Am Freitag fand im Kölner Dom die Trauerfeier für den Absturz des Germanwings-Flugzeugs mit 150 Toten in Frankreich statt. Ein schreckliches Unglück. Alles, was man tun kann, um den Angehörigen der Opfer einschließlich der Familie des psychisch kranken Co-Piloten beizustehen, soll getan werden. In der Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung gibt es nun einen langen Kommentar unter der Überschrift „150 Kerzen“ von Matthias Dobrinski, in dem er die Kölner Trauerfeier zum Anlass nimmt, um auf den Wert von Ritualen in unserer Gesellschaft hinzuweisen. Dobrinskis Geraune zum Weihnachtsgeheimnis war erst vor kurzem hier Thema. Nun raunt er zum Ritual. Er reflektiert die Medienberichterstattung zum Absturz und resümiert: „Es gab tausend Antworten, aber keine Erklärung. Das Ritual dagegen bleibt ohne Fragen und ohne Antwort. Es ist da, es ist vorgegeben, und alles andere schweigt.“ Das hätte Dobrinski auch besser getan. Muss man so etwas wirklich einen Tag danach schreiben, ist das nicht auch eine Form journalistischer Leichenfledderei? Zudem ist es auch sachlich falsch, es gibt ja eine Erklärung, auch wenn diese das Unglück nicht erträglicher macht.
Direkt neben dem Kommentar von Dobrinski steht ein kleinerer Kommentar von Heribert Prantl: „Diese Union tötet“. Darin geht es um die 400 Flüchtlinge, die am Montag letzter Woche im Mittelmeer ertrunken sind. Prantl spielt in der Überschrift auf den Papst-Satz „Diese Wirtschaft tötet“ an. Dobrinski hat darüber übrigens ein gleichnamiges Buch geschrieben, mit einem Vorwort von Heribert Prantl. Man möge mich bitte nicht missverstehen, ich will nicht die einen Toten gegen die anderen ausspielen. Aber mir fällt auf, dass es wohl keine zentrale Trauerfeier für die Flüchtlinge gibt, jedenfalls wird darüber nicht in den Medien berichtet. Als Ritual gibt es hier nur Ausreden und PEGIDA-Sprüche. Ich habe auch keinen Lösungsvorschlag für die Flüchtlingsproblematik, nur sollte gerade hier nicht „alles andere schweigen“.
Wie wollen wir künftig solche Tragödien verhindern? Wollen wir es überhaupt? Oder verteidigen wir am Ende mit dem Mittelmeer die wahren Werte des Westens? Die Flüchtlinge, die übers Mittelmeer zu uns wollen, wollen leben, ohne Hunger, ohne Angst, in Freiheit. Aber bekanntlich endet die Freiheit des einen da, wo die Freiheit des anderen anfängt, die der Flüchtlinge also an unserer Freiheit, unseren Wohlstand ungestört genießen zu wollen. Prantl weist darauf hin, dass man allein mit den Ausgaben für das G7-Treffen auf Schloss Elmau das Rettungsprogramm „mare nostrum“ ein Jahr lang hätte finanzieren können. Die EU wollte für die Flüchtlinge nicht so viel Geld ausgeben. Dazu Prantl: „Sind das die Wertigkeiten, die in Europa gelten? (…) Die EU ist Träger des Friedensnobelpreises. Einer EU, die dem Sterben zuschaut, sollte der Preis wieder weggenommen werden. Eine Union, die das Meer als ihren Verbündeten begreift und einsetzt, ist eine mörderische Union.“
Kommentare (16)