Die Idee scheint paradox, gelten doch Wälder im Allgemeinen und der Amazonas-Regenwald im Besonderen als die aktivsten und attraktivsten CO2-Filter schlechthin. Doch klimatischer Stress geht auch am Regenwald nicht spurlos vorbei: Das Paper Drought sensitivity of Amazonian carbon balance revealed by atmospheric measurements in der aktuellen Ausgabe von nature warnt davor, dass bei anhaltenden Niederschlagsextremen das Amazonasbecken zumindest für Teile des Jahres statt einer Kohlenstoffsenke zu einer Netto-Quelle für atmosphärisches Kohlendioxid werden kann.

Doch diese Nachricht muss man sehr genau lesen: Es ist nicht so, dass die Wälder selbst plötzlich mehr CO2 abgeben, als sie aufnehmen, also netto zu Emittenden werden. Doch in Trockenzeiten, die auch in den tropischen Regenwäldern vorkommen und als Folge des Klimawandels länger und extremer werden können, neutralisiert sich die Kohlendioxid-Absorption der Vegetation des Amazonas-Regenwaldes von etwa 250 Miliarden Millionen Tonnen Kohlenstoff (aufs Jahr gerechnet) auf etwa Null. Aber da der Wald eben nicht unberührt bleibt, sondern gerodet und eingeäschert wird (industriell ebenso wie durch die Brandrodung der Ureinwohner), hat sich in dem besonders trockenen Jahr 2010 eine Netto-Kohlenstoffabgabe (!) von 480 Milliarden Millionen Tonnen Kohlenstoff ermitteln lassen, die auch durch das ziemlich feuchte Jahr 2011 nicht ausgeglichen werden konnte, in dem die Waldregion netto insgesamt nur 60 Milliarden Millionen Tonnen Kohlenstoff speichern konnte.

Ein Problem, warum dies lange unbemerkt blieb, war die auf fotogrammetrischen Informationen beruhende Annahme, dass in trockenenen Zeiten der Chlorophyllgehalt der Region ansteige, also die Photosynthese (= der Kohlenstoff-Speicherung) sogar noch schneller ablaufe. (Die Annahme war, dass die verstärkte Sonnenintensität diese Entwicklung begünstige, und dass die Verfügbarkeit von Wasser ein sekundärer Faktor in der Bio-Aktivität der Regenwälder sei). Doch auch mit dieser Illusion (genauer gesagt: dieser optischen Täuschung) räumt ein anderer Artikel in nature auf: Amazon forests maintain consistent canopy structure and greenness during the dry season. Grund für die beobachtete Intensivierung des Blattgrüns war nicht etwa die biologische Aktivität der Bäume, sondern lediglich ein Zusammenspiel von Sensoren und Sonnenwinkeln, die eine erhöhte Aktivität vortäuschten.

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Kommentare (4)

  1. #1 axel
    8. Februar 2014

    Da würde ich mal ein paar Zahlen um den Faktor 1000 korrigieren.

  2. #2 Jürgen Schönstein
    8. Februar 2014

    Danke für den Hinweis! Die Milliarden wären Kilogramm gewesen…

  3. #3 Hobbes
    8. Februar 2014

    Mal eben eine Frage:
    Der ganze Regenwald ist doch ein Nullsummenspiel, was Kohlenstoff an geht, oder? Ich meine in Sümpfen etc. bildet sich ja Torf oder ähnliches. Den Regenwald zu verbrennen, ist aus CO2-Sicht also nicht anders, als eine Braunkohlestätte aus zu plündern?
    Von dem Schaden an der Natur will ich da gar nicht reden. der ist Zweifels ohne immens.

  4. #4 axel
    8. Februar 2014

    @ Hobbes

    Ja, im Prinzip kommt es nur auf die gespeicherte Biomasse an. Bei konstanten Bedingungen bleibt diese ungefähr konstant, also ein Nullsummenspiel. Beim Aufbau oder Abbau des Regenwaldes tut sich einiges, der bestehende Regenwald ist keine besondere Senke, da spielen die Ozeane und andere Landregionen eine wesentlich größere Rolle.

    Die Frage ist also: Warum ist der Regenwald überhaupt gegenwärtig eine (leichte) Senke? Keine Ahnung, ich vermute mal, dass die steigende CO2-Konzentration “düngend” wirkt. Der Ausblick in die Zukunft ist allerdings mit Sorgenfalten verbunden: Was ist mit verändernden Niederschlagsmustern, was ist mit der Temperaturzunahme?