Ein kleines Beispiel zeigt, wie schwierig Klimaschutz sein kann: In der Regierung streitet man sich gerade darüber, ob man Verbrauchern sagen sollte, wieviel CO2 bei der Fleischproduktion entsteht. Die Kunden könnten sich ja bedrängt fühlen.
Mit dem Weltklimavertrag von Paris sind ehrgeizige Ziele vereinbart worden. Da muss auch Deutschland seine Pläne nachbessern, und das Bundesumweltministerium stimmt derzeit einen Vorschlag innerhalb der Regierung ab (hier ein Überblick dazu). Eine vergleichsweise kleine Maßnahme wurde vom Kanzleramt kassiert: Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hatte vorgeschlagen, bei Fleisch auf den Klimaeffekt hinzuweisen. Bei der Produktion eines Steaks entstehen einige Kilogramm an Treibhausgasen. Diese Information ist der Kanzlerin vor der Bundestagswahl 2017 offenbar zu radikal. Vermutlich fühlt sie sich an den Veggie Day erinnert, für den die Grünen viel Kritik einstecken mussten.
Bei der Jubiläumsveranstaltung des Wuppertal Instituts, das vor 25 Jahren gegründet wurde, musste sich am Donnerstag der Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth rechtfertigen. Warum kann man den Kunden die Wahrheit nicht zumuten? Flasbarth hält diesen Punkt nicht für bedeutend genug, um sich mit dem Kanzleramt zu streiten, und versichert: „Wir werden es weiterhin sagen.“ Ohne eine tiefgreifende Umstellung der Wirtschaft und unseres Lebensstils, das ist bei der Feier in Wuppertal ohnehin ausgemacht, werden wir den Klimawandel nicht stark genug bremsen – von den weiteren Problemen wie Massentierhaltung und überdüngten Böden ganz zu schweigen. Aber die Menschen müssen auch wollen. Die Fragen, wie man sie dazu bewegt, und ob sie überhaupt bewegt werden sollten, zieht sich als roter Faden durch die Vorträge und Diskussionen.
Die Wünsche der einfachen Bürger
In einem Film machen drei Künstler deutlich, wie bescheiden die Wünsche der Wuppertaler Bürger sind. Die Künstler haben Menschen auf der Straße gefragt, welche Utopie sie bewege. Ein Bauwagen diente als Studio. Im Film ist zu sehen, wie sich die Freiwilligen ihre eigene Aussage noch einmal anhören und sie mit ihrer Mimik kommentieren. So bekommt man tatsächlich den Eindruck, man würde ihnen beim Träumen zusehen. Viele wünschen sich mehr Grün in der Stadt und weniger Autos. Sie fordern Gemeinsinn und nachbarschaftliche Hilfe ein: Ein Mann will wieder bei den Nachbarn klingeln dürfen, wenn ihm ein Ei oder eine Zitrone fehlt, und ein Mädchen wünscht sich, dass die Schaukeln auf dem Spielplatz schneller repariert werden. Der Oberbürgermeister Andreas Mucke ist begeistert: Die Menschen wollen sich einbringen – und viele ihrer Vorschläge kosten nicht einmal was.
Warum geht man aber in der CDU/CSU-Union davon aus, dass ein CO2-Hinweis auf der Fleischpackung die Wiederwahl gefährdet? Klar, die Menschen wollen sich nicht sagen lassen, wie sie zu leben haben, und Wissenschaftler und Wissenschaftsjournalisten haben einige Sympathien verspielt, weil sie oft belehrend aufgetreten sind. Aber die Leute sind bereit, für eine bessere Welt zu kämpfen. Kämen ihnen Informationen über Treibhausgase nicht gelegen, um sich daran zu orientieren? Lässt sich das nicht so vermitteln, dass es als Angebot verstanden wird und nicht als Einmischung in das Leben anderer?
Die Rechte der künftigen Generationen
Beim Klimawandel steht einiges auf dem Spiel. Und an manche neue Regel haben wir uns gewöhnt, weil sie wirklich sinnvoll war: Wir schnallen uns im Auto an und rauchen nicht mehr im Restaurant. Michael Kopatz vom Wuppertal Institut, der auf der Veranstaltung sein neues Buch „Ökoroutine“ (Oekom Verag) vorstellt, zitierte bei der Festverastaltung in Wuppertal sogar Artikel 2 des Grundgesetzes: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt.“ Die anderen Menschen, von denen hier die Rede ist, seien nicht nur lebende Personen, argumentiert Kopatz, sondern auch die künftigen Generationen.
Zwei andere Experten auf dem Podium, Dirk Messner vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik und Ernst Ulrich von Weizsäcker vom Club of Rome, gaben dem Thema eine andere Wendung. Die weggeworfenen Lebensmittel machen jedes Jahr zusammen mehr als drei Milliarden Tonnen an Treibhausgasen aus, sagte Messner (er beruft sich auf diese Studie). Das entspricht ungefähr dem Ausstoß der Europäischen Union. Weizsäcker ergänzte: Auch wenn man den Fleischkonsum der Bürger nicht kommentieren wolle, gebe es hier durchaus einen Grund, politisch zu handeln.
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