Die erste Frage müsste eigentlich lauten: Können Küken zählen? Aber nehmen wir mal an, die Fähigkeit, Mengen zu unterscheiden, sei identisch mit dem, was wir zählen nennen. Dann schiene es in der Tat erst mal so, wenn man einem Paper in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science glauben darf, dass Küken unserer Haushühner in der Tat diese Zahlen als von links nach rechts in ihrer Größe steigend sortieren: Number-space mapping in the newborn chick resembles humans’ mental number line (der Artikel ist, soweit ich das von hier aus sehen kann, zumindest zurzeit frei verfügbar). Etwa so, wie wir es auf auf der x-Achse eines Koordinatensystems oder dem Zahlenstrahl tun.

Klingt toll, und deutet an, dass unser Zahlenverständnis – und vor allem die damit verbundene Von-links-nach-rechts-Tendenz – keine menschliche oder gar kulturelle Errungenschaft ist, sondern biologisch schon viel weiter zurück geht. Wenn man dem Paper, das von Forscherinnen und Forschern der Universitäten in Padua und Trient erstellt wurde, glauben kann. Denn schon die ForscherInnen selbst räumen ein, dass das bei Menschen eben nicht so universell ist: In Kulturen, die von rechts nach links schreiben, also zum Beispiel im Arabischen, ist die Präferenz für die Anordnung aufsteigender Zahlen dann auch entsprechend von rechts nach links.

Mehr noch: Auch wir im Westen sind mit dieser “umgekehrten” Ordnung durchaus vertraut, denn wir benutzen ja das arabische Zahlensystem. Und in dem wachsen die Zahlen tatsächlich von rechts nach links – in der Zahl 123.456.789 repräsentiert ja die 9 die Einerstellen, ist also die kleinste Zahl in diesem Verbund, während die 1 ganz links “100 Millionen” bedeutet. Wir schreiben unsere Zahlen typischer Weise von Links nach Rechts, aber wir schreiben sie dabei von der höchsten zur niedrigen Zahl. Der erste Satz im Abstract des Paper ist also, in seiner kategorischen Aussage, schon mal nicht zutreffend: “Humans represent numbers along a mental number line (MNL), where smaller values are located on the left and larger on the right.”

Doch woran mag es liegen, dass sich so ein Sortiereffekt bei frisch geschlüpften Küken messen lässt? Das mögen Verhaltensbiologen, die mit der Art von Experimenten besser vertraut sind, sicher klarer beurteilen können. Bei mir keimt aber der Verdacht auf, dass es schlichtweg ein statistischer Fehlgriff war: Wenn ich mir auf der 2. Seite des Papers die Legende der Abbildung 3 anschaue, dann kommen da immer nur verflixt kleine n vor; die größte Fallzahl, die jemals berichtet wird, ist 37. Schade eigentlich…

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Kommentare (1)

  1. #1 Alb
    3. Februar 2015

    Danke für den Hinweis auf diesen interessenten Artikel. Ich denke Verhaltensbiologen werden Dir bestätigen, dass n=37 eine ziemlich grosse Fallzahl für diese Art von Studien ist, so dass es keine Probleme bereitet, zufällige Fluktuationen als Ursache für diese Ergebnisse statistisch auszuschliessen.