0,00974263, das ist meine neue Sterbewahrscheinlichkeit für das kommende Jahr, nach der Periodensterbetafel 2012/2014 für Männer aus Westdeutschland. Zu 99 % überlebe ich also das kommende Jahr. Meine statistische Restlaufzeit („fernere Lebenserwartung“) beträgt gut 20 Jahre. Das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall oder Krebs steigt in meinem Alter deutlich an, dafür nimmt das Risiko für jugendlichen Leichtsinn ab. Die Wahrscheinlichkeit, nach einem Diskobesuch mit dem Auto zu verunglücken, beträgt bei mir inzwischen praktisch Null. Wobei man idealerweise nicht zu negativ über seine Zukunft denken sollte, denn die „Altersbilder“, die Vorstellungen vom Altern, haben selbst einen Einfluss darauf, wie man altert. Wer sich sein Alter in schöneren Farben ausmalt, erhöht demnach die Wahrscheinlichkeit, dass es auch so kommt. Nicht immer klappt es mit dem positiven Denken, aber in dem Fall scheint etwas dran zu sein.

Lebenstreppe

Vor kurzem meinen nun Wissenschaftler noch etwas herausgefunden zu haben. Im normalen Leben nehmen die Sterbewahrscheinlichkeiten mit dem Alter stetig zu. Zumindest nach dem Kleinkindalter, Säuglinge leben gefährlich, die logarithmische Darstellung der Sterberaten lässt das optisch deutlich hervortreten.

Sterbewahrscheinlichkeit_Plateau

Ab dem Alter von 105 soll das aber nicht mehr gelten, wenn man den Daten einer italienischen Studie von Barbi et al. glauben darf. Demnach stagniert für die Methusaleme die Sterbewahrscheinlichkeit bei 50 %. Das ist interessant, weil man es als Infragestellung einer natürlichen Obergrenze des Lebensalters interpretieren kann. In einer Population mit 500 Menschen im Alter von 105 ist rechnerisch nach 9 Jahren immer noch einer am Leben. Sind es tausend, auch noch nach 10 Jahren, usw. – im Prinzip ließe sich so jedes Lebensalter erreichen. Oder doch nicht? Wie verlässlich sind wohl Sterberaten bei 110-Jährigen? 200-Jährige sind bisher jedenfalls noch nicht gesichtet worden.

Und wie der Schweizer Historiker Arthur Imhof einmal sagte, haben wir trotz aller Fortschritte beim Verdrängen und Hinausschieben des Todes ohnehin erheblich an Lebenserwartung verloren: Früher glaubten wir an das ewige Leben, heute diskutieren wir darüber, ob es längstens 120 oder 130 Jahre sein könnten. Wenn wir wenigstens diese Zeit vernünftig und freundlich miteinander verbrächten!

Kommentare (14)

  1. #1 Jürgen Schönstein
    12. Juli 2018

    Wie verlässlich sind wohl Sterberaten bei 110-Jährigen? 200-Jährige sind bisher jedenfalls noch nicht gesichtet worden.

    110-jährige sind dann sowieso schon viel zu alt, um noch zu sterben 😉

  2. #2 Beobachter
    12. Juli 2018

    ” … Wenn wir wenigstens diese Zeit vernünftig und freundlich miteinander verbrächten!”

    Das habe ich mir auch schon oft gedacht bzw. gewünscht !

    Leider scheint es ein (zeitloser) Wunschtraum zu sein, denn die Menschen machen sich seit jeher (und besonders heutzutage, sollte man meinen) das Leben schwer – völlig unnötiger- und überflüssigerweise.

    Und das Schlimme ist:
    Wenn`s oft nicht mal im Kleinen (in der kleinsten sozialen Einheit, der Familie) funktioniert, wie soll`s dann im Großen (in “der Gesellschaft”, in nationalen Regierungen, in Europa, …) funktionieren ?!

    Aber da wird`s dann wieder filosofisch …

  3. #3 rolak
    12. Juli 2018

    wenigstens diese Zeit vernünftig und freundlich

    Zack, der Übergang von Lebenserwartung zu Erwartung ans Leben – eh relevanter, imho.

    Zu 99 %

    Etwas besser als der Durchschnitt, grob 79 von 80 Millionen überleben je Jahr.

  4. #4 shader
    12. Juli 2018

    Das Gute am Alter ist, man kann nicht mehr jung sterben.

    Es ist wirklich eine gute Frage, ob es einfach nur genügend Alte braucht, damit der Altersrekord auf 130 Jahre oder mehr hochgeschraubt werden kann. Schon interessant, dass man mit 105 Jahren jedes Jahr eine Münzwurfentscheidung hat, ob man im nächsten Jahr wieder eine Münze werfen darf.

  5. #5 pederm
    12. Juli 2018

    ” In einer Population mit 500 Menschen im Alter von 105 ist rechnerisch nach 9 Jahren immer noch einer am Leben. Sind es tausend, auch noch nach 10 Jahren, usw. –”, damit nach 95 Jahren noch einer lebt, bräuchte man demnach 500 x 2^86 = 3,8e28 Menschen. (Genau genommen ist die Wahrscheinlichkeit, daß man nach 9 oder 10 Jahren unter 500 bzw. 1000 ehemals 105jährigen noch mindestens einen Überlebenden beobachtet 63%) Das erklärt doch ganz zwanglos, warum es keine 200jährigen gibt.

  6. #6 Robert
    14. Juli 2018

    Schön ist es auf der Welt zu sein, sangen Roy Black und Anita und jetzt toppt Herr Kuhn diese Tasache mit seiner Statistik zur Sterblichkeit.
    Wenn man 60 Jahre alt ist, dann betrug die Lebenserwartung noch 14 Jahre (Stand 1979 USA)
    Zehn Jahre später, mit 70 Jahren betrug die restliche Lebenserwartung nicht nur noch 4 Jahre, sondern noch 9 Jahre. Man bekam also 5 Jahre geschenkt.
    Mit 80 Jahren sollte man schon seit einem Jahr tot sein, nein, man kann weiter 5 Jahre hoffen. Also wieder ein Geschenk von 6 Jahren. Ist das nicht schön ? Und mit Herrn Kuhns neueren Daten sieht es noch erfreulicher aus. Das Prinzip Zuversicht wird hier wahr. Die Statistik ist durch und durch human und meint es gut mit uns.
    Das ist keine Ironie, das ist empirische Mathematik.

  7. #7 UMa
    14. Juli 2018

    Die Wahrscheinlichkeit von 0,00974263 ist nicht die Wahrscheinlichkeit für einzelne Menschen sondern der Durchschnitt für alle Männer gleichen Alters in Deutschland. Man könnte aber neben Alter und Geschlecht noch weitere Kriterien heranziehen.

    Z.B. ist über einen größeren Altersbereich die Sterblichkeit von Rauchern doppelt so hoch wie für Nichtraucher. Auch andere Kriterien, wie Ernährung, Alter der Eltern/Großeltern oder Blutdruck u.ä. könnte man heranziehen, um sich einer individuelleren Sterbewahrscheinlichkeit zu näheren.

    Wie sehe die Sterbewahrscheinlichkeit aus wenn man diese weiteren Kriterien berücksichtigen würde?

  8. #8 Beobachter
    14. Juli 2018

    Wenn man(n) heutzutage älter wird und später stirbt, kann das auch heißen, dass man länger krank, gebrechlich und hilfsbedürftig ist oder gar ein Pflegefall ist/wird.
    Folglich stellt sich auch die Frage, wie das persönlich Umfeld damit umgehen wird.
    Und wie “unsere Gesellschaft” in Zukunft damit umgehen wird – angesichts der schon jetzt katastrophalen Umstände/Zustände bei Hilfsbedürftigkeit im Alter und/oder chronischen Erkrankungen …

    Deshalb sollte es m. E. nicht “nur” um die gestiegene statistische Lebenserwartung gehen, sondern auch darum, ob und wie man menschenwürdig alt bzw. älter werden kann.

  9. #9 Joseph Kuhn
    14. Juli 2018

    @ UMa:

    “Wie sehe die Sterbewahrscheinlichkeit aus wenn man diese weiteren Kriterien berücksichtigen würde?”

    Ich glaube nicht, dass es Sterbetafeln unter Berücksichtigung solcher kombinierten Risiken gibt, aber wer weiß. Aus der amtlichen Statistik gibt es das jedenfalls nicht.

    @ Beobachter:

    “sondern auch darum, ob und wie man menschenwürdig alt bzw. älter werden kann”

    So ist es. Und das auch nicht nur im Vergleich zu früher, sondern gemessen an den heutigen gesellschaftlichen Möglichkeiten.

  10. #10 Beobachter
    14. Juli 2018

    @ Joseph Kuhn, # 9:

    Was alles an Positivem “heute gesellschaftlich möglich” wäre, wenn man nur wollte … – bzw. der politische Wille da wäre …!

    Statt Leuten im Rentenalter ein langes gesundes Leben zu wünschen (belastet die Rentenversicherung) oder bei Krankheit ein langes menschenwürdiges Leben mit guter Pflege (belastet die Renten-, Kranken-, Pflegeversicherung) –
    wünschen ihnen ein Bundesärztekammerpräsident (und vielleicht auch manche Politiker, und tun es nur nicht kund) ein “sozialverträgliches Frühableben” … !

    Was soll man da noch sagen … ?!

    https://de.wikipedia.org/wiki/Sozialvertr%C3%A4gliches_Fr%C3%BChableben

    https://www.unwortdesjahres.net/?id=24

  11. #11 Beobachter
    14. Juli 2018

    Nachtrag zu # 10:

    Übrigens:

    Obiger Wikipedia-Artikel läuft unter der “Kategorie” “Altersdiskriminierung”.

    Man braucht also offenbar nicht mal die falsche Hautfarbe, die falsche Religionszugehörigkeit, den falschen sozialen Status, den falschen Kontostand, etc. zu haben, um diskriminiert zu werden –
    es reicht schon, alt zu werden/zu sein.

    • #12 Joseph Kuhn
      14. Juli 2018

      @ Beobachter:

      Wussten Sie das nicht? Altersdiskriminierung ist eine Alltagserscheinung, von der Jobsuche bis zur Kreditvergabe. In manchen Ländern auch bei der Krankenbehandlung.

  12. #13 rolak
    15. Juli 2018

    von .. bis .. auch bei

    Ach, das Diskriminieren ist immer und überall

  13. #14 Beobachter
    15. Juli 2018

    @ Joseph Kuhn, # 12:

    Doch, wusste ich schon.
    Wollte es nur nochmal extra gesagt haben, weil es hier Kommentatoren gibt, die meinen, man würde in Deutschland “nur” dann diskriminiert, wenn man andersfarbiger Ausländer sei und ansonsten so ziemlich alles in Butter wäre.
    Und weil es mich immer wieder wundert, dass “Alters”-Themen wie z. B. Pflegenotstand hier so wenig Resonanz finden – wo es doch früher oder später JEDEN betrifft.

    Vielleicht wäre es einfacher, sich mal zu überlegen, welche Bevölkerungsgruppe in Deutschland NICHT diskriminiert wird und welche kennzeichnende Eigenschaften einen Menschen hier wertvoll im Sinne von “akzeptabel/nützlich” machen.
    Jung, gesund, besserverdienend, männlich, Inländer –
    sonst noch was zwingend erforderlich ?!

    Und was die statistisch gestiegene Lebenserwartung an sich betrifft:
    In den Genuss derselben kommen Arme wohl weniger, denn sie sterben im Schnitt ca. 10 Jahre früher (auch hier im reichen Deutschland) – wenn ich mich recht erinnere.