Heute ist, wie jedes Jahr an diesem Tag, der 11. September. Wer sich nun fragt, warum das in irgend einer Weise bemerkenswert sein soll, der ist schon ein ganzes Stück weiter als ich: In meiner Erinnerung sticht dieser Tag – genauer gesagt, was an diesem Tag vor zwölf Jahren geschah – leider immer noch heraus. Und das “leider” ist nur zum Teil ein Ausdruck des Bedauerns und Mit-Leids für all das, was an jenem Tag geschehen war und all jene, deren Leben dadurch dramatisch veraendert wurde (und gewiss nicht zum Guten). Ich bedauere auch, dass ich mich erinnere. Denn wessen gedenken wir eigentlich, wenn wir diesen Tag als etwas Besonderes markieren?

Erst mal etwas genereller gefragt: Wozu sind Gedenktage überhaupt gut? Typischer Weise würdigen sie “historisch” wichtige Tage, deren Bedeutung sehr persönlich sein kann (Geburtstage, Hochzeitstage, Betriebszugehörigkeiten), oder religiös relevant (wie beispielsweise der Geburtstag eines Religionsgründers), oder politisch relevante Ereignisse markiert, wie beispielsweise französische Revolution, die amerikanische Unabhängigkeitserklärung oder auch die deutsche (Wieder)Vereinigung*. Nicht zu vergessen wären dabei auch die Trauer- und Gedenktage, die an tragische Ereignisse – auch hier reicht die Bandbreite wieder vom Persönlichen übers Religiöse bis hin zum Politischen – gemahnen sollen.

Die religiöse Komponente dieses Tages – dass Fanatismus jede Religion, selbst wenn sie sich selbst für friedfertig hält, zur Rechtfertigung von mörderischer Gewalt pervertieren kann – gehört nicht zum “offiziellen” Gedenkspektrum; auch nicht, dass Angst ein schlechter Ratgeber und kollektive Angst ein idealer Nährboden für politischen Missbrauch sind (Stichworte: Patriot Act und Irak-Krieg). Dass New York seine “Nehmerqualitäten” zelebriert, will mir, trotz aller Zuneigung zu dieser Stadt, auch nicht so recht gefallen. Und die Erinnerung an die Opfer? Die wird, wie jedes Jahr, zu just jenen Zwecken instrumentalisiert, die ich mit dem Hinweis auf Patriot Act und Irak-Krieg bereits kritisiert habe.

Deshalb beneide ich all jene, die sich nicht an diesen Tag erinnern müssen. Nicht, weil ich ihn gerne vergessen möchte (das wäre für jemanden, der diesen Tag in New York miterlebt hat, sowieso nur mit pathologisch relevanten Erinnerungsverlusten möglich), sondern weil er mich zu sehr daran erinnert, wie sehr er seitdem missbraucht wurde.

* Ich vermeide das “Wieder-” allein schon deshalb, weil es die Rückkehr zu einem früheren Zustand signalisiert – einem Zustand, der in der deutschen Geschichte sicher nicht erstrebenswert ist.

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Kommentare (1)

  1. #1 rolak
    12. September 2014

    Mein jährlich wiederkehrendes Mantra zum Gedenktag: Der andere ist bei mir stärker besetzt und drängelt sich beim dran gedacht werden meist vor – ohne daß irgendetwas bzgl Opfer oder Verursacher gewertet werden soll.

    Wieder-

    Ja, das ist schwierig, einerseits kamen nicht alle Teile von etwas vorher Zertrenntem zusammen, doch andrerseits ists auch kein ‘vorher nicht zusammen’. Ob das ‘wieder’ dabei ist oder nicht, ein wenig falsch klingt es für mich immer…