweit einen Schritt übersichtlicher machen, da sich nicht Sachen wie P.Z. Myers; PZ MYERS; Myers, P. Z.; Paul Z. Myers; etc in den Zitaten ansammelten…

  3. #3 enbeh
    31. Mai 2012

    Ich fände die Wissenschaftsidentifikationsnummer eine sehr gute Idee, obwohl mein Name auf Pubmed Gott sei Dank ziemlich einmalig ist. Den Vergleich mit der persönlichen Identifikationsnummer finde ich nur begrenzt sinnvoll. Oder anders gesagt: was man an dem Personenkennzeichen für alle Bürger kritisieren kann, trifft m.E. auf die ID für Wissenschaftler nicht zu. Der Bürger hat, wenn er/sie denn will, ein Recht auf Anonymität. Unsere Aufgabe als Wissenschaftler besteht aber im Publizieren. Damit ist unser Interesse beruflich bedingt nicht die Unsichtbarkeit sondern ganz im Gegenteil die weltweite Sichtbarkeit. Ich glaube, alle beteiligten würden durch ein solches System gewinnen.

  4. #4 ehtuank
    31. Mai 2012

    Soetwas gibt es bereits für Schriftsteller, es wundert mich daher, dass es das noch nicht für Wissenschaftler gibt.

  5. #5 Christian Berger
    31. Mai 2012

    Das Problem mit der eindeutigen Identifikationsnummer ist, dass sie es ermöglicht Datenbanken automatisiert zu koppeln. Wenn jetzt aber Wissenschaftler ein “Pseudonym” nur für die Veröffentlichung von Arbeiten (ggf. noch für Preise) verwenden, dann ist das deutlich weniger problematisch. Denn dann hängt ja sonst nichts dran.

    Die Nummer taucht dann nicht auf der Steuererklärung oder beim Arztbesuch auf. Sie ermöglicht es nicht, dass ich neben der Liste der Veröffentlichungen auch noch alle Krankheiten des Autors nachschlagen kann.

  6. #6 Physiker
    31. Mai 2012

    Gibt’s denn keine Lösung, bei der man sich nicht noch eine weitere Nummer merken/aufbewahren muss? Eine E-Mail Adresse ist z.B. so ein eindeutiger Identifier – und selbst wenn diese wechselt, sollte es doch möglich sein, in Datenbanken eine Verknüpfung zwischen den verschiedenen Institutsadressen herzustellen. Überhaupt ist das eine Angelegenheit, die von den Suchdiensten (wie z.B. ISI Web of Knowledge) bereits mit der derzeitig zu Verfügung stehenden Information zumindest etwas zufriedenstellender gelöst werden könnte…

    Und wenn alle Publikationen, die mit öffentlichen Mitteln entstanden sind, in einem zentralen Archiv, öffentlich und kostenlos online abrufbar wären, dann würde sich dieses Problem sowieso erledigen… aber das wird wohl eine Utopie bleiben.

  7. #7 winiwyne
    31. Mai 2012

    Die Bibliothekwissenschaften haben sich bereits mit dem Problem von Namensgleichheiten und wechselnden Namensschreibweisen gründlich auseinandergesetzt (MartinBs Problem mit dem Umlaut im Nachnamen ist da noch ein kleinen im Vergleich zu vormodernen Personennamen und ihren Schreibweisen/Varianten …!)
    Deshalb wurde im deutschsprachigen Raum in den 90igern – nach einem ähnlichen Prinzip wie im Artikel beschrieben – die Personennormdatei (PND), bzw. aktuell die Gemeinsame Normdatei (GND) enwickelt, dh. eine individuelle personenbezogene Buchstaben/Zahlenkombination, auf die eben etuank schon hingewiesen hat.
    Diese hat sich sehr gut bewährt, obwohl natürlich einige Probleme, wie der Umgang mit geheimen/unaufgelösten Pseudonymen bleiben. Da – im Gegensatz zu den Plänen für die PKZ, die Jürgen kurz ansprach, nur publikationsrelevante Daten verarbeitet werden, gab es auch aus Sicht des Datenschutzes keine Einwände.

    Inzwischen hat also jeder, der jemals als Autor/Herausgeber etc. in einer deutschen/österreichischen Bibliothek aufgenommen wurde, eben diese PND bereits erhalten (so also auch viele der hier schreibenden Blogger/Kommentatoren, die schon publiziert haben).
    Vielleicht könnte man dieses gut etablierte System der PND/GND für den Wissenschaftsbetrieb international übernehmen, da die Entwicklungsarbeit schon sehr fortgeschritten ist?

  8. #8 SethSteiner
    31. Mai 2012

    Wie wäre es denn einfach mit einem Pseudonym nach dem Wang? Wäre doch besser als irgendwelche nervigen und vor allem auch unpersönlichen Zahlenreihen.

  9. #9 winiwyne
    31. Mai 2012

    @ Physiker
    @ sethsteiner

    Ich bin mir nicht sicher, was ihr für ein Problem mit “nervigen” und “unpersönlichen Zahlenreihen habt? Ei9n individuelles Pseudonym würde das Problem ja auch nicht lösen.

    ABER: Falls ihr jemals schon mal den Onlinekatalog einer deutschen (Uni-, Stadt-)Bibliothek benutzt habt, seid ihr sehr wahrscheinlich eh schon mit einem derartigen System, der eben von mir angesprochenen GND, in Kontakt gekommen, ohne es überhaupt zu merken, denn diese ermöglicht z.B. direkte Verlinkungen von Personennamen mit ihren Werken. Viele Kataloge, z.B. der Staatbibo Berlin zeigen die PND auf der Ausgabeseite aber gar nicht an, sodass man als Nutzer gar nicht mit ihr in Berührung kommt.

    Ein schönes Beispiel für die Anwendung, Struktur und Funktionsweise der GND ist es, im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek (dnb.de) mal im Personenfeld “Peter Müller” einzugeben. Den Namen gibt es dort nämlich ganze 272 Mal. Hat man den gesuchten “Peter Müller” anhand der zugeordneten Metadaten (z.B. Lebensdaten, Berufsfeld) gefunden, kann man via Direktlink nur auf diesen beschränkt weiter suchen. Das ließe sich auch für all die “Chengs”, “Wangs” und “Smiths” z.B. durch Hinweis auf die Affiliation, die ja schon jetzt Teil der Autorenangabe ist, anwenden.

    In Bezug auf MarinBs Problem der Namensschreibweise kann man in der DNB ja auch mal “Martin Luther” eingeben, und versuchen, den “thesenfreudigen” Martin Luther darunter zu finden – oder mal eine seiner drölfzig Namensschreibweisen/ internationalen Namensvarianten, z.B. “Rut’ŏ, Marŭt’in” (;>), die seiner GND zugeordnet sind.

    (boah, und ich hätte nie gedacht, dass ich mich mal für so ein “ähem” spannendes “ähem” Thema wie Personendatennormierung derartig ins Zeug legen würde…)