Ich gestehe, das ist ein Ablenkungsmanöver. Für mich. Weil ich mich (ich kann halt nicht anders) über die tägliche Nachrichtenlektüre – in den USA ist das vermutlich ebenso unerfreulich wie in Deutschland – schon zu sehr ärgere, versuche ich mal, mich wieder mit Dingen zu befassen (und gegebenenfalls mich über sie zu ärgern), die ich unter normaleren Umständen als echte Aufreger empfunden hätte. Zum Beispiel eine Debatte über die Qualität des Wissenschaftsjournalismus, die durch diese Infografik angestoßen wurde:

Da auf dieser Übersicht auch “ScienceBlogs” erscheinen (es handelt sich dabei allerdings um die amerikanischen ScienceBlogs, die schon immer redaktionell und seit drei Jahren auch organisatorisch eine völlig andere Veranstaltung als die deutschen ScienceBlogs waren), bin ich natürlich nicht mehr neutral, und ich wundere mich somit ganz parteiisch, warum sie nach den genannten Kriterien nicht besser rangieren, als beispielsweise National Geographic (das ein Reportagemagazin ist, sich selbst also nicht primär als eine Wissenschaftspublikation begreift). Aber sei’s drum, statt hier noch einmal meine Meinung zur tatsächlichen oder vermeintlichen Misere des Wissenschaftsjournalismus breit zu treten (hab’ ich ja eh schon mehrfach und ausführlich hier getan), lenke ich die Aufmerksamkeit auf einen Beitrag in nature, der das Thema, wie ich finde, sehr einsichtsreich betrachtet: Science journalism can be evidence-based, compelling — and wrong

Die Frage, die darin mitschwingt, ist durchaus berechtigt: Kann oder muss Wissenschaftsjournalismus seriöser sein als Wissenschaft selbst? In einer idealen Welt würde “der Wissenschaftsjournalismus” (den es so ja gar nicht geben kann, da praktisch jede/r, der/die sich journalistisch mit wissenschaftlichen Themen befasst, andere Voraussetzungen mitbringt und für ein anderes Publikum schreibt) in der Tat darauf beschränken können, über die Inhalte und Erkenntnisse der Wissenschaft sachlich zu berichten. Aber nicht alles, was WissenschaftlerInnen tun, ist Wissenschaft bzw. erfüllt die Qualitäts- und ethischen Ansprüche, die für wissenschaftliches Arbeiten eigentlich selbstverständlich sein sollten. Und wie komplex diese Schattenseiten sein können, erlebt man bei der Lektüre dieser ziemlich umfangreichen Story über den Krebsforscher Dr. Carlo Croce, der zwar fleißig publiziert und in gewisser Weise als Star seiner Branche gilt, aber dessen Arbeit – sowohl die Qualität als auch die Interessenskonflikte, die sich um sie ranken – immer wieder zu Kritik Untersuchungen geführt hat. Bisher allerdings ohne nennenswerte Konsequenzen, wie beispielsweise die New York Times heute schreibt (Lesetipp Nr. 2):
Years of Ethics Charges, but Star Cancer Researcher Gets a Pass

flattr this!

Kommentare (19)

  1. #1 Rene F.
    9. März 2017

    Ich lese das US-Pendant kaum, aber für die deutschen scienceblogs dürfte die Einordnung in der Grafik eher noch wohlwollend sein. Obwohl es hier einige sehr lesenswerte Blogs gibt, werden diese zunehmend für politische Agitation und Hetze auf Andersdenkende verwendet – bis hin zur Duldung von Todeswünschen gegenüber Mitkommentatoren durch die Blogger.

    Manche Blogger machen sich dabei teilweise gar nicht mehr die Mühe, ihre politischen Meinungsäußerungen in einen wissenschaftlichen Rahmen zu packen.

    Kein Wunder, dass da die Qualität den Bach runter geht.
    Sie sind doch V.i.S.d.P.? Wie sieht den der Inhaber Konradin Medien diese Entwicklung?

  2. #2 Jürgen Schönstein
    9. März 2017

    @Rene F.

    Duldung von Todeswünschen gegenüber Mitkommentatoren durch die Blogger

    Wo?

    Manche Blogger machen sich dabei teilweise gar nicht mehr die Mühe, ihre politischen Meinungsäußerungen in einen wissenschaftlichen Rahmen zu packen.

    Müssen sie auch nicht, denn erstens ist Politik eine explizite Kategorie bei ScienceBlogs.de, zweitens findet Wissenschaft nicht in einem politikfreien Raum statt, und drittens sind BloggerInnen nicht an thematische Vorgaben gebunden.

    Sie sind doch V.i.S.d.P.? Wie sieht den der Inhaber Konradin Medien diese Entwicklung?

    Mit sachlicher Vernunft.

  3. #3 Alisier
    9. März 2017

    Damit keiner zu viel Zeit mit Grübeln verwendet, was diesen Kommentatator reitet, oder was er genau will:
    Er wurde aufgrund wiederholt fremdenfeindlicher und unverschämter Beiträge auch von mir kritisiert.
    Irgendwann hat er sich aufgrund eines extrem dämlichen Beitrages die sarkastische Bemerkung eingefangen, er solle aufpassen, dass es ihm nicht wie den Weihnachtsgänsen ginge.
    Mit dieser “Morddrohung” tingelt er seitdem durch die Blogs und jammert herum, verschwendet aber selbst immer noch keinen Gedanken daran, welch unsäglichen Dreck er immer wieder postet, und wie das wohl wirkt. Ignorieren hilft.
    Zum Thema und zur Grafik:
    Ich denke, dass man solche Grafiken getrost auch ignorieren kann. Differenzierungen sind weder vorgesehen, noch möglich. Und wer dann eine solche Grafik zum sich orientieren heranzieht, dem wird wohl nicht wirklich viel am Thema Wissenschaft liegen.

  4. #4 RPGNo1
    9. März 2017

    @Jürgen Schönstein
    Marcus Anhäuser hat auf seinem Blog auch auf den Nature-Artikel verwiesen:
    https://scienceblogs.de/plazeboalarm/index.php/welche-medien-stehen-wo-welche-sind-verlaesslich/#comment-22561

    @Rene F.
    Wo siehst du hier Agitation und Hetze?
    Stelle hier nicht nur irgendwelche Behauptungen in den Raum, sondern belege sie ordentlich mit Quellen und Links.

    Welche Todesdrohungen?
    Rechtsverstöße können auch im Internet verfolgt werden und die Blogbetreiber dafür haftbar gemacht werden, das sollte dir eigentlich klar sein. (https://scienceblogs.de/code/)
    Außerdem: Quelle und Link, sonst ist es nur eine leere Behauptung.

    Kein Wunder, dass da die Qualität den Bach runter geht.

    Wenn dir die Qualität nicht gefällt, dann lass es sein, hier mitzulesen oder zu kommentieren. Es zwingt dich keine Person dazu.

  5. #5 RPGNo1
    9. März 2017

    LOL! Da sind fast gleichzeitig drei Kommentare auf Rene F.s Anfragen aufgeschlagen. 🙂

  6. #6 Rene F.
    9. März 2017

    @Alisier

    Danke, dass Sie hier gleich mal Ihren “Stil” demonstrieren. Dann muss man nicht andere Blogs durchsuchen, um zu erkennen, dass sie in erster Linie Mitkommentatoren beleidigen oder persönlich angreifen.

  7. #7 Rene F.
    9. März 2017

    @RPGNo1

    Ich denke mal, Sie kennen die Posts, da Sie sich ja meistens im Umfeld von Alisier bewegen. Bitte selbst raussuchen.

  8. #8 Rene F.
    9. März 2017

    @Schönstein

    “Mit sachlicher Vernunft.”

    Was ist damit gemeint?

  9. #9 Joseph Kuhn
    9. März 2017

    Bevor hier irgendwelche Horrormärchen über Morddrohungen entstehen:

    1. Rene F. bezieht sich auf diesen Kommentar von Alisier bei mir, nachdem er selbst ordentlich provoziert hat: https://scienceblogs.de/gesundheits-check/2016/10/22/trump-und-der-truthahn-von-trends-und-prognosen/#comment-48709

    2. Ich habe das keineswegs “geduldet”, hier mein Kommentar dazu: https://scienceblogs.de/gesundheits-check/2016/10/22/trump-und-der-truthahn-von-trends-und-prognosen/#comment-48719

  10. #10 rolak
    10. März 2017

    Was ist damit gemeint?

    Denken statt aggressiv pampig werden. Ein offensichtlich für Viele völlig fremdes Konzept.

    keineswegs “geduldet”

    Wohl eher erduldet, Joseph. Doch letztlich ist RF hier völlig im Thema, trägt er doch selbst dazu bei – und warum auf ‘zwei’ beschränken?.

  11. #11 RPGNo1
    10. März 2017

    @Rene F.

    Ich denke mal, Sie kennen die Posts, da Sie sich ja meistens im Umfeld von Alisier bewegen.

    Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil. Auch wenn ich mich meist nicht so direkt wie Alisier äußere, so kann ich seine dahinter stehende Intention nur unterstützen. Wenn du scharfen Gegenwind nicht verträgst, dann musst du dir einen anderen Blog suchen. Sich aber als armes Opfer zu gebärden, welches du nicht bist, ist nur erbärmlich.

  12. #12 CM
    10. März 2017

    Was ist der Zweck solcher Graphiken? Orientierungshilfe bieten? Ich habe meine Zweifel: Denkende Leute machen sich selbst ein Urteil. Manchmal reicht schon das Stöbern am Kiosk, manchmal braucht es ein paar Ausgaben einer Zeitschrift, um sich ein Urteil zu bilden.

    Da glaube ich eher an die Neigung Aufmerksamkeit zu generieren und das Wissen, dass solche Vereinfachungen schon für den einen oder anderen Adrenalinschub sorgen werden.

    Zur Frage: ” Kann oder muss Wissenschaftsjournalismus seriöser sein als Wissenschaft selbst?” Klar, prinzipiell schon. Miese Wissenschaft, mangelnde Reproduzierbarkeit und Co. wurden auf SB schon eingängig diskutiert. Andererseits gibt es fraglos auch Themen in denen Journalismus bestenfalls einen Überblick geben kann – und dieser Vereinfachung wohnt auch immer das Risiko in unseriös zu scheinen oder zu werden. Aber auch das wurde in mancher Facette schon auf SBs diskutiert.

  13. #13 anderer Michael
    10. März 2017

    René F.
    Nicht immer sich selber zu wichtig nehmen. Ich ecke hier häufig genug an und manchmal stelle ich fest, dass die Kritik an mir und meinen Vorstellungen richtig ist. Aber nicht immer. Manchmal bin ich überrascht, wie man sich an wunderlichen Meinungen klammert.
    Der Reiz ist doch, dass man trotz unterschiedlicher Auffassungen im Gespräch bleibt. Als Konservativer hat man vielleicht einen etwas schwereren Stand. Aber wenn man immer Zustimmung bekommt und sich alle immer in jedem Punkt (1)einig sind , dass ist doch auch langweilig.

    Und ein Minimum an Höflichkeit. Sofern nicht per “du” , spricht man den Blogbetreiber nicht mit “Schönstein” an , sondern Herr Schönstein.
    Das wissen meine Kinder seit dem Kindergarten.

    1. Ausnahmen gibt es natürlich schon. Wenn es gegen Verstöße der Menschenrechte oder strafrechtliche Inhalte geht, müssen wir uns definitiv einig sein, als Grundvoraussetzung hier mit diskutieren zu dürfen.

  14. #14 RPGNo1
    10. März 2017

    @anderer Michael
    Ich spreche mal ein Lob in deine Richtung aus. Mit dir kann ich vernünftig diskutieren, obwohl wir in unseren Ansichten oft links und rechts der berühmten politischen Mitte stehen. Es macht mir Spaß, und ich nehme auch etwas für mich mit. 🙂
    Rene F. und einige andere Kommentatoren insbesondere der rechtspopulistischen Ecke, die hier regelmäßig aufschlagen, haben sich jedoch als argumentationsresistent erwiesen und verfolgen ein eher destruktives diskussionszerstörendes Ziel.

  15. #15 Alisier
    10. März 2017

    @ anderer Michael
    Und ich füge hinzu: Jeder, der sich konstruktiv an Diskussionen zu beteiligen versucht, ist eine Bereicherung.
    Aber, wie du schon sagtest, es gibt Grenzen. Und manchmal kann man schon an fehlender Höflichkeit erkennen, woher der Wind weht. Aber eben auch nicht immer.

  16. #16 anderer Michael
    10. März 2017

    Danke RPGNO1 und Alisier fürs das Lob 🙂 , aber Vorsicht! Zuviel davon, dann neige ich zu Größenwahnsinn. Dann muss mich meine Frau wieder runterholen , ist allerdings eine leichte Übung für sie.

  17. #17 anderer Michael
    10. März 2017

    Herr Schönstein
    Zum Thema und keine selbstgerechte Nabelschau meinerseits mehr.
    Ich habe mich beim amerikanischen Science Blog umgesehen. Mein erster Eindruck: die BlogPost sind kürzer und thematisch viel einfacher. Die hiesigen Blogger geben sich häufig eine riesige Mühe mit vielen Links und versuchen komplexe Themen zu vermitteln. Auch die Themenvielfalt scheint bei uns größer zu sein. Ich weiß nicht, ob Sie diplomatische Zurückhaltung zeigen müssen, aber ich schätze den deutschen Science Blog höher ein ,was die Tiefe betrifft , als den amerikanischen. Das soll kein Werturteil sein, evtl ist das Zielpublikum ein anderes.

    Persönlich halte ich Wissenschaftsjournalismus für sehr wichtig. Die Welt ist so komplex geworden. Wir brauchen Fachleute, die sprachlich in der Lage sind, Probleme und Thematik auf den Punkt zu bringen. Als unpolitisches und gesellschaftlich nicht so wichtiges Beispiel möchte ich den letzten Beitrag von MartinB. zur Definition von Dinosauriern anführen. Der Beitrag ist einfach nur bewunderswert genial. Dass Journalismus auch persönliche Meinungen beinhaltet , im Einzelfall unseriös, das liegt in der Natur der Sache.

    Viele Blogger geben sich hier soviel Mühe. Ich frage mich manchmal nach der Motivation. Geld kann es nicht sein. Das bisschen Werbung für die eigenen Bücher macht den Kohl nicht fett und sofern ein paar Euro aus allgemeiner Werbung dazukommen , gönne ich es jedem. Was hat denn der Konradinverlag für eine Motivation diesen Blog zu übernehmen, kann man denn damit wirklich Geld verdienen ?. Es ist doch fast alles für umsonst. Ich möchte Sie nicht zu einer Antwort nötigen. Falls sich das Engagement der Akteure in nennenswerter finanziell auszahlt freue ich mich für diese und gönne es jedem.

  18. […] Im Psiram-Wiki: . […]

  19. #19 denkfix
    15. März 2017

    anderer Michael ,
    Wissenschaftsjournalismus ist wichtiger als die wissenschaft selbst. Was nützt die tollste Entdeckung, wenn sie nicht öffentlich gemacht wird.
    Auf einem anderen Gebiet musste die Firma IBM die Erfahrung machen, dass die Software wichtiger wird als die Hardware. Als nämlich Microsoft mehr Umsatz machte als der Computerhersteller. Und jetzt bestimmen die Softwarehersteller, wie die Hardware sein muss.