Dass Albert Einstein ein schlechter Schüler war, ist ein ebenso falsches wie hartnäckiges Gerücht. Dank der nun elektronisch im Internet verfügbar gemachten rund 5000 Dokumente aus Einsteins persönlichem Nachlass (die Papiere selbst waren im Rahmen des Einstein Paper Project des California Institute of Technology bereits in gedruckter Form publiziert worden) kann man aber beispielsweise nachlesen, dass er als Zweitklässler jedenfalls schon ein glänzender Schüler war: “Gestern bekam Albert seine Noten, er wurde wieder der Erste, er bekam ein glänzendes Zeugnis”, schrieb Alberts Mutter Pauline Einstein am 1. August 1886 an ihre Schwester und Schwippschwägerin* Fanny Einstein. Aber Moment mal – hatte er nicht später ein Zeugnis, wo er von Einsen und Zweien in Fächern wie Mathe und Physik (und übrigens auch in Musik) voll in die Fünfen und Sechsen abgerutscht war? Jawohl, genau so ein Zeugnis gibt es – der Haken ist nur, dass man auch die Fußnoten dazu lesen muss: Zwischen den Schuljahren 1895/96 und 1896/97, als der noch nicht mal 18-jährige Albert sein Abitur an der Gewerbeschule im Schweizer Kanton Aargau ablegte, wurden dort die Notenstufen umgedreht – Sechs war nun die beste Note, die Eins hingegen die schlechteste. Und nur darum sieht sein Abschlusszeugnis für deutsche Augen so schlecht aus.

Ich geh’ jetzt mal ein bisschen im Privatkram eines Genies stöbern – auch wenn die Fakten alle längst bekannt sind, ist es doch faszinierend, sich das Quellenmaterial anschauen zu können, anstatt auf den x-ten Aufguss einer Einstein-Biografie zurückgreifen zu müssen.

*Pauline Einsteins Schwester Fanny war mit Rudolf Einstein verheiratet, einem Cousin von Paulines Mann (und Alberts Vater) Hermann.

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Kommentare (8)

  1. #1 rolak
    8. Dezember 2014

    verfügbar gemacht

    Ist doch ungemein praktisch, von allen möglichen Seiten auf (möglicherweise) Interessantes aufmerksam gemacht zu werden. Dankeschön!

    Schwippschwägerin*

    Twinkle, twinkle, little star
    Why do I have to go that far?
    😉

  2. #2 schlappohr
    8. Dezember 2014

    Trotzdem hatte diese Legende etwas Gutes, zumindest für mich persönlich. Als ich in der Mittelstufe eine schlechte Mathematiknote nach der anderen nach Hause brachte, nahm mich mein Vater in den Arm und sagte: “Einstein war am Anfang auch schlecht. Wir schaffen das schon.” Diese Motivation (und ein anderer Mathematiklehrer) habe mich schließlich aus dem Jammertal herausgeführt. Ich vermute mal, dass Einstein sich über solche Episoden gefreut hätte.

  3. #3 rolak
    8. Dezember 2014

    hatte diese Legende etwas Gutes

    Klar, schlappohr, dergleichen kann ungemein motivierend, bzw eher de-demotivierend im Sinne von ‘vielleicht doch nicht das Ende aller Tage, siehe <celebrity>’. Nur bleibt halt ein schaler Nachgeschmack von VerscheißertWorden, wenn die Hilfestellung sich irgendwann als aus dem Nichts gezogen erweist.
    Nach allen Regeln der breiten Streuung von Fähigkeiten sollte es allerdings für jedwege Kombination ‘wollte <dies>, hat bei <jenem> versagt’ ausreichend reale Beispiele geben, es könnte ja mal ne Sammlung angeleirt werden.

    ein anderer <Mathematik>lehrer

    Das war bei mir des öfteren der Auslöser für einen (lehrerbezogen) dauerhaften Notenwechsel – in beide Richtungen. Ganz speziell in Erdkunde (drei Phasen 2-1, 5, 2-1) und leider nie in Englisch (dauerhaft 4-5). Letzteres wurde fast komplett in Freizeit und vor allem nach dem Abi erarbeitet – deswegen tun sich des öfteren erstaunlich große Lücken auf, mangelnde Systematik, learning by doing 😉

  4. #4 Jürgen Schönstein
    8. Dezember 2014

    @rolak #1
    Den das Sternchen erklärenden Hinweis hatte ich schlicht vergessen: Pauline Einsteins Schwester Fanny war mit Rudolf Einstein verheiratet, einem Cousin von Paulines Mann (und Alberts Vater) Hermann Einstein. Steht jetzt aber am Ende des Textes dran. Danke!

  5. #5 schlappohr
    8. Dezember 2014

    @rolak

    “Nachgeschmack von VerscheißertWorden”

    Das vielleicht nicht gerade. Ich vermute, mein Vater wusste es auch nicht besser. Ich werde ihn mal fragen.

    “..ausreichend reale Beispiele geben…”
    Ja, falls mein Sohn mal in dieselbe Lage gerät, muss ich mir ein anderes Vorbild suchen. Spätestens nach diesem Blogartikel funktioniert Einstein nicht mehr…

    “und leider nie in Englisch”
    Bei mir waren Geschichte und Religion die Dauerbrenner. (Vermutlich gab es nie einen Kardinal, der mal eine Fünf in Religion hatte). Aber ich bin ehrlich genug, um bei diesen Fächern die Schuld nicht ausschließlich den Lehrern geben.

  6. #6 rolak
    8. Dezember 2014

    wusste es auch nicht besser

    Das bezog sich nicht auf den Motivator (keine Unterstellung), sondern auf das (typischerweise viel später) aufkommende Gefühl beim ehedem Motivierten, schlappohr.

    Kardinal .. Fünf

    Och, bei jedem Berufsbild dürfte es SpätEntscheider geben – sicher (speziell?) auch in diesem Epiphanie-basierten Fall.

    : Pauline (..) Einstein.

    ^^boah, mir wird allein schon vom Lesen leicht schwindelig, Jürgen.

  7. #7 Joseph Kuhn
    8. Dezember 2014

    Eine tolle Sammlung. Danke für den Hinweis.

    In der Geburtsurkunde (https://einsteinpapers.press.princeton.edu/vol1-doc/69) ist übrigens ein Transkriptionsfehler: Oben fehlt seinem Vater Hermann das zweite n, unten ist es korrekt geschrieben.

  8. #8 dieterich
    23. Dezember 2014

    Erinnerungen – Schulzeit und Noten

    Auf dem Gymnasium war ich ein sehr mittelmäßiger Schüler gewesen, nur in wenigen Fächern motiviert (Philosophie, dank eines Lehrers). In Mathe schwankte ich zwischen 2 und 4. Abiturnotendurchschnitt 3,3, einmal sitzen geblieben, also nicht gerade die Leuchte.

    Ich weiß nicht ob man mit einem solchen Zeugnis nach der Bologna-Reform in Deutschland heute zu einem Mathematikstudium zugelassen werden würde.

    Tatsache ist, dass ich damals Mathematik studiert habe und sowohl im Vordiplom, als im Diplom und in der Diplomarbeit ein “sehr gut” hatte. Man *kann* (oder sollte ich schreiben “konnte”?) also durchaus durchstarten, auch wenn man nur ein mittelmäßiger Schüler auf der Schule gewesen war. Der Schluss “auf dem Gymnasium mittelmäßig” => “nicht besonders fürs Hochschulstudium geeignet” war also nicht immer richtig.

    An der Schulzeit hat mir am meisten die Freizeit gefallen. Eine Ganztagsschule mit anschießendem verschulten Punktesammel-Bachelor- und Masterstudium, zeitlich durchgehechelt, würde mich heute ziemlich abschrecken.

    Durch meiner Motivation, zu der auch die große Freiheit die man damals im Studium genoss, beigetragen hat, habe ich im Studium sehr viel gearbeitet, freiwillig, ohne Druck und Zwang, aus Interesse. Voraussetzung für ein erfolgreiches Studieren war, dass einem das eigenständige Arbeiten liegt.

    Sicher gibt es auch heute Beispiele, wo Menschen erst nach der Schulzeit aufblühen. Trotz Bologna. Ich hoffe es.