Drüben bei Geograffitico gab es gerade eine Diskussion über eine Publikation des Physikers David Robert Grimes in PLoS ONE über die Lebensdauer von Verschwörungstheorien. Leider ging die Diskussion um Grimes Modell bei Geograffitico unter den Trümmern einer immer seltsamer werdenden Diskussion um die Anschläge auf das World Trade Center verschütt. Ich will das Thema daher hier noch einmal aufgreifen.

Zur Erinnerung: Grimes will zeigen, dass Verschwörungstheorien, insbesondere solche mit viele Beteiligten, schon aus statistischen Gründen keine guten Überlebenschancen haben. Da jeder Mitwisser ein gewisses Aufdeckungsrisiko mit sich trägt, wird, wenn sie nicht schnell genug wegsterben, irgendwann einer plaudern. So weit, so gut. Diese Grundidee wollte er quantitativ unterfüttern und hat dazu das Aufdeckungsrisiko anhand eines Modells auf der Basis der Poisson-Verteilung und dreier konkreter Beispiele berechnet. Die Poisson-Verteilung bildet unter bestimmten Voraussetzungen die Wahrscheinlichkeit des Eintritts von Ereignissen in einem definierten Zeitintervall, z.B. einem Jahr, ab.

Grimes modelliert nun die Wahrscheinlichkeit, dass eine Verschwörungstheorie aufgedeckt wird und unterscheidet dabei drei Verläufe der Zahl der Mitwisser, einmal, dass sie konstant bleibt und zwei Varianten, bei der die Leute wegsterben (Grimes 2016, Seite 5):

Verschwörungstheorie_Aufdeckungswahrscheinlichkeit

Dann berechnet er, wie lange eine Verschwörungstheorie je nach Zahl der Mitwisser überlebt. Thomas Steinschneider hat in seinem Blog den Artikel von Grimes in mehrfacher Hinsicht kritisiert, angefangen von der Fragwürdigkeit, das Modell mit Daten aus drei Beispielen zu füttern, von denen man nicht weiß, an welcher Stelle in der Verteilung aller Verschwörungen sie stehen, über die Eignung der Poisson-Verteilung für dieses Problem bis hin zum Verlauf der gezeigten Kurven.

Diese Kurven haben mir auch Kopfzerbrechen bereitet. Was zeigen diese Kurven eigentlich? Die Wahrscheinlichkeit, dass die Verschwörung in einem gewissen Zeitintervall (z.B. einem Jahr nach Ablauf von X Jahren) aufgedeckt wird? So hat es, wenn ich ihn richtig verstanden habe, Scienceblogskollege Jürgen Schönstein aufgefasst. Aber warum steigt dann die blaue Linie und verläuft nicht waagrecht? Bleibt die Anzahl der Mitwisser gleich und auch die Wahrscheinlichkeit, mit der eine Person plaudert, müsste auch die Aufdeckungswahrscheinlichkeit in einem definiertem Zeitintervall gleich bleiben. Und warum steigen die beiden anderen Linien erst, bevor sie fallen? Oder sollen die Kurven die Wahrscheinlichkeit zeigen, mit der eine Verschwörungstheorie bis zum Zeitpunkt X aufgedeckt wird? So ist Grimes Artikel angelegt, darauf zielen seine Berechnungen ab und so wurde er überall zitiert. Aber dann müssten alle drei Kurven monoton steigen, weil es um kumulative Wahrscheinlichkeiten geht. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Verschwörungstheorie innerhalb von 10 Jahren aufgedeckt wird, kann nicht kleiner sein als die Wahrscheinlichkeit, dass sie schon innerhalb von 5 Jahren aufgedeckt wird, egal wie viele Mitwisser nach 5 Jahren noch plaudern können. Eine negative Aufdeckungswahrscheinlichkeit kann schließlich nicht dazu kommen. Anders, wenn es um die Wahrscheinlichkeit gehen würde, mit der eine Verschwörungstheorie nach dem Zeitpunkt X aufgedeckt wird: Diese Wahrscheinlichkeit kann natürlich kleiner sein als die der Aufdeckung bis zum Zeitpunkt X. Aber auch hier würde die blaue Kurve nicht ins Bild passen.

Grimes Artikel wurde weltweit rezipiert, vom SPIEGEL bis zur Internetseite der Richard Dawkins-Foundation. Die Geschichte kann auf mehrere Weisen ausgehen:

a) Grimes hat da irgendwas verdreht und das peer review hat es übersehen. Das ist im Moment meine Meinung, so sieht es z.B. auch Thomas Steinschneider.
b) Die Darstellungen bei Grimes sind korrekt, ich stehe nur auf dem Schlauch und der Groschen fällt einfach nicht. Dann habe ich mir – Fasching steht vor der Tür – eine Narrenkappe verdient. Die kann ich mir ja vielleicht mit Thomas Steinschneider teilen (den ich übrigens nicht kenne, wir stecken nicht in einer Verschwörungstheorie unter einer Decke).
c) Oder kommt es am Ende noch so, wie ich drüben bei Geograffitico geunkt habe, dass Grimes demnächst sagt, „April April“, ich wollte nur mal zeigen, wie man mit einer plausiblen Grundidee und ein paar Formeln eine ansonsten haltlose Geschichte in die Welt setzen kann? Dann wäre ihm der “Sokal-Hoax-Gedächtnis-Preis 2016“ sicher.

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Kommentare (66)

  1. #1 Volker Birk
    https://blog.fdik.org
    7. Februar 2016

    Thomas’ (und Deine) Argumente sind stichhaltig – ich sehe es wir Ihr. Darüber hinaus wäre das Paper auch bei korrekter Anwendung von Mathematik zurück zu weisen, denn es basiert auf einer Reihe von Fehlannahmen. Ausserdem ist das Modell nicht tauglich, sinnvoll den diskutierten Sachverhalt zu beschreiben – auch wenn die Fehlannahmen keine solchen wären. (Bei Interesse führe ich gerne aus.)

    Kurz: das ganze Paper ist für die Füsse. Was mich nun bewegt, ist weniger, dass ein solcher Quark durch die Peer-Review gerutscht ist: jedes Testverfahren hat halt auch Fehler. Gut, die sind hier eklatant, gleich in vielerlei Hinsicht. Aber Shit happens.

    Was mich beunruhigt, ist, dass nicht nur in diesem Paper an der “Wahrheit” geforscht wird, sondern es sind darüber hinaus “Forschungsprogramme” wie dieses hier:

    https://www.uni-tuebingen.de/newsfullview-landingpage/article/neues-forschungsnetzwerk-geht-verschwoerungstheorien-auf-den-grund.html

    Daraus:

    “Die Ukraine-Krise, die erste Mondlandung oder der Terroranschlag auf die Redaktion der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo haben alle eines gemein: Um sie ranken sich zahlreiche Mutmaßungen und Gerüchte.”

    Hier werden ein politisch-historisches Ereignis mit Dumpfbacken-Urban-Legends und einem aktuellen politischen Ereignis in einen Topf geworfen. Ganz offensichtlich soll hier die heilige Wahrheit verteidigt werden, die sich aus einem ganz bestimmten politischen Standpunkt ergibt. Dem entspricht auch die Zieldefinition des Projektes:

    “Wie geht man mit solchen Theorien um? Dafür werden die Forscher auch mit Akteuren zusammenzuarbeiten, die Ziel von Verschwörungstheorien sind oder sich mit diesen auseinandersetzen, zum Beispiel mit Politikern, Journalisten, aber auch Klimaforschern und anderen Naturwissenschaftlern.”

    Solche “Wahrheitsprojekte” gleichen der “Arbeit” der Inquisition mehr denn der echter Wissenschaftler.

  2. #2 Schmidts Katze
    7. Februar 2016

    nicht b)

    Auf jeden Fall eine sehr merkwürdige Arbeit, ich tippe inzwischen auf c) und wundere mich über das peer review.

  3. #3 Joseph Kuhn
    7. Februar 2016

    @ Volker Birg: Was auch immer da konkret in Tübingen gemacht werden wird: Die Idee, unterschiedliche Verschwörungstheorien “nebeneinanderzulegen” und auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede hin zu untersuchen, finde ich erst mal produktiv. So klug, zu den jeweiligen historischen Ereignissen auch wirklich eindeutige Verschwörungstheorien und nicht etwa potentiell denkbare Alternativerklärungen heranzuziehen, werden die Leute hoffentlich sein. Das sollte man einfach mal abwarten.

    @ Volker Birg & Schmidts Katze:

    Ihr Votum zu b) lese ich mal so, dass Sie sich im unwahrscheinlichen Fall, dass b) doch zutrifft, an den Kosten der Narrenkappe beteiligen 😉

  4. #4 Sebi
    7. Februar 2016

    Ich schliesse für mich b) auch definitiv aus. Man verzeihe mir die Ausdrucksweise, aber die Arbeit ist ein Haufen Hundescheisse.

    Das einzige was die Autoren retten könnte, wäre c) aber selbst dann hätten sie der Wissenschaft einen Bärendienst erwiesen, so oft wie das Ding von verschiedenen Medien (selbst ja hier auf scienceblogs) unkritisch zitiert wurde.

    • #5 Joseph Kuhn
      7. Februar 2016

      … noch eine Kostenbeteiligung an der im worst case nötigen Narrenkappe, danke. Das mit dem Bärendienst würde ich nicht so sehen. Derart erfahren zu müssen, dass man auch mit einer aufrichtig kritischen oder skeptischen Grundhaltung gefährdet ist, gefällige Studien unkritisch und unskeptisch aufzunehmen, sollte eher eine heilsame Erfahrung sein, über die man dann gut weiterbloggen könnte. Der confirmation bias ist eben ein fieses Ding – oder besser gesagt, zutiefst menschlich.

  5. #6 Alisier
    7. Februar 2016

    @Joseph Kuhn
    Eines schafft die Diskussion um Grimes auf jeden Fall locker: die üblichen Verdächtigen auch hierher zu locken, und dann sind wir wieder blitzschnell bei der Ukraine, wo doch eh klar ist wer undsoweiter und schlimmstenfalls nochmal beim WTC. Es wäre sehr nett und sinnvoll diesmal bei Grimes zu bleiben. Danke!
    Zu b) letzte Bemerkung: belege, dass du nicht mit Thomas Steinschneider unter einer Decke steckst!
    Ich tendiere aber gegen jede Wahrscheinlichkeit zu c).
    Warum? Weil ich trotz der Tatsache, dass in der Interpretation solcher Graphiken nun wirklich nicht meine Stärke liegt, heftigst die Stirn gerunzelt habe, und sogar mir auffiel, dass da irgendwas nicht koscher ist.
    Was aber, wie gesagt, dennoch kein Grund ist, deswegen auch noch die bescheuerste Verschwörungstheorie erneut durchzukauen.
    Die Argumentation sieht ja, wie bei Jürgen Schönstein gesehen, ungefähr wie folgt aus: WENN bei den Kurven irgendwas nicht stimmt, habe ICH mit MEINEN favorisierten Verschwörungstheorien AUF JEDEN FALL Recht! Das, meine Herren, ist aber im Gegensatz zu der hier angeleierten Diskussion, glasklarer Blödsinn, und einfach zu widerlegen.
    Wird aber nicht eingesehen werden, weswegen ich nochmals mit Nachdruck darum bitte, das Thema zu beachten. Nochmals Danke.

  6. #7 Herr Senf
    7. Februar 2016

    Ich will ja nicht schon wieder auffallen wie drüben bei Geograffitico, aber ich würde eher einem Horoskop glauben als den Grimes Rechnungen, Doppel-m wäre ja “c”.
    Ich würde konsequent auf “a” tippen, die peer reviewer haben gar nicht mit dem Gedanken gespielt, daß man da was falsch machen kann, also lässig durchgewinkt.

  7. #8 Alisier
    7. Februar 2016

    Ok, die peer-reviewer haben geschlafen, aber hat Grimes auch geschlafen? So sehr?

  8. #9 Bernd Harder
    7. Februar 2016

    @Volker Birk:

    “Hier werden ein politisch-historisches Ereignis mit Dumpfbacken-Urban-Legends und einem aktuellen politischen Ereignis in einen Topf geworfen. Ganz offensichtlich soll hier die heilige Wahrheit verteidigt werden, die sich aus einem ganz bestimmten politischen Standpunkt ergibt.”

    Nur so aus Interesse: Könnten Sie erklären, wie Sie vom ersten auf den zweiten Satz kommen und wer bei diesem Forschungsprojekt konkret welche “Wahrheit” gegen wen oder was “verteidigt”?

  9. […] haben, missverstanden zu werden, zu irren oder den Sokal-Hoax-Gedächtnis-Preis 2016 zu bekommen, Gesundheits-Check am 7. Februar […]

  10. #11 Herr Senf
    7. Februar 2016

    Ähm wie war das mit dem peer review?
    https://en.wikipedia.org/wiki/PLOS_ONE
    – schnelle Veröffentlichung, 70 % kommen durch
    – über 30.000 Veröffentlichungen im Jahr ~ 85/d
    – bei arxiv braucht man entweder eine Reputation oder einen Befürworter .
    – hier braucht es vorher board members, die können nicht alles wissen
    Diese Art Prüfung kann für den Inhalt nicht herhalten, der wird nachfolgend in der open-Diskussion auseinandergenommen. Wo “peer review” draufsteht, muß keins drin sein.

  11. #12 Herr Senf
    7. Februar 2016

    Um es auf einen anderen Punkt zu bringen:
    es ist vielleicht ein intrinsisches Qualitätsproblem der open-access-Veröffentlichungen?
    Das ist (nur) ein neueres Geschäftsmodell ohne tiefergehenden Qualitätsstandard.
    Der geneigte Leser muß alleine sortieren entweder ins Töpfchen oder ins Kröpfchen.
    Nur ein Fachmann sieht’s, der wird aus hundert schlechten nicht den einen guten selbst raussuchen wollen, der vergeudet seine Zeit nicht damit, der will sich verlassen können.
    Wenn es nicht “a” und kein April im Sinne “c” war, war es “d” – Vorführung eines Systems.

  12. #13 rolak
    7. Februar 2016

    Fasching steht vor der Tür

    Also bitte, Joseph: Das Ende der Session ist nahe!!!!1elf ich seh schon die Flämmchen am Nubbel.. Voraussicht bis übermorgen, Wahrsagen kann ich…

    tendiere aber gegen jede Wahrscheinlichkeit zu c)

    Meiner einer eher zu b) mit einem Offenhalten für Variante c), Alisier.

    Wir haben übrigens, lange bevor der Notruf zum Taxi für die Gäste aber ganz dringend sein mußte, ua den offiziellen 4monats-QuittierTest getätigt. Zum Niederkieen. Erleuchtend. So richtig Zeit, nachdem die aktuellen Termine alle sowas von durch den Wind sind, habe ich allerdings erst nach Pfingsten. Wanna mail?

  13. #14 Alisier
    7. Februar 2016

    Yes.

  14. #15 Alisier
    7. Februar 2016

    War intern, respektive extern, sorry. Nun obliegt es den Spezialisten, rauszukriegen, welche Verschwörung da wohl dahintersteckt. Als Tipp: es begann bereits mit den Phöniziern. Andere behaupten, sogar schon zu biblischen Zeiten.
    Für b) würde sprechen, dass ich wirklich zu wenig Ahnung habe, andere hier aber eben nicht. Es bleibt aber spannend. Wird Grimes noch sauber demontiert? Oder zeigt er uns bald mit fliegenden Fahnen eine lange Nase?

  15. #16 Volker Birk
    https://blog.fdik.org
    7. Februar 2016

    @Bernd Harder: die unterschiedlichen Ansichten (und die Unterschiede zwischen der öffentlichen Meinung und der veröffentlichten Meinung) zur Ukraine-Krise sind Legion. Ich nehme an, Du hast die Diskussion mitbekommen?

    Ein politisch derart umstrittenes Thema eignet sich nicht, will man Wahnvorstellungen untersuchen. Denn was ist denn in der Politik die Wahrheit? Gerade darum wird in der Demokratie ja gestritten.

    Das müsste einem Wissenschaftler wie Michael Butter völlig klar sein. Ist es jedoch anscheinend nicht. Und das lässt nichts Gutes erahnen.

  16. #17 Alisier
    7. Februar 2016

    Nein, das lässt wirklich nichts Gutes erahnen. Und zwar in zweierlei Richtung:
    Welch schreckliche Verschwörung wird da wieder zusammengepappt?
    Und welch noch schrecklichere und dämliche Kommentare werden da jetzt wieder aus der Kanalisation kriechen?

  17. #18 Volker Birk
    https://blog.fdik.org
    7. Februar 2016

    @Joseph Kuhn: Eine Narrenkappe brauchst Du höchstens während des Karnevals 😉 Entsprechend wird hier keine fällig sein.

    Dass das ein Scherz ist mit der Arbeit, wäre der positive Fall.

  18. #19 Volker Birk
    https://blog.fdik.org
    7. Februar 2016

    @Alisier: ich kann da keine Verschwörung erkennen. Das mit dem Skeptizismus ist immer dann schwierig, wenn man meint, eine Wahrheit zu kennen.

    Der Feind des kritischen Denkens und mithin der Wissenschaft ist nicht die Religion, sondern es ist der Glaube. An was geglaubt wird, ist dabei unerheblich.

  19. #20 Joseph Kuhn
    7. Februar 2016

    @ Alisier:

    “Wird Grimes noch sauber demontiert?”

    Erfüllen die Fragen an die Kurven hier im Blog diesen Anspruch noch nicht? Das tut mir leid, ich habe getan, was ich konnte. Weitergehende Kritik findet sich, wie schon im Blog verlinkt, bei Thomas Steinschneider:
    https://wahrheitueberwahrheit.blogspot.de/2016/01/
    oder, auch lesenswert, bei Martin Robbins:
    https://littleatoms.com/david-grimes-conspiracy-theory-maths
    Wenn Du mehr erwartest, sag, was Dir fehlt.

    “Und welch noch schrecklichere und dämliche Kommentare werden da jetzt wieder aus der Kanalisation kriechen?”

    Es ist kein guter Stil, prophylaktisch schon einmal die Kanalisation als Diskussionsbühne einzuführen, weil man das von anderen befürchtet. Das erinnert mich bisschen an Paul Watzlawicks berühmte Geschichte mit dem Hammer aus der “Anleitung zum Unglücklichsein”.

    @ Volker Birg:

    “Ein politisch derart umstrittenes Thema eignet sich nicht, will man Wahnvorstellungen untersuchen”

    Wie schon oben gesagt: Ich würde jetzt einmal davon ausgehen, dass die Tübinger in der Lage sind, auch zu Vorgängen, deren Wahrheit nicht klar ist, eindeutige Verschwörungstheorien zu identifizieren. Wenn das nicht gelingt, sollte man diese Fälle in der Tat ausklammern, aber das sind forschungspraktische Fragen. Darum: abwarten, was sie tun, dann kritisieren, wenn es nicht gut war.

    @ rolak:

    “eher zu b)”

    Und warum? Weil an der Argumentation im Blog was schief ist oder weil Du Dir nicht vorstellen kannst, dass erst Grimes solche Fehler unterlaufen sind und dann im peer review auch keinem was auffällt – was mir ja auch komisch vorkommt.

  20. #21 Volker Birk
    https://blog.fdik.org
    7. Februar 2016

    @Joseph Kuhn: Du hast insofern recht, dass man (auch wenn ich ein schlechtes Gefühl dabei habe) erstmal abwarten muss, was da genau gemacht wird in Tübingen. Insofern können wir Betrachtungen dazu gerne vertagen.

  21. #22 Bernd Harder
    7. Februar 2016

    @Volker Birk:

    Ok, nachdem ich mich jetzt durch die gesamte Diskussion beim Kollegen Schönstein gewühlt habe, möchte ich das auf keinen Fall hierher verlagern – aus diesem Grund jetzt tatsächlich nur ein “Post and Run”.

    Eine kleine Anmerkung noch zu “drüben”, Sie hatten geschrieben:

    “Es mag theoretisch sein, dass “10-100 Mal mehr” Architekten den NIST-Bericht glauben, als es welche gibt, die ihn nicht glauben. Nur haben erstere sich bisher nicht zu Wort gemeldet.”

    Doch, haben sie:

    https://www.architectmagazine.com/design/architects-shy-from-trutherism_o

    Aber zum eigentlichen Thema:

    “Ein politisch derart umstrittenes Thema eignet sich nicht, will man Wahnvorstellungen untersuchen. Denn was ist denn in der Politik die Wahrheit? Gerade darum wird in der Demokratie ja gestritten.”

    Äh – was??

    Butter will keine “Wahnvorstellungen” untersuchen, noch hält er Verschwörungsgläubige für paranoid, siehe z.B. hier:

    https://www.deutschlandradiokultur.de/forscher-verschwoerungstheoretiker-sind-menschen-wie-du-und.954.de.html?dram:article_id=145943

    Es geht auch nicht um politische “Meinungen” oder um die “Wahrheit”, sondern (Zitat Butter):

    “1. Es geht um eine Synchronisierung und Synthetisierung der Forschung zum Thema Verschwörungstheorien.

    2. Auf Grundlage dieser Vernetzung sollen Antworten gefunden werden auf einige übergreifende Fragen, wie zum Beispiel: Welche Aspekte von Verschwörungstheorien sind zeitlos? Unter welchen Bedingungen sind Verschwörungstheorien problematisch? Oder: Wann sind sie eher nicht problematisch?

    3. Praktische Handlungsanweisungen zu entwickeln für Leute, die mit Verschwörungstheorien konfrontiert sind, wie zum Beispiel Politiker, Journalisten, die als Teile der Lügenpresse beschimpft werden, oder Naturwissenschaftler, die mit Impfgegnern oder mit Leuten, die den Klimawandel leugnen, zu tun haben.”

    Dass man daraus jetzt eine eigene Verschwörungstheorie zu den Zielen und Absichten von VT-Forschung entwickeln kann, übersteigt sogar meine Phantasie.

    Und weg, schönen Tag noch.

  22. #23 Volker Birk
    https://blog.fdik.org
    7. Februar 2016

    @Bernd Harder: ich habe kein Interesse, auf dem Niveau wie “drüben” hier weiter zu diskutieren, tut mir leid.

  23. #24 Joseph Kuhn
    7. Februar 2016

    @ Bernd Harder:

    Bitte hier keine 9/11-Diskussion anzetteln, und das Thema Tübingen haben wir gerade erfolgreich zurückgestellt.

    Im Übrigen wäre alles viel weniger unübersichtlich, wenn sich a) deutlich mehr Menschen an Verschwörungstheorien beteiligen und b) Grimes Formel stimmen würde.

  24. #25 Alisier
    7. Februar 2016

    @ Joseph Kuhn
    Nein, es ist nicht nett, und auch nicht höflich, aber eben manchmal hilfreich. Zu nett zu sein hilft meiner Meinung nach nicht. Und es reicht doch, wenn du der Nette bist.
    Und ja, du hast nicht nur getan was du konntest, sondern ich fand es so gut erklärt, dass ich es ohne Probleme nachvollziehen konnte. Aber bin ich eine Referenz?
    Deine Worte, respektive dein Rückzug in Gottes Ohr, Volker Birk. Aber ich bin nun mal ungläubig. Prove it!

  25. #26 Volker Birk
    https://blog.fdik.org
    7. Februar 2016

    @Alisier: was soll ich bitte belegen?

  26. #27 Herr Senf
    7. Februar 2016

    Solche Themen kratzen an Freundschaften.
    Aus reiner Höflichkeit der Spamer willen, habe ich drüben G nach “Ermahnung” die Segel gestrichen. Die sachliche Sache ist das eine, die persönliche Person – Samthandschuhe?
    Wie kommt correctness mit Unfug klar und muß SIE sich anpassen?

  27. #28 rolak
    8. Februar 2016

    Und warum?

    Wohlmeinender Optimismus, Joseph, und obwohl mir auch jetzt, also bei wesentlich nüchternerem Nachdenken immer noch kein zwingendes Argument für meine Meinung einfällt, empfindet sich diese Variante immer noch wesentlich angenehmer als die für den Fall der Fälle offen gehaltene Alternative c).

    Optimistisch, weil die peinliche, doch letztlich sicherlich nicht unmögliche Wahl a) links bis fast unbeachtet liegen gelassen wird.

  28. #29 Marcus Anhäuser
    8. Februar 2016

    Bauchgefühl, ich tippe auf c.

  29. #30 ajki
    8. Februar 2016

    “…Zur Erinnerung: Grimes will zeigen, dass Verschwörungstheorien, insbesondere solche mit viele Beteiligten, schon aus statistischen Gründen keine guten Überlebenschancen haben. …”

    Vorweg: ich habe den “Trubel” um die pub nur am Rande verfolgt. U.a. wg. PLOS und der daraus folgenden erheblichen Unsicherheit, ob überhaupt und wenn ja, mit welcher Qualität ein peer review überhaupt stattfand. Von daher habe ich in der Rezeption nur über allgemeine Fragen im Zusammenhang nachgedacht und keine Betrachtungen der math. Modellierung durchgeführt oder die Methodologie bzw. die Hypothesenbildung kritisch betrachtet.

    Zu dem zitierten Ausschnitt der Kurzdarstellung hier im Blog:

    Ich hatte/habe *nicht* den Eindruck, dass Grimes das zeigen will. Die “Überlebenschancen der Verschwörungstheorien” sind beobachtbar extrem lang – manche VT “überleben” bislang buchstäblich Jahrtausende. Die Frage, der Grimes meiner Ansicht nach nachgeht ist stattdessen, ab wann es aufgrund eines replizierbaren externen Kriteriums möglich ist, eine mögliche Deutung eines Verhalts bzw. eine alternative / konkurrierende Annahme hinsichtlich eines Verhalt als “VT” aus dem Pool an verbleibenden Interpretationsmöglichkeiten auszuschließen.

    Das unterliegende Argument dazu ist ja uralt und bestens bekannt unter verschiedenen Formulierungen und besagt in simplifizierter Form, dass je mehr Zeugen ein Vorgang hat, es desto unwahrscheinlicher ist, dass eine absichtlich verfälschende Vorgangsbeschreibung aktiv aufrecht erhalten werden kann. Es gibt ohne Zweifel eine Anzahl an verfälschenden Vorgangsbeschreibungen, die Bestand behalten (die Geschichtsschreibung kennt eine Menge davon im Ressortbereich “Sieger”-Geschichte), aber speziell in “modernen” Zeiten mit zugänglichen Datenspeichern und institutionalisiertem öffentlichen Meinungskonkurrenzdruck ist die Annahme an sich (hoch) plausibel.

  30. #31 ralph
    8. Februar 2016

    “Bleibt die Anzahl der Mitwisser gleich und auch die Wahrscheinlichkeit, mit der eine Person plaudert, müsste auch die Aufdeckungswahrscheinlichkeit in einem definiertem Zeitintervall gleich bleiben.”

    Sorry, wahrscheinlich hab ich irgendwas nicht verstanden. Aber wenn die Aufdeckwahrscheinlichkeit innerhalb eines Jahres konstant bliebe, so addierte sie sich doch Jahr für Jahr?

    “Grimes modelliert nun die Wahrscheinlichkeit, dass eine Verschwörungstheorie aufgedeckt wird und unterscheidet dabei drei Verläufe der Zahl der Mitwisser, einmal, dass sie konstant bleibt”

    Wie wahrscheinlich ist denn, dass die Zahl der mittelbaren Mitwisser konstant bleibt? Irgendwann erzählt ein “normaler” Mensch, meinetwegen in feuchtfröhlichem Zustand unter dem Siegel der Vertraulichkeit einem Freund oder Familienmitglied die Geschichte weiter. Damit ist noch nichts aufgedeckt, aber es baut sich stetig ein wachsender Druck gegen die unmittelbaren Mitwisser auf. Das kann halt irgendwann zur Lawine werden.

  31. #32 Bullet
    8. Februar 2016

    @Joseph:

    Aber warum steigt dann die blaue Linie und verläuft nicht waagrecht? Bleibt die Anzahl der Mitwisser gleich und auch die Wahrscheinlichkeit, mit der eine Person plaudert, müsste auch die Aufdeckungswahrscheinlichkeit in einem definiertem Zeitintervall gleich bleiben.

    Ach bitte…
    Deine Annahme wäre korrekt, wenn die “Mitwisser” allesamt Roboter wären. Das sind sie aber nicht – und “die Wahrscheinlichkeit, mit der eine Person plaudert” kann auch gar nicht gleichbleiben, weil:

    a) nicht alle Mitwisser sind aus glühender Überzeugung Mitwisser. Manche haben finanzielle Anreize gehabt, manche sind aus Versehen “reingerutscht”, manche sehen sie als “unangenehme Notwendigkeit”. Bottom Line: nicht alle Mitwisser würden lieber sterben, als die Verschwörung aufzudecken.
    b) es gibt Anreize, Verschwörungen auszuplaudern. Ruhm, Geld, you name it.
    c) was ist wahrscheinlicher: daß jemand, der an Tag 1 ausplaudern würde, irgendwann auf b) keinen Bock mehr hat und daher seine Motivation, auszuplaudern, sinkt? Oder eher, daß jemand, der ursprünglich nicht ausplaudern wollte, durch beliebige Änderungen seiner Lebensumstände eine wachsende Attraktivität der Ergebnisse aus b) verspürt?
    d) eine Verschwörung wird umso unwichtiger, je weiter “die Aktion” zurückliegt. Daher wird auch das Risiko und die Intensität der Bestrafung geringer, wenn die Verschwörer den Ausplaudernden erwischen. Ebenso kann jemand, der ausplaudern möchte, mit längerer Zeit, die er mit Nachdenken verbringt, sich Methoden ausdenken, die ihn ausplaudern lassen, ohne erwischt zu werden.

    Steht denn irgendwo in Grimes’ Arbeit, daß er selber annimmt, die Ausplauderwahrscheinlichkeit pro Kopf bliebe konstant? Diese Annahme wäre dann in der Tat höchst unseriös, was ein deutlich schlechtes Licht auf die Arbeit würfe.

  32. #33 Alisier
    8. Februar 2016

    …. darüber hinaus und unabhängig von dem, was hier genau passiert ist, fände ich es schön, wenn Sokal und auch Bricmont nicht in Vergessenheit gerieten. Ihre überfällige Entlarvung pseudointellektueller Hochstapeleien war eine überaus wichtige Initiative um Geschwurbel von echtem Denken und Nachdenken zu trennen. Sloterdijk und seine Adepten wären ein aktuelles Beispiel, das dringend durch den Sokal-Bricmontschen Wolf gedreht werden müsste, damit bloß keiner auf die Idee kommt, es handle sich um Gedankentiefe.
    Und der direkte Vergleich mit Sokal bringt mich dann doch dazu c) zu verwerfen. Ich kann nicht erkennen, was hier die Intention gewesen sein könnte. Um da Konkretes zu vermuten, müsste man mindestens drei mal um die Ecke denken, und selbst dann bleibt der Effekt dürftig.

  33. #34 Bullet
    8. Februar 2016

    Nachtrag zu b), weil Ralph (#31) völlig recht hat: “sich verplappern” ist ebenfalls nicht zu 100% ausschließbar. Menschen trinken Alkohol und nehmen Drogen. sie sind bisweilen psychischen Ausnahmesituationen ausgesetzt und empfinden Streß.

  34. #35 Schmidts Katze
    8. Februar 2016

    @ Bullet,
    deine Überlegungen sind ja sehr interessant, aber könntest du mal zeigen, wo sie in die Gleichungen einfliessen, aus denen die Kurven resultieren?

  35. #36 ralph
    8. Februar 2016

    @ ajki
    “aber speziell in “modernen” Zeiten mit zugänglichen Datenspeichern und institutionalisiertem öffentlichen Meinungskonkurrenzdruck ist die Annahme an sich (hoch) plausibel.”
    Genau. Hinzu kommen ständig neue technische Analyseverfahren. Verfeinerte Gentests und die Bildanalyseverfahren von Bellincat sind schöne Beispiele.

  36. #37 Bullet
    8. Februar 2016

    @Schmidts Katze:
    nö. Brauch ich tatsächlich auch nicht. Joseph hat sich gewundert, warum die blaue Linie nicht waagerecht verläuft, wenn [hier unzulässige Annahme einfügen].
    Ich hab lediglich dargelegt, daß diese Annahme unzulässig ist, weil Menschen kein reproduzierbares Verhalten zeigen. Und ich hab Joseph gefragt, ob diese unzulässige Annahme seine eigene ist oder ob bereits Grimes diese Annahme getätigt hat.

  37. #38 Joseph Kuhn
    8. Februar 2016

    @ ajki, Kommentar #30:

    “Ich hatte/habe *nicht* den Eindruck, dass Grimes das zeigen will.”

    Der Titel des Artikels lautet “On the Viability of Conspiratorial Beliefs”, insofern verstehe ich nicht, warum es Grimes nicht darum gegangen sein soll, aber vielleicht verstehe ich auch nur nicht, was Sie gemeint haben.

    Dass es Verschwörungen bzw. Betrugsfälle gibt, die lange nicht aufgedeckt werden, ist völlig korrekt, bei Geograffitico hatte ich auf die “Konstantinische Schenkung” hingewiesen, die Jahrhunderte Bestand hatte. Die Existenz solcher Fälle würde durch Grimes’ Modell ja auch nicht ausgeschlossen, dass die Wahrscheinlichkeit des Überlebens von Verschwörungen mit der Zeit sinkt, heißt nicht, dass es keine langlebigen gibt.

    Bei der Gelegenheit: Hier war jetzt von Verschwörungen die Rede, Grimes zielt (über die Analyse von Verschwörungen) auf Verschwörungstheorien, diese Gemengelage war schon bei Graffitico Thema. Ich habe dazu am Ende des Blogbeitrags noch einen Nachtrag eingefügt, weil ich im Beitrag auch unbedacht einfach von “Verschwörungstheorien” gesprochen habe, wo man von “Verschwörungen” sprechen müsste.

    @ ralph, Kommentar #31:

    “wenn die Aufdeckwahrscheinlichkeit innerhalb eines Jahres konstant bliebe, so addierte sie sich doch Jahr für Jahr?”

    Ja. Der Satz, den Du von mir zitierst, gehört zu der Überlegung, ob Grimes in der Graphik eventuell die Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung in definierten Zeitintervallen abgebildet haben könnte. Dann müsste unter seinen Modellannahmen die blaue Kurve waagerecht verlaufen. Über die Jahre hin muss sich natürlich was addieren und die Kurve kann nicht waagrecht verlaufen, das ist der Punkt mit den kumulativen Wahrscheinlichkeiten.

    @ Bullet, Kommentare #32, 37:

    “Deine Annahme wäre korrekt, wenn …”

    Dass die Wahrscheinlichkeit des Ausplauderns pro Person gleich ist, ist eine der Modellannahmen bei Grimes. Was das für das Modell an sich bedeutet, weiß ich auch nicht, vielleicht ist es da gar nicht so relevant. Problematisch wird das aber, wie z.B. auch die Annahmen über die Zahl der Beteiligten in seinen Beispielen oder die Auswahl dieser Beispiele an sich, wenn es um die emprische “Fütterung” des Modells geht, aber das ist noch mal eine andere Geschichte, etwas mehr dazu gibt es im verlinkten Blog von Thomas Steinschneider und Grimes spricht diese Punkte auch selbst an.

  38. #39 griesl
    8. Februar 2016

    Ich sehe so gar keinen Sinn in diesem Paper und tendiere zu a) und c)
    zu a) braucht man sich eigentlich nur den Blogpost von Thomas Steinschneider durchlesen.

    zu c) weil die Werte aus denen sich letztlich die Grafiken ergeben, sich aus gescheiterten Verschwörungen herleiten und dementsprechend die Wahrscheinlichkeiten aus der Luft gegriffen sind. Genauso plausibel würd ich es finden, wenn jemand zum ersten Mal Lotto spielt, mit zwei Reihen, den Jackpot gewinnt und dann zurückrechnet wie hoch die Wahrscheinlichkeit pro Tippreihe war.
    Wow eine 50% Chance auf den Jackpot.
    Wenn p unabhängig von N und L wäre, könnte man drüber reden, aber so ist das nichts.

  39. #40 Volker Birk
    https://blog.fdik.org
    8. Februar 2016

    Wenn wir schon bei den “Bildanalyseverfahren von .Bellingcat” sind, hier der Steinschneider zum Thema:

    https://wahrheitueberwahrheit.blogspot.de/2015/06/gefakte-katzenbilder.html

  40. #41 Joseph Kuhn
    9. Februar 2016

    Auf der PLoS ONE-Seite kann man nachlesen, dass der Grimes-Artikel in den zwei Wochen seit seinem Erscheinen rund 80.000 mal aufgerufen wurde: Total Article Views 80,128. Jan 26, 2016 (publication date) through Feb 8, 2016. Da sag noch einer, Formeln in einem Text würden Leser abschrecken.

  41. #42 lindita
    9. Februar 2016

    Ich gebe zu, ich kann hier auch gründlich etwas missverstanden haben…,

    Je mehr Leute über eine Verschwörung wissen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit ihrer Aufdeckung, weil Einer irgendwann mal sicher darüber plaudert?

    Ich denke, je mehr Beteiligte stillhalten und nur Wenige plaudern, dann wird die Mehrheit diese Wenigen als “Bala -bala” bzw. als Verschwörungstheoretiker hinstellen. Hier ist erstmal die Geburt einer Verschwörungstheorie gegeben, aber sicher nicht der Untergang der Verschwörung.

    Ich, als Unbeteiligte kann einem Betrunkenen nur zuhören, aber nicht entscheiden, ob er jetzt die Wahrheit sagt, oder selbst in einer Fantasiewelt lebt.

    Und wenn plötzlich Viele an eine Verschwörung glauben, wird sie dadurch aufgedeckt, oder nur überdeckt durch die Mehrheit, die von der Materie keine Ahnung hat und nur mitlaufend ist, als dass sie wirklich die Verschwörungsmechanismen begriffen hat? Versuch mal dieser das Gegenteil zu beweisen…

    Meine persönliche Meinung: kommt auf den (sozialen, politischen, wirschaftlichen etc.) Wert der Verschwörungstheorie an, und auf das Verhalten jedes Einzelnen. Beide Parameter sagen aber erst mal gar nichts über die Wahrheit aus (so wie ich es sehe). Ob ich damit Kurven zeichnen kann? Hier bin ich überfragt.

  42. #43 lindita
    9. Februar 2016

    Und wenn eine Verschwörung aufgedeckt wird, dann ist die Lage sowieso alternativlos. ALLE wissen es, alle reden drüber, aber keiner kann irgendetwas ändern.

  43. #44 Bullet
    9. Februar 2016

    @lindita:

    Ich denke, je mehr Beteiligte stillhalten und nur Wenige plaudern, dann wird die Mehrheit diese Wenigen als “Bala -bala” bzw. als Verschwörungstheoretiker hinstellen.

    Ja, das kann passieren. Das berührt aber nicht die Aufdeckwahrscheinlichkeit, weil ja eine (reale) Verschwörung meßbare Veränderung der Realität hervorruft. Soll heißen: wenn die Mondlandung nicht stattgefunden hätte, hätte jemand irgendeinen Sand in die “Filmhalle” schaufeln müssen. Der hätte angekarrt werden müssen. Die Filmhalle hätte diese große Vakuumkammer sein müssen, und die Beleuchtung hätten sie umbauen müssen. Der Sand hätte wieder aus der Halle rausgemußt etc. etc. – alles Vorgänge, die prüfbar sind, wenn das in Frage gestellte noch nicht zu lange her ist. Und an irgendeiner Stelle endet auch die Geheimhaltungspflicht. Der Unternehmer, der drei LKW für einen Sandtransport nach A51 bereitgestellt hat, wird es sich nicht verbieten lassen, das bekannt zu machen (wenn er will). Gerade in Amerika, wo Mißtrauen gegenüber der Regierung deutlich populärer ist als hierzulande.
    Die Idee, daß man ALLE Menschen eines Landes zum Schweigen bringen kann, ist lächerlich. Das funktioniert nicht einmal in Nordkorea. Nicht einmal dort!

  44. #45 Ulrich Berger
    9. Februar 2016

    Ich habe das paper nach den ersten Medienberichten gelesen und mein spontaner Eindruck war: Saumäßiger peer review! Haarsträubend ist ja nicht nur der offensichtliche Fehler mit den fallenden kumulativen Wahrscheinlichkeiten, sondern auch der Selektionsbias, der bei der Parameterschätzung aus den drei aufgedeckten Verschwörungen resultiert. Man könnte an dieser Stelle über überhebliche Physiker räsonieren, die in Sozialwissenschaften dilettieren, aber das verkneife ich mir. Grimes ist ja ansonsten ein braver Skeptiker (sogar Maddox-Preisträger) und somit quasi ein Glaubensbruder…

  45. #46 Ulrich Berger
    9. Februar 2016

    Um das zu präzisieren: Ich stimme für (a). Die Variante (c) scheidet wohl aus, weil die “Enthüllung” durch den Autor dann schon längst hätte eintreten müssen.

  46. #47 Statistiker
    9. Februar 2016

    Ih werde den Gedanken nicht los, dass der Blogautor zu sehr dem Alkohol fröhnt und nicht einmal nachdenkt, bevor er seinen Sermon ergießt……..

    • #48 Joseph Kuhn
      9. Februar 2016

      Prost!

    • #49 rolak
      9. Februar 2016

      Prost!

      Du hast den Föhn vergessen, Joseph.

      • #50 Joseph Kuhn
        9. Februar 2016

        Bei meiner Frisur?

      • #51 rolak
        9. Februar 2016

        Ja gerade bei der – da kann nicht allzuviel bis nichts passieren bei der Erfüllung der Vorgabe. Immerhin ein Kofferwort aus intensiv-leidenschaftlich und hart-am-Wind, dieses ‘fröhnen’.

        Und darüber hinaus: a) im Warmen könnte bei angemessener Schweißentwicklung eine willkommene Kühlung erreicht werden und b) andere haben ganz andere Probleme…

        • #52 Joseph Kuhn
          9. Februar 2016

          😉

  47. #53 Volker Birk
    https://blog.fdik.org
    9. Februar 2016

    @Joseph Kuhn: vielleicht schrecken Formeln im Text ja nur dann ab, wenn sie nicht völlig falsch sind? 😉

  48. #54 lindita
    10. Februar 2016

    @ Bullet
    Die Idee, daß man ALLE Menschen eines Landes zum Schweigen bringen kann, ist lächerlich.

    Das habe ich so nicht gesagt. Ich habe über die aufgedeckte Umstände gesprochen (siehe Chelsea Manning, Edward Snowden, Julian Assange …). Alle wissen jetzt bescheid, aber was bringt das?

    Das macht mir Angst in unserer Demokratie. Der Schein der Freiheit. In den Talk Shows wird ganz offen über unser unerhörtes Vorgehen geredet. Aber es wird einfach weiter gemacht. Weil einfach darüber reden, mehr über etwas wissen und nichts dagegen tun können nimmt schon seltsame Formen an. Der Westen (und hier meine nun wirklich uns als Volk) ist verfressen und kriegt seinen Hintern nicht hoch, so wie es die Hungernden tun würden. Deshalb funktiuniert unsere Diktatur so gut, wo man alles sagen darf, was man will, ändern wird sich ja eh nichts.

    Was interessieren mich Verschwörungen der “Alleinmächtigen”?

  49. #55 ralph
    10. Februar 2016

    @Indita.
    Ihr Dilemma könnte auch damit zu tun haben, dass eine “Wehrhafte Demokratie” ein Widerspruch in sich ist. Das wird in den Talkshows selten offen diskutiert.

    Unser Verfassungsgericht definiert den Begriff so:
    “..die Entschlossenheit des Staates, sich gegenüber den Feinden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht neutral zu verhalten, sondern sich zur Wehr zu setzen.”
    Wie weit darf der Staat dabei gehen, was ist noch gerechtfertigt? Ein Frage, auf die es selten eine eindeutig Antwort gibt, sie muss ständig neu gestellt und halbwegs pragmatisch beantwortet werden.
    Eine Demokratie ist entweder wehrhaft, und riskiert dabei – je nach Standpunkt – grundlegende demokratische Regeln zu verletzen oder sie ist nicht lange von Bestand. Ein schmaler Grad.

  50. […] haben, missverstanden zu werden, zu irren oder den Sokal-Hoax-Gedächtnis-Preis 2016 zu bekommen, Gesundheits-Check am 7. Februar […]

  51. #57 Dr. Webbaer
    11. Februar 2016

    David Robert Grimes ist Wissenschaftler und Aktivist, womöglich gelegentlich in umgekehrter Reihenfolge.
    Mathematisch mag Grimes schon richtig liegen, was in Gesellschaftssystemen, in denen Verschwörungen im Großen unüblich sind, weil sie “ohnehin” auffallen, in sogenannten westlichen, plausibel ist, allerdings sind Verschwörungen im Kleinen generell üblich und die Aufdeckung von Verschwörung kann in “nicht-westlichen” Gesellschaftssystemen mit hohen persönlichen Strafen bedroht sein, auch wenn von großen Teilen der Menge vorgenommen, und dort greift die versuchte Mathematisierung nicht.

    Und es geht, wie im Nachtrag korrekt ergänzt werden konnte, um Verschwörungen.
    Sogenannte Verschwörungstheorien meinen witzigerweise nicht die Sicht (“Theorie”) auf aufgedeckte Verschwörungen, sondern metaphorisch die letztlich unbelegte Mutmaßung über möglicherweise vorliegende.

    MFG
    Dr. Webbaer

  52. #58 Dr. Webbaer
    11. Februar 2016

    PS_
    Bei der hier vorgestellten Visualisierung müsste es erst einmal um die Anzahl der Verschwörer (hier anscheinend: fix 5.000) gehen und bestimmte Modellierung vorausgesetzt, müsste dann auf der X-Achse die Zeit eingetragen sein und auf der Y-Achse die Wahrscheinlichkeit, dass einer der (dann: 5.000) Verschwörer entscheidend plaudert, so dass das Gesamtunternehmen hopp geht.
    Diese Wahrscheinlichkeit müsste von 0 gegen 1 gehen.

    MFG
    Dr. Webbaer (der bei derartigen Visualisierungen, sofern nicht sozusagen auf das Beste erläutert, das Schlechteste anzunehmen gewohnt ist)

  53. #59 Dr. Webbaer
    11. Februar 2016

    PPS:
    Die Diagrammbeschriftung ist falsch, woll?!

    • #60 Joseph Kuhn
      11. Februar 2016

      Nein. Die Beschriftung ist korrekt.

  54. #61 Dr. Webbaer
    12. Februar 2016

    War hierzu angemerkt:

    Aber warum steigt dann die blaue Linie und verläuft nicht waagrecht?

    Die ‘Constant Conspirators’ sind wie skaliert?

    • #62 Joseph Kuhn
      12. Februar 2016

      Die Y-Achse zeigt die Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung der Verschwörung, für alle drei Varianten der Zahl der Mitwisser. Wie jede Wahrscheinlichkeit ist sie von 0 bis 1 skaliert.

  55. #63 Dr. Webbaer
    12. Februar 2016

    @ Herr Dr. Kuhn :

    Ihr Kommentatorenfreund geht im Moment davon aus, dass Sie mit Ihrer Kritik, was die ‘kumulative[n] Wahrscheinlichkeiten’ betrifft, richtig liegen, weiß nichts mit der dritten Variante, dem ‘exponential decay’ anzufangen, und geht weitergehend davon aus, dass alles geklärt ist, wobei ein Nachtrag (2) noch nicht ergänzt worden ist.

    Das, was Grimes da auspackt, ist doch alter Käse und irgendwie steht Ihr Kommentatorenfreund noch ein wenig auf dem “Schlauch”.

    MFG
    Dr. Webbaer

  56. #64 Joseph Kuhn
    6. März 2016

    Update 7.3.2016:

    Grimes hat eine Korrektur veröffentlicht:
    https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0151003

    Variante a) ist also richtig. Schade, Variante c) hätte mir auch gefallen. Aber immerhin nicht Variante b): habe das Ascheschälchen für mein Haupt endgültig weggestellt.

  57. #65 Schmidts Katze
    6. März 2016

    “These corrections do not modify the conclusions of the paper”

    Nein, das stimmt, aber in dem Paper steht nun wirklich noch genug anderer Unsinn drin.

    Nochmal die Kritik von Die Wahrheit über die Wahrheit:”Und wenn man die Arbeit liest, dann kann man nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen angesichts dieses pseudowissenschaftlichen Mülls! Eigentlich alles an diesem Werk ist idiotisch und/oder falsch.”

  58. #66 Joseph Kuhn
    8. März 2016

    @ Schmidts Katze:

    Vielleicht schlägt Grimes auch selbst die Hände über dem Kopf zusammen und verflucht den Tag, an dem er auf die Idee kam, diesen Artikel zu schreiben. Er hätte ihn nicht korrigieren, sondern zurückziehen sollen, weil in der Tat die übrig gebliebenen Schwächen (Selektivität der Datenbasis, unrealistische Verhaltensannahmen usw.) als belastbare “conclusion of the paper” eigentlich nur den trivialen Ausgangsgedanken übrig lassen, dass eine Verschwörung umso eher auffliegt, je mehr Leute eingeweiht sind – ceteris paribus.