Die näher rückende Reise rückt noch näher. Im ersten Teil der kleinen Blog-Serie habe ich ein paar Eckdaten zur Gesundheit der japanischen Bevölkerung berichtet, im zweiten Teil bin ich kurz auf den OECD-Policy-Bericht zu Public Health in Japan eingegangen.

Heute will ich daran erinnern, dass in Japan 2013 ein dramatischer Rückgang der HPV-Impfquoten eingesetzt hat und diese Entwicklung bisher nicht wieder umgekehrt werden konnte. Die HPV-Impfung schützt gegen verschiedene Humane Papillomviren, die Krebs auslösen können, vor allem Gebärmutterhalskrebs, aber auch eine Reihe anderer Krebsarten, auch bei Männern. Die Impfung gilt als sehr sicher.

In Japan gab es nach dem Beginn des Impfprogramms 2010 eine vergleichsweise sehr hohe Impfquote, um die 70 % bei den Mädchen. Davon sind wir in Deutschland weit entfernt. Nach einer Auswertung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns lag die Impfquote bei gesetzlich versicherten 18-jährigen Mädchen des Geburtsjahrgangs 2000 in Bayern zuletzt bei 57 %, wobei 41 % nach den STIKO-Vorgaben geimpft waren (Gesundheitsreport Bayern 3/2019). Nachdem in Japan 2013 Impfgegner mit ungeprüften Meldungen angeblich schwerer Nebenwirkungen die Bevölkerung verunsichert hatten und dann auch noch die Regierung ihre Impfempfehlung zurückzog, ist die Impfquote eingebrochen. Sie liegt nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation heute bei ca. 1 %, d.h. es wird praktisch nicht mehr geimpft.

Über die Vorgehensweise der Impfgegner, die mit massiven Drohungen gegen Ärzte und Wissenschaftler verbunden war, wurde weltweit berichtet. Als Einstieg in diese haarsträubende Geschichte sei der Beitrag der Skeptiker nebenan vom Februar letzten Jahres empfohlen.

Diese Entwicklung ist für mich nur schwer nachvollziehbar. Japaner/innen sagt man ja gemeinhin ein hohes Verantwortungsgefühl für die Gemeinschaft nach. Hier kam es aber zu einem völligen Zusammenbruch des Vertrauens in die Impfung, und mehr noch, der Wissensstand in der Bevölkerung ist auch nicht gut. In einer Befragung von erwachsenen Japaner/innen 2019 durch das Health and Global Policy Institute gaben fast 70 % der Befragten Japaner/innen an, nicht zu wissen, dass die Impfung gegen die Infektion mit Humanen Papillomviren als Ursache von Gebärmutterhalskrebs schützt.

Die HPV-Impfkrise in Japan ist ein Lehrbeispiel dafür, wie destruktiv Impfgegner agieren können und wie schwer es ist, verloren gegangenes Vertrauen in den Nutzen einer Impfung zurückzugewinnen, selbst wenn die wissenschaftliche Bewertung recht eindeutig positiv ist.

Kommentare (6)

  1. #1 Alisier
    26. Januar 2020

    @ Joseph Kuhn
    “Japaner/innen sagt man ja gemeinhin ein hohes Verantwortungsgefühl für die Gemeinschaft nach. Hier kam es aber zu einem völligen Zusammenbruch des Vertrauens in die Impfung, und mehr noch, der Wissensstand in der Bevölkerung ist auch nicht gut.”

    Beim “mehr noch” gehe ich nicht mit.
    WEIL der Wissensstand der Bevölkerung extrem niedrig war/ist, konnten die radikalen Impfgegner überhaupt so viel Schaden anrichten.
    Frei nach dem Motto “Wer nichts weiß, muss alles glauben!”
    Und mit Verantwortungsgefühl gegenüber der Gemeinschaft hat das auch recht wenig zu tun, aus meiner Sicht. Es haben halt sehr viele brav gemacht, was man ihnen vorgeschlagen hat, so wie sie es während ihrer Sozialisation gelernt haben.
    Wenn ein Verhalten aber nicht auf Wissen, sondern auf Konditionierung basiert, ist es sehr leicht auszuhebeln. Es braucht nur jemand zu kommen und “Wir sagen euch endlich die Wahrheit!” zu raunen.
    Der Impfung wurde auch nicht vertraut, sondern man hat es einfach gemacht, weil es alle (oder zumindest sehr viele) tun.
    Deswegen ist es so ungemein wichtig echte Informationen früh und mit Nachdruck an die jeweiligen Bevölkerungen weiterzugeben, und sich früh mit in jeder Gesellschaft verbreiteten Ammenmärchen anzulegen.
    Da sind wir alle gefordert.

    • #2 Joseph Kuhn
      27. Januar 2020

      @ Alisier:

      “Verantwortungsgefühl … nicht auf Wissen”

      Das Wort “verantwortungsbewusst” hatte ich bewusst vermieden. Würde dir “Pflichtgefühl” besser gefallen? Aber es bleibt eine merkwürdige Sache. Auch bei uns kursieren Geschichten über angebliche ernste Impfschäden bei HPV, auch in Japan kursieren Geschichten über Impfschäden bei anderen Impfungen. Was ist also das Besondere der HPV-Impfkrise in Japan?

  2. #3 Alisier
    27. Januar 2020

    @ Joseph Kuhn
    Ich denke schon, dass “Pflichtgefühl” der Sache näher kommt, und das weitaus treffendere Wort ist.
    Das besondere ist, zumindest meiner Vermutung nach und nach Gesprächen, die ich mit mehreren Menschen mit ähnlichem kulturellen Hintergrund führen konnte, dass das Thema HPV mit einem Bereich zu tun hat, der in Japan erstens tabuisiert, zweitens mit großer Scham besetzt und drittens bis heute kaum diskutiert werden kann, weil man das einfach nicht tut.
    Vielleicht kennst Du die Elfenbeinfiguren, die Frauen der gehobeneren Gesellschaftsschichten früher mit zum Arzt nahmen um darauf zu zeigen, wo es ihnen weh tut, wo sie Probleme haben. Darüber sprechen war nicht möglich.
    Es geht hier eben auch um Fortpflanzung, und da braucht nur jemand das riesige Unbehagen, das sowieso mit dem Bereich verbunden ist, geschickt auszunutzen, wobei das schüren der Angst, dass die barbarischen Ausländer irgendwie auf die Fortpflanzung des japanischen Volkes Einfluss nehmen könnten, immer noch zieht, zumindest unterbewusst.
    Ich denke, dass man den genauen Ursachen auf die Spur kommen kann, wenn man hier weiter gräbt.

  3. #4 Alisier
    27. Januar 2020

    ….und ich rudere, nach weiterem Nachdenken, im Vergleich zu #1 etwas zurück:
    Es hat in dem Zusammenhang sehr wohl mit dem Verantwortungsgefühl gegenüber der Gemeinschaft zu tun, weil man als Frau für das Fortbestehen dieser Gemeinschaft verantwortlich ist, und keinerlei Risiko eingehen darf.
    Der mitgegebene Druck ist sehr groß, weswegen inzwischen. viele junge Menschen lieber ganz auf Nachwuchs verzichten.
    Wenn hier ein Hebel angesetzt wird, kann der Effekt sehr schnell extrem sein.
    Tradition ist immer noch ein sehr hoher Wert in einer Gesellschaft, die im Gegensatz z.B. zur chinesischen, keinen totalen Umbruch mitgemacht hat.
    “Das haben wir aber nie….respektive immer so gemacht!” wirkt in hier durchaus als Denkweise immer noch recht stark.

  4. #5 Alisier
    27. Januar 2020

    Ja doch: das Mit den Elfenbeinfiguren ist ein Mythos.
    Kurze Recherche hätte genügt, aber wenn man mal was glaubt…….

  5. #6 Joseph Kuhn
    12. Februar 2020

    HPV-Impfung und Impfgegner in Deutschland:

    Beim Ärzteblatt wurde gerade eine neue Studie zur HPV-Impfung vorgestellt. Wie nicht anders zu erwarten, sind auch da sofort wieder die Impfgegner in der Kommentarspalte aufgeschlagen, mit absurden Behauptungen, bis dahin, die Impfung würde Krebs auslösen. Skrupel kennen diese Leute wirklich nicht, sie gehen um ihrer Ideologie willen bereitwillig über Leichen.