Die Unterschätzung des wahren BMI in Befragungsstudien beeinträchtigt zwar die Länderrelationen kaum, im Wesentlichen „schönen“ die Befragten ihre Daten überall fast gleich stark, aber man kann es ja sicherheitshalber auch einmal mit Messdaten durchspielen. Messdaten nach Ländern liegen aus der GEMCAS-Studie vor, leider auch schon etwas älter (Jahr 2005). Die Korrelation der BMI-Werte aus der GEMCAS-Studie mit den Withings-Daten liefert einen Wert von -0,18, hier darf man getrost sagen, das ist weniger als nichts. Aus der GEMCAS-Studie liegen außerdem Länderdaten zum Taillenumfang vor, einem alternativen Maß für das Übergewicht. Der Taillenumfang korreliert mit den Withings-Daten mit gerade einmal 0,3. Dagegen korrelieren die Befragungsdaten aus dem Mikrozensus mit den Messdaten aus GEMCA mit 0,8 recht gut, ein Hinweis darauf, dass Strukturverteilungen der Körpermaße auch über Befragungsdaten einigermaßen gut abbildbar sind, auch wenn das absolute Niveau der Werte divergiert.

Was lernen wir daraus? Viele Daten machen noch keine Epidemiologie. Manchmal ist es nur eine Zahlenepidemie. Jetzt darf man gespannt sein, wie ansteckend diese Epidemie ist und ob irgendwelche Medien die Botschaft von den dicksten Europäern übernehmen.

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Kommentare (17)

  1. #2 rolak
    15. August 2014

    gespannt .. ob

    Ach das ist so spannend wie Fische aus einem Eimer fangen, interessant ist imho eher “gespannt .. wann”.

    Scheinbar dezenter Verriß, schick.

    weniger als nichts

  2. #5 Lercherl
    15. August 2014

    Bei aller Vorsicht, mit der diverse Daten zu genießen sind, scheint ziemlich unbestreitbar zu sein, dass die Briten die dicksten Europäer sind.

    https://www.economist.com/node/17118939

    • #6 Joseph Kuhn
      15. August 2014

      Um es auf dem Niveau der Withings-Daten zu beantworten: Der bekannten Asterix-Studie zufolge, die auf Beobachtungen von vielen Tausend Lesern beruht, sind es die Bewohner eines kleinen gallischen Dorfes 😉

      Im Ernst: Man könnte mal nachsehen, was z.B. die WHO, OECD oder Eurostat in ihren Health Data sagen, wobei man beim Thema Adipositas bei internationalen Daten in der Tat gut beraten ist, die Datenvergleichbarkeit genau anzusehen.

  3. #7 "Er"
    15. August 2014

    Könnte sein, dass ausgerechnet jene, die sich selbst als Problem-Gewichtig halten (also übergewichtig und unfit sind oder daran glauben) sich die GEräte kaufen und dann auch vermehrt Messwerte liefern.

    Ich käme so einfach nicht auf die Idee, solche Messdaten zu eheben – ich bin nicht adipös und mein BMI ist in einem gefühlt unkritischen Bereich.
    Fit bin ich aber nicht.

  4. #8 Joseph Kuhn
    15. August 2014

    @ rolak:

    “ist das eigentlich immer ein und derselbe?”

    Hauptsache nicht immer der.

    “Quarkbällchen-Flatrate”>

    … das missing link zwischen “dem Russen” und den Dicken von Withing, es geht bei dem Thema doch nichts über eine fundierte küchenwissenschaftliche Analyse.

    @ Er:

    Ja, eine von vielen Möglichkeiten. Jedenfalls ist es eine selektierte Gruppe. Küchenwissenschaftlich formuliert: Man weiß nicht, mit welchen Zutaten dieser Datenbrei angerührt wurde, so was ist ungenießbar.

    • #9 rolak
      15. August 2014

      der

      We dug that he dug into philosophy.²
      Shredder war¹ ja mal ne Comicfigur (böse selbstverständlich), doch wie der mit den Menschenrechten umgeht, hätte er sich den Namen sicherlich verdient. Und sein Reden ist ein dicker Hund – aber in der Statistik hier geht es nicht um Haustiere.

      _____
      ¹ oweh, die sind ja immer noch aktiv – na ja, Schildkröten und ihre hohe Lebenserwartung, Dickenzuwachs technisch begrenzt und so…
      ² wg verblicher Universalität: haben geschnallt // über..herfiel.

  5. #10 Joseph Kuhn
    15. August 2014

    Bei Focus ist die Meldung jetzt auch:

    https://www.focus.de/finanzen/diverses/studie-die-dickste-nation-deutschland-europameister-im-uebergewicht-foto_id_4062351.html

    Samt dem ganzen Werbedrumrum vom “führenden Produzenden der Connected Health Bewegung” einfach übernommen.

  6. #11 Bettina Schmidt
    Bochum
    16. August 2014

    Ich habe zufällig gerade einen Bericht gehört im Radio über das Setzen von Headlines in “Qualitätsmedien”: Ich zumindest wusste bislang nicht, dass Journalisten in ihren – oftmals gehaltsrelevanten – Zielvereinbarungen z.B. stehen haben, wie viele Schlagzeilen sie pro Quartal produzieren müssen, die von anderen Medien wieder zitiert werden – Populärwissenschaftismus per impact-factor … 🙁

  7. #12 rolak
    16. August 2014

    Zielvereinbarungen

    Gäbe zumindest dem massenhaften Weiterveröffentlichen eine banale Grundlage: Gegenseitiges Zitieren zur allgemeinen Arbeitsplatzerhaltung.

  8. #13 Adent
    19. August 2014

    @Joseph Kuhn

    Bei Focus ist die Meldung jetzt auch:

    Also noch immer nicht in den Qualitätsmedien 😉

  9. #14 rolak
    19. August 2014

    noch immer nicht

    so langsam wirds bissiger 😉

    Doch was heißt schon Qualitätsmedium? Man bedenke, daß es Waren guter und schlechter Qualität gibt – falls¹ der Ausdruck also nur bedeutet, daß eine gleichmäßige Qualität erkennbar ist fiele zB die Apotheken-Umschau ebenfalls lässig in seinen semantischen Bannkreis.
    Doch mir ist so als würde das Wort hauptsächlich von Manichäern verwendet: Wir Quali, Rest bahbah. Sonst wird ia angegeben, welche Qualität gemeint ist, zb ‘high impact peer-reviewed’ oder so.

    _____
    ¹ der Duden kennt es nicht, fragt nur lapidar “Meinten Sie Qualitätswein?” Eine wohlgelungene Autorenbild-Prophezeiung…

  10. #15 Joseph Kuhn
    19. August 2014

    @ rolak, @ adent:

    Qualitätswein, Autorenbild-Prophezeiung

    … auf jeden Fall ist der Duden damit konsequent auf der bei unserem ursprünglichen Thema bewährten küchenwissenschaftlichen Linie. Aus dieser Perspektive ist auch die Qualität des Fokus Geschmacksfrage.

    Ansonsten scheint die Dicken-Zahlenepidemie erfreulich schnell abgeklungen zu sein, ich habe vorhin nochmal gegoogelt und keine relevanten Ansteckungsfälle (infizierte Qualitätsmedien) gefunden.

  11. #16 Wirbelsäule
    27. August 2014

    Beim Taillenumfang fehlt die Einheit. Zentimeter können es ja nicht sein, denn 9,7 cm Durchmesser in Hamburg finde ich doch etwas schräg.

  12. #17 Joseph Kuhn
    29. August 2014

    @Wirbelsäule:
    Danke für den Hinweis. Es ist der Prozentanteil der Menschen mit Taillenumfang über Norm (Männer > 102 cm, Frauen > 88 cm, siehe den verlinkten Artikel im Ärzteblatt), habe die Tabelle im Blogbeitrag entsprechend ergänzt.