Heute, am 26. Juni 2013 ist es genau ein halbes Jahrhundert her, dass John F. Kennedy auf dem Balkon des Schöneberger Rathauses stand und eine der wichtigsten Reden des Kalten Krieges hielt. Berühmt wurde diese Rede durch den Satz “Ich bin ein Berliner” – schon als Kind habe ich ihn gehört, und der merkwürdige Akzent ging mir bis heute nicht aus den Ohren. In seiner Rede vor dem Brandenburger Tor (die ich hier eingebettet habe) hat auch sein Nachfolger Barack Obama vor wenigen Tagen genau diese Worte wiederholt (9:45). Erst mal, quasi zur Auffrischung, den O-Ton Kennedy, bitteschön:

Kennedy sagt darin sogar noch einen zweiten deutschen Satz: “Lasst sie nach Berlin kommen!” Und es ist ganz niedlich, wie er sich diese Sätze lautschriftlich notiert hatte – “Ish bin ein Bearleener” und “Lust z nach Bearleen komen”:
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(Quellen für Bild und Video: John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston. Die hand- und lautschriftlichen Notizen hatte Kennedy offenbar auf einem älteren Entwurf der Rede notiert, denn die Blockade und die Luftbrücke kamen darin nicht mehr vor. Es hatte wohl genügt, Lucius D. Clay ans Podium zu holen, um das Publikum an diese Vorgänge zu erinnern.)

Aber obwohl ich, wie gesagt, diesen Satz seit meiner Kindheit kenne, musste ich erst nach Amerika kommen, um zu erfahren, dass Kennedy offenbar etwas ganz anderes gesagt hatte: “Ich bin ein gefüllter Krapfen!” (Sorry, als Süddeutscher nenne ich diese Dinger, die in nördlicheren und westlicheren Teilen als “Berliner” bekannt sein sollen, nunmal Krapfen, genauer gesagt, “gefüllte Krapfen”, im Gegensatz zu den so genannten ausgezogenen Krapfen.) Warum er dies nicht getan hat, hat Anatol Stefanowitsch ja schon vor längerem sehr schön dargelegt; auch in der Wikipedia wird über diesen Irrtum aufgeklärt. Und zumindest in meiner süddeutschen Heimat hätte vermutlich sowieso jeder, ohne zu zögern, diesen unbestimmten Artikel eingesetzt: Ich bin ein Schweinfurter, ich bin ein Münchner, ich bin ein Deutscher – keiner wurde sich daran reiben. Aber warum das so ist, wie gesagt, lässt sich schön in dem alten Bremer Sprachblog-Beitrag nachlesen.

Trotzdem hält sich dieses Missverständnis vor allem in den USA bis heute; es taucht auch wieder in dem (oben schon einmal verlinkten) aktuellen und eponymisch betitelten Meinungsbeitrag in der New York Times auf:

Armchair analysts later had a field day with the phrase, suggesting that Kennedy had compared himself to a pastry, …

Und darum wüsste ich einfach mal gerne, einfach so aus der Hand gefragt: Wer unter den ScienceBlogs-Leserinnen und -Lesern hätte Kennedys Satz im Krapfen-Sinn missverstanden?

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Kommentare (13)

  1. #1 rolak
    26. Juni 2013

    Mißverstanden wurde der Satz Kennedys sicherlich nicht in meinem damaligen Umfeld (kann ich allerdings erst für ab ein paar Jährchen danach bestätigen), doch die Mehrdeutigkeit war immer wieder ein Anlaß zu einem kleinen Grinsen, wäre es auch ohne das ‘ein’ gewesen, doch nicht so eindeutig.
    Kennedy war ja auch gekniffen: ‘Ich bin ein Amerikaner‘ hätte denselben Effekt gehabt.

  2. #2 Fliegenschubser
    26. Juni 2013

    Ich denke, dass die Leute, die in Berlin wohnen (um es eindeutig zu machen 😉 ), diesen Satz nicht falsch verstehen, da in Berlin und Umland dieses Gebäck Pfannkuchen heißt. Sorgt immer wieder für verwirrte Gesichter, wenn man außerhalb von Berlin beim Bäcker nach Pfannkuchen fragt.

  3. #3 r3verend
    26. Juni 2013

    Maximal hat man es mal aus Spaß absichtlich falsch verstanden. Es hätte ja auch garnicht zum Kontext der Rede gepasst und man lernt ja immer schön in der Schule das man Wortbedeutungen im Kontext sehen soll – gerade im Englischen wenn einem ein Wort nicht geläufig ist 😉
    Wenn Leute als Hamburger bezeichnet werden denkt man ja vermutlich auch nicht initial ans Essen.

  4. #4 Ludger
    zur Zeit auf Fehmarn
    26. Juni 2013

    Man muss schon nsehr verkürzt zitieren, um sich den Scherz mit dem Krapfen erlauben zu können. Die komplette Zeile heißt:

    https://130.18.140.19/stennis/jfk-berlin.html
    “Two thousand years ago–[Kennedy is interrupted by applause.] –Two thousand years ago, the proudest boast was “civis Romanus sum!” Today in the world of freedom, the proudest boast is “Ich bin ein Berliner!” [Crowd roars.]

    Der tosenden Menge kann man nachsehen, dass Kennedy den Stolz, ein Bürger Roms zu sein, in Beziehung setzt mit dem Stolz, ein Berliner zu sein. Aber den Journalisten? Mich interessiert vielmehr, warum niemand auf das Wort “boast” anspringt (laut dict.cc: u.a. “Prahlerei”)

  5. #5 Ludger
    26. Juni 2013

    leider keine Korrekturmöglichkeit, also auf diesem Wege:

    Der tosenden Menge kann man nachsehen, wenn sie nicht verstanden hat, dass Kennedy den Stolz, ein Bürger Roms zu sein, in Beziehung setzt mit dem Stolz, ein Berliner zu sein.

    Das fett Gedruckte muss eingefügt werden.

  6. #6 Jürgen Schönstein
    26. Juni 2013

    @Ludger #4
    Wie gesagt: Allen “historischen” Anekdoten (die New York Times gerne und hartnäckig verbreitet hat) zum Trotz, hatte ich in Deutschland zu keiner Zeit diese Krapfen-Interpretation gehört oder gelesen. Auch nicht in der Presse – und schon gar nicht in der deutschen Presse, die diese Rede (wie ich inzwischen weiß, hatte Kennedy in der Tat die Ansprache im großen und ganzen improvisiert; der obige Manuskript-Auszug mit seinen handschriftlichen Notizen zeigt die urpsrünglich von seinen Redenschreibern verfasste Version) mit großer Genugtuung rezipiert hatte.

    Was “boast” angeht: SIcher heißt das auch “prahlen” oder “Prahlerei” – aber auch etwa so viel wie “mit Stolz verkünden”. Es ist bei weitem nicht so negativ besetzt wie im Deutschen, sondern eher ein Ausdruck des (berechtigten?) Stolzes. Das “Ätsch, ich bin besser als Du” kommt eher im Wort “bragging” zum Ausdruck.

  7. #7 Jürgen Schönstein
    26. Juni 2013

    @Ludger #5

    Der tosenden Menge kann man nachsehen, wenn sie nicht verstanden hat, dass Kennedy den Stolz, ein Bürger Roms zu sein, in Beziehung setzt mit dem Stolz, ein Berliner zu sein.

    Die tosende Menge hatte genau das sehr gut verstanden, und deswegen tobt sie ja – vor Begeisterung und Stolz. Die Rede wurde ja, auch wenn es auf dem Video nicht zu hören ist, für die Menge ins Deutsche übersetzt. Der Übersetzer Heinz Weber von der US-Vertretung hatte übrigens auch die Worte “Ich bin ein Berliner” mit “übersetzt”, also im Deutschen noch einmal wiederholt – was Kennedy zu der leicht sarkastischen Randbemerkung “ich danke meinem Übersetzer dafür, dass er mein Deutsch mit übersetzt” veranlasst hatte.

  8. #8 Nordlicht
    27. Juni 2013

    @ Fliegenschubser
    Einspruch, auch in MeckPomm heißt der Perliner Pfannkuchen. 🙂

  9. #9 Nordlicht
    27. Juni 2013

    P mit B substituieren…..

  10. #10 Basilius
    Haganai
    29. Juni 2013

    @Nordlicht
    Ok, machen wir das doch mal:
    Einsbruch, auch in MeckBomm heißt der Berliner Bfannkuchen.
    :p

  11. #11 Eheran
    30. Juni 2013

    Was hat dieses brötchenähnlich geformte Hefeteiggebäck, dass in Öl fritiert wird, überhaupt mit einer Pfanne zu tun?
    Kann mir jemand erklären, warum man das so nennt?
    Ein Pfannkuchen (Ei, Mehl, Milch) heißt bezeichnenderweise so, weil er halt in der Pfanne gemacht wird.

    Erinnert mich an das “Problem” beim Bleistift – nur dass es dort halt nicht wirklich einen tatsächlichen Blei-Stift gibt und beides auch ziemlich genau gleich aussehen würde, auch wenn er sehr hart wäre.

  12. #12 rolak
    30. Juni 2013

    Was .. mit Pfanne?

    Nu ja, Eheran, die werden selbstverständlich fritiert – doch eben typischerweise in einer großen Fettpfanne.

  13. #13 Eheran
    30. Juni 2013

    Ich stelle mir gerade eine Pfanne vor, rand voll mit heißem Fett 😉
    Aber gut, wenn man soetwas noch Pfanne nennt?