Erinnern Sie sich noch an den „Demokratischen Aufbruch“? Eine politische Gruppierung am Ende der DDR. Nach einem Jahr war der Aufbruch zu Ende. Angela Merkel war Pressesprecherin der Gruppe, das nur nebenbei.

Jetzt macht in Bayern, genauer gesagt in der CSU, ein „Konservativer Aufbruch“ auf sich aufmerksam. Eine politische Gruppierung am Ende … nein, so schlimm steht es natürlich nicht um Bayern. Ein konservativer Aufbruch also. Im Nebenzimmer des Landgasthofs Stechl in Rott am Inn haben sich die Leute gestern mit erstaunlicher Medienresonanz getroffen. Ihr Gründungsmanifest ist allerdings schon ein paar Monate alt. Dem „linken und linkslastigen Abwärtstrend der CDU“ wolle man nicht folgen, so werden ihre strategischen Köpfe zitiert. Sie sind für die Familie, gegen Asylbewerber und für ein christliches Abendland. Schwarze, die keine Schwarzen mögen und sich für christlich halten, bayerische Dialektik eben. Ihr Idol, FJS, liegt symbolträchtig in der Nähe ihres gestrigen Treffpunkts auf dem Friedhof, oder besser andersherum, symbolträchtig haben sie sich in der Nähe seines Grabs getroffen. So inspiriert, werden sie zumindest Asylbewerber wie Herrn Schalck-Golodkowski, optisch ein echtes bairisches Mannsbild, nicht ausweisen wollen. Beim Demokratischen Aufbruch war der Schalck-G. übrigens nicht, auch das nur nebenbei.

Konservativer Aufbruch. Wer in der Schule aufgepasst hat, der stolpert schon über diese contradictio in adiecto. Gut, wir hatten sogar schon einmal eine “Konservative Revolution“, aber das war eine Sache fehlgeleiteter Rechtsintellektueller. In diese Richtung wollen die Schwärzesten der Schwarzen auch gar nicht aufbrechen, im Gegenteil, es gehe ihnen darum, der AfD etwas entgegensetzen – und zwar genau deren eigene Positionen. Chapeau! Ihr Gründungsmanifest liest sich wie abgeschrieben aus dem Parteiprogramm der AfD, vom „Leitbild Vater, Mutter, Kind“ bis hin zur Kritik an der EU. Und es gibt wirklich schöne Stellen in diesem Manifest. So sprechen sie sich erst „strikt dagegen aus, dass die sinnlose, ideologische und unwissenschaftliche ‚Gender-Mainstreaming‘-‚Forschung‘ weiterhin staatlich gefördert wird“ und fordern dann drei Zeilen später die „konsequente Sicherstellung der Freiheit für Forschung, Lehre und Bildung“. Alles sicher streng dialektisch durchdacht.

Die althergebrachten Werte bewahren und mehr marktwirtschaftliche Dynamik, so kann man die Sache zusammenfassen. Ob das auch zusammengeht? Wo doch schon der alte Marx festgestellt hat, dass der Kapitalismus alles Ständische und Stehende verdampft, alles Heilige entweiht? Einerseits. Andererseits gehört die Originalversion, Laptop und Lederhose, zum altbewährten Repertoire der CSU. Wie gesagt: bayerische Dialektik. Nun denn, mal sehen, was aus dem „Konservativen Aufbruch‘“ wird und was aus ihrem Pressesprecher.

Kommentare (7)

  1. #1 Dr. Webbaer
    22. Oktober 2014

    “Konservative Reaktion” fand halt gelegentlich statt, bspw. 1848, in einigen Ländern des seinerzeit real existierenden Sozialismus vor 1989, der DDR-deutsche Demokratische Aufbruch soll ebenfalls derartig belastet gewesen sein und der relevante Widerstand gegen den Führer war konservativ oder rechts.
    Die AfD scheint dennoch ganz schlimm. zu sein, für einige.

    Schwierig, Berliner Kreis und Konservativer Aufbruch gehen ja eigentlich nicht in der BRD, gerade weil diese eine aufrechte und gelegentlich kollektivistische Verantwortung zu pflegen hat.


    Aus liberaler Sicht könnte derartige Veranstaltung, ohne dass diesbezüglich den Ideen und Zielen allgemein zugestimmt werden kann, demokratisch legitimiert sein.
    Wobei es aus o.g. Sicht schon besser wäre, wenn die genannten Kräfte primär [1] liberal wären, korrekt.

    MFG
    Dr. W

    [1] der Liberalismus wird ja manchmal gerne vergessen, er bezieht sich auf die Ideen und Werte der Aufklärung, auf das Sapere Aude als Kern- oder Ur-Wert, und ist parteipolitisch oft wenig vertreten; nichtsdestotrotz hat er geschichtlich gewonnen: jede Partei muss heutzutage in den meisten “westlichen” Ländern, das sind die die den Ideen und Werten der Aufklärung folgend gesellschaftlich implementieren konnten, die Richtungsangabe ist hier irreleitend, zu einem Mindestmaß liberal sein – ansonsten wird sie regelmäßig verboten

  2. #2 Joseph Kuhn
    22. Oktober 2014

    @ Webbär: Ich glaube, was das Verhältnis des “Konservativen Aufbruchs” zum Kollektivismus angeht, unterliegen Sie einer Fehlwahrnehmung. Das sind Kollektivisten par excellence. Alles Unangepasste ist ihnen unheimlich. Es riecht für sie falsch, fehlender Stallgeruch. Das olfaktorische Element ist bei solchen Gruppierungen wichtiger als begriffliche Treffsicherheit.

  3. #3 DH
    23. Oktober 2014

    “im Gegenteil, es gehe ihnen darum, der AfD etwas entgegensetzen – und zwar genau deren eigene Positionen. ”

    Der Punkt ist besonders interessant.
    Ausgerechnet aus der CSU stammt der Satz “man soll dem Volk aufs Maul schauen , darf ihm aber nicht nach dem Mund reden”
    Übersetzt auf die AfD heißt das , daß man die Themen erstmal ernst nehmen , aber dann eigene Antworten finden muß , das gilt nicht nur für die CSU.
    Auf gar keinen Fall darf man Themen und Analysen gleichermaßen übernehmen und dann vielleicht auch noch – soweit überhaupt vorhanden – die Lösungsvorschläge.

    Während eigene Antworten durchaus geeignet sind , ein Thema abzufangen , bevor die Falschen davon profitieren , wird man mit der unkritischen Übernahme das genaue Gegenteil erreichen , die Stärkung des Originals.

    Daß sie in der CSU ihre eigenen Grundsätze nicht mehr verstehen , sagt viel aus über die Verfallserscheinungen dieser Partei.

  4. #4 Dr. Webbaer
    24. Oktober 2014

    @ Herr Dr. Kuhn :

    Ich glaube, was das Verhältnis des “Konservativen Aufbruchs” zum Kollektivismus angeht, unterliegen Sie einer Fehlwahrnehmung. Das sind Kollektivisten par excellence.

    Vielleicht kurz etwas Politologisches, auch um die Begrifflichkeiten zu klären:
    1.) Der Konservativismus, auch wenn es hier gute Denker gegeben hat, genommen werden soll hier bspw. Edmund Burke oder bestimmte Vertreter der “Neuen Rechten”, ist “innen hohl”, er ist traditionalistisch und stellt sich relativ zur allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung, er ist begrifflich schon relativ.
    2.) Es ist insofern möglich auch iranische Politiker, Mullahs, aber auch Marxisten-Leninisten, wie sie längere Zeit im Ostblock am Start waren, als konservativ zu bezeichnen.
    Kürzlich ist im Online-Spiege und auf den brasilianischen Wahlkampf bezogen sogar ein Sozialdemokrat als konservativ bezeichnet worden, auf besonderen Wunsch wird der Beleg beigebracht, anzunehemnderweise, weil die beiden wichtigsten Konkurrenten sozialistischer waren.
    3.) Für den Progressivismus, auch wenn es hier gute Denker gegeben hat, gilt ähnliches, er kodiert heutzutage üblicherweise Linke, die zu entscheidenden gesellschaftlichen Veränderungen bereit sind.
    4.) Der Konservativismus kodiert heutzutage im “Westen” üblicherweise Rechte, die plump formuliert Linke nicht mögen, implizit (auch) liberal sind, aber rückwärtsgewandt.
    Eine Kontinuität zum Nationalsozialismus gibt es hier nicht, weil Konservative nicht kollektivistisch sind.
    5.) Rechte, die kollektivistisch sind, bezeichnen sich denn auch nicht als Konservative, sondern bspw. als Nationaldemokraten, Nationalsozialisten oder national Denkende – was immer dies genau meinen soll, es gibt hier eine gewisse auf die Akzeptanz bezogene Strategie, es geht zwingend in Richtung Rassismus und Verbrechen.
    6.) Es gibt neben dem Konservativismus und dem Progressivismus originäre politische Ideologien wie bspw. den Liberalismus, den Sozialismus, den Islam und den Ökologismus (der anti-humanistisch den Physiozentrismus meint, das Zeug zum Totalitarismus hat).

    MFG
    Dr. W (den es hierzu immer noch ein wenig nagt – beim “Konservativen Aufbruch” könnten Sie recht haben, der Schreiber dieser Zeilen kennt diesen Laden nicht, der “Berliner Kreis” ist aber erkennbar “ordentlich” rechts aufgestellt)

    • #5 Joseph Kuhn
      24. Oktober 2014

      “der “Berliner Kreis” ist aber erkennbar “ordentlich” rechts aufgestellt”

      Jedenfalls macht er seinem konservativen Anspruch alle Ehre. Auf der Startseite ist der letzte Eintrag unter “Aktuelles” vom 28.05.2014, mit dem tagesaktuellen Titel “Jetzt ist es passiert!” Oder damals eben. So muss Konservatismus sein, dem Zeitgeist und der Medienhetze die Stirn bieten!

  5. #6 Sulu
    28. Oktober 2014

    Der Konservativismus kodiert heutzutage im “Westen” üblicherweise Rechte, die plump formuliert Linke nicht mögen

    Ja, und leider (oder einfach nur bedingt) ist “konservativ” dann immer mit “rechts” konnotiert, was dann i.d.R. – wenn nicht strukturell rassistisch – zumindest doch kulturchauvinistisch daherkommt. Deshalb wäre ich mir da:

    weil Konservative nicht kollektivistisch sind.

    nicht so sicher.

  6. #7 Dr. Webbaer
    30. Oktober 2014

    @ Sulu :

    Deshalb wäre ich mir da:

    (…) weil Konservative nicht kollektivistisch sind. [Dr. Webbaer]

    nicht so sicher.

    So zitiert Ihr Kommentatorenfreund, der ja weiter oeben das Relative und innen Hohle des Konservativismus betont hat, auch nicht.

    Genau deshalb wurde weiter oben von einer üblichen Kodierung geschrieben.

    MFG
    Dr. W