Darüber, dass die Idee der frei zugänglichen Wissenschaftspublikation auch unsaubere Anbieter von Publikationsdienstleistungen auf den Plan gerufen hat, habe ich hier ja schon mal ein paar Zeilen geschrieben. Science hat da mal tiefer nachgeforscht; Georg Hoffmann hat darüber ja schon etwas ausführlicher berichtet.

Trotzdem will ich mich hier noch einmal kurz einmischen und eine Lanze für “open acces” brechen: Das Problem ist doch nicht, dass ein Journal, in dem wissenschaftliche Arbeiten nicht hinter teuren Abos und Paywalls verborgen werden, prinzipiell nicht in der Lage wäre, seine Artikel dem gleichen, strengen peer-review-Prozess zu unterziehen wie traditionelle Fachpublikationen. Denn typischer Weise arbeiten die Reviewer ehrenamtlich, das heißt, es fallen gar keine großen Kosten für den Review-Prozess an. Und wenn, wie bei PLoS ONE, die Reputation des Open-Acces-Journals solide ist, dann sind – wie der science-Beitrag ja bestätigt – auch solide peer-review-Resultate zu erwarten.

Das Problem (über das Science aus begreiflichen, aber dennoch nicht ganz lauteren Gründen gerne wegbürstet) ist nicht der “open access” an sich – wenn science oder nature oder irgend ein anderes der ich-weiß-nicht-wieviel-Tausend Journale auch Nicht-Abonnenten einen freien Zugriff auf ihre Inhalte gewähren würde, hätte das auf diese Inhalte selbst, und deren Qualität, erst mal keine unmittelbare Auswirkung. Das Problem ist, dass ein großer und nicht zu ignorierender Bedarf an open-access-Publikationen besteht, der von den traditionellen Verlagen nicht befriedigt wird (warum ist ja klar) – und der dann das Feld freigibt für all jene windigen Anbieter, die in Wahrheit ja nicht open access vermitteln wollen, sondern fürs Publizieren abkassieren wollen. Das Mäntelchen “open access” hängen sie sich ja nur um, weil sie andernfalls irgend welche Auflagen- oder Abonnentenzahlen vorweisen müssten.

Ich will damit jetzt nicht sagen, dass es die bösen Traditionsverlage sind, die arglose WssenschaftlerInnen in die Arme finsterer Schwindelpublizierer treiben (naja, sagen will ich’s schon, aber beweisen könnt’ ich’s nicht). Aber es ist halt wie mit der Prohibition: Wenn man den Menschen vorenthält, was sie so gerne haben wollen, dann spielt man letzlich den Betrügern, die dieses unbefriedigte Bedürfnis für dunkle Geschäftemachereien ausnutzen wollen, in die Hände. Das ist nicht primär ein Problem der peer-review, sondern ein Problem, dass zu viel Geld dabei im Spiel ist:

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Kommentare (8)

  1. #1 Sven Türpe
    5. Oktober 2013

    Das Problem ist doch nicht, dass ein Journal, in dem wissenschaftliche Arbeiten nicht hinter teuren Abos und Paywalls verborgen werden, prinzipiell nicht in der Lage wäre, seine Artikel dem gleichen, strengen peer-review-Prozess zu unterziehen wie traditionelle Fachpublikationen.

    Sondern das Problem ist, dass Open Access einen anderen Markt schafft. Klassische Publikationen funktionieren wie Bücher oder Tageszeitungen: Autorinnen produzieren Inhalte und bieten sie an, Leserinnen kaufen sie, sofern das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt. Verlage auf der Autorinnen- und Unibibliotheken auf der Leserinnenseite sind in diesem Spiel lediglich Mittler. Sie verzerren den Markt ein wenig, ändern aber nichts an grundsätzlichen Prinzipien; gleichzeitig erbringen Verlage für die Autorinnen die Dienstleistung, eingenommenes Geld des Verlages in Reputation der Autorin zu übersetzen.

    Zahlen dagegen die Autorinnen für eine Publikation, fallen die Leserinnen als Steuergröße weg. Das Marktgeschehen spielt sich nur noch zwischen Autorinnen und Verlagen ab. Verlage können den Autorinnen unterschiedliche Dienstleistungen anbieten, von wir drucken alles unbesehen bis zur strengen Filterung der Inhalte. Zu erwarten ist, dass die zu zahlenden Preise diese Differenzierung widerspiegeln. Für wenig Geld bekommt man jeden Mist veröffentlicht (für gar kein Geld kann man sogar alles direkt ins Internet schreiben), für viel Geld und den Arbeitsaufwand, den ein gutes Paper verlangt, bekommt man einen besser angesehenen und öfter gelesenen Platz für seine Publikation. Open Access bewahrt dann die Wissenschaft davor, Veröffentlichungen aus schlechter ausgestatteten Institutionen Aufmerksamkeit schenken zu müssen. Große Entdeckungen werden unbeachtet bleiben, weil sich ihre Entdeckerinnen nur einen Drecksverlag leisten konnten.

  2. #2 Jürgen Schönstein
    5. Oktober 2013

    Das Problem ist, dass der Missbrauch von Open Access diesen anderen Markt schafft. Wenn mich nicht alles täuscht, ist das Konzept der “Vanity-Publikation” (ich adaptiere mal einen fremdsprachlichen Begriff hierfür) auch bei Limited-Access-Journalen nicht unbekannt. Open access macht es den Betrügern aber leichter, Pseudopublikationen zu entwickeln, die dann nicht mal wirklich gedruckt und verbreitet werden müssen.

  3. #3 Tantal
    5. Oktober 2013

    Ein “klassisches” Journal muss seinen Lesern möglichst hochwertige Inhalte oder zumindest ein attraktives Preis-Leistungsverhältnis anbieten, um wirtschaftlich zu überleben. Ein “open access” Journal muss leidiglich einen ausreichenden Anschein von Reputation erwecken um ausreichend Autoren anzuziehen, die Willens sind für Publikationen zu bezahlen. Sich als international journal zu deklarieren und peer review zumindest vorzutäuschen reicht da in vielen Fällen wohl schon aus. Ein potentieller Lösungsansatz sind schwarze Listen wie die von Beall, um die Publikation in solchen Journals so unattraktiv wie möglich zu machen.

    “Wenn man den Menschen vorenthält, was sie so gerne haben wollen, dann spielt man letzlich den Betrügern, die dieses unbefriedigte Bedürfnis für dunkle Geschäftemachereien ausnutzen wollen, in die Hände.”

    Ich glaube nicht, dass die treibende Kraft die Sehnsucht nach “open access” ist. Ebenfalls ohne es beweisen zu können stelle ich mal die Gegenbehauptung auf, dass diese Pseudojournals von Autoren leben die auf anderem Wege keine oder nur wenige karrierefördernde Publikationen bekommen.

  4. #4 ulfi
    5. Oktober 2013

    @Sven Türpe
    (auch wenn es wahrscheinlich bei ihnen keinen Sinn hat).
    “Klassische Publikationen funktionieren wie Bücher oder Tageszeitungen: Autorinnen produzieren Inhalte und bieten sie an, Leserinnen kaufen sie, sofern das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt. ”

    So funktioniert Wissenschaft aber nicht. Wenn ich meine Ergebnisse pulizieren will, muss ich sie mit dem state-of-the-art vergleichen, selbst wenn absolut klar ist, dass ich besser bin. Trotzdem kann ein Reviewer verlangen, dass ich auf das Ergebnis einer anderen Arbeit gesondert eingehe (mit Recht!). Nur wenn die nicht open access ist, was mache ich da? Ich kann nicht schreiben: “We don’t compare with the work of X because they are not open-access”. Entweder ich kaufe das Paper oder ich kann meine eigene Arbeit nicht publizieren.

    Das ist kein Markt, dass ist die Pistole an der Schläfe.

  5. #5 Sven Türpe
    6. Oktober 2013

    Nur wenn die nicht open access ist, was mache ich da?

    Du bittest die Autoren um eine Kopie oder Du suchst eine Bibliothek auf, in der die Arbeit erhältlich ist. Wieviel wärst Du bereit zu zahlen, um Dir diese Umstände zu ersparen?

  6. #6 Sven Türpe
    6. Oktober 2013

    Open access macht es den Betrügern aber leichter, Pseudopublikationen zu entwickeln, die dann nicht mal wirklich gedruckt und verbreitet werden müssen.

    Von mir aus können wir unseriöse Verlage auch ausklammern und uns auf jene mit guten Absichten konzentrieren. Welche ökonomischen Mechanismen sorgen systematisch dafür, dass diese gutwilligen Verlage nicht aufgrund wirtschaftlicher Anreize versucht sind, sich den unseriösen anzunähern? In welcher Weise lohnt es sich für einen Open-Access-Verlag, zu sagen: “We don’t ship crap.” und daran festzuhalten?

  7. […] als Bezahl-Journal nicht allzu viel Ehre zu verlieren hat (das ist meine persönliche Ansicht, die ich hier schon mal umrissen […]

  8. […] weiter sind als publizistische Beutegreifer hatte ich ja schon mehrfach geschrieben – hier, hier und hier, zum Beispiel – und mich dabei immer wieder gefragt, wer solche ziemlich leicht als […]