Mehr als zwei Jahre nach dem Bombenanschlag auf die Zuschauer und Teilnehmer des Marathons in Boston hat sich die US-Justiz nun zu einer Entscheidung über das Strafmaß durchgerungen: Dschochar Zarnajew (21) wurde von einem Bundes-Schwurgericht, das ihn am 8. April bereits unter anderem des vierfachen Mordes schuldig gesprochen hatte, zum Tod verurteilt. Bei dem Anschlag selbst, den der damals 19-jährige Dschochar gemeinsam mit seinem Bruder Tamerlan mit selbst gebastelten Bomben verübt hatte, starben drei Menschen – der achtjährige Martin Richard, die 29-jährige Krystle Campbell und die aus China stammende Boston-University-Studentin Lingzi Lu (23); Sean Collier, ein 27-jähriger Offizer Campus-Polizist des Massachusetts Institute of Technology, wurde am 19. April, vier Tage nach dem Bombenanschlag, von den Zarnajew-Brüdern in seinem Dienstfahrzeug auf dem Gelände des MIT erschossen.

Dieser Fall geht mir, wie ich hier damals schon geschrieben hatte, nicht nur räumlich näher. Das MIT ist mein Arbeitgeber; ich komme praktisch täglich an der Stelle vorbei, an der Sean Collier ermordet wurde (sie ist inzwischen in eine Gedenkstätte umgebaut worden), und Collier war mit einigen meiner Studentinnen und Studenten bekannt und, wie es schien, befreundet. Aber auch zum Täter Dschochar Zarnajew gibt es eine leider viel zu kurze Verbindung, als dass ich mir hier eine komfortable innere Distanz aufbauen könnte: Er besuchte die gleiche High-School, in die auch mein Sohn jeden Tag geht; das ist zwar keine besonders enge Verbindung (die Cambridge Rindge and Latin School ist die einzige öffentliche High School der Stadt, und auch wenn sie ein paar prominente Ehemalige aufzuweisen hat, ist es jedenfalls in der Stadt selbst nichts Besonderes, diese Schule zu besuchen). Aber einige der LehrerInnen dürften den jungen Tschetschenen (und vielleicht sogar seinen knapp sechs Jahre älteren Bruder Tamerlan, der bei einer Schießerei mit der Polizei, wenige Stunden nach dem Mord an Collier, ums Leben kam) jedenfalls noch gekannt haben.

Das alles erkläre ich, um meine Befangenheit generell auszudrücken. Hinzu kommt natürlich meine ebenso generelle Ablehnung der Todesstrafe, die ich ja in meinem Blog schon mehrfach thematisiert habe. Doch selbst wenn ich diese persönliche Voreingenommenheit ausklammere, kommt immer noch für mich heraus, dass dieses Todesurteil nach allen Kriterien der Vernunft grotesk ist.Wo fange ich an?

Zum Beispiel beim Alter des Täters. Zum Zeitpunkt des Anschlages war er noch nicht mal 20 Jahre alt, und nach gängiger Rechtsauffassung in den USA damit noch nicht mal alt genug, um ein Bier zu trinken – mal davon abgesehen, dass er das als Muslim sowieso nicht gedurft hätte. Es geht hier darum, dass die US-Justiz einer Person unter 21 Jahren nicht die Reife zuspricht zu entscheiden, ob sie Alkohol konsumieren kann oder nicht, aber gleichzeitig bereits Elfjährige als strafmündig betrachtet.

Ein anderes Absurdum ist die Tatsache, dass eine klare Mehrheit der Bewohner Bostons sich gegen die Todesstrafe für Zarnajew ausgesprochen hatte. Auch die Familie des jüngsten Todesopfers, Martin Richard, hatte die US-Justiz ausdrücklich darum ersucht, kein Todesurteil auszusprechen. Und zwar mit sehr nachvollziehbaren und respektablen Gründen: Ein Todesurteil zieht automatisch ein kompliziertes und langwieriges Berufungsverfahren durch alle Instanzen nach sich, und in jeder Phase dieses Berufungsverfahrens müssen die Angehörigen damit rechnen, erneut als ZeugInnen auftreten zu müssen. Damit wird ihnen jede Chance genommen, einen inneren Frieden zu finden.

Aber das Urteil ist auch aus justizpraktischer Sicht unsinnig. Erstens, weil es die Staatskasse etwa dreimal so stark belastet wie ein lebenslanges Strafmaß, wobei die Kosten der Inhaftierung in beiden Fällen berücksichtigt sind. Und das mit ungewissem Ausgang: Von den 69 Todesurteilen nach Bundesstrafrecht (die parallel zur jeweiligen bundesstaatlichen Justiz aktiv werden kann), die seit 1988 verhängt wurden, sind letztlich nur drei vollstreckt worden. Zweitens aber, weil dieses Urteil einem de-facto-Moratorium widerspricht, das derzeit für die Todesstrafe unter Bundesgerichtsbarkeit in Kraft ist.

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Kommentare (27)

  1. #1 vt
    16. Mai 2015

    Wer Leute tötet soll “Auge um Auge” usw. usf.
    Das Problem ist WARUM wurde jemand zum Mörder ?
    Glauben => Religiot, Nationalistot o.ä. ?
    Kaputte Tassen im Schrank => Wahnvorstellungen o.ä. ?
    Angestiftet => NSA, CIA um mehr “Terror” zu haben ?
    Gesellschaftlich geächtet => Minijob, Mobbing o.ä. ?
    Wenn die URSACHE geklärt ist, sollte man diese “töten”.
    Ein toter Mensch kann aus seinen Fehlern nicht lernen.
    Aprospos, wer haftet eigentlich für die “illegalen” aka “versehentlichen” Hinrichtungen ?
    Müßten da nicht ALLE Richter, Zeugen, Polizisten, Geschworene und vor allem Politiker ebenfalls wegen vorsetzlichen Mordes getötet werden ?
    Aber ist ja alles VT …

  2. #2 wereatheist
    16. Mai 2015

    Was bleibt, ist Rache.

    So sieht’s aus. In diesem Fall wird selbst dieses Motiv nicht erfüllt: der Junge ist Djihadist. Der freut sich auf seinen Märtyrertod.
    Hier wäre LWOP die fiesere Rache.

  3. #3 Chemiker
    16. Mai 2015

    Meine Meinung zur Todesstrafe ist sehr einfach: Ich lehne sie ab. Aber nicht aus den Gründen, aus denen das die meisten tun, sondern aus anderen (Stichworte: Fehl­urteile, Brutali­sierung der Gesell­schaft, Korruption der Justiz, Kosten).

    Die hier vorgebrachten Argumente halte ich teilweise für wenig über­zeugend. Teil­weise finde ich sie gruselig. Ich glaube nicht, daß sie so gemeint sind — aber wenn man sie konsequent zu Ende denkt, färben sie sich schwarz.

    Am meisten stört mich, daß Opfer zum Objekt gemacht werden. Ein Denk­mal für einen ermordeten Campus­polizisten ist keine schöne Geste, sondern macht diesen Mann (der einmal aus allem bestand, was Menschen aus­zeich­net: Wünsche, Hoff­nun­gen, Pläne, sozialen Bezie­hun­gen) zu einem stati­schen Objekt, an dem die Gesell­schaft irgend­welchen Ritualen nach­gehen kann, die die Gesell­schaft insgesamt stärken. Das könnte man im besten Fall als Schmerz­bewälti­gung oder Ver­drän­gung ansehen, im schlimmsten Fall als zynischen Miß­brauch des aus­gelösch­ten Lebens.

    Nun könnte man ja einwenden, daß der Mann wirklich tot ist und daher keine der genannten Eigen­schaften mehr hat. Solcher Prag­matis­mus liegt sehr nahe am Stock­holm-Syn­drom. Es handelt sich nicht um ein un­vermeid­bares Unglück, sondern um eine Ent­schei­dung durch den Täter (den ich, mit Verlaub, für einen schlechten Menschen™ halte); den Status Quo so hin­zuneh­men, heißt, die Täter­entschei­dung nach­träg­lich an­zuerken­nen. Der Mord ist schlecht, und etwas Schlechtes feiert man nicht mit einem schönen Denk­mal. Wer es anders macht, setzt sich immer dem Verdacht aus, das Geschehen entweder zu ver­bergen oder zu instru­mentali­sieren (die vielen Freiheits­kämpfer-Statuen in vielen heute autoritär regierten Ex-Kolonien mögen als Beispiel dienen). Daß eine Autoritäts­person und nicht eine Studentin oder einer der 17 Personen, die Glied­maßen verloren haben, ein solches Denk­mal bekommt, nährt den Verdacht zusätzlich.

    Beim Täter ist es genau umgekehrt: Der ist heute noch ein lebender Mensch und hat daher, nach der Logik einer irre­geleite­ten Humanität, Anspruch darauf, als voll­gültiges mensch­liches In­dividuum wahr­genom­men zu werden. Des­halb ver­weisen Sie auf sein zartes Alter (eines der Todes­opfer war ein achtjähriges Kind, aber daraus folgt offenbar genau gar nichts), und bemühen sogar den grotesken Ver­gleich mit dem Bier. Ab wann darf man in Massachusetts ein Auto fahren oder eine Waffe kaufen? Gesetze sind immer unlogisch, wenn man sie quer über Länder vergleicht, auch ohne daß man dazu das Straf­recht ins Spiel bringen muß.

    Sie haben auch viele valide Argumente gegen die Todes­strafe vorgebracht. Die absurde Kosten­frage hängt mMm sehr mit der inneren Zer­rissen­heit eines Sys­tems zu­sam­men, das zum einen auf­geklärt und „fair“ (ein Unwort in diesem Zu­sam­men­hang!) sein möchte, gleich­zeitig aber auch töten will. Die Folge ist In­effektivi­tät, weil man die inneren Wider­sprüche hinter büro­krati­schen Pro­zedu­ren ver­stecken muß. Die gleiche Schizo­phrenie sehe ich auch hinter den ständi­gen Dis­kussio­nen über die Tötungs­art und die damit verbundene Grau­samkeit. Da geht es für Justiz und Henker darum, sich selbst recht­zuferti­gen und zu ex­kulpie­ren, nicht irgend­welche Rechte der Ver­urteilten zu achten.

    Das absurdeste Zitat des Tages stammt übrigens von Spiegel Online

    Feuer­wehr­mann Michael Ward […] Das Urteil gegen Zarnajew sei eine Sache der Gerechtig­keit. “Er wollte in die Hölle – er wird schon bald dort sein”, zitiert ihn die “New York Times”.

    Der Mann freut sich darüber, daß die Justiz den Herzens­wunsch des Täters erfüllt? Schlimmer kann man sich selbst nicht mehr vorführen.

    Persönlich glaube ich, daß Strafen ab­schreckend wirken können. Aber nur, wenn die Täter rational sind (sind je nach Delikt unter­schied­lich viele), wenn die Auf­klärungs­quote hoch ist (ist sie nicht immer) und wenn die Täter eine realistische Chance auf Lebens­standard bei Gesetzes­konformi­tät haben (das hängt mit sozialer Gleichheit zu­sam­men). Diese Wenns sind die echten Baustellen.

    Den Unterschied zwischen Rache und Strafe habe ich nie ver­stan­den. Beide können temporär oder per­manent sein, zumindest in manchen Rechts­systemen (Deutschland kennt ja keine per­manen­ten Strafen). Ver­wenden Sie den Begriff „Rache“ für alles, was nicht auf die Re­soziali­sie­rung ausgerichtet ist? Dann haben Sie in vielen Justiz­systemen Grund zur Kritik. Wenn Ihr Kriterium ein anderes ist, dann würde ich es gerne hören; aber „Motiva­tion“ würde ich nicht ak­zeptie­ren, wenn sie sich nicht in ob­servab­len Attributen der Strafe (oder Rache) niederschlägt.

    Ich halte den Tod übrigens nicht für eine vernünftige Strafe, plädiere aber für lebens­lange Ge­fängnis­strafen, die für Morde an zufälligen Opfern der Default sein sollten. Denn es ist mensch­lich (wenn auch nicht er­strebens­wert), be­stimm­ten, anderen ge­legent­lich die Pest an den Hals zu wünschen; wenn man es dann wirklich tut, ist es ein immer­hin gerade noch mensch­liches Ver­sagen. Aber irgend­welche un­bekann­te, zufällig aus­gewähl­te Menschen zu töten, ist ein Angriff auf die Mensch­heit als ganze. Daher ist per­manen­ter Aus­schluß des Täters aus der mensch­lichen Ge­sell­schaft die richtige Antwort.

    Die in Deutschland übliche Anschauung, daß jeder ein Recht auf Wieder­eingliede­rung in die Gesell­schaft hat, finde ich den Opfern gegen­über sehr unfair. Religiöse Menschen können sich viel­leicht trösten, daß ihre un­verschul­deten Leiden in einem anderen Leben mit einer privaten Wolke belohnt werden, aber mir (und vermut­lich auch Ihnen) steht dieser Weg nicht offen. Es ist (außer mit stockholm­verdächti­gem Prag­matis­mus) schwer recht­zuferti­gen, was gut daran ist, wenn der ent­lassene Täter am Straßen­rand seinen Latte Macchiato schlürft, während das Opfer je nach­dem von den Würmern meta­bolisiert wird, an der Abzahlung seiner Schulden arbeitet oder die Ge­brauchs­anwei­sung des neue Roll­stuhls zu verstehen versucht. Oder auch „nur“ Panik­attacken beim Anblick einer dunklen Straße bekommt.

    Ja, würde der Staat die Opfer so ent­schädi­gen, daß sie es nicht mehr bedauern, das Ver­brechen erlebt zu haben, dann hätte er auch die Legi­tima­tion, dem Täter zu ver­geben. Aber das ge­schieht ja nicht einmal in den paar Fällen, in denen es möglich wäre. Statt­dessen werden Opfer mit Büro­kratie so lange gequält, bis der Über­lebens­instinkt gewinnt und sie die Suche nach Kom­pensa­tion „frei­willig“ aufgeben.

  4. #4 rolak
    16. Mai 2015

    Knappe Antwort auf die Titelfrage: Nein.

    Langfassung: Selbst wenn TodesStrafe an sich akzeptabel wäre – ein möglichst langes extremes Leiden würde Rache wesentlich besser umsetzen. Doch beides, Exekution und Folter, ist eben nicht akzeptabel.

  5. #5 DH
    16. Mai 2015

    Interessant , die am nähesten dran sind , verhalten sich am moderatesten.
    In der SZ stand mal der Satz
    “Die lebenslange Freiheitsstrafe ist eine Möglichkeit , jemandem das Leben zu nehmen , ohne ihm das Leben zu nehmen.”

    Ist die Todesstrafe überhaupt die härteste Drohung?
    Oder ist es effektiver , die Leute wissen zu lassen , daß sie eine lebenslange Strafe (europäischer Machart) auch wirklich absitzen müssen , denn genau darauf läuft es heraus , nur wenige Täter haben den Mut , sich selber zu richten , und die meisten dürften das instinktiv auch wissen.

    Wie praktisch , daß der Staat einem betimmten Tätertypus auch diese Bürde noch abnimmt und für ihn jenen Suizid übernimmt , für den er selber zu feige ist .
    Könnte es sein , daß die Todesstrafe sogar noch attraktiv wirkt für eine bestimmte Sorte Täter oder ihn gar überhapupt erst aktiviert?
    Wer krasse Gewalttaten verübt , hat zumeist auch mit sich selbst keinen sehr gnädigen Umgang , und düfte sich selber so ziemlich egal sein.
    Was für ein Angebot in dieser Situation , du darfst ein -oder ein paarmal so richtig die Sau rauslassen und mußt dann nichtmal die Verantwortung dafür übernehmen , weil dir der Staat ein Leben nimmt , auf das du ohnehin keinen Wert legst.

  6. #6 dgbrt
    16. Mai 2015

    Das deutsche Grundgesetz schreibt seit 1945 vor dass niemals der Staat über das Leben eines einzelnen entscheiden darf.

    Wer möchte HERR oder FRAU über ein Todesurteil sein???

  7. #7 Stefan
    17. Mai 2015

    Ein weiter Grund gegen die Todesstrafe ist die Tatsache, dass Rache allenfalls bitter macht. Die Angehörigen mögen für einen kurzen Moment ihr Rachegefühl befriedigt sehen, aber auf lange Sicht löst sich ihr Problem nicht, um wieder ein zufriedenes Leben leben zu können, wozu sie natürlich eindeutig das Recht haben. Würden Sie dem Täter vergeben, ihren Frieden mit ihm schließen, würde ihr Zufriedenheitsgrad auf lange Sicht profitieren. Und diese Chance nimmt man ihnen, wenn man den Täter einfach tötet. Es mag zwar zuerst als Zumutung klingen, von den Angehörigen zu verlangen, sie mögen den Prozess der Vergebung durchlaufen, aber es hilft ihnen auf lange Sicht.

  8. #8 dgbrt
    17. Mai 2015

    Dieser christliche Quatsch von Vergebung bringt mich immer auf die Palme! Rache ist dagegen wesentlich mehr verständlich, und DAS muss in einer modernen Zivilisation genau unterbunden werden.

    Ich habe es zum Glück niemals in meinem näheren Umkreis erleben müssen, aber wenn jemand Menschen umbringt kann ich nicht verzeihen. Der Täter trägt SCHULD bis an das Ende seines Lebens.

    Aber, auch wenn die Beweislage noch so eindeutig zu sein scheint, niemand; auch der Staat, hat das Recht über das Leben eines einzelnen Menschen zu entscheiden. Aber VERGEBEN kann ich einem Mörder NICHT!!!

  9. #9 wereatheist
    18. Mai 2015

    Der Junge war 19 bei der Tat. Blicke ich mit +-50 auf mich selbst mit 20 zurück, sehe ich ein naives Arschloch 🙂
    Dazu kommt, dass die treibende Kraft wohl sein älterer Bruder war, zugleich die ersatz Vaterfigur.
    Es gibt gute Gründe für das Jugendstrafrecht in DE. Hier hätte D. Z. nicht mal lebenslänglich zu erwarten.
    Das alte Commonwealth of Massachusetts behandelt Leute wie D. Z. als zu unreif, um mit so gefährlichen Substanzen wie Bier vernünftig umgehen zu können, macht aber strafrechtlich keinen Unterschied zu Erwachsenen.
    Also so jemand wie D.Z. zu vergeben (cum grano salis) erfordert kein Christentum, es reicht Einsicht in die Entwicklung der problem population, nämlich junge Männer.

  10. #10 Jürgen Schönstein
    18. Mai 2015

    @wereatheist #9
    Korrektur: Zarnajew wurde zwar in Massachusetts verurteilt, aber nicht von Massachusetts – das Verfahren wurde nach Bundesrecht vor einem Bundesgericht geführt. Im Staat Massachusetts ist die Todesstrafe abgeschafft; die Geschworenen wurden ausdrücklich nur aus Befürwortern der Todesstrafe (die es leider überall gibt – selbst in Deutschland) ausgewählt. Und auch das Mindestalter für den Alkoholkonsum wird vom Bund geregelt, nicht von den Bundesstaaten.

  11. #11 wereatheist
    18. Mai 2015

    die Geschworenen wurden ausdrücklich nur aus Befürwortern der Todesstrafe (die es leider überall gibt – selbst in Deutschland) ausgewählt.

    Damit alles möglich ist, was das Strafrecht so vorschlägt. Eigentlich logisch (:

  12. #12 eh i
    18. Mai 2015

    ich glaub der autor hat gar keine vorstellung was es beteudet lebenslang in einem hochsicherheitsgefängniss zu sitzen.
    die totesstrafe ist da ja ein gnadenakt …

    ich bin auch nicht für die todesstrafe, aber die frage sollte erlaubt sein: was macht man mit solchen menschen die ohne skrupel kleine kinder töten ?!

    ich kann nachvollziehen wenn menschen sagen, töten wir die mörder dann haben wir am wenigsten problemen mit ihnen..

  13. #13 Adent
    18. Mai 2015

    @dgbert und eh i
    Jaja, das ist ja alles schön und gut, dass nur die Todesstrafe vor weiteren Folgen für andere Opfer schützt. Aber und das ist das eigentlich entscheidende große ABER, was ist mit dem einen und es braucht nur einen unschuldig Verurteilten, der hingerichtet wird? Kollateralschaden, Pech gehabt, Justizirrtum?
    Für mich ist die Todesstrafe vor der Kulisse gerade des amerikanischen Justizsystems in höchstem Maße zynisch. Man rechne bitte mal wieviele unschuldig verurteilte in diesem System teilweise erst nach Jahrzehnten rehabilitert werden, diese sind dann im Fall der Todesstrafe leider schon tot, so ein persönliches Pech…
    Die Todesstrafe ist nicht aktzeptabel als Bestrafung, so einfach ist das.

  14. #14 Jürgen Schönstein
    18. Mai 2015

    @eh i #12
    Doch, “der autor” hat durchaus eine Vorstellung, genauer gesagt: kann sich durchaus vorstellen, wie grausam die Alternative einer lebenslangen Einzelhaft (das war tatsächlich das Strafmaß, das von der Verteidigung angestrebt wurde) für einen jungen Menschen sein muss. Auch das ist letztlich eine Form des Tötens – nicht physisch, aber psychisch. Und auch das geschieht eben nur aus Rache, ohne irgend eine Idee von Rehabilitation oder Resozialisierung, und ist damit im 21. Jahrhundert genauso untragbar wie die Todesstrafe selbst. Aber im direkten Vergleich mit letzterer immer noch das kleinere Übel, weil eventuell revidierbar. Eine Hinrichtung hingegen ist nicht nachträglich aufhebbar.

  15. #15 eh i
    18. Mai 2015

    >>ohne irgend eine Idee von Rehabilitation oder >>Resozialisierung, und ist damit im 21. Jahrhundert genauso
    >>untragbar wie die Todesstrafe selbst.

    es gibt menschen die kann man nicht resozialisieren !
    was soll mit dennen geschehen ?!
    die sind eine gefahr für alle mithäftlinge und für das personal, also was machen mit diesen, die nächsten 50 jahre ?!
    es ist keine option die wieder zu entlassen.
    der staat muss sich/uns vor solchen menschen schützen.

    >> lebenslangen Einzelhaft (das war tatsächlich das
    >> Strafmaß, das von der Verteidigung angestrebt wurde)

    mir hat mal einer erzählt der 22 jahre in stein (https://de.wikipedia.org/wiki/Justizanstalt_Stein) gesessen ist, das man nach spätestens 3 jahren in einzelhaft psychische schäden erleidet.

  16. #16 Basilius
    Saki Achiga-hen episode of Side-A
    18. Mai 2015

    @eh i
    Mich würde erst mal nur eines interessieren:
    Ist es Dir egal, daß man eine einmal vollstreckte Todesstrafe nicht mehr zurücknehmen kann?

  17. #17 DH
    18. Mai 2015

    Hinter einer humanen Justiz steht noch eine andere , sehr wichtige Grundidee.
    Niemand ist eine Insel , da kann die angesagte Ideologie der Vereinzelung herumbläken wie sie will , jeder ist eine Mischform aus Eigenverantwortung und äußerem Einfluß.

    Sehr viele Gewalttäter sind erstmal Opfer , bevor sie zu Tätern werden , unsere Gesellschaft ist keinesfalls so gestrickt , daß sie gewaltfrei wäre und jeden sein Leben leben ließe.
    Teile der kleinbürgerlichen Mitte nutzen Straftäter gerne , um von den Verwerfungen in den eigenen vier Wänden abzulenken , und von den Folgen der eigenen , verlogenen Wertvorstellungen , etwa der Selbsterhöhung über die Geringschätzung der Armen.

    Das hat fast schon System , erst drängt man Leute an den Rand , dann werden Teile davon kriminell und man kann sie dann auch noch als Sündenbock gebrauchen , eine regelrechte , gut versteckte Verwertungsmaschinerie.

  18. #18 Nordlicht_70
    18. Mai 2015

    Mmmhh, ich gebe mal den advocatus diaboli….
    Ich persönlich bin in Hinsicht auf Todesstrafe unentschlossen. Ich lehne sie ab als Strafmaßnahme für Verbrechen gegen Subjekte oder Ojekte. Richtet sich aber ein Verbrechen gegen die menschliche Gesellschaft an sich (hier ein Terrorakt), kann ich das zumindest nachvollziehen. (Obwohl ich auch nicht der Richter sein möchte, der das entscheidet.)

    Ich sehe nicht nur Rache als Motiv. Ein weiterer Aspekt ist, dass nur so sichergestellt werden kann, dass dieselbe Person keine Chance mehr hat, erneut straffällig zu werden. Eine Art Selbstschutz der Gesellschaft.

  19. #19 togibu
    19. Mai 2015

    @#8 dgbrt
    Der “christliche Quatsch von Vergebung” beruht imo auf einer durchaus nachvollziehbaren Überlegung:
    Eine Haltung von Unvergebenheit gegenüber jemandem, der mir etwas angetan hat (und das muss ja nicht gleich Mord an einer nahestehenden Person sein) belastet den Täter in aller Regel äußerst wenig. Aber in mir nährt eine solche Haltung ein andauerndes, schwärendes Gefühl, Opfer von Ungerechtigkeit zu sein, was durch die Erkenntnis, dass die zum Ausdruck gebrachte Unvergebenheit dem Täter in solchen Fällen absolut am A…. vorbeigeht, nur noch verstärkt wird. Eine innere Aufarbeitung und Heilung der erlittenen inneren Verletzung ist so unmöglich. M.a.W.: Eine Haltung von Unvergebenheit trifft den Täter kaum, das Opfer aber erheblich und dauerhaft. Deswegen vergibt man in erster Linie für sich selbst, nicht etwa für den Täter.

  20. #20 eh i
    19. Mai 2015

    @Basilius

    >>Ist es Dir egal, daß man eine einmal vollstreckte Todesstrafe

    >>nicht mehr zurücknehmen kann?

    nein, das ist m.M. auch das schwerste argument das gegen die todesstrafe spricht.
    die gefahr besteht beim obigen täter ja nicht.

  21. #21 Tick
    19. Mai 2015

    @ eh i
    Das Argument
    @Basilius
    >>Ist es Dir egal, daß man eine einmal vollstreckte Todesstrafe
    >>nicht mehr zurücknehmen kann?
    nein, das ist m.M. auch das schwerste argument das gegen die todesstrafe spricht.
    die gefahr besteht beim obigen täter ja nicht.

    taugt doch auch nix. Wie beurteilt man denn dass man sich wirklich sicher sein kann, dass derjenige auch wirklich schuldig ist.
    Das ist doch das Prinzip hinter jeder Strafe, ich muss mir sicher sein, dass der Angeklagte bzw. Verurteilte auch wirklich der Schuldige ist, sonst muss ich ja im Zweifel für den Angeklagten entscheiden und ihn gar nicht verurteilen.
    Ich kann ja schlecht das Strafmaß darauf stützen wie sicher ich mir bin.
    1) “Es wurde eine Bombe gelegt, xy Menschen sind gestorben und yx verletzt worden, xx wurden traumatisiert… Wir sind uns sicher dass es der Walter war, der ist auch auf der Überwachungskamera zu sehen und hat das Material im Keller gehabt. Ok dann können wir ihn zum Tode verurteilen.”

    2) “Es wurde eine Bombe gelegt, xy Menschen sind gestorben und yx verletzt worden, xx wurden traumatisiert…
    Die Indizien sprechen dafür dass es Walter war, aber er hat es nicht gestanden, auf den Videos sieht man ihn nicht und zu dem Keller mit dem Bombenbausatz gibt es kein Schloss, da kann also jeder rein. Ok, dann nur lebenslang, vielleicht kommt ja doch noch ein andrer und gesteht.”

  22. #22 Basilius
    Saki Achiga-hen episode of Side-A
    19. Mai 2015

    @eh i
    Die Gefahr, daß man sich beim Verurteilten doch geirrt hat besteht immer. Es gibt genügend dokumentierte Fälle in denen ein Geständnis tatsächlich gelogen war, usw. usf.
    Wie willst Du Dir wirklich absolut sicher sein? Wer das dennoch glaubt, macht es sich bei weitem zu bequem, oder er möchte ganz einfach trotzdem die Todesstrafe vollstreckt sehen.

  23. #23 Basilius
    Saki Achiga-hen episode of Side-A
    19. Mai 2015

    @dgbrt

    Dieser christliche Quatsch von Vergebung bringt mich immer auf die Palme!

    Es wäre für Deine eigene Zufriedenheit vielleicht gar nicht so schlecht über das von togibu in #19 gesagte nach zu denken.
    Aber ganz davon abgesehen: Wie kommst Du auf die Idee daß das Konzept von Vergebung rein von den Christen gepachtet wäre? Das gibt es in anderen Religionen und selbstverständlich auch Weltanschauungen durchaus ebenso.
    Vielleicht magst Du ein wenig mehr darüber lesen:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Vergebung
    0_0

  24. #24 Roland B.
    20. Mai 2015

    Bei Fehlurteilen mit Todesstrafe müsste man automatisch die Geschworenen und Richter als Mörder zum Tode verurteilen.

  25. #25 Basilius
    Nisekoi:
    20. Mai 2015

    @Roland B.
    Die Idee gefällt mir!
    Das müsste man dann aber schon richtig konsequent durch ziehen.Denn wenn sich dann hinterher herausstellt, daß doch noch neue Indizien auftauchen, die den bereits Verurteilten und dann wieder rehabilitierten DOCH noch belasten, dann müssten sofort praktisch alle 2. Geschworenen und 2. Richter aus dem Revisionsprozess ebenso (von einer 3. Riege) wegen Mordes an der kompletten 1. Riege zum Tode verurteilt werden.
    Wenn das nur ein paar Mal passiert erledigt sich das Problem mit der Todesstrafe von selber weil sich keiner mehr traut irgendjemand anderen zum Tode zu verurteilen.
    \(^_^)/

  26. #26 Sim
    23. Mai 2015

    Dschochar Zarnajew ist ein mit Bewusstsein ausgestattetes empfindungsfähiges Wesen. Der Kern einer jeden Ethik die sich selbst ernstnimmt sollte doch sein das Leid von bewusten empfindungsfähigen Wesen zu mindern.

    Natürlich können empfindungsfähige Wesen anderen empfindungsfähigen Wesen Leid zufügen, das macht sich selbst aber nicht zu unempfindsamen Wesen. Und jedes Leid was man diesen Wesen antut ist nur noch mehr Leid.

    Wenn jetzt Menschen wie Zarnajew andere Menschen akut bedrohen können diese durchaus aus dem Verkehr gezogen werden, das kann sogar den Tod des Angreifers rechtfertigen, dabei handelt es sich um das Konzept der Notwehr.

    Nun wurde Zarnajew aber festgenommen und zwar lebend. Und damit haben sich die Spielregeln geändert. Es ist nicht mehr Zarnajew der eine Gefahr für die Gesellschaft darstellt sondern die Gesellschaft, beziehungsweise Teile von ihr stellen eine Gefahr für Zarnajew dar. Sie haben entschieden ihn umzubringen. Das perverse an der Todesstrafe ist gar nicht mal der Tod an sich. Denn sterben müssen alle Menschen aber die meisten von uns erleben es als Segen nicht zu wissen wann das sein wird. Bei einem zum Tode verurteilten wird ein Hinrichtungstermin festgelegt auf den sich dieser schließlich “freuen” kann. Bis schließlich der Tag anbricht an dem es so weit ist und man sterben muss um dann zu erfahren dass der Termin verschoben worden ist und man einen neuen Sterbetag zugewiesen bekommt. Da Todesurteile langwierige Revisionsverfahren nach sich ziehen kann sich dieses Prozedere noch beliebig oft wiederholen.

    Hinzu kommt, dass es egal ist wie sehr sich die eigene Persönlichkeit ändert, ob man zu der Einsicht gelangt, dass es unethisch war dieses Leid unter seine Mitmenschen gebracht zu haben es nützt alles nix gestroben werden muss trotzdem, einfach weil das ein paar Leute vor langer Zeit so festgelegt haben. Je mehr Jahre ins Land gehen um so mehr verändert sich die Welt die Person und der ganze Kontext. Man ist Sklave seiner Vergangenheit. Man ist nicht Handlungsfähig und nur noch eine leidensfähige Hülle die von der Gnade ihrer zukünftigen Mörder abhängig ist.

    Dabei gibt es doch dieses Prinzip: Wenn dich jemand angreift und versucht dich umzubringen kannst du dich wehren und ihn niederschlagen. Wenn der Angreifer aber nun bewusstlos am Boden liegt ist es nicht erlaubt auf ihn einzuschlagen geschweige denn ihn umzubringen und schon gar nicht ihn nach Hause zu schleifen ihm jahrelang im Keller einzusperren, jeden Tag mit Erbsenpüree zu füttern und ihn dann nach 30 Jahren zu erschießen.

    Es gibt ja noch viele gute Gründe gegen die Todesstrafe unter anderem dass es auch immer dich oder einen unschuldigen erwischen kann. Aber mein Punkt ist, dass die Todesstrafe immer abzulehnen ist egal wie verantwortlich der Angeklagte für die ihm zur Last gelegte Straftat auch sein mag.

    Denn Bewusstsein, Empfindungsfähigkeit und Charakter sind grundveschiedene Dinge. Der Charakter und die Ansichten können sich ändern, das weiß jeder der zumindest mal die Pubertät durchgemacht hat und auch im Alter kommen Altersmilde und oder Demenz hinzu. Vielleicht verändert auch ein Tumor im Kopf oder ein Unfall die Persönlichkeit. Doch das Bewusstsein bleibt das gleiche. Es gilt diesen empfindungsfähigen Kern zu schützen und zwar auch vor dem mit ihm assoziierten Charakter.

  27. #27 Bullet
    27. Mai 2015

    Der Kern einer jeden Ethik die sich selbst ernstnimmt sollte doch sein das Leid von bewusten empfindungsfähigen Wesen zu mindern.

    So gern ich das unterschreiben würde: du lehnst dich da ziemlich weit ausm Fenster.