Am 23. Mai ist John Nash nach der Verleihung des Abelpreises zusammen mit seiner Frau in einem Taxi tödlich verunglückt. John Nash war Spieltheoretiker, für seine spieltheoretischen Arbeiten hat er 1994 auch den Wirtschaftsnobelpreis erhalten – und 2015 den Abelpreis für seine „Beiträge zur Theorie der nichtlinearen partiellen Differentialgleichungen und ihrer Anwendungen auf geometrische Analysis“.

In der Öffentlichkeit ist John Nash allerdings eher dadurch bekannt geworden, weil er mit 30 Jahren an Schiziophrenie erkrankt ist und sein Schicksal in dem anrührenden Film „A beautiful mind“ verfilmt wurde.

Schizophrenie ist eine seltene, aber schwere psychische Erkrankung. Im Vordergrund stehen Denkstörungen (Wahn) und akustische Halluzinationen (Stimmenhören). Die Erkrankung tritt bei einem Viertel der Betroffenen bei rechtzeitiger Behandlung nur einmal auf, verläuft aber oft auch über viele Jahre in wiederkehrenden Schüben. Man geht davon aus, dass 0,5 % bis 1 % der Bevölkerung an einer Schizophrenie leiden, das wären in Deutschland 400.000 bis 800.000 Betroffene.

Die Krankenhausstatistik verzeichnete 2013 deutschlandweit ca. 90.000 stationär behandelte Fälle, wobei die Zahl der im Krankenhaus wegen Schizophrenie behandelten Personen infolge von Mehrfachaufnahmen im Laufe eines Jahres etwas niedriger liegen dürfte. Die Fallzahlen sind über die Jahre hinweg relativ stabil. Die Krankheit tritt bei Männern und Frauen wohl gleich häufig auf, erkrankte Männer werden aber im jüngeren Erwachsenenalter häufiger stationär behandelt als Frauen.

Schizophrenie

Unter den Bundesländern hatten 2013 die Stadtstaaten die höchsten stationären Behandlungsraten: Bremen 207 Fälle je 100.000 Einwohner/innen, Berlin 167 je 100.000, Hamburg 153 je 100.000. Sachsen mit 77 je 100.000 und Mecklenburg-Vorpommern mit 80 je 100.000 hatten die niedrigsten Raten – in den ostdeutschen Ländern wurden insgesamt deutlich weniger an Schizophrenie Erkrankte stationär behandelt als in den westdeutschen Ländern. Bayern hatte mit 90 Fällen je 100.000 übrigens ebenfalls eine unterdurchschnittliche Krankenhausrate.

Die länderbezogenen Krankenhausraten spiegeln vermutlich vor allem Unterschiede in den regionalen Versorgungsstrukturen wider, die jeweils im Einzelfall zu betrachten wären. Eine Gemeinsamkeit gibt es aber in allen Ländern: Es gilt, künftig mehr als bisher Konzepte der integrierten Versorgung umzusetzen, also das Zusammenwirken von ambulanten und stationären Einrichtungen zu verbessern, ebenso wie das zwischen medizinischen und komplementären (z.B. beraterischen) Angeboten. Damit sollen u.a. Krisenfälle schneller aufgefangen und wohnortnahe Hilfen organisiert werden – auch um stationäre Aufenthalte zu vermeiden oder zu verkürzen.

John Nash hat nach seiner Genesung seine Frau ein zweites Mal geheiratet, auch in dieser Hinsicht ein beautiful mind. Schade, dass ihm nicht noch ein paar Runden mehr im Spiel des Lebens vergönnt waren.

Kommentare (12)

  1. #2 Dr. Webbaer
    26. Mai 2015

    Ist das Nash-Equilibrium tauglich?

    MFG
    Dr. W

  2. #3 Joseph Kuhn
    26. Mai 2015

    @ Webbär:

    “tauglich” – in Bezug worauf? Als Lösung für bestimmte spieltheoretische Problemstellungen, als Lösung bei strategischen Konflikten in der Politik, als Lösung für den Umgang miteinander im sozialen Nahbereich?

    Ob man zur mathematischen Tauglichkeit etwas anmerken kann, mögen mathematisch kompetentere Leser sagen, bei der politischen Tauglichkeit wird man vielleicht unterschiedliche Sichtweisen vertreten können, im sozialen Nahbereich sind spieltheoretische Strategien in vielen Situationen sicher prekär, da teile ich die Sichtweise Frank Schirrmachers (siehe sein Buch “Ego”).

    Um einmal assoziativ quer durchs Thema zu pflügen: Bei Diskussionen zur integrierten Versorgung hat man manchmal auch den Eindruck, die verschiedenen Akteure würden sich gegenseitig nur belauern, um spieltheoretisch für sich die optimale Strategie suchen, was unter ungünstigen Rahmenbedingungen nicht die optimale Strategie für die Patienten sein muss und mitunter im Zwiespalt zwischen Rhetorik und Praxis reichlich schizophren wirkt.

  3. #4 Dr. Webbaer
    26. Mai 2015

    Tauglichkeit wäre am sozialen Erfolg an sozialer Kooperation Beteiligter festzustellen, wenn bestimmter Theoretisierung gefolgt wird; der Schreiber dieser Zeilen, zugegebermaßen: eher Praktiker [1], hat mit dem Nash-Equilibrium einiges anfangen können, bspw. “Spiele” wie Tit for Tat [2] betreffend, wobei es hier auch Programm-Weltmeisterschaften gibt und die Papier, Schere & Stein-Problematik, ebenfalls als Weltmeisterschaft ausgetragen, interessant ist. [3]

    Nash behauptete aus Sicht des Schreibers dieser Zeilen ein GT(O)ptimales [4] Spiel oder eine dbzgl. Strategie, die es aber aus seiner Sicht nicht gibt.

    Wobei es natürlich nett war, dass mal einer dbzgl, theoretisiert hat.

    MFG
    Dr. W (der Schirrmacher eher suboptimal fand)

    [1]
    als Nachrichtengeber logischerweise: Theoretiker

    [2]
    Eine Grundproblematik menschlichen wie tierischen/ursischen Seins.

    [3]
    In Turnierform ausgetragen, gewinnt hier nie “zufalliges” Spiel, insofern sind derartig ausgetragene Turniere sozusagen Psychologie pur.

    [4]
    ‘game theoretically optimal’

  4. #5 Braunschweiger
    26. Mai 2015

    Nach der Tauglichkeit des Nash-Gleichgewichts in einem Gesundheitsblog zu fragen ist etwa so gut, wie nach der Qualität von Mineralwasser an einer Tankstelle oder nach den Einsatzmöglicheiten von Benzin als Treibstoff in einer Apotheke zu fragen.

    Nash hatte wohl zuerst über Nullsummenspiele und später über weitere Spielmodi nachgedacht. Letztlich funktioniert die Betrachtung unter spieltheoretischen Gesichtspunkten wohl für jede soziale Situation, in der die eine Seite Vorteile über die andere sucht. Nachrichtenmagazinen zufolge soll das anscheinend für jeden Krieg von Bedeutung sein und gerade im Kalten Krieg intensive Bedeutung gehabt haben. Genauso aber auch für Firmenstrategien, oder wenn einfach der eine Nachbar im Clinch mit dem anderen liegt.

    Letztendlich geht es darum, seine Strategie nicht mehr unbegründet zu ändern, wenn im Verhältnis zum Gegner ein Gleichgewicht hergestellt ist, so dass dieser nicht mehr attackiert. Im Krieg wäre das die Bedrohung, bei der sich der Gegner ruhig verhält, nicht weiter angreift und auch keine neue Bedrohung aufbaut. Bei Blogkommentatoren, wenn sie nichts mehr sagen müssen und sich der Hauptautor auch nicht mehr angegriffen zu fühlen braucht.

    • #6 Joseph Kuhn
      26. Mai 2015

      “Nach der Tauglichkeit des Nash-Gleichgewichts in einem Gesundheitsblog zu fragen ist etwa so gut, wie nach der Qualität von Mineralwasser an einer Tankstelle oder nach den Einsatzmöglicheiten von Benzin als Treibstoff in einer Apotheke zu fragen.”

      Autsch. Das hat gesessen.

      “Bei Blogkommentatoren, wenn sie nichts mehr sagen müssen und sich der Hauptautor auch nicht mehr angegriffen zu fühlen braucht.”

      Und, funktionierts?

  5. #7 Dr. Webbaer
    27. Mai 2015

    @ Braunschweiger :
    Herr Dr. Kuhn ist gebildet und genießt das Vertrauen vieler, insofern wurde halt ein wenig nachgefragt.
    Zum spieltheoretischen Nash-Equilibrium ist vielleicht nachzutragen, dass die Strategie einer Partei auch dann zu einer Art Gleichgewicht führen kann oder muss, wenn sie anderen Parteien bekannt ist.
    Irgendwie müsste hier allgemein nach dem spieltheoretisch Optimalen gesucht worden sein von Nash, das er dann gefunden hat und mathematisch zu beschreiben wusste; zumindest scheint sich der Widerspruch in Grenzen zu halten, vermutlich auch weil die Überlegungen hinreichend abstrakt sind.

    MFG
    Dr. W

  6. #8 Curious.Sol
    27. Mai 2015

    Es sollte wohl angemerkt werden, dass – aus guten Gründen – spätestens seit dem ICD-10 von psychischen Störungen, nicht Erkrankungen, gesprochen wird. Zudem ist es wahrscheinlich, dass ab ICD-11 speziell bloßes Stimmenhören kein Erstrangsymptom mehr sein wird, wenn es nicht gar komplett wegfällt (die Änderungen des DSM-5 gehen in dieselbe Richtung).

  7. #9 Pedant 3
    27. Mai 2015

    Entschuldigung, aber es gibt keinen Wirtschaftsnobelpreis.

  8. #10 Joseph Kuhn
    27. Mai 2015

    @ Curious.Sol:

    “Es sollte wohl angemerkt werden, dass – aus guten Gründen – spätestens seit dem ICD-10 von psychischen Störungen, nicht Erkrankungen, gesprochen wird.”

    Das ist im Prinzip richtig, spielt aber im alltäglichen Sprachgebrauch keine bedeutsame Rolle. Man kann zudem darüber streiten, ob die Gründe für den Wechsel in der Fachterminologie wirklich so gut sind. Warum soll z.B. der Begriff “Störung” eher Unsicherheiten darüber zum Ausdruck bringen, ob man es mit einer Krankheitsentität im klassischen Verständnis zu tun hat? Und gibt es dieses Krankheitsverständnis überhaupt? Ebenso fraglich ist z.B., ob der Störungsbegriff “ethisch neutraler” ist. Warum eigentlich? Lektüreempfehlung dazu, schon aus den 1990er Jahren, aber nicht überholt: Jerome Wakefield: “Der Begriff der psychischen Störung: An der Grenze zwischen biologischen Tatsachen und gesellschaftlichen Werten”; in: Schramme (Hrsg.): Krankheitstheorien. Frankfurt 2012.

    Witzigerweise hatten wir das Thema gerade auch in einem anderen Zusammenhang gestreift.

    @ Pedant 3:

    “Entschuldigung, aber es gibt keinen Wirtschaftsnobelpreis.”

    Auch das ist im Prinzip richtig. Der nicht von Nobel, sondern von der Schwedischen Reichsbank gestiftete Preis wird halt allgemeinhin so genannt.

  9. #11 Curious.Sol
    27. Mai 2015

    Danke vielmals für die Literaturempfehlung!

  10. #12 noch'n Flo
    Schoggiland
    30. Mai 2016

    Mich würde ja mal interessieren, ob sich die Inzidenz für Erkrankungen aus dem psychotischen Formenkreis in den letzten 15-20 Jahren erhöht hat – also seit des Internet seinen Siegeszug durch unsere Gesellschaft angetreten hat.

    An der Uni hat man uns in den Psychiatrie-Kursen noch beigebracht, dass sich Menschen mit einer subklinischen Psychose gegenseitig (durch den Austausch von Wahninhalten) so sehr triggern können, dass dann auch Psychosen klinisch relevant werden, die sonst unter der Oberfläche geblieben wären. Und was ist zur Vernetzung und zum gegenseitigen Austausch von Psychotikern besser geeignet, als das Internet? Kann man ja in diversen VTler-Foren immer wieder schön beobachten.