Im der aktuellen Ausgabe 39/2013 des SPIEGELS findet sich auf Seite 21 eine irritierende Grafik zur Bundestagswahl, leider ist sie noch nicht online.* Abgebildet ist der Anteil der Frauen an den Bewerber/innen für den Bundestag seit 1949.

Für die aktuelle Bundestagswahl 2013 sind zudem die Zahlen zum Frauenanteil unter den Bewerber/innen angegeben, oder wie der SPIEGEL schreibt, unter den “Bewerbern”: CDU 32,3 %, SPD 39,8 %, FDP 19,8 % und Grüne 43,7 %. Dazu eine Insgesamtzahl: 25,8 %. Da stutzt man etwas, weil nur die FDP einen unterdurchschnittlichen Frauenanteil hat und das dargestellte Liniendiagramm außerdem noch einen leichten Rückgang des Frauenanteils insgesamt seit der Wahl 1994 dokumentiert, während er bei den dargestellten Parteien zugenommen hat.

Es gibt zusätzlich eine kleine Tabelle mit dem Durchschnittsalter der Bewerber/innen. Da kommen auch die CSU und die LINKE vor. Der Frauenanteil der Bewerber/innen bei diesen Parteien wird vom SPIEGEL aus unerfindlichen Gründen nicht angegeben. Er beträgt bei der LINKEN 35,3 % und bei der CSU 24,4 %. Auch damit erklären sich die 25,8 % insgesamt also noch nicht.

Erst wenn man sich auf der Internetseite des Bundeswahlleiters das Sonderheft “Die Wahlbewerber für die Wahl zum 18. Deutschen Bundestag 2013” herunterlädt – auch hier ist tatsächlich nur in männlicher Form von “Bewerbern” die Rede – findet man die Lösung des Rätsels. Auf Seite 341 dieser Broschüre kann man sich aus den dort dargestellten Daten die fehlenden “Sonstigen” errechnen. Sie stellen mit 2.420 Bewerber/innen mehr als die Hälfte der insgesamt 4.451 Bewerber/innen und bringen dabei mit 461 Bewerberinnen nur einen Frauenanteil von 19 % in die Gesamtrechnung ein. Das führt zu den vergleichsweise geringen 25,8 % Frauenanteil insgesamt, obwohl die etablierten Parteien, von der FDP und der CSU abgesehen, deutlich darüber liegen. Eine schlichte Frage des richtig gewogenen Mittels.

Bundestagswahl_2013

Auch der Rückgang des Frauenanteils insgesamt bei den letzten Wahlen trotz Zunahme des Frauenanteils bei den etablierten Parteien erklärt sich auf diese Weise. Ungeklärt bleibt allerdings nach wie vor der hohe Anteil der Frauen unter den Bewerbern.

———————————–
* Nachtrag: Die Grafik ist jetzt – sogar in animierter Form mit den Daten seit 1949 – hier in einem Beitrag auf SPIEGEL ONLINE zu sehen.

Kommentare (11)

  1. #1 Toni
    21. September 2013

    Das die Frauen in der Politik und den Chefsesseln immer noch unterrepesentiert sind erklärt sich für mich einfach daraus, daß Frauen nicht so karrieregeil sind und sich zudem lieber um das funktionieren der Gesellschaft im kleinen (Familie) kümmern während die Männer insgesamt mehr Interesse am großen Ganzen zu haben scheinen….

    Und ich finde auch das hat der Schöpfer gar nicht so schlecht eingerichtet….

    Gruß

  2. #2 Joseph Kuhn
    21. September 2013

    “während die Männer insgesamt mehr Interesse am großen Ganzen zu haben scheinen”

    Fußball, Autozeitschriften, Baumärkte …

    “das hat der Schöpfer gar nicht so schlecht eingerichtet”

    Und dass er auch noch dafür sorgt, dass es in den letzten Jahren in Deutschland immer neue Parteien mit hohem Männeranteil gibt – toll. In gottverlassenen Gegenden wie Ruanda sollen Frauen dem Schweizer Rundfunk zufolge dagegen schon über 50 % der Parlamentssitze haben.

  3. #3 michael
    22. September 2013

    > … gottverlassenen Gegenden …

    Also wirklich! Laut auswärtigen Amt:

    Katholiken (51 Prozent), Protestanten (26 Prozent), Adventisten (11 Prozent), Muslime (10 Prozent), andere (3 Prozent)

  4. #4 Spritkopf
    22. September 2013

    Aha, Bibeltoni hat das nächste Blog entdeckt, in das er seine Anbetungserfahrungen mit seinem imaginären Freund abladen kann.

    während die Männer insgesamt mehr Interesse am großen Ganzen zu haben scheinen….
    Und ich finde auch das hat der Schöpfer gar nicht so schlecht eingerichtet….

    Das ist kein Zufall, dass sich in Zeiten der Frauenemanzipation die schlichten Gemüter unter den Männern an das klerikal-reaktionäre Weltbild und damit an den Glauben ihrer Überlegenheit klammern. Viel mehr bleibt dir ja nicht, gell, Toni?

  5. #5 Peter Kernig
    22. September 2013

    Zitat: ” Abgebildet ist der Anteil der Frauen an den Bewerber/innen für den Bundestag seit 1949. ”

    Können Sie das weiter aufschlüsseln? Wie groß ist der Anteil der Frauen in der Gruppe der Bewerbern? Wie groß ist der Anteil der Frauen in der Gruppe der Bewerberinnen?

  6. #6 Joseph Kuhn
    22. September 2013

    @ Peter Kernig:

    “Können Sie das weiter aufschlüsseln? Wie groß ist der Anteil der Frauen in der Gruppe der Bewerbern? Wie groß ist der Anteil der Frauen in der Gruppe der Bewerberinnen?”

    Wie gesagt, siehe letzter Satz des Blogbeitrags, da sind noch viele Fragen ungeklärt. Daran schließen sich weitere Fragen an, die der SPIEGEL-Beitrag ebenfalls nicht beantwortet, z.B. zum Anteil der älteren Bewerberinnen unter den jungen, oder, ganz kompliziert, unter den jungen Bewerbern.

    Im Ernst: Worüber es sich vielleicht lohnt nachzudenken, falls das politikwissenschaftlich nicht längst kalter Kaffee ist: Was kann man aus dem geringen Frauenanteil bei den “Sonstigen” ablesen?

  7. #7 Dr. Webbaer
    22. September 2013

    Frage: Warum ist der Anteil der Frauen bei denjenigen Parteien, deren Bewerber es anzunehmenderweise nicht ins Parlament schaffen werden, auffällig geringer als bei denjenigen Parteien mit hoher Erwartung für den Bewerber es zum Mandatsträger zu schaffen?

  8. #8 Dr. Webbaer
    22. September 2013

    Aja, Sie fragen selbst:

    Was kann man aus dem geringen Frauenanteil bei den “Sonstigen” ablesen?

    Mögliche Erklärung: Der Kampf gegen Windmühlen ist primär Männersache.

    MFG
    Dr. W

  9. #9 Joseph Kuhn
    22. September 2013

    “Der Kampf gegen Windmühlen ist primär Männersache.”

    Ein schönes Bild, bei manchen der “Sonstigen” geht ja tatsächlich ein romantischer Glaube an die Möglichkeit einer besseren Welt mit einem gehörigen Schuss Realitätsverlust einher. Auf der politischen Bühne zurzeit vielleicht tatsächlich eher Männersache.

  10. #10 Peter
    23. September 2013

    Im Spiegelartikel schreiben wird durch die Grafiken suggeriert, dass sich die Zahlen nur auf die etablierten Parteien beziehen, obwohl gerade unter denen der Frauenanteil fast doppelt so hoch ist wie bei den Außenseitern. In den Kommentaren ist die Diskrepanz zwischen den Grafiken und den Zahlen im Text nur einem einzigen aufgefallen. Das ist zumindest ungeschickt von den Autoren, vor allem weil se dadurch die interessanteste Frage auslassen: warum ist der Frauenanteil bei den Alternativen, nicht etablierten Bewerbern um so vieles niedriger als bei den etablierten.

  11. #11 Joseph Kuhn
    23. September 2013

    @ Peter: Genau so ist es. Auch die Überschrift des Beitrags in der Printausgabe “Männlicher und älter” passt nicht recht zur Grafik, weil dort auf die etablierten Parteien abgehoben wird. Männlicher geworden ist da nur die FDP, und die sieht jetzt nach der Wahl auch noch ganz alt aus. Für die vielen Männer der FDP gilt es nun, dem Röslerschen Ratschlag zu folgen und “schnellstmöglich eine Anschlussverwendung selber zu finden”.