Mein Kollege Christian Reinboth hat hier ja schon mal über Massive Open Online Courses geschrieben und ihnen, auf der Basis sehr konkreter (und persönlicher) Erfahrung, das Prädikat “empfehlenswert” verliehen. Die Idee, hochklassige Bildungsangebote via Online-Kursen einer breiten Masse verfügbar zu machen, die andernfalls keinen oder nur begrenzten Zugang zu höherer Bildung haben wuerde, ist in der Tat sehr zu begrüßen. Harvard und das Massachusetts Institute of Technology haben zu diesem Zweck die EdX-Initiative gestartet; der Stanford-AI- und Roboterexperte Sebastian Thrun ist der Mitbegründer und Chief Executive Officer von Udacity. Sowohl EdX als auch Udacity hatten im vergangenen Jahr eine Kooperation mit der San Jose State University in Kalifornien unterzeichnet.

Doch diese Kooperation, die vor ein paar Tagen noch ausgedehnt wurde, wird nun von den Professoren der Philosophischen Fakultaet in einem offenen Brief massiv kritisiert:

“Der Einsatz von Technologie kann, wie uns die Geschichte lehrt, die Qualität der Bildung verbessern oder verschlechtern – aber in einem hochqualifizierten Kurs muss der lehrende Professor in der Lage sein, sowohl das Kursprogramm zu entwerfen als auch die Materialien auszuwählen, und in enger Interaktion mit den Studenten bleiben. Ersteres ist in einem abgepackten Kurs nicht verfügbar, und die zweite Option ist stark bedroht, wenn wir uns zu den MOOC hinbewegen.”

(Mehr Hintergrund zu diesem Briefwechsel findet sich hier in der New York Times.) Sind das nur alte Knacker, die einfach nicht erkennen wollen, wohin der Trend geht – oder haben sie einen berechtigten Kritikpunkt gefunden? Wer den Brief (4 Seiten) durchliest, wird feststellen, dass sie sich nicht gegen das Multimedia-Konzept an sich wehren, und auch nicht generell die massiven Online-Fernkurse ablehnen – aber ihre Sorge, dass dies darauf hinaus läuft, dass Lehre und Bildung an einige große Provider ausgelagert wird, und die kleineren (zumeist staatlichen, also auch erschwinglicheren) Universitäten dann nur noch zu Abspielstätten dieses vorgefertigten Materials reduziert werden, ist angesichts der stetigen Etatkürzungen für öffentliche Bildung in den USA zumindest begründbar. Und es ist, meiner Ansicht nach, bestimmt nicht die Idee, die hinter diesen Online-Angeboten stehen sollte: Ziel muss es sein, eine hochkarätige Bildung auch solchen jungen Leuten zugänglich zu machen, die sich die 56.000 Dollar jährlich für ein MIT-Studium (beispielsweise) nicht leisten können, oder die in Weltregionen leben, in denen sich die Türen zu den Bildungsstätten des Westens nicht so leicht öffnen lassen.

Wenn sie aber dazu verwendet werden, Lehrstellen an bestehenden Unis abzubauen und durch Konserven-Klassen zu ersetzen, dann schaden sie mehr als sie nutzen.

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Kommentare (2)

  1. #1 Frank Wappler
    https://academic.truth.is.to.truth--as.academic.questions.are.to.questions
    4. Mai 2013

    Jürgen Schönstein schrieb (Mai 3, 2013):
    > Massive Open Online Courses […] Die Idee, hochklassige Bildungsangebote via Online-Kursen einer breiten Masse verfügbar zu machen, die andernfalls keinen oder nur begrenzten Zugang zu höherer Bildung haben wuerde, ist in der Tat sehr zu begrüßen.

    Öffentliches Material, dem gegenüber man sich gezwungen sähe, öffentlich Stellung zu nehmen und sich vergleichen zu lassen? — Das gefällt sicher nicht jedem!

  2. #2 Dr. Ilona Hündgen
    München
    8. Dezember 2013

    LearnGalaxy-Blog zum Thema “MOOCs”: https://wp.me/p2POXS-lG