Durch unseren Server-Umzug, kombiniert mit einer arbeitsreichen Woche für den SB.de-Redakteur (= ich), ist die Nachricht vom empirischen Nachweis eines wesentlichen Bestandteils der Urknall-Theorie zwar nicht untergegangen, aber doch ein bisschen unter dem Radar durchgesegelt. So hätte ich beispielweise gerne ein paar Fragen an Alan Guth gestellt, den ich durch meine Beschäftigung am Massachusetts Institute of Technology auch persönlich kenne und mehrfach zu Gesprächsrunden getroffen habe – aber das ist dann doch im Trubel untergegangen; mehr als eine kurze Gratulationsmail war nicht drin.

Aber dankenswerter Weise hat die MIT-Presseabteilung diesen Job übernommen und Guth drei Fragen gestellt, die er hier dann auch sehr ausführlich und – wie ich finde – anschaulich beantwortet hat. Simpel ausgedrückt sei die Inflationstheorie das, was “den Knall im Urknall” erklärt (streng genommen hat da sicher nichts “geknallt”, denn Schall wäre das Ergebnis einer Ausbreitung im Raum, nicht eine Ausbreitung des Raums):

“In its original form, the Big Bang theory never was a theory of the bang. It said nothing about what banged, why it banged, or what happened before it banged.”

Mit anderen Worten: Die ursprüngliche Idee – die dann von dem britischen Astronomen Fred Hoyle abschätzig als der “große Knall”, der Big Bang, abgetan wurde – ging zwar davon aus, dass sich unser Universum aus einem einzigen Ursprung ausgebreitet hat, aber sie konnte ohne die Inflationstherie nicht erklären, warum es sich ausbreitet. Im Prinzip beruht die Idee, die Guth 1981 erstmals (und etwas später dann, mit Unterstützung von Andrej Linde und anderen, in korrigierter Form) präsentiert hatte, auf der Annahme von Quanteneffekten und abstoßender Gravitation, die sich dabei “nur” auf sehr engem Raum auswirken musste – ein “aufgeblasener” Durchmesser von einem Zentimeter hätte seiner Ansicht nach bereits genügt:

“The initial patch could have been incredibly small, perhaps as small as 10-24 centimeter, about 100 billion times smaller than a single proton. The small patch would then start to exponentially expand under the influence of the repulsive gravity, doubling in size approximately every 10-37 second. To successfully describe our visible universe, the region would need to undergo at least 80 doublings, increasing its size to about 1 centimeter. It could have undergone significantly more doublings, but at least this number is needed.”

Aber so wichtig es für Guth auch sein dürfte, das mehr als drei Jahrzehnte nach der theoretischen Begründung eine empirische Bestätigung der Inflationstheorie gefunden wurde (unter anderem erhöht das die Chancen auf einen Nobelpreis in geradezu inflationärer Weise), geht es ihm hier nicht darum, ein Kapitel abszuschließen – es sei vielmehr so, dass durch die neuen Beobachtungen “ein Fenster aufgestoßen” werde:

“When I (and others) started working on the effect of quantum fluctuations in the early 1980s, I never thought that anybody would ever be able to measure these effects. To me it was really just a game, to see if my colleagues and I could agree on what the fluctuations would theoretically look like.”

flattr this!

Kommentare (10)

  1. #1 Bullet
    24. März 2014

    haha … Emphasis-Tag versemmelt 🙂

  2. #2 Jürgen Schönstein
    24. März 2014

    @Bullet
    Danke für den Hinweis! Hab’s – wie man sieht – korrigiert. (Für alle, die sich wundern, worauf sich Bullets Kommentar bezieht: Ich hatte beim Schreiben des Beitrags vergessen, ein HTML-Kommando zu “schließen”, das Text kursiv setzt. Daraufhin war alles unterhalb dieses Befehls, inklusive der Kommentare, in kursiver Schrift erschienen.)

  3. #3 Siskin
    Wien
    24. März 2014

    Hi! bei deinem Zitat “as small as 10-24 centimeter,” ist das -24 ein exponent 😉 … wär sonst etwas zu groß für den Patch 😉

  4. #4 Jürgen Schönstein
    24. März 2014

    @Siskin #3
    Ja, beim Kopieren hatte sich die “Hochstellung” nicht mit übertragen, und bemerkt habe ich es auch nicht … 🙁

  5. #5 Bullet
    25. März 2014

    @Jürgen: ja, das ist das ganz schlimme bei WP: wenn man ein Tag im Artikel nicht schließt, knallt das sogar in die Kommentare durch. Find ich irgendwie seltsam – aber gut, das ist eben die Architektur des Systems.
    Zum Thema des Artikels: Florian Freistetter hat schon nicht unrecht, wenn er bemerkt, daß wir echt in krass interessanten Zeiten leben, in denen so viel Fundamentales entdeckt wird. Cool, dabeisein zu können.

  6. #6 C.E.
    28. März 2014

    @Bullet: So viel Fundamentales… Wie lange ist denn “fundamental” fundamental? Ich denke, die meisten Zeitalter hatten Entdeckungen, die, mit dem damaligen WIssensstand betrachtet, als fundamental galten.

    Ich will keineswegs die Leistungen oder die Wertschätzung der Leistungen kleinreden. Ich bin froh, solche fundamentalen Entdeckungen mitzuerleben. Ich bezweifle nur, daß sie in 200 oder 300 Jahren noch fundamental sein werden, da sie dann allgemein anerkannt sind und als Fakt hingenommen werden. Es ist eine Frage der Perspektive…

  7. #7 Bullet
    28. März 2014

    Ich stimme nicht zu … die Formulierung der Relativitätstheorie ist fundamental, wie die Entdeckung der Unschärfe auch. Elektrischer Strom. Zellen (Biologie). Kugelgestalt der Erde. Atome. Pi bzw. transzendentale Zahlen im Allgemeinen. So Zeuch eben. Das alles waren fundamentale Entdeckungen, und sie sind es auch heute noch. Entdeckungen, die aufzeigen, daß die Welt prinzipiell anders ist als vorher gedacht. (Exoplaneten bspw. gehören in diese Aufzählung also definitiv und bewußt nicht dazu, weil es unvernünftig wäre, sie nicht anzunehmen. Das Besondere an der Entdeckung von Exoplaneten ist die Fähigkeit, Instrumente zu bauen, die so empfindlich sind, daß jene nachgewiesen werden können, ohne hinfliegen zu müssen.)

  8. #8 camil7
    Berlin
    29. März 2014

    Offensichtlich sind sie diese Tage auch auch bei der MIT-Presseabteilung umgezogen; der neue Link zum Interview ist
    https://newsoffice.mit.edu/3-q-alan-guth-on-new-insights-into-the-big-bang

  9. #9 Jürgen Schönstein
    30. März 2014

    @camil7
    Danke für den Hinweis. Die News-Seite des MIT ist tatsächlich inziwschen völlig neu gestaltet worden. Ich habe den alten Link durch den neuen ersetzt.

  10. […] Ausgabe von Science der im März mit einer Pressekonferenz – und wohlwollendem Medienecho, auch von mir – verkündete empirische Nachweis der so genannten Inflationstheorie (Florian hat dies sehr […]