Im ersten Teil dieser kleinen Reihe haben wir die fundamentale Gleichung der Quantenmechanik hingeschrieben. Hier wollen wir die Gleichung (grafisch) lösen – dabei werden wir sehen, warum die Schrödingergleichung dafür sorgt, dass die Energie (zumindest manchmal) quantisiert ist.

Hier zur Erinnerung nochmal die Schrödingergleichung:

(-ħ2/2m) Δψ(x) + V(x) ψ(x) = E ψ(x)

In Worten:
Krümmung der Wellenfunktion + potentielle Energie mal Wellenfunktion = Gesamtenergie mal Wellenfunktion.

Wir lösen sie jetzt für einen der einfachsten Fälle: Ein Teilchen in einem Kasten.

Die Schrödingergleichung für’s Kastenpotential
Wir bleiben noch in einer Dimension, damit das Leben einfacher ist. Jetzt stellen wir uns vor, dass wir unser Elektron in einen Kasten einsperren. (Ein “eindimensionaler Kasten” bedeutet also, dass wir unser Elektron auf einem Stück einer Linie halten, so dass es nicht nach rechts und links abhauen kann.)

Der Kasten erstreckt sich auf unserer x-Achse, sagen wir von x=0 bis hin zu x=L; also ist L die Kastenlänge. Da das Elektron aus dem Kasten nicht heraus kann, ist seine potentielle Energie außerhalb des Kastens unendlich hoch – dann ist es zuverlässig eingesperrt. Im Inneren des Kastens merkt das Elektron vom Kasten nichts, seine potentielle Energie ist also Null.

In brauchbarer Näherung ist übrigens schon ein Stück Metall für die darin befindlichen Elektronen ein solcher Kasten, weil die von den Ionenrümpfen angezogen werden und deshalb drinnen eine kleinere Energie haben als draußen. Reale Kästen sind aber natürlich nicht unendlich hoch.

Und so sieht unser Kasten aus, in den wir gleich das Elektron reinsetzen:

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Die senkrechte schwarze Linie symbolisiert das Potential, das rechts und links unseres “Kastens” unendlich hoch ist.

Wie können wir die SGL für diesen Fall lösen?

Zunächst mal ist ziemlich klar, dass ψ außerhalb des Kastens auch Null sein sollte. Wir haben zwar immer noch nicht geklärt, welche Größe ψ nun eigentlich beschreibt, aber da es außerhalb des Kastens unendlich viel Energie benötigen würde, das Elektron dort zu haben, sollte seine Wellenfunktion dort sicher verschwinden, denn dort kann das Elektron mit Sicherheit niemals sein.

Am linken Rand des Kastens ist die Wellenfunktion also schon mal Null.
Dorthin setzen wir unseren ersten Datenpunkt (in rot):

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Ein Stück rechts davon sollte die Wellenfunktion nicht immer noch Null sein – das wäre zu langweilig. Also setzen wir einen zweiten Datenpunkt irgendwo nach oben:

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Und jetzt ziehen wir unsere Schrödingergleichung zu Rate. Im Inneren des Kastens (nur da gucken wir im Moment) ist ja V(x)=0, also kann ich die Gleichung so umschreiben:

-Δψ(x) = (2m/ħ2) E ψ(x)

Um die ganzen Vorfaktoren kümmern wir uns nicht, aber die Gleichung sagt ja, dass die negative Krümmung proportional zum Wert von ψ selbst ist. Am Ort unseres zweiten Datenpunktes ist ψ größer als Null, also muss die Kurve dort nach unten gekrümmt sein. Der dritte Datenpunkt muss also so liegen, dass eine Verbindung vom ersten zum dritten Punkt unterhalb des zweiten liegt (denn im ersten Teil hatten wir gesehen, dass eine Funktion nur dann eine Krümmung hat, wenn sie nicht gerade ist):

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Wo genau der Punkt liegen muss, das hängt von den ganzen Vorfaktoren ab, die wir erst Mal nicht angucken wollten.

Jetzt suchen wir den nächsten Wert. Die Krümmung am Ort des dritten Datenpunktes muss jetzt (betragsmäßig) größer sein als die beim zweiten Punkt, weil ja der Funktionswert auch größer ist. Der vierte Datenpunkt muss jetzt (weil die Krümmung ja stärker sein muss) so liegen, dass die blaue Linie, die ihn mit dem zweiten Punkt verbindet, weiter unterhalb des dritten Punktes liegt:

i-5401210076f7db9051f106fb4e8b2146-kastenNeu4.jpg

Die Krümmung am Ort des vierten Punktes muss jetzt (weil der Funktionswert noch größer geworden ist) noch stärker sein. Das geht nur noch, wenn die Funktion jetzt wieder abnimmt:

i-c2e121af57ec408eadc9c6ae713bdb08-kasten5.jpg

Jetzt ist der Funktionswert wieder kleiner geworden, die Krümmung nimmt wieder ab. Das Bild ist ungefähr symmetrisch zur linken Seite. (Nicht genau, weil meine Datenpunkte nicht unendlich dicht liegen.) Also geht es mit der Funktion ebenfalls abwärts. Weil die Funktionswerte jetzt wieder kleiner werden, wird auch die Krümmung wieder kleiner. Wir berechnen den nächsten Punkt wie gehabt. (Falls es jemand nachrechnen will: Ich habe mit δx=1, ψ(1)=4 und Δψ(x)=-ψ(x)/8 gerechnet – der Massstab auf der x- und der y-Achse waren also unterschiedlich, das spielt aber keine Rolle.)

i-4f1feee4f83082e69f3486e854cb5b2f-kasten6.jpg

Wir nähern uns jetzt dem rechten Rand des Kastens. Dort muss ψ ja wieder verschwinden. Die Funktion nimmt zum Glück tatsächlich ab, aber leider:

i-a054e7cd4f8dc062e219d49f4798ac49-kasten7.jpg

Es hat nicht geklappt – unsere Funktion hätte auch am rechten Rand den Wert Null haben sollen. Was haben wir falsch gemacht?

Ich verbinde erstmal die roten Punkte mit einer Linie, so dass wir eine vollständige Wellenfunktion haben.

i-635b7430a8edc85d1a6ddb291c88d37d-kasten8.jpg

Wenn wir die grüne Linie verfolgen, dann liegt ihr Maximum etwas rechts von der Mitte unseres Kastens – unsere Wellenfunktion, die ja tatsächlich aussieht wie ein Wellenberg, ist etwas zu “lang” geraten. Wir müssten sie etwas stauchen, so dass sie genau am rechten Rand wieder auf Null abfällt. Wie können wir das hinbekommen?

Als erstes könnte man auf die Idee kommen, den ersten Punkt etwas höher zu setzen, dann wird die Krümmung ja größer und wir erreichen das Maximum früher. Doch leider klappt das nicht, denn auch die Funktionswerte werden in gleichem Maße größer und Berg ändert zwar seine Höhe, aber nicht seine Breite. Auch mit einem kleineren Wert anzufangen, hilft deshalb nichts. (MathematikerInnen sehen das sofort, weil die SGL linear ist – wenn man ψ mit einem konstanten Faktor multipliziert, ändert sich nichts.)

Wie können wir die Krümmung sonst erhöhen? Jetzt kommen die bisher schmählich ignorierten Vorfaktoren ins Spiel. Es ist ja (bei V=0)

Δψ(x) = (-2m/ħ2) E ψ(x)

Dabei habe ich den Vorfaktor von links nach rechts rübermultipliziert. An der Elektronenmasse und dem Planckschen Wirkungsquantum können wir nicht drehen, das sind Naturkonstanten, die sich sicherlich nicht jedesmal passend zu unserem Kastenpotential im Wert verändern.

Bleibt also nur noch die Energie E. Wenn wir E etwas erhöhen, dann wird die Krümmung an jedem Punkt etwas stärker und unsere Wellenfunktion erreicht den Wert Null etwas weiter links. Und mit dem richtigen Wert der Energie schieben wir den zweiten Nullpunkt der Funktion genau dahin, wo er sein soll:

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(Dabei habe ich die Höhe des Wellenbergs immer gleich gelassen – wie eben erklärt, spielt die ja keine wirkliche Rolle. Wie man die Höhe des Wellenbergs eindeutig festlegen kann, sehen wir, wenn wir uns über die Bedeutung von ψ Gedanken gemacht haben.)

Wir brauchen also einen genau passenden Wert der Energie, damit wir die Gleichung erfüllen können. Damit haben wir gerade eines der fundamentalen Ergebnisse der Quantenmechanik entdeckt: Die Energie eines Elektrons kann (in vielen Fällen) nicht einfach irgendeinen beliebigen Wert annehmen, sondern nur ganz bestimmte Werte. (Im Moment haben wir einen möglichen Wert gefunden, aber wir werden gleich sehen, dass es noch mehr gibt.) Die Energie ist also quantisiert!

Allerdings gibt es nicht nur einen möglichen Wert der Energie. Was passiert, wenn wir deren Wert weiter erhöhen? (Damit niemand verwirrt ist: Wenn ich hier die Energie kontinuierlich raufdrehe, dann meine ich damit die mathematische Größe E. Die physikalische Energie kann ich nicht einfach aufdrehen, denn physikalisch sind ja nicht alle Werte zulässig, sondern nur solche, bei denen die SGL auch tatsächlich erfüllt ist.)
Mit höherer Energie schiebt sich die Welle weiter zusammen. Der Nullpunkt rechts fällt dann in unseren Kasten. Da am Nullpunkt die Funktion Null ist, muss hier auch die Krümmung Null sein, also geht die Funktion entsprechend nach unten weiter (ich habe hier leider vergessen, die grüne Kurve am Ende abzuschneiden, ich hoffe, das verwirrt niemanden):

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Die Kurve ist jetzt ein genaues Spiegelbild des ersten Wellenberges, nur eben nach unten. Wenn man sie also noch weiter zusammenschiebt (also E und damit die Krümmung noch weiter erhöht), dann ist sie am rechten Rand wieder Null:

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Wir haben eine zweite Lösung der SGL gefunden, allerdings bei höherer Energie.

Wir können sogar leicht berechnen, um wieviel die Energie höher ist: Im ersten Teil hatten wir ja gesehen, dass man bei der Berechnung der Krümmung durch δx2 teilen muss, wobei δx der Abstand der Punkte war. Wenn wir die Kurve auf die Hälfte stauchen wollen (der erste Berg muss jetzt in den halben Kasten passen statt in den ganzen), dann halbieren wir quasi das δx, also muss die Krümmung den vierfachen Wert bekommen. Also steigt die Energie E auf das Vierfache.

(Anmerkung für die MathematInnen: Das ist natürlich so nicht ganz sauber argumentiert, weil man am Ende ja einen Grenzübergang δx gegen Null machen muss. Wer’s mathematisch sauber haben will, der berechnet die zweite Ableitung von ψ(x/2) mit Kettenregel – das führe ich aber nicht vor.)

Und eigentlich ist jetzt ja klar, dass wir noch mehr Lösungen finden können, bei denen die Wellen immer schmaler sind:

i-01e94efe5cd81c69e096ab9b7f0e3426-kastenWellen.jpg

Die entsprechenden Energiewerte für den Zustand mit der Nummer n verhalten sich wie n2. Deshalb sind hier die Wellenfunktionen in entsprechender Höhe eingezeichnet – dieser grafische Mischmasch, bei dem die Energie und der Wert von ψ beide in einem Diagramm eingezeichnet sind, ist bei PhysikerInnen so üblich.
Hat das erste Energieniveau also einen Wert von E1, dann gilt
En=E1 n2

Wer’s genau wissen will, mit allen Vorfaktoren lautet die Formel
En=h2 n2 / (8 m L2)

In unserem Kasten ist die Energie also immer quantisiert. Wer sich noch einmal die Überlegungen oben anschaut, sieht, dass das daran lag, dass es einen Bereich gab, wo die Wellenfunktion verschwinden musste. Tatsächlich gilt ganz allgemein, dass die Energie nur für Zustände quantisiert ist, die gebunden sind, bei denen das Elektron also auf einen begrenzten Raumbereich beschränkt ist.

Natürlich sind nicht alle Potentiale so einfach wie unser simpler Kasten. Was würde beispielsweise passieren, wenn der Kasten eine Stufe hätte, wenn das Elektron also rechts etwas mehr Energie bräuchte als links?

i-def7a17e7eb78f3da13fec9b53a6e7fd-kastenmitStufe.jpg

Im Bereich rechts ist jetzt V(x)>0. Wir formen unsere SGL wieder so um, dass die Krümmung auf der linken Seite steht:

Δψ(x) = (-2m/ħ2) (E-V(x)) ψ(x)

Solange (E-V(x)) größer als Null ist, tut sich nicht viel – die Krümmung ist immer noch proportional zum negativen Funktionswert. Wenn aber (E-V(x)) kleiner als Null ist, dann ist plötzlich die Krümmung proportional zum Funktionswert selbst, die Funktion muss dann also aufwärts gekrümmt sein. Natürlich kann die Funktion nicht überall aufwärts gekrümmt sein (dann würde ψ ja irgendwann unendlich werden), in einem kleineren Bereich aber schon.

Dankenswerterweise muss ich diesen Fall nicht zeichnen – zum Rumspielen mit der SGL gibt es nämlich auch sehr schöne Programme im Internet, z.B. javapsi-light
Damit kann man Potentiale zeichnen und sich die passenden Wellenfunktionen ausrechnen lassen:

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Oben ist unser Kastenpotential zu sehen, unten die zugehörige Wellenfunktion für das 5. Energieniveau. Rechts kann man alles mögliche einstellen, für uns hier ist nur der Schalter “Mouse=” relevant, wenn man den anklickt, dann kann man oben im Bild im Potential rummalen. Ich zeichne hier mal einen Kasten mit Stufe ein: (dazu den Haken “symmetric edit” ausschalten)

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Fängt man von links an, so sieht zunächst alles aus wie gehabt, es bildet sich ein Wellenberg. Da wo die Stufe ist, ist er aber nicht ganz auf Null abgefallen, sondern ändert nur seine Krümmung – im rechten Teil ist die Funktion aufwärts gekrümmt. Eine Funktion mit einer Krümmung proportional zum Funktionswert ist eine Exponentialfunktion – die Wellenfunktion nimmt also nach rechts hin exponentiell ab.

Vom Standpunkt der klassischen Physik aus ist es aber erstaunlich, dass die Wellenfunktion hier rechts nicht verschwindet – denn die Energie des Elektrons E ist hier ja kleiner als V(x). In der klassischen Physik kann ein Teilchen keinen Punkt erreichen, dessen Potential größer ist als die Energie des Teilchens, in der Quantenmechanik geht das anscheinend. Das ist im Prinzip nichts als der vielzitierte “Tunneleffekt” – damit man den wirklich sehen kann, braucht man aber die zeitabhängige Schrödingergleichung.

Das gilt allerdings wie oben erläutert nur, wenn (E-V(x)) kleiner als Null ist. Bei höheren Werten von E bekommt man wieder abwärts gekrümmte Wellen:

i-07a150033d34deba7e956aa75214d601-javapsi3-thumb-540x390.jpg

Wer ein Gefühl dafür bekommen möchte, wie die Lösungen der SGL in verschiedenen Pontentialen so aussehen, der sollte ruhig ein bisschen mit JavaPsi herumspielen.

Schrödinger hat die Gleichung übrigens auch für einen komplizierteren Fall gelöst, nämlich die Energiezustände des Wasserstoffatoms. Diese Energien konnte er dann mit den beobachteten Spektrallinien des Wasserstoffatoms in Beziehung setzen und zeigen, dass sie mit Experimenten gut übereinstimmten. Und das alles, ohne wirklich zu wissen, was ψ eigentlich ist…

Hier wo die Drachen wohnen geht’s dann demnächst weiter mit der zeitabhängigen SGL und der Bedeutung der Wellenfunktion – dazu muss ich aber noch ein bisschen abgrübeln, wie ich das am besten erkläre.


Gesamte Serie zur Schrödingergleichung:

Teil I: die Gleichung
Teil II: Warum die Energie quantisiert ist
Teil III: Jetzt wird’s komplex
Teil IV: Alles im Kasten
Teil V: Alles zu seiner Zeit
Teil VI: Alles unscharf?
Teil VII: Mit dem Kopf durch die Wand
Das Ende der Schrödingergleichung

Kommentare (96)

  1. #1 kommentarabo
    23. Oktober 2010

  2. #2 Manea-K
    25. Oktober 2010

    Kleine Korrektur: In “Da am Nullpunkt die Funktion Null ist, muss hier auch die Steigung Null sein,…” muss “Steigung” durch “Kruemmung” ersetzt werden.
    Insgesamt aber ein sehr schoener Artikel. Danke

  3. #3 MartinB
    25. Oktober 2010

    @Manea
    Danke für den Hinweis, wird korrigiert.

  4. #4 Jörg Friedrich
    27. Oktober 2010

    MartinB, ich finde Ihre Vorgehensweise etwas unklar, genauer gesagt, ich weiß nicht, was Sie letztendlich verständlich machen wollen. Meines Erachtens wäre es für das Verständnis dessen, was Schrödinger entwickelt hat, hilfreich, deutlich zu machen, dass Schrödinger ja ein vorliegendes Problem lösen wollte: Die Quantisierung der Energie. Eigentlich wollte er auch nicht erklären, warum Energie Quantisiert ist, sondern wie man diese Quantisierung aus einem Grundprinzip ableiten kann und wie so ein Grundprinzip aussehen könnte. Dazu hat er seine Gleichung nicht entdeckt, sondern aufgestellt, genauer gesagt, er hat vorhandene Beschreibungs-Möglichkeiten (für stehende Wellen) genutzt und die Bilder (Modelle) kreativ auf das Quantisierungsproblem angewandt.

    Das Geniale ist doch, in den quantisierten Energieniveaus eines Wasserstoffatoms die Analogie zur schwingenden Saite zu sehen und zu sagen: Ich versuche mal, das Problem der Quantisierung der Energie als Eigenwertproblem einer Wellengleichung zu sehen.

    Wenn man diesen Gedanken erst mal klar gemacht hat, dann ergibt sich der Rest doch ganz von selbst, oder?

  5. #5 Jörg Friedrich
    27. Oktober 2010

    MartinB, ich finde Ihre Vorgehensweise etwas unklar, genauer gesagt, ich weiß nicht, was Sie letztendlich verständlich machen wollen. Meines Erachtens wäre es für das Verständnis dessen, was Schrödinger entwickelt hat, hilfreich, deutlich zu machen, dass Schrödinger ja ein vorliegendes Problem lösen wollte: Die Quantisierung der Energie. Eigentlich wollte er auch nicht erklären, warum Energie Quantisiert ist, sondern wie man diese Quantisierung aus einem Grundprinzip ableiten kann und wie so ein Grundprinzip aussehen könnte. Dazu hat er seine Gleichung nicht entdeckt, sondern aufgestellt, genauer gesagt, er hat vorhandene Beschreibungs-Möglichkeiten (für stehende Wellen) genutzt und die Bilder (Modelle) kreativ auf das Quantisierungsproblem angewandt.

    Das Geniale ist doch, in den quantisierten Energieniveaus eines Wasserstoffatoms die Analogie zur schwingenden Saite zu sehen und zu sagen: Ich versuche mal, das Problem der Quantisierung der Energie als Eigenwertproblem einer Wellengleichung zu sehen.

    Wenn man diesen Gedanken erst mal klar gemacht hat, dann ergibt sich der Rest doch ganz von selbst, oder?

  6. #6 Jörg Friedrich
    27. Oktober 2010

    MartinB, ich finde Ihre Vorgehensweise etwas unklar, genauer gesagt, ich weiß nicht, was Sie letztendlich verständlich machen wollen. Meines Erachtens wäre es für das Verständnis dessen, was Schrödinger entwickelt hat, hilfreich, deutlich zu machen, dass Schrödinger ja ein vorliegendes Problem lösen wollte: Die Quantisierung der Energie. Eigentlich wollte er auch nicht erklären, warum Energie Quantisiert ist, sondern wie man diese Quantisierung aus einem Grundprinzip ableiten kann und wie so ein Grundprinzip aussehen könnte. Dazu hat er seine Gleichung nicht entdeckt, sondern aufgestellt, genauer gesagt, er hat vorhandene Beschreibungs-Möglichkeiten (für stehende Wellen) genutzt und die Bilder (Modelle) kreativ auf das Quantisierungsproblem angewandt.

    Das Geniale ist doch, in den quantisierten Energieniveaus eines Wasserstoffatoms die Analogie zur schwingenden Saite zu sehen und zu sagen: Ich versuche mal, das Problem der Quantisierung der Energie als Eigenwertproblem einer Wellengleichung zu sehen.

    Wenn man diesen Gedanken erst mal klar gemacht hat, dann ergibt sich der Rest doch ganz von selbst, oder?

  7. #7 MartinB
    27. Oktober 2010

    @JF
    Bin mir nicht sicher, ob ich Sie richtig verstehe, mein Interesse ist hier ja in keiner Weise historisch.

    Mir geht’s darum, denjenigen, die keine Physik studieren, aber dran interessiert sind, die SGL näherzubringen, so wie ich es auch mit den Maxwellgleichungen gemacht habe. Deswegen mache ich die Gleichung ja auch nicht großartig plausibel oder erkläre, wie die erste Quantisierung funktioniert, sondern schreibe sie hin, erkläre ihre Bestandteile und zeige, wie man sie im einfachen Fall lösen kann.

    Zudem finde ich es extrem spannend, sich klarzumachen, dass man die Quantisierung der Energie berechnen und so die Gleichung verifizieren kann, ohne dass man weiß, was ψ eigentlich beschreibt, das ist doch in der Physik eine ziemlich ungewöhnliche Situation.

    Nebenbei finde ich die grafische Konstruktion oben einfach interessant – die könnte man natürlich genauso auch für eine klassische Welle machen, ist ja dieselbe Gleichung.

  8. #8 Jörg Friedrich
    28. Oktober 2010

    Ich verstehe, dass Ihr Interesse nicht historisch ist, aber ich glaube, dass genau Ihr Ziel, nämlich den interessierten Laien die SGL näher zu bringen, sehr gut unterstützt werden würde, wenn man verständlich macht, aus welchem Problem heraus Schrödinger auf die Idee kam, eine solche Gleichung aufzustellen. Dann wird auch plausibel, warum die Gleichung einen Term enthalten kann,von dem man nur weiß, dass er von irgendwas eine Dichte-Verteilung beschreibt (dass man gar nicht weiß, was es ist, ist ja nicht ganz korrekt, denn dass es irgendeine “Dichte” ist, steckt schon in der Gleichung).

    Ich habe hier weder das Recht noch die Zeit, auszubreiten, wie ich mir die SGL nahe gebracht habe, aber ich möchte andeuten (und ich glaube, da liegt auch zum Teil Ihr eigenes Interesse) dass das Interessante doch folgendes ist:

    Schrödinger kannte die empirischen Befunde zur Quantisierung der Energie von Elektronen.

    Außerdem kannte er den mathematischen Apparat zur Beschreibung stehender Wellen (Saiten, Metallscheiben, Kugeln, wie hab ich das gehasst in der Analysis-Vorlesung)

    Das Geniale ist der Einfall, dass es hier eine Analogie gibt, dass man die quantisierte Energie als Ergebnis bekommen kann, wenn man die Wellengleichung einer stehenden Welle von irgendeiner merkwürdigen Dichte von irgendwas löst – und später drüber nachdenkt, wovon das eigentlich die Dichte ist.

    Wenn man dann noch bedenkt, dass durch diese Formulierung des Problems als Eigenwert-Problem die Chance gegeben war, das Ganze auch mit dem Matrizen-Kalkül zu beschreiben und die Wellenmechanik mit der Matrizen-Mechanik zu vereinbaren – dann wird einem so richtig klar, was für Genies in den 1920er Jahren durch unsere Straßen gelaufen sind.

  9. #9 Jörg Friedrich
    28. Oktober 2010

    Ich verstehe, dass Ihr Interesse nicht historisch ist, aber ich glaube, dass genau Ihr Ziel, nämlich den interessierten Laien die SGL näher zu bringen, sehr gut unterstützt werden würde, wenn man verständlich macht, aus welchem Problem heraus Schrödinger auf die Idee kam, eine solche Gleichung aufzustellen. Dann wird auch plausibel, warum die Gleichung einen Term enthalten kann,von dem man nur weiß, dass er von irgendwas eine Dichte-Verteilung beschreibt (dass man gar nicht weiß, was es ist, ist ja nicht ganz korrekt, denn dass es irgendeine “Dichte” ist, steckt schon in der Gleichung).

    Ich habe hier weder das Recht noch die Zeit, auszubreiten, wie ich mir die SGL nahe gebracht habe, aber ich möchte andeuten (und ich glaube, da liegt auch zum Teil Ihr eigenes Interesse) dass das Interessante doch folgendes ist:

    Schrödinger kannte die empirischen Befunde zur Quantisierung der Energie von Elektronen.

    Außerdem kannte er den mathematischen Apparat zur Beschreibung stehender Wellen (Saiten, Metallscheiben, Kugeln, wie hab ich das gehasst in der Analysis-Vorlesung)

    Das Geniale ist der Einfall, dass es hier eine Analogie gibt, dass man die quantisierte Energie als Ergebnis bekommen kann, wenn man die Wellengleichung einer stehenden Welle von irgendeiner merkwürdigen Dichte von irgendwas löst – und später drüber nachdenkt, wovon das eigentlich die Dichte ist.

    Wenn man dann noch bedenkt, dass durch diese Formulierung des Problems als Eigenwert-Problem die Chance gegeben war, das Ganze auch mit dem Matrizen-Kalkül zu beschreiben und die Wellenmechanik mit der Matrizen-Mechanik zu vereinbaren – dann wird einem so richtig klar, was für Genies in den 1920er Jahren durch unsere Straßen gelaufen sind.

  10. #10 Jörg Friedrich
    28. Oktober 2010

    Ich verstehe, dass Ihr Interesse nicht historisch ist, aber ich glaube, dass genau Ihr Ziel, nämlich den interessierten Laien die SGL näher zu bringen, sehr gut unterstützt werden würde, wenn man verständlich macht, aus welchem Problem heraus Schrödinger auf die Idee kam, eine solche Gleichung aufzustellen. Dann wird auch plausibel, warum die Gleichung einen Term enthalten kann,von dem man nur weiß, dass er von irgendwas eine Dichte-Verteilung beschreibt (dass man gar nicht weiß, was es ist, ist ja nicht ganz korrekt, denn dass es irgendeine “Dichte” ist, steckt schon in der Gleichung).

    Ich habe hier weder das Recht noch die Zeit, auszubreiten, wie ich mir die SGL nahe gebracht habe, aber ich möchte andeuten (und ich glaube, da liegt auch zum Teil Ihr eigenes Interesse) dass das Interessante doch folgendes ist:

    Schrödinger kannte die empirischen Befunde zur Quantisierung der Energie von Elektronen.

    Außerdem kannte er den mathematischen Apparat zur Beschreibung stehender Wellen (Saiten, Metallscheiben, Kugeln, wie hab ich das gehasst in der Analysis-Vorlesung)

    Das Geniale ist der Einfall, dass es hier eine Analogie gibt, dass man die quantisierte Energie als Ergebnis bekommen kann, wenn man die Wellengleichung einer stehenden Welle von irgendeiner merkwürdigen Dichte von irgendwas löst – und später drüber nachdenkt, wovon das eigentlich die Dichte ist.

    Wenn man dann noch bedenkt, dass durch diese Formulierung des Problems als Eigenwert-Problem die Chance gegeben war, das Ganze auch mit dem Matrizen-Kalkül zu beschreiben und die Wellenmechanik mit der Matrizen-Mechanik zu vereinbaren – dann wird einem so richtig klar, was für Genies in den 1920er Jahren durch unsere Straßen gelaufen sind.

  11. #11 Gerald
    28. Oktober 2010

    Hallo,

    ich wollte nochmal vielen Dank für diese interessanten und für mich als Nicht-Physiker halbwegsverständlichen Erklärungen sagen 🙂

    Ich sitze seit dem letzten Teil fiebernd vor dem Computer und frage mich, wann es wohl weitergeht…

    LG

    Gerald

  12. #12 MartinB
    28. Oktober 2010

    @JF
    Es führen ja immer viele Wege nach Rom – sicherlich kann man auch Ihren gehen und über die beobachtungen vorgehen und die Analogie zur seilwelle aufzeigen, das tun ja auch viele populärwissenschaftliche Bücher.
    Ich versuche halt mehr den Ansatz des Theoretikers: Gleichung quasi-axiomatisch hinschreiben und gucken, was passiert.

    “dass es irgendeine “Dichte” ist, steckt schon in der Gleichung”
    Wie das? Es könnte doch ein irgendwie geartetes Feld sein?

    @Gerald (und alle womöglich doch existierenden Ungeduldigen)
    Ich bin am Ball – leider muss ich im nächsten teil erstmal komplexe Zahlen erklären; das und der Versuch, ein paar schöne Animationen zur zeitabhängigen SGL zu stricken, hat mich mehr Zeit gekostet als erwartet. Der nächste Teil (allerdings dann hauptsächlich mathematisch) wird entweder heute abend noch fertig oder am Samstag.

  13. #13 H.M.Voynich
    29. Oktober 2010

    Genau wegen dem, was Jörg Friedrich sagte, finde ich diesen klassischen “Kasten”, bei dem ψ per Definition außerhalb null ist, etwas irreführend. Da kommt die Vorstellung von der Saite auf, die hinten und vorne festgemacht ist.
    Feynman hat mal (im dritten Band der Lectures, 16-6) schön gezeigt, wie die Quantelung daraus folgt, daß die Kurve außerhalb des Topfes konvex und innerhalb konkav sein muß.
    Die exponentiell nach rechts (und links) abnehmende Wellenfunktion hat man also immer.
    Ein ψ, das links bei null anfängt und rechts bei null endet, gibt es nicht.

  14. #14 H.M.Voynich
    29. Oktober 2010

    args: konkav, konvex … ich verwechsel das immer, sorry.

  15. #16 H.M.Voynich
    29. Oktober 2010

    (Wir wollen doch zeigen, wie eine kontinuierliche Funktion zu gequantelten Ergebnissen führen kann. Dein Bild, das die Wellenfunktion in einen Raum quetscht, verlangt bereits gequantelte Bedingungen.)

  16. #17 MartinB
    29. Oktober 2010

    @HM Voynich
    Das, was Feynman gezeigt hat, ist ja auch in meinem Post unten drin. (Ich hatte die Lectures nur noch vage im Kopf, als ich den Post schrieb, und habe – ungewöhnlich für mich – extra nicht reingeguckt, weil ich sehen wollte, ob und wie ich meine eigenen Erklärunge entwickeln kann.)

    Ich hätte auch mit einem Kasten mit endlich hohen Wänden anfangen können, aber dann ist die grafische Lösung nicht ganz so einfach, weil der Startwert nicht klar ist. (Feynman nutzt da implizit etwas mehr Mathematik als ich mich hier getraut habe.)
    Und als theoretischer Physiker hab ich auch keine Probleme mit einem unendlich hohen Potentialberg (zumal die Näherung ja wirklich in vielen Fällen ganz gut ist).

    Die Aussage
    “Dein Bild, das die Wellenfunktion in einen Raum quetscht, verlangt bereits gequantelte Bedingungen.”
    ist natürlich richtig, aber hier geht es mir ja darum zu zeigen, *wieso* daraus gequantelte Bedingungen folgen, das ist ja nicht selbstverständlich – eine andere Differentialgleichung würde ja nicht unbedingt zu gequantelten Lösungen führen und es ist ja nach der SGL auch nicht alles gequantelt (die Amplitude z.B. kann ja beliebige Werte annehmen).

    Ich denke, jeder erklärungsansatz hat seine Vor- und Nachteile, der von JF ist sicher auch interessant und ich hätte auch den feynman-Ansatz direkt übernehmen können. (Abschreiben hätte aber nicht so viel Spaß gemacht wie selber entwickeln.)

  17. #18 Stan
    27. Dezember 2010

    Hi, ich hab diesen seltsamen Potentialkasten auch vor kurzem in meiner Physikvorlesung gehabt. Was mich bei der Herleitung der Lösung gewundert hat, ist, dass die erste Ableitung hier nicht stetig ist, obwohl wir das sonst immer von den Wellenfunktionen verlangen. Liegt diese Unstetigkeit daran, dass wir es hier mit einem unendlichen Potential zu tun haben, was man in der Realität so nicht vorfindet? H.M. Voynich deutet das ja in seinem Kommentar an.

    Im Übrigen: Danke für die vielen tollen Artikel!

  18. #19 MartinB
    27. Dezember 2010

    @Stan
    Jupp, da dort das Potential unendlich ist, darf die Wellenfunktion nen Knick zur Null haben. Du kannst dir das als Grenzfall vorstellen, so wie HM Voynich das angedeutet hat: Du machst den Topf außen immer höher, dann fällt die Wellenfunktion immer schneller exponentiell ab – wenn der Topf unendlich hoch ist, dann ist die “Abfall-Länge” unendlich klein geworden.

  19. #20 Peter Enders
    20. Mai 2011

    Ich finde den Versuch sehr löblich, die Theorie Schrödingers anschaulich darzustellen. Leider kommen Schrödingers eigene Vorstellungen zu kurz bzw. wird sogar diesen widersprochen.
    1) Dass die Energie quantisiert wird, hat Schrödinger ad-hoc in die Ableitung seiner Gleichung hineingesteckt und geschrieben, dass man dies noch begründen müsse. Die Schrödinger-Gleichung selbst ist also keine Begründung für die Energie-Quantisierung.
    2) Außerdem schreibt er 1926, dass er zwar die klassische Eigenwerttheorie benutze (wie für Saiten und Orgelpfeifen), doch man eigentlich eine andere Mathematik entwickeln müsse, eine, die der Quantennatur Rechnung trägt. Denn die klassische Eigenwerttheorie (die er in seinen 4 Mitteilungen 1926 anwendet) gehört zur klassischen Diskretisierung der Wellenlänge, nicht zur nichtklassischen Quantisierung der Energie. Eine solche Mathematik gab es bereits (die Whittackerschen Rekursionsformeln, die Beziehungen zwischen den Lösungen zu verschiedenen Energien herstellen, ohne die Lösungen selbst zu berechnen), doch war sie Schrödinger offenbar nicht bekannt.
    Das kann man sicher noch ändern 🙂
    Beste Wünsche,
    Peter

  20. #21 MartinB
    20. Mai 2011

    @Peter
    Ich bin mir nicht sicher, dass ich das richtig verstehe – hier geht es ja nicht um die historische Entwicklung, sondern um die heutige aktuelle Physik. Und da wird doch die SGL letztlich so gelöst, wie ich es hier skizziere, und daraus die Quantisierung abgeleitet. (Macht z.B. Feynman in den Lectures auch so.)

    Dass Schrödinger die “echte” Quantisieurng nicht in seinen Arbeiten drinhatte, liegt doch sicher vor allem daran, dass zu der Zeit die Wahrscheinlichkeitsinterpretation noch nicht klar war, so dass nicht verstanden war, was die Amplitude der Wellefunktion eigentlich ist, oder irre ich micht?

    Vielleicht habe ich die Kritik aber auch missverstanden?

  21. #22 UweH
    26. Mai 2011

    Danke für diese Erläuterung (bin absoluter Laie).

    Ich bin auf diese Seite gestossen, weil ich gestern (25.05.) eine Doku zu den Monsterwellen gesehen habe, in der eine Erklärung dafür mit der SGL versucht wurde zu erklären.

    Jetzt habe ich, auch durch die Animationen, zumindestens eine Ahnung, wenn auch weit entfernt von wirklichem Verständnis.

    MfG

    Uwe

  22. #23 Friedrich Philipp
    18. Juli 2011

    Hallo MartinB,

    ich habe den ersten Artikel gelesen und den zweiten nur bis zum Setzen des zweiten Datenpunktes, denn er ist für mich (promovierter Mathematiker) absolut unverständlich.

    >> Wir lösen sie jetzt für einen der einfachsten Fälle:
    >> Ein Teilchen in einem Kasten.

    Können Sie vielleicht nachvollziehen, dass Sie hiermit jeden, der nicht genau weiß, was genau gemeint ist, total durcheinander bringen? Erst geht es um ein Teilchen auf der Achse (1. Artikel) und dann um ein Teilchen in einem Kasten. Was denn nun? Ein Kasten ist 2- (oder auch 3-)dimensional, die Achse ist 1-dimensional. Nicht nur an dieser Stelle setzen Sie voraus, dass der Leser zum Teil schon weiß, wovon Sie reden. Das geht einfach nicht, wenn man etwas erklären will. Und erst recht nicht für Nicht-Physiker. Schon im ersten Artikel steht etwas davon, dass man Energie benötigt, um das Elektron in Bereiche negativer Ladungen zu buchsieren. Andererseits schreiben Sie gleich darauf, dass die beschriebene Energie des Potentials möglichst gering sein muss, um das Teilchen in diese Bereiche zu bekommen. Das widerspricht sich doch.

    Weiter unten im Artikel schreiben Sie:

    >> Und jetzt ziehen wir unsere Schrödingergleichung
    >> zu Rate. Im Inneren des Kastens (nur da gucken wir
    >> im Moment) ist ja V(x)=0

    Hier tun sie so (das sagt das “ja” aus), als ob das bereits klar wäre. Leider geht dies aus Ihren Ausführungen mitnichten hervor, da Sie das Potential bis dahin in keinster Weise erwähnt haben… Ah, ich sehe gerade, dass das zumindest doch indirekt der Fall ist. Sie erwähnen, dass die potentielle Energie im Kasten Null ist. Die Verbindung zwischen V und der potentiellen Energie muss man als Nicht-Physiker aber erstmal ziehen. Vielleicht verstehen Sie an diesem Beispiel am besten was ich meine.

    Ich (gerade als Mathematiker) habe kein Problem mit dem Verständnis der Formeln. Ich hätte nur gern ein wenig mehr über die Physik dahinter erfahren. Leider habe ich bisher noch nichts Verständliches darüber lesen können und bin leider auch hier gescheitert. Schade.

    Ich möchte mich anderen Kommentatoren anschließen, die geschrieben haben, dass sie es für durchaus löblich empfinden, dass Sie hier eine schwer verständliche Sache auf einfache Art und Weise erklären wollen. Nur leider ist Ihnen – meiner Meinung nach – die Ausführung nicht besonders gut geglückt. Nichts für ungut.

  23. #24 MartinB
    18. Juli 2011

    @Friedrich
    Man kann diesen Teil nicht so leicht verstehen, ohne den ersten gelesen zu haben. Da steht ausführlich, dass V das Potential ist, dass wir uns immer in einer Dimension befinden usw.

  24. #25 Friedrich Philipp
    18. Juli 2011

    Hallo MartinB,

    haben Sie meinen Text ueberhaupt sorgfaeltig gelesen? Mir scheint nicht.

    >> Man kann diesen Teil nicht so leicht verstehen, ohne den ersten gelesen zu haben.
    >> Da steht ausführlich, dass V das Potential ist, dass wir uns immer in einer Dimension
    >> befinden usw

    Ich habe doch den ersten Teil gelesen. Das schreibe ich in meinem Kommentar auch. Dass das Potential mit V bezeichnet wird, war mir daher klar. Und dass wir uns in einer Dimension befinden, eigentlich auch. Nur fangen Sie im zweiten Beitrag von einem Kasten an. Und ein Kasten ist nunmal nicht eindimensional. Das ist schlicht verwirrend. Es stellen sich zudem Fragen wie:

    – wie haengt der Kasten mit dem Potential zusammen?
    – was ist hier denn jetzt das Potential? V(x) = ???
    – warum wird es nicht explizit erwaehnt?
    – was bedeutet das ganze physikalisch?

    Lesen Sie meinen Beitrag einfach nochmal etwas genauer durch. Dann haben Sie eine groessere Chance darauf, mein Verstaendnis-Dilemma nachzuvollziehen.

  25. #26 rolak
    18. Juli 2011

    Hi Friedrich Philipp, Deine 4 Fragen wurden oben im Text schon vor ihrem Gestelltwerden beantwortet.

    Der Kasten erstreckt sich auf unserer x-Achse, sagen wir von x=0 bis hin zu x=L; also ist L die Kastenlänge. Da das Elektron aus dem Kasten nicht heraus kann, ist seine potentielle Energie außerhalb des Kastens unendlich hoch – dann ist es zuverlässig eingesperrt. Im Inneren des Kastens merkt das Elektron vom Kasten nichts, seine potentielle Energie ist also Null.

    In einem hast Du recht: Genaues Durchlesen erhöht wirklich die Chance auf Verständnis.

  26. #27 MartinB
    18. Juli 2011

    @Friedrich
    Nein, ich kann das Dilemma irgendwie nicht nachvollziehen.

    Da steht doch wörtlich
    “Wir bleiben noch in einer Dimension, damit das Leben einfacher ist. Jetzt stellen wir uns vor, dass wir unser Elektron in einen Kasten einsperren.”
    Damit sollte doch eigentlich klar sein, dass der Kasten ein eindimensionaler Kasten ist.

    Und wenn du den 1. teil gelesen hast, warum dann der Satz
    “Die Verbindung zwischen V und der potentiellen Energie muss man als Nicht-Physiker aber erstmal ziehen.”
    Im 1. Teil wird doch genau das erklärt.

    “was ist hier denn jetzt das Potential? V(x) = ???”
    Außerhalb unendlich, innerhalb Null. Ist das wirklich aus dem Text (siehe Zitat von rolak) nicht zu entnehmen?

  27. #28 Peter
    19. Juli 2011

    Hallo Martin,

    es geht nicht um die Geschichte, sondern um das physikalische Verständnis der Schrödinger-Gleichung. Und hier stimme ich Friedrich zu, dass die graphischen Konstruktionen wenig Physik enthalten.

    Wie gesagt, diese grafischen Methoden können genauso gut für die Schwingungen von Saiten und Balken eingesetzt werden. Dort ist die Energie jedoch kontinuierlich. Mithin hat diese Methode mit der Quantenphysik nichts zu tun.

    Jedes abgeschlossene System besitzt (mindestens) einen Zustand geringster Energie, andernfalls wäre es ein Perpetuum Mobile. Mit dieser Forderung beginnt Helmholtz (1847) seine Ausführungen zur Energieerhaltung. Das hat mit Quantenphysik ebenfalls nichts zu tun, ist aber entscheidend, um die physikalisch relevanten Lösungen der stationären Schrödinger-Gleichung auf nicht-klassische Weise zu bestimmen, wie ich gleich andeuten werde.

    1907 (ca.) hat der berühmte Mathematiker, Physiker und Physik-Historiker Edmund Whittaker herausgefunden, dass man die Lösungen von Differentialgleichungen von der Art der Schrödinger-Gleichung durch gewisse Integrale ausdrücken kann. Aus diesen Formeln folgt, dass es zwischen den Lösungen zu verschiedenen Energien mehr oder weniger einfache Zusammenhänge gibt. Diese Zusammenhänge zwischen den verschiedenen stationären Zuständen eines Quantensystems spielen bei der klassischen Lösungsmethode keine Rolle und werden deshalb i.d.R. übersehen.

    Nehmen wir also an, die Funktionen psi1, psi2 und psi3 mit den Energien E1 kleiner E2 kleiner E3 verbindet eine solche Beziehung. Mit ihr kann man ps1 aus psi2 und psi3 berechnen. Im allgemeinen kann man dann psi0 aus psi1 und psi2 berechnen, mit E0 kleiner E1. Wenn wir Perpetua Mobile ausschließen, muss diese Kette bei einem gewissen Energiewert abbrechen, wenn sie physikalisch relevant sein soll. Alle Ketten, die nicht abbrechen (es gibt unendlich viele Ketten, da E ja zunächst ein kontinuierlicher Parameter in der Schrödinger-Gleichung ist), sind unphysikalisch und scheiden als Lösung aus.

    Abschließend möchte ich bemerken, dass die Schrödinger-Gleichung selbst, insbesondere die Verwendung der klassischen Ausdrücke für die potenzielle und kinetische Energie, gerechtfertigt werden muss (ebenfalls eine Forderung in Schrödinger, “Quantisierung als Eigenwertproblem”, 1926).

    Was also ist ein Quantensystem, weshalb braucht es überhaupt nicht-klassische Gleichungen wie die Schrödinger-Gleichung? Auf diese Frage gibt es eine axiomatische Antwort, d.h. eine Antwort, die sich aus der Klassischen Mechanik heraus entwickeln lässt. Vielleicht hat Friedrich auf solch eine Fragestellung gehofft?

    Beste Wünsche,
    Peter

  28. #29 MartinB
    19. Juli 2011

    @peter
    Diesen Teil hier
    “Nehmen wir also an, die Funktionen psi1, psi2 und psi3 mit den Energien E1 kleiner E2 kleiner E3 verbindet eine solche Beziehung. Mit ihr kann man ps1 aus psi2 und psi3 berechnen. Im allgemeinen kann man dann psi0 aus psi1 und psi2 berechnen, mit E0 kleiner E1.”
    Habe ich gar nicht verstanden. Wie könnte ich aus Kenntnis der 2. und 3. angeregten WF die erste berechnen, ohne die Gleichung zu lösen?

    “Was also ist ein Quantensystem, weshalb braucht es überhaupt nicht-klassische Gleichungen wie die Schrödinger-Gleichung? Auf diese Frage gibt es eine axiomatische Antwort, d.h. eine Antwort, die sich aus der Klassischen Mechanik heraus entwickeln lässt.”
    Das verstehe ich vermutlich falsch – wie soll man die SGL bzw. ihre Notwendigkeit aus der klassischen Mechanik ableiten können?

  29. #30 Peter
    19. Juli 2011

    Hallo Martin,

    vielleicht habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Konkret berechnen kann ich psi1 aus psi2 und psi3 natürlich nur, wenn ich psi2 und psi3 kenne. Wichtig ist hier nur die prinzipielle Möglichkeit. Die Beziehung zwischen psi1, psi2 und psi3 kann ich dagegen aus den Whittakerschen Integralformeln ableiten, ohne die Schrödinger-Gleichung zu lösen. In einfachen Fällen wie dem linearen harmonischen Quantenoszillator kann man auf diese Weise die Lösung der Schrödinger-Gleichung ganz umgehen.

    Zu der 2. Frage: In Leonhard Eulers axiomatischen Darstellung der Klassischen Mechanik wird, vereinfacht gesagt, nur das 1. Newtonsche Axiom postuliert, während das 3. Axiom und die Newtonsche Bewegungsgleichung aus den allgemeinen Eigenschaften der mechanischen Körper abgeleitet werden. Das erlaubt die Fragestellung (vereinfacht), wie ein Oszillator zu beschreiben sei, der Lagen einnehmen kann, die jenseits der klassischen Umkehrpunkte liegt. Denn der mechanische Energiesatz in der allgemeinen Form
    Gesamtenergie = Bewegungsenergie + Lageenergie = const
    setzt nicht voraus, dass
    Gesamtenergie größer Lageenergie.
    Wenn – wie im 2. Axiom – die Bewegung als Bahnbewegung postuliert wird, ist die Bewegungsenergie immer positiv und solche Lagen sind ausgeschlossen. Doch – wie gesagt – man muss das 2. Axiom nicht postulieren.

    Beste Wünsche,
    Peter

  30. #31 Freidrich Philipp
    19. Juli 2011

    >> Da steht doch wörtlich
    >> “Wir bleiben noch in einer Dimension, damit das Leben einfacher ist.
    >> Jetzt stellen wir uns vor, dass wir unser Elektron in einen Kasten einsperren.”
    >> Damit sollte doch eigentlich klar sein, dass der Kasten ein
    >> eindimensionaler Kasten ist.

    Nein, leider nicht. Man assoziiert mit einem “Kasten” nichts Eindimensionales. Das ist hier das Problem. Zusätzlich verwirrt einen die Skizze des Kastens, die einem die 2- oder 3-dimensionale Assoziation zu bestätigen scheint.

    >> Und wenn du den 1. teil gelesen hast, warum dann der Satz
    >> “Die Verbindung zwischen V und der potentiellen Energie muss man als Nicht-
    >> Physiker aber erstmal ziehen.” Im 1. Teil wird doch genau das erklärt.

    Naja, “erlärt” wäre mir ein wenig zu dick aufgetragen. Es steht zwischen den Zeilen:

    >> Man kann die Gleichung auch in Worten umschreiben:
    >> Krümmung der Wellenfunktion + potentielle Energie mal Wellenfunktion =
    >> Gesamtenergie mal Wellenfunktion.

    Allgemein: Auch wenn Du meinst, dass eigentlich alle Informationen da sind, sind doch viele entweder versteckt oder missverständlich formuliert. Man muss den Text sehr genau (und daher mehrmals) lesen, um zu verstehen. Zudem sind Ausdrücke wie “Kasten” irreführend. Zudem kann eine Funktion im herkömmlichen Sinne nicht den Wert Unendlich annehmen, was auch nicht weiter erläutert wird.

    Meine Vorstellung: Der erste Artikel ist ok, bis auf dass man die physikalische Interpretation von V noch deutlicher machen könnte. Im zweiten Artikel gleich die Verbindung zum ersten ziehen, indem man V direkt angibt (also insbesondere erwähnt) und die physikalische Bedeutung herausstellt.

  31. #32 MartinB
    19. Juli 2011

    @peter
    Hast du mal nen Tipp, wo ich die Whittakersche Integralformel finde? Kenne ich glaube ich nicht.

    Zum 2. Teil – verstehe ich das richtig, dass du einfach die klassischen Formeln anwendest in Bereichen mit negativer Energie? Ich verstehe nicht so richtig, wie das eine axiomatische Herleitung der SGL oder irgendwelcher Quantenideen liefern kann. Vielleicht bin ich heute auch einfach nur doof.

    @Friedrich
    “Man assoziiert mit einem “Kasten” nichts Eindimensionales. ”
    Ich sage ja immer in meinen Workshops, man möge Feedback als “Ich”-Botschaft formulieren… 🙂
    Also – trotz der Tatsache, dass ich im Satz davor geschrieben habe, dass wir in einer Dimension bleiben, hast du mit “Kasten” etwas dreidimensionales assoziiert. Ich habe mal einen weiteren erklärenden Satz eingebaut, ich hoffe, jetzt ist das klarer.

    “Naja, “erlärt” wäre mir ein wenig zu dick aufgetragen. Es steht zwischen den Zeilen:”
    Nö, es steht ganz explizit im 1. Teil:

    “Diese Energie nennt man das “Potential”. Je niedriger sie ist, desto “lieber” hält sich das Elektron in diesem Bereich auf. (Ja, ich weiß, Elektronen lieben nichts und wollen nichts und so weiter…) Wir bezeichnen das Potential mit V(x), ein Elektron am Ort x hat also die elektrostatische Energie V(x).”

    “Zudem kann eine Funktion im herkömmlichen Sinne nicht den Wert Unendlich annehmen, was auch nicht weiter erläutert wird.”
    Ganz ehrlich, wer mathematisch so weit ist, dass er darüber nachdenkt, der braucht einen Artikel wie diesen eigentlich nicht, oder? 😉

    Dass man den Text mehrfach lesen muss, ist sicher richtig – eine Erklärung zu schreiben, die man in einem Rutsch durchlesen kann, ohne dass man nochmal zurückblättern muss, übersteigt zumindest meine schreiberischen Fähigkeiten.

  32. #33 Victor
    12. Mai 2012

    Servus! Super-hilfreiche Reihe, vor allem jetzt fürs Abi. Danke!

    Eine Frage hätte ich dazu:

    Wenn man jetzt die Formel
    En=h2 n2 / (8 m L2)
    nimmt, wie kommt man davon auf
    En = Rh h c (1 – 1/n2)
    ?

    Denn daraus lassen sich ja auch die Energieniveaus ablesen, ich verpeile hier jedoch die Herleitung aus der Schrödingergleichung, oder ist das mit Rhydberg ein ganz anderer Ansatz?

    Und: hier lässt sich durch den Limes ja im Endeffekt sehr schön die Ionisierungsenergie ablesen, ist das bei der oberen Variante aus der Schrödingergleichung auch irgendwie möglich?

    Liebe Grüße
    Victor

  33. #34 MartinB
    12. Mai 2012

    @Victor
    Ist Deine zweite Formel die für’s Wasserstoffatom? Das hat ja mit nem Kastenpotential nichts zu tun, ein Wasserstoffatom hat ja ein Coulomb-Potential. Eine Ionisierungsenergie gibt es im kastenpotential nicht, weil man das Elektron aus einem Kasten mit unendlich hohen Wänden nicht rausbekommt.

  34. #35 Niels
    12. Mai 2012

    @MartinB
    Das ist wohl eine Formel für die Energien der Lyman-Serie.
    Wobei dort aber (1 – 1/(n2)^2) stehen muss.

    @Victor

    Denn daraus lassen sich ja auch die Energieniveaus ablesen, ich verpeile hier jedoch die Herleitung aus der Schrödingergleichung, oder ist das mit Rhydberg ein ganz anderer Ansatz?

    In der Schule wird man die Rhydberg-Formel mit großer Sicherheit nicht aus der Schrödingergleichung ableiten sondern aus dem Bohrschen Atommodell, bei dem die Schrödingergleichung überhaupt keine Rolle spielt. (Sie wurde ja auch erst Jahre später als dieses Modell aufgestellt.)
    So eine Herleitung findest du zum Beispiel bei der Wikipedia:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Bohrsches_Atommodell#Mathematische_Formulierung

    Eine Herleitung aus der Schrödingergleichung geht natürlich auch, ist aber ne ganze Stufe komplizierter und kein eigentlich kein Abi-Stoff sein.
    Wie man dabei ganz genau vorgeht war ein Thema in meiner mündlichen Diplom-Prüfung in theoretischer Physik, nur mal als Anhaltspunkt.
    Auch dazu gibts einen kurzen Überblick in der Wiki, der wird dir aber vermutlich nicht besonders viel bringen:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Wasserstoffatom#L.C3.B6sung_der_Schr.C3.B6dinger-Gleichung_.28Wasserstoffproblem.29

  35. #36 Niels
    12. Mai 2012

    kein eigentlich kein Abi-Stoff sein -> kann eigentlich kein Abi-Stoff sein

    Sorry.

  36. #37 Victor
    13. Mai 2012

    @MartinB:
    Ist das Kastenpotential also eine allgemeine Vereinfachung (zeitunabhängig/eindimensional) für ein Elektron zwischen Potentialwällen, hat aber nichts mit dem H-Atom zu tun?

    @Niels:
    Ah na gut da bin ich beruhigt. Mein Diplom möchte ich nächste Woche noch nicht machen 😉 Die Herleitung aus der Schrödingergleichung ist wirklich noch ein wenig zu komplex.

    Die Formel ist auch in der Tat für die Energien der Lyman-Serie, alle anderen Serien lassen sich daraus aber auch errechnen wenn man die jeweiligen Energieniveaus davor abzieht – also wie es in der Wikipedia steht. Danke auch für die Korrektur mit dem Quadrat.

  37. #38 Peter
    13. Mai 2012

    @Martin
    Whittaker & Watson, A Course of Modern Analysis, 4. Aufl. 1927 (ich habe den Paperback-Nachdruck 2002)
    Die klassischen Formeln werden geeignet verallgemeinert.
    Ein linearer Oszillator, der Konfigurationen x einnehmen kann, in denen V(x) > E ist, bewegt sich nicht entlang Bahnen x(t). Denn für die Bahnbewegung gelten in den Gebieten {x|V(x)< =E} (Newtonsche Mechanik) und {x|V(x)>=E} (klassische, nicht-newtonsche Mechanik) unterschiedliche Gleichungen. – Wie die Modifikation im Einzelnen vor sich geht, findest Du in meinem Buch “Von der klassischen Physik zur Quantenphysik” (Springer 2006).
    Beste Wünsche,
    Peter

  38. #39 Peter
    13. Mai 2012

    Nachtrag:
    Die Rekursionsformeln bedeuten für den harmonischen Oszillator, dass *jede* mathematische Lösung mit abzählbar unendlich vielen anderen Lösungen zusammenhängt (der Unterschied im normierten Energieparameter ist jeweils gleich eins). Diese intrinsische diskrete Natur ist der Schrödingergleichung eigen und *unabhängig* von den Randbedingungen. Von diesen Klassen von Lösungen gibt es genau eine, in denen der Energieparameter nach unten beschränkt ist, in der es einen Grundzustand gibt, kein perpetuum mobile. Das sind die physikalisch relevanten Lösungen.

  39. #40 MartinB
    13. Mai 2012

    @Victor
    “Ist das Kastenpotential also eine allgemeine Vereinfachung (zeitunabhängig/eindimensional) für ein Elektron zwischen Potentialwällen, hat aber nichts mit dem H-Atom zu tun?”
    So ist es. Man kann mit dem Kastenpotential beispielsweise näherungsweise Farbstoffmoleküle berechnen, die sind länglich (also quasi eindimensional) und die Elektronen (jedenfalls die aus den Doppelbindungen) verteilen sich über das ganze Molekül.
    Man nimmt Kastenpotentiale auch gern für Metalle, weil da die äußeren Elektronen ja quasi frei über das Metall beweglich sind.
    Beim H-Atom habe ich ein rotationssymmetrisches Potential, das zum Zentrum hin immer stärker wird, da sehen die Lösungen dann ganz anders aus (und das sind die, die du oben meintest).

    @Peter
    Äh, danke, worauf genau bezieht sich dein Kommentar?

  40. #41 Victor
    13. Mai 2012

    @MartinB:

    Endlich habe ich den Unterschied genau verstanden. Vielen Dank! Interessanter Blog btw, schon viel drin rumgelesen 🙂

  41. #42 Peter
    13. Mai 2012

    @MartinB:
    – Buch: auf Deine Frage nach den Rekursionsformeln von Whittaker;
    – Verallgemeinerung: auf Deine Frage, ob die klassischen Formeln weiterverwendet werden (nein, werden sie nicht – allerdings geschieht die Verallgemeinerung so, dass Schrödingers Forderung, die Verwendung der klassischen Ausdrücke für potenzielle und kinetische Energie müsse begründet werden, erfüllt wird);
    – Nachtrag: auf den Titel “Warum die Energie quantisiert ist”.
    Schrödingers Weg war so bestechend, dass Pauli seine Lösung des Wasserstoffproblems mittels Matrixmechanik gar nicht mehr veröffentlichte. Leider wurden seine tiefgehenden Zweifel an diesem (seinem eigenen!) Weg nicht ernstgenommen und vergessen…

  42. #43 MartinB
    13. Mai 2012

    O.k., nach einem Jahr hatte ich die Diskussion gar nicht mehr im Kopf.
    Wo hier nun genau das Problem steckt, ist mir aber noch nicht (nicht mehr?) klar.

  43. #44 Peter
    13. Mai 2012

    Das Problem besteht darin, dass nur Schrödingers Lösungsmethode und Titel “Quantisierung als Eigenwertproblem” übernommen, Schrödingers Kritik (2. Mitteilung, S.513) jedoch ignoriert wurde. Eigenwertprobleme gehören zur klassischen Diskretisierung der Wellenlänge, nicht jedoch zur nichtklassischen Quantisierung der Energie.
    Nach Einstein (1907) ist die Anzahl der [gebundenen] stationären Zustände bei einem Quantensystem geringer als bei seinem klassischen Pendant. Fragt man danach, wodurch sie ausgewählt werden, stellt sich Quantisierung als Auswahlproblem dar.
    Auch Deine grafische Lösungsmethode kann als Auswahlproblem verstanden werden: aus einer gewissen Kurvenschar werden diejenigen Kurven ausgewählt, die durch zwei vorgegebene Punkte verlaufen.

  44. #45 rolak
    13. Mai 2012

    <OT>
    Was bringt Libri als Vorschlag bei einer Suche nach “Peter Enders”?

    Phillip A. Ross: Peter’s Vision of the End

    m(
    </OT>

  45. #46 MartinB
    13. Mai 2012

    @Peter
    Ich verstehe die Kritik nach wie vor nicht, kannst du die vielleicht ohne Rückgriff auf Schrödinger-Arbeiten formulieren, die ich nicht im Detail gelesen habe?

  46. #47 Peter
    13. Mai 2012

    Ohne Bezug auf Schrödinger:
    Das Problem besteht darin, dass Eigenwertprobleme zur klassischen Diskretisierung der Wellenlänge gehören (Saiten, Orgelpfeifen – die Energie bleibt kontinuierlich), nicht jedoch zur nichtklassischen Quantisierung der Energie.
    Nach Einstein (1907) ist die Anzahl der [gebundenen] stationären Zustände bei einem Quantensystem geringer als bei seinem klassischen Pendant. Fragt man danach, wodurch sie ausgewählt werden, stellt sich Quantisierung als Auswahlproblem dar.
    Auch Deine grafische Lösungsmethode kann als Auswahlproblem verstanden werden: aus einer gewissen Kurvenschar werden diejenigen Kurven ausgewählt, die durch zwei vorgegebene Punkte verlaufen.

  47. #48 Peter
    13. Mai 2012

    PS: Schrödingers Originalarbeiten von 1926 sind als “Abhandlungen zur Wellenmechanik” erschienen (Leipzig: Barth 1927 (!!))

  48. #49 Peter
    13. Mai 2012

    PS2: s. auch meinen neuen Kommentar zu Teil I

  49. #50 MartinB
    13. Mai 2012

    @Peter
    Sorry, ich raff’s immer noch nicht.
    Natürlich hat man auch bei einer schwingenden Saite diskrete Wellenlängen, aber die Konstruktion mit der diskreten Energie (die ja hier als Vorfaktor bei der Krümmung steht wie oben erläutert) gibt es klassisch nicht. Klassisch ist die Energie proportional zum Quadrat der Amplitude und beliebige Werte sind möglich.
    Quantenmechanisch haben wir ein Eigenwertproblem für die Energie, und es sind eben nicht beliebige Werte möglich. Die Konstruktion oben hat insofern kein klassisches Äquivalent.

  50. #51 Peter
    13. Mai 2012

    “Quantenmechanisch haben wir ein Eigenwertproblem für die Energie, und es sind eben nicht beliebige Werte möglich.”
    Letzteres ist richtig, ersteres mathematisch ja – physikalisch nein: worin bestünde sonst der qualitative Unterschied zur Klassischen Mechanik?

    “Die Konstruktion oben hat insofern kein klassisches Äquivalent.” Hat es: sie kann ebenso auf die Konstruktion der klassischen stehenden Wellen (Resonanz) einer Saite angewandt werden.

  51. #52 MartinB
    14. Mai 2012

    @Peter
    “sie kann ebenso auf die Konstruktion der klassischen stehenden Wellen (Resonanz) einer Saite angewandt werden.”
    Da kommt aber, wie gesagt, eben keine Energiequantisierung heraus.

    Klassisch und quantenmechanisch habe ich eine Differentialgleichung mit zweiter Ortsableitung, soweit die Gemeinsamkeit. Quantenmechanisch habe ich aber zusätzlich die Forderung, dass die Funktion eine Eigenfunktion zum DGL-Operator sein muss, diese Forderung existiert klassisch nicht.

  52. #53 Peter
    14. Mai 2012

    @MartinB
    Du schreibst
    “Quantenmechanisch habe ich aber zusätzlich die Forderung, dass die Funktion eine Eigenfunktion zum DGL-Operator sein muss, diese Forderung existiert klassisch nicht.”
    Das ist leider nicht richtig. Bei einer harmonischen Eigenschwingung wird die lineare Wellengleichung per Separation der Zeitvariablen zur Helmholtzschen Schwingungsgleichung, und die ist zur stationären Schrödinger-Gleichung isomorph.

  53. #54 MartinB
    15. Mai 2012

    @Peter
    Ah, jetzt habe ich nochmal nachgedacht und das Problem verstanden.
    Sowohl klassisch als auch quantenmechanisch haben wir eine Eigenwertgleichung (SGL bzw. Helmholtz). In der klassischen Gleichung legt die Eigenwertgleichung die Wellenlänge und damit die Frequenz fest, die Amplitude und damit die Energie ist aber beliebig. In der QM liegt aber zusätzlich mit der Frequenz auch die Energie fest (was eben implizit in der SGL drinsteckt), weil in der QM die Amplitude nichts mit der Energie zu tun hat.
    Insofern hast du recht, die Konstruktion ist klassisch dieselbe (und ich könnte die Helmholtzgleichung genauso graphisch lösen), nur dass die Objekte eine andere bedeutung haben.

  54. #55 Peter
    15. Mai 2012

    @MartinB
    Fein!
    Damit sind wir wieder bei Schrödingers trefflicher Selbstkritik. Er benutzte die Helmholtzgleichung und ersetzte nu durch E/h und schrieb dazu, dass diese Ersetzung gerechtfertigt werden müsse.
    Diese Ersetzung ist nur dadurch zu rechtfertigen, dass etwas Vernünftiges herauskommt. Das ist für eine Pionierarbeit in Ordnung, nicht jedoch als Dauerzustand. Ein Weg zur Schrödingergleichung, der alle Forderungen von Schrödinger erfüllt, wird in meinem Buch beschrieben (Springer 2006).

  55. #56 MartinB
    15. Mai 2012

    “Das ist für eine Pionierarbeit in Ordnung, nicht jedoch als Dauerzustand.”
    Doch. In der Physik ist es doch vollkommen wumpe, wo unsere Axiome herkommen, hauptsache, sie machen korrekte Vorhersagen. deswegen ja auch oben das Feynman-Zitat. Irgendwelche Annahmen muss man immer machen, es sei denn, man zählt zu denen, die glauben, die ganze Welt wäre logisch zwingend.

  56. #57 Peter
    15. Mai 2012

    @Friedrich:
    Du hast recht, der Kasten ist (mindestens) zweidimensional, eindimensional ist die Bewegung des Elektrons.

  57. #58 Peter
    15. Mai 2012

    @MartinB
    Es ist durchaus nicht egal, welche Axiome man benutzt. Benutzt man z.B. die Newtonschen Axiome, die Maxwellschen Gleichungen und das Interferenzprinzip, verbaut man sich den Weg zur Einheit der Physik.

  58. #59 Peter
    15. Mai 2012

    NB: Friedrich hat die Reihenfolge verwechselt: die Matrixmechanik war zuerst da, und von ihr war Schrödinger abgeschreckt

  59. #60 Niels
    15. Mai 2012

    @Peter
    Welche Axiome der QM ersetzt du denn wodurch?
    Ich bin Physiker, du kannst das also ohne viel Vorrede ziemlich knapp runterscheiben.

  60. #61 MartinB
    15. Mai 2012

    @Peter
    “Benutzt man z.B. die Newtonschen Axiome, die Maxwellschen Gleichungen und das Interferenzprinzip, verbaut man sich den Weg zur Einheit der Physik.”
    Das liegt aber nur daran, dass die eben mit der Realität nicht übereinstimmen. So ist das mit Axiomen in der Physik, die gelten nur, bis jemand anders bessere findet. Und ansonsten führen immer viele Wege nach Rom, formuliere ich die Newtonschen Axiome über ein Lagrange-prinzip, ist der Weg zur QM besonders einfach.

  61. #62 Peter
    15. Mai 2012

    @Niels
    Ich ersetze keine Axiome der QM, sondern vermeide sie. Ich verfolge das Hertzsche Programm zur Einheit der Physik: die Klassische Mechanik (KM) so darzustellen, dass die anderen Disziplinen aus ihr abgeleitet werden können. Die Newtonsche bzw. Hamilton-Jacobische Formulierung der KM eignet sich hierfür nicht, wie zuerst wohl Bohr (1913) und Heisenberg (1925) bzw. Schrödinger (1926) festgestellt haben. Dagegen eignet sich die Eulersche Darstellung, die leider erst 1856 veröffentlicht wurde und nach wie vor weithin unbekannt ist (Anleitung zur Naturlehre).
    Ergebnisse von Dieter Suisky und mir gibt es bisher zur Speziellen Relativitätstheorie, Quantenmechanik und Klassischen Elektrodynamik, bei Interesseschreibe ich mehr Details auf bzw. sende Dateien.

  62. #63 Peter
    15. Mai 2012

    @MartinB
    “formuliere ich die Newtonschen Axiome über ein Lagrange-prinzip, ist der Weg zur QM besonders einfach”
    Du meinst das (Hamiltonsche) Wirkungsprinzip?
    Das glaube ich nicht, denn die QM is wesentlich (nichtklassische) Hamiltonsche Mechanik. Die stationären Zustände in der QM sind kompatibel mit dem Zustandsbegriff von Newton und Euler, nicht jedoch mit dem von Lagrange und Laplace. Doch lerne ich gern hinzu und bitte um mehr Details.

  63. #64 MartinB
    15. Mai 2012

    @Peter
    Prinzip der kleinsten Wirkung nehmen.
    Forderung, dass die Wirkung minimal ist, ersetzen durch die Amplitude für den prozess über ein Pfadintegral. (Siehe meine QFT-Serie, oben den Link bei Artikelserien klicken und lesen).
    Einfach geht’s meiner Ansicht nach nicht – den ganzen Hamiltonschen Poisson-Klammer-wird-Kommutator-Kram braucht keiner (nicht ganz ernst gemeint).
    Aber mir scheint dass wir aneinander vorbeireden – dass es *unmöglich* sein *muss*, die Qm aus der klassischen Physik abzuleiten, ist ja eigentlich klar, insofern ist dieser Satz von dir
    “die Klassische Mechanik (KM) so darzustellen, dass die anderen Disziplinen aus ihr abgeleitet werden können. ”
    mir vollkommen unverständlich.

  64. #65 Peter
    15. Mai 2012

    @MartinB
    1) “Siehe meine QFT-Serie” – werde ich machen
    Und woher nimmt man “die Amplitude für den prozess”??
    2) “den ganzen Hamiltonschen Poisson-Klammer-wird-Kommutator-Kram braucht keiner” – ich auch nicht, das ist Analogie und nicht Axiomatik
    3) “dass es *unmöglich* sein *muss*, die QM aus der klassischen Physik abzuleiten, ist ja eigentlich klar” – welchen Beweis oder wenigstens Argumente hast Du für Deine Behauptung?

  65. #66 Niels
    15. Mai 2012

    @Peter

    Ich ersetze keine Axiome der QM, sondern vermeide sie.

    Da gehts mir wie MartinB. Für mich ist es absolut offensichtlich, dass man die QM nicht ohne Zusatzannahmen aus der Klassischen Mechanik ableiten kann.

    Ergebnisse von Dieter Suisky und mir gibt es bisher zur Speziellen Relativitätstheorie, Quantenmechanik und Klassischen Elektrodynamik

    Du hast die Maxwell-Gleichungen und die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit aus der klassischen Mechanik abgeleitet, ohne dass du weitere Axiome aufstellen musstet?
    Irgendwie kann ich das nicht glauben. Das wäre eine Riesensensation, davon müsste man schon gehört haben und da müsste es Preise regnen.

    Ich kann mir höchstens vorstellen, dass wir uns komplett missverstehen?

  66. #67 Peter
    15. Mai 2012

    @Niels
    1) “Für mich ist es absolut offensichtlich, dass man die QM nicht ohne Zusatzannahmen aus der Klassischen Mechanik ableiten kann.”
    Worin besteht die Offensichtlichkeit?
    Ich sehe das anders, s.
    P. Enders & D. Suisky, Quantization as selection problem, Int. J. Theor. Phys. 44 (2005) 161-194
    P. Enders, Von der klassischen Physik zur Quantenphysik. Eine historisch-kritische deduktive Ableitung mit Anwendungsbeispielen aus der Festkörperphysik, Berlin ⋅ Heidelberg: Springer 2006
    2) Meine Ableitung der mikroskopischen Maxwell-Gleichungen besitzt vermutlich noch Lücken, für Hinweise wäre ich sehr dankbar! – Details habe ich hier veröffentlicht:
    P. Enders, Towards the Unity of Classical Physics, Apeiron 16 (2009) 22-44; https://redshift.vif.com/JournalFiles/V16NO1PDF/V16N1END.pdf
    P. Enders, Precursors of force fields in Newton’s ‘Principia’, Apeiron 17 (2010) 22-27; https://redshift.vif.com/JournalFiles/V17NO1PDF/V17N1END.PDFP. Enders, The Mechanical Roots of Rebilas’ Principles of Electromagnetism (unpubl.)
    P. Enders, Physical, metaphysical and logical thoughts about the wave equation and the symmetry of space-time, Apeiron 18 (2011) 203-221; https://redshift.vif.com/JournalFiles/V18NO2PDF/V18N2END.pdf

  67. #68 MartinB
    15. Mai 2012

    “Worin besteht die Offensichtlichkeit?”
    Dass es klassisch die Größe h nicht gibt, wäre schon mal ein Anfang.
    Wäre es anders, dann hätten kluge Leute wie Hamilton oder Lagrange die Quantentheorie ja ohne experimentelle Hilfe ableiten können.

  68. #69 Peter
    15. Mai 2012

    @MartinB
    “Dass es klassisch die Größe h nicht gibt, wäre schon mal ein Anfang.”
    Nein, das ist kein Anfang: h kommt bei der Verallgemeinerung der KM ins Spiel.
    Weder Lagrange noch Hamilton hatten Veranlassung dazu. Außerdem hätten sie wahrscheinlich zum Zustandsbegriff von Newton und Euler und zur Eulerschen Axiomatik (die sie vermutlich nur in der populärwissenschaftlichen Form in den “Briefen an eine deutsche Prinzessin” kannten) zurückgehen müssen…

  69. #70 Peter
    15. Mai 2012

    @MartinB
    Nachtrag: Es braucht auch nicht die Relativitätstheorie oder die Elektrodynamik, um die Lorentz-Transformation einzuführen, wobei die Bedeutung des Geschwindigkeitsparameters weiterer Überlegungen bedarf, s.
    P. Enders, Physical, metaphysical and logical thoughts about the wave equation and the symmetry of space-time, Apeiron 18 (2011) 203-221; https://redshift.vif.com/JournalFiles/V18NO2PDF/V18N2END.pdf

  70. #71 MartinB
    16. Mai 2012

    “h kommt bei der Verallgemeinerung der KM ins Spiel.”
    O.k., man verallgemeinert also die KM – das kann ich, wie gesagt, auch mit dem Lagrange-Prinzip und dem Pfadintegral tun. Da gibt es sicherlich viele Möglichkeiten, das zu tun, dass mindestens eine davon die QM ergibt, ist wiederum zwingend, sonst wäre die KM ja nicht der klassische Grenzfall.

    Generell bin ich immer skeptisch, wenn mit jemand die “logische Notwendigkeit” heutiger physikalischer Konzepte “beweist” – Kant hat “bewiesen”, dass Raum und Zeit reine Formen der Anschauung sind und zwingend Newton’sch gedacht werden müssen, was am Ende auch nicht gepasst hat.

  71. #72 Peter
    16. Mai 2012

    < >
    Wie kommt man *ohne* Kenntnis der Wellen-/Matrixmechanik zum Pfadintegral?
    < >
    Da stimme ich Dir voll zu. Deshalb schreibe ich nicht, dass mein Vorschlag der einzig mögliche ist. Dein Vorschlag hat auch gute Chancen, Schrödingers Forderungen an jedwede Quantisierung zu erfüllen, die ersten Schritte können sogar dieselben sein.
    Der Erhaltungssätze der Energie verlangt nicht die Bahnbewegung. Deshalb ist es erlaubt zu fragen, wie die Mechanik eines Oszillators aussieht, der Konfigurationen jenseits der klassischen Umkehrpunkte annehmen kann. Ein solcher Oszillator bewegt sich nicht auf Bahnen, zu jedem Zustand tragen alle Konfigurationen bei. Dieter Suisky und ich haben untersucht, wie die Energie eines solchen nichtklassischen Oszillators als – wie bisher – Summe aus Lage- und Bewegungsenergie aussieht (Newton und Euler haben mit den stationären Zuständen begonnen). Ausgehend vom klassischen Wirkungsprinzip schlägst Du vor, die Bewegung als Bewegung über alle möglichen Bahnen darzustellen. Das erklärt die Integralform. Wie kommst Du zu exp{…}?

  72. #73 MartinB
    16. Mai 2012

    “Das erklärt die Integralform. Wie kommst Du zu exp{…}?”
    Dir ist die Pfadintegral-Darstellung der QM aber bekannt, oder? Ansonsten mal meine QFT-Serie dazu lesen.
    In der Standard-QM kennt man eine ähnliche Formel aber auch, ich glaube, das ding heißt WKB-Näherung (steht irgendwo im Schiff, den habe ich gerade nicht griffbereit).

  73. #74 Niels
    16. Mai 2012

    @Peter

    “Für mich ist es absolut offensichtlich, dass man die QM nicht ohne Zusatzannahmen aus der Klassischen Mechanik ableiten kann.”

    Worin besteht die Offensichtlichkeit?

    Die klassische Mechanik (KM) ist ein Grenzfall der Quantenmechanik, nicht umgekehrt.
    Beide Theorien machen völlig unterschiedliche Aussagen über unsere Realität/Wirklichkeit/Welt, siehe z.B. in Bezug auf Lokalität, Realismus, Determinismus, …
    Wie willst du denn beispielsweise ohne neue Axiome die KM mit der Verletzung der Bellschen Ungleichungen in Einklang bringen?

    Dass der Experimentator bei Versuchen in der Regel kein eindeutiges Ergebnis vorhersagen kann, sondern stattdessen nur Wahrscheinlichkeitsvorhersagen treffen kann, ist doch einfach ein Erfahrungswert über unsere Welt.
    Das könnte doch genau so gut auch völlig anders sein.
    Entsprechend muss man das durch neue Axiome abdecken, die gar nicht in der KM stecken können.

    Ebenso ist es mit SRT und ART. Auch hier ist die KM der Grenzfall, nicht umgekehrt. Deswegen benötigt man für SRT und ART zusätzliche Axiome.
    Es sind doch durchaus Universen ohne eine Grenzgeschwindigkeit oder ohne Gleichheit von träger und schwerer Masse möglich, das steckt in der KM einfach nicht drin. Deswegen kann man das auch nicht aus der KM folgern.

    Ich verstehe grundsätzlich nicht, wie du Axiome herleiten willst.
    Axiome sind doch per Definition Grundsätze von Theorien, die innerhalb dieses Systems nicht begründet oder deduktiv abgeleitet wird.

    PS:
    Deiner Meinung nach müsste dann auch eine Quantengravitation bzw. die Weltformel aus de KM ableiten sein, richtig?
    Die experimentelle Physik können wir dann abschaffen, oder?

    PPS:
    Ist es wirklich nötig, die Diskussion auf zwei Stränge zu verteilen? Das erhöht die Lesbarkeit nicht unbedingt.

  74. #75 Peter
    16. Mai 2012

    @Niels

    < >
    Das ist erst einmal richtig. Deshalb konzentriere ich mich zunächst auf das Verbindendende statt auf das trennende. Dazu verwende ich nicht die heute übliche Darstellung der KM (auf die Du Dich vermutlich beziehst – mit der geht es bekanntlich nicht), sondern die von Euler.
    Summarisch: Hier wird nur die Erhaltung des “Zustandes (was Euler Zustand nennt, nennen wir heute den stationären Zustand) bei Wechselwirkungsfreiheit postuliert. Was Newton in seinen Axiomen 2 und 3 postuliert, wird bei Euler aus den allgemeinen Eigenschaften der Körper abgeleitet. Der stationäre Zustand wird durch die Geschwindigkeiten beschrieben (die Masse eines Körpers wird als unveränderlich angesehen). Damit gibt es für den einzelnen Körper 3 “Zustandszahlen”, wie für das einzelne spinlose Quantenteilchen (die Quantenzahlen hießen anfänglich Zustandszahlen).
    Die Schrödingergleichung ist deterministisch. Es gibt keine deterministische Beschreibung für Bahnen (r(t), v(t) bzw. p(t)), weil sich ein Quantenteilchen nicht entlang klassischer Bahnen bewegt, mithin keine entsprechenden Eigenschaften (zu jedem Zeitpunkt ein Punkt im Phasenraum) besitzt. Alle möglichen Konfigurationen {r} tragen zur Lageenergie eines Systems bei, jede mit einem Gewicht |psi(r,t)|^2 (vgl. Schrödinger, 4. Mitt., § 7); analog für die Bewegungsenergie. Dementsprechend ist die Lokalisierung eine andere als bei einem klassischen Körper mit definierter Oberfläche.

    < >
    Wenn ich für die Aufstellung der Bellschen Ungleichungen nicht mehr brauche als die Schrödinger-Theorie, bin ich fein raus:
    – die Einteilchen-Schrödingergl. leite ich ab;
    – die Verschränkung ergibt sich aus der Permutationssymmetrie der Zustandsfunktionen |psi|^2 und , die wiederum aus der Permutationssymmetrie der klassischen Zustandsfunktion H(p,x,t) folgt. (H ist eine Zustandsfunktion im Sinne von Newton und Euler – mit einer Zustandsfunktion im Sinne von Lagrange und Laplace, wie Du sie vermutlich gelernt hast, funktioniert das nicht.)

    < >
    Dem widerspreche ich auch nicht, s.o.
    NB: Du vergleichst vermutlich die Messung von Quantensystemen mit Hilfe von Quantenteilchen (Licht, Elektronen) mit der Messung von klassischen Systemen mit Hilfe von Quantenteilchen (Licht, Elektronen). Versuche mal den Vergleich mit der Messung von klassischen Systemen mit Hilfe von klassischen Teilchen/Körpern!

    < >
    Stimmt. Deshalb bitte ich um die Mitteilung von Lücken in unserer Argumentation.

    < >
    Dann steckt man das, was man herausbekommen möchte, hinein. Das wäre keine Ableitung/Begründung mehr.
    Betrachten wir die speziell-relativistische Mechanik. Ich vermute Du nimmst an, dass die Existenz von c auch ein “neues Axiom” erfordert. Mal sehen:
    Newton postuliert

    Impulsänderung ~ Kraft (beides Vektoren)

    Hier hast Du Recht.
    Jedoch: Euler postuliert nicht, sondert argumentiert anhand der allgemeinen Eigenschaften der klassischen Körper, dass die Änderung der Geschwindigkeit gleich

    dv = (F/M) dt (*)

    ist. Er nimmt damit an, dass dv unabhängig von v ist. Da (*) kein Axiom ist, rühre ich die Axiomatik nicht an, wenn ich annehme, dass dv von v abhängt:

    dv = f(v) (F/M) dt

    Da f dimensionslos ist, gibt es eine Referenzgeschwindigkeit v_r, und f hat die Form f(v/v_r).

    < >
    Ob man von der KM zur ART ohne neue Axiome kommt, weiß ich (noch) nicht. Für die SRT gibt es oben angedeutete Ableitung der Newton-Lorentzschen Bewegungsgleichung. Aus ihr folgt die Lorentztransformation; v_r=c folgt aus dem Experiment. (D. i. übrigens die einzige mir bekannte *dynamische* Begründung – ihre Grundidee stammt von Dieter Suisky. Sie gilt gemäß Ableitung nur für einzelne Körper. Es ist für sie kein Problem, dass bestimmte Diracsche Formen der relativistischen Dynamik zu geringen Abweichungen von der Lorentz-Transformation führen.)
    Ein anderer Weg geht über die Forderung, für Raum und Zeit einen metrischen vierdimensionalen Raum zu verwenden. Das ist verträglich mit der Eulerschen Axiomatik (kräftfreie Körper bewegen sich entlang Geraden in einem solchen Raum – Dierk-Eckehard Liebscher).

    < >
    Nicht in der KM, die Du kennst, aber in anderen Darstellungen, s. oben

    < >
    Du hast recht, neue Axiome herzuleiten wäre ein Widerspruch. Deshalb schrieb ich früher: Ich leite keine keine neuen Axiome ab, sondern vermeide die Einführung neuer. Dass dv von v abhängt (oder nicht) ist kein Axiom, sondern eine Annahme, deren Richtigkeit im Experiment überprüft werden muss. Beide Varianten sind mit Eulers Axiomatik verträglich.

    < >
    Das weiß ich nicht, ich kann nur über die vorliegenden Ergebnisse sprechen.

    < >
    Mitnichten:
    – sie überprüft Annahmen,
    – liefert Werte für die verschiedenen Parameter,
    – gibt Anregungen für notwendige Weiterentwicklungen, einschließlich der Entdeckung neuer Erscheinungen, an die die Theoretiker noch gar nicht gedacht haben.

    < >
    Wir können hier bleiben

    Vielen Dank für Dein Nachhaken!

  75. #76 Peter
    16. Mai 2012

    Nachtrag:
    Das Programm kommt offenbar mit < > nicht zurecht, das wusste ich nicht – ich hoffe, meine Antwort ist trotzdem lesbar

  76. #77 MartinB
    16. Mai 2012

    @Peter
    “Wenn ich für die Aufstellung der Bellschen Ungleichungen nicht mehr brauche als die Schrödinger-Theorie, bin ich fein raus:”
    Nein, dann bist du das achte physikalische Weltwunder – denn soweit ich das sehe, enthält die Schrödingertheorie nicht den entscheidenden Messprozess (aka “Kollaps der Wellenfunktion” aka “Reduktion” aka “R-Prozess”).

    “Euler postuliert nicht, sondert argumentiert anhand der allgemeinen Eigenschaften der klassischen Körper, dass die Änderung der Geschwindigkeit gleich
    dv = (F/M) dt (*)
    ist. Er nimmt damit an, dass dv unabhängig von v ist. Da (*) kein Axiom ist, rühre ich die Axiomatik nicht an, wenn ich annehme, dass dv von v abhängt:
    dv = f(v) (F/M) dt”

    Das habe ich gar nicht verstanden. Euler leitet aus den Axiomen die Gleichung (*) ab, du nimmst eine andere Form der Gleichung an aber das soll die Axiome nicht berühren?

    Aber ich glaube, mir ist nach wie vor nicht klar, was du eigentlich genau zu tun versuchst und warum du das tust. Warum soll der klassische Grenzfall als Startpunkt für die Beschreibung der Physik dienen? Wo ist der Sinn oder Vorteil? Der Physik ist herzlich egal, welche Gleichung ich oben als Axiom auf die Seite schreibe und welche unten als Folgerung rauskommt, hauptsache alle Gleichungen sind korrekt.

  77. #78 Peter
    17. Mai 2012

    @MartinB

    1a) Wenn ich mehr als die Schrödinger-Gleichung benötige, z.B. den Kollaps der Wellenfunktion, muss ich nachdenken (und mir die Ableitung der Bellschen Ungleichung noch einmal genauer ansehen).
    b) So etwas gibt es bei der Bahnbewegung nicht – nun ja, von der KM zur QM wird nicht einfach verallgemeinert wie bei Euklidsche -> Nicht-Euklidschen Geometrie oder KM -> SRT, sondern die KM wird “transzendiert”. Die Änderungen sind viel tiefergehend: Die Körper verlieren ihre wesentliche Eigenschaft, die Undurchdringlichkeit, ihre Ausdehnung wird eine effektive, abhängig von der Wechselwirkung (de-Broglie-Länge, Compton-Länge,…), nur Beweglichkeit und Masse bleiben erhalten.
    c) Um Missverständnisse zu vermeiden, sollte ich deshalb besser nicht von einer Verallgemeinerung der KM sprechen. Denn der Gegenstand der QM ist nicht ein allgemeinerer als der der KM von Euler, sondern ein *anderer*. Gemeinsam sind nur die Prinzipien der Erhaltung und der Veränderung der stationären Zustände in der nichtrelativistischen QM und in der KM von Euler, wobei die Zustandsgrößen unterschiedlich sind (Dieter Suisky). (Bohrs Vorraussetzung 1 bezieht sich auf die Newtonsche KM.)

    2) “Euler leitet aus den Axiomen die Gleichung (*) ab”
    Das habe ich nicht geschrieben. Ich habe geschrieben
    “argumentiert anhand der allgemeinen Eigenschaften der klassischen Körper”
    Diese Eigenschaften sind keine Axiome, sondern eher Definitionen wie in Newtons “Principia”.
    Eulers Axiome – vergleichbar von der Stellung im Aufbau der KM mit den Newtonschen Axiomen – lauten:
    1. Ein wechselwirkungsfreier Körper befindet sich entweder im Zustand der Ruhe oder im Zustand der geradlinig-gleichförmigen Bewegung.
    2. Ein sich im Zustand der Ruhe befindender Körper verharrt im Zustand der Ruhe, sofern er nicht durch einen anderen Körper in Bewegung gesetzt wird.
    3. Ein sich im Zustand der geradlinig-gleichförmigen Bewegung befindender Körper verharrt in diesem Zustand, sofern er nicht durch einen anderen Körper gezwungen wird seinen Zustand zu verändern.
    Diese Axiome können für die Mechanik der SRT beibehalten werden, ebenso die allgemeinen Eigenschaften der Körper (Undurchdringlichkeit -> Ausdehnung, Beweglichkeit, Trägheit).

    3) Ich sehe die Physik nicht als Kochbuch an und die Einheit der Physik als erstrebenswertes Ziel. Der Pionier und der Detailforscher arbeiten nicht axiomatisch; es braucht die verschiedensten Typen von Physikern und Herangehensweisen (von Laue). Die KM ist methodologisch am weitesten entwickelt (sie ist am ältesten und hat den einfachsten Gegenstand und die einfachsten Methoden); ihre von Galilei bis Helmholtz entwickelten Grundlagen reichen über sie hinaus, sonst würden ihre Begriffen wie kinetische und potenzielle Energie, Konfiguration nicht in anderen Disziplinen verwendet werden.
    Die Verunsicherung über die Interpretation der neuen Gleichungen von Heisenberg und Schrödinger rührt m.E. daher, dass sie einen Riesensprung aus der KM darstellen, an dessen Ende man nicht wusste, wo genau man eigentlich sei. Das ist kein Vorwurf; das schrittweise Vorgehen, das ich anstrebe, ist evtl. erst im Nachhinein möglich. Ich hoffe, dass ein schrittweises Vorgehen das Verständnis zumindest einiger der neuen Züge der QM erleichtert. Natürlich nicht aller, es ist ja auch nicht möglich, aus den Eigenschaften der Atomkerne allein die Eigenschaften von Kristallen zu folgern.

  78. #79 MartinB
    17. Mai 2012

    @Peter
    “Wenn ich mehr als die Schrödinger-Gleichung benötige, z.B. den Kollaps der Wellenfunktion, muss ich nachdenken”
    Natürlich brauchst du die. Lies am besten Penrose “Road to Reality”, ch 29, da wird das glasklar verklickert.

    “Denn der Gegenstand der QM ist nicht ein allgemeinerer als der der KM von Euler, sondern ein *anderer*.”
    Nein. Die KM ist ein Grenzfall der QM, beide beschreiben die Realität, die KM dann, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, die QM unter anderen, weiter gefassten Bedingungen, die QFT unter noch weiter gefassten.

    “Diese Eigenschaften sind keine Axiome, sondern eher Definitionen wie in Newtons “Principia”.”
    Aus definitionen kann man aber nicht wirklich etwas ableiten, das sind ja nur Begriffssetzungen. (Definitionen können es natürlich leichter machen, etwas abzuleiten, aber sie haben ja selbst keinen Nährwert.)

    “ihre von Galilei bis Helmholtz entwickelten Grundlagen reichen über sie hinaus, sonst würden ihre Begriffen wie kinetische und potenzielle Energie, Konfiguration nicht in anderen Disziplinen verwendet werden. ”
    Och, das ist zu einem guten Teil die Physik-Begriffsträgheit. Wenn ich einen Begriff in Theorie A habe und in Theorie B ein ähnliches Phänomen, das in irgendnem Grenzfall zu A passt, dann nehme ich dafür denselben Begriff, auch wenn es nicht dieselbe Sache ist.

    “Ich hoffe, dass ein schrittweises Vorgehen das Verständnis zumindest einiger der neuen Züge der QM erleichter”
    Mich erinnert das ja ein bisschen an – nicht böse sein – Deutschlehrer. Die können auch immer tolle Stilregeln aufstellen, die erklären, warum Goethe genau dieses Wort verwendet hat und kein anderes, und tun so, als ob Goethe diese Regeln tatsächlich so verwendet hätte.

    So ähnlich ist das auch mit der Axiomatik. Klar, es ist manchmal der Übersichtlichkeit halber ganz praktisch, wenn man eine Theorie auf wenige Aussagen eindampfen kann, aber in der Praxis nützt einem das eher wenig.

    Siehe dazu auch diesen text hier, wo ich diese Frage etwas ausführlicher diskutiert habe:
    https://www.scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2012/01/physik-idealisierungen-und-axiome.php

    Falls du es nicht kennst, rate ich dir nochmal ganz stark zur Lektüre von Feynmans “Character of physical law”.

  79. #80 Peter
    17. Mai 2012

    @MartinB

    1) “Definitionen kann man aber nicht wirklich etwas ableiten, das sind ja nur Begriffssetzungen. (Definitionen können es natürlich leichter machen, etwas abzuleiten, aber sie haben ja selbst keinen Nährwert.)”
    Deshalb schrieb ich nicht “ableiten”, sondern “Euler argumentierte anhand”.

    2) “Begriffsträgheit” gibt es sicher auch und “die Mühe des Begriffs” ist wirklich eine Mühe. Die Geschichte des Energiebegriffs zeigt, welche Verwirrung durch mangelhafte Begriffe angerichtet wird.

    3) Die Parallelität zu den Deutschlehrern (das von Dir geschilderte Verhalten kritisiere ich genauso) sehe ich nicht. Ich unterstütze ausdrücklich nicht die These, dass die historische mit der logischen Entwicklung übereinstimmt.

    4) Zu Feynmans Auffassung habe ich mich im Teil I geäußert. “Shut up and calculate” ist für viele Aufgaben richtig – es ist allerdings nicht weit entfernt von “friß, Vogel, oder stirb”.

  80. #81 MartinB
    18. Mai 2012

    “Shut up and calculate”
    ist allerdings nicht von Feynman, auch wenn er es wohl gelegentlich verwendete, sondern von Mermin. Es bezieht sich auch explizit auf die interpretation der QM, nicht auf die Physik allgemein, dazu empfehle ich nach wie vor “Character of Physical law”.

  81. #82 Ben
    26. November 2014

    Hi, super Beitrag, aber eine Sache verstehe ich nicht,
    warum muss die Welle bei x=L schon 0 sein?

  82. #83 MartinB
    26. November 2014

    Weil das das Ende des Kastens ist, da springt die Energie auf unendlich. (Mathematisch kann man sich darüber streiten, ob die Welle bei x=L oder erst bei x>L verschwinden muss, das macht aber keinen Unterschied für’s Ergebnis.)

  83. #84 B. Kropp
    Berlin
    8. Februar 2015

    Hallo Herr B.
    Was spricht dagegen, bei 2 Elektronen im eindimensionalen Kasten die SGL zu verwenden, allerdings nur die Normierung
    so zu setzen, dass die Aufenthaltswahrscheinlichkeit im gesamten Kasten = 2 ist? Und was würde die Übertragung auf das He.Atom bedeuten ?

  84. #85 MartinB
    8. Februar 2015

    @B.Kropp
    Prinzipiell ist das erst mal nicht korrekt, weil Elektronen sich zum einen gegenseitig beeinflussen und weil man zwei Elektronen sozusagen durch eine Doppel-Wellenfunktion beschreiben muss, die die Wahrscheinlichkeit angibt, das eine am einen und das andere am anderen Ort zu finden.

    Spätestens wenn für die Wahrscheinlichkeit ein Wert größer als 1 herauskommt (weil ich auf 2 normiert habe), wird es problematisch.

    Tatsächlich muss man die Wellenfunktionen multiplizieren, nicht einfach addieren. Das ist letztlich wie in der Wahrscheinlichkeitsrechnung – die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Dinge gemeinsam auftreten, ist das Produkt der Einzelwahrscheinlichkeiten. Wenn ich die Wahrscheinlichkeiten addiere, mache ich einen Fehler, nämlich den gleichen, wie wenn ich annehme, dass die Wahrscheinlichkeit, mit zwei Würfeln eine 6 zu würfeln, gleich 2/6 ist, nur weil sie mit einem Würfel gleich 1/6 ist.

  85. #86 Andre Grube
    Kiel
    9. Januar 2016

    @MartinB

    Danke für diesen Beitrag. Ich fande ihn ziemlich leicht verständlich.
    Eine Frage stellt sich mir aber noch: Als sie die erste Welle im Potentialtopf gezeichnet haben, haben Sie geschrieben, dass die Funktion im zweiten Punkt nicht auch Null ist, “weil das zu langweilig wäre”. Gibt es dafür eine Erklärung oder ein Stichwort unter dem ich das herausfinden kann? Bereite im Moment ein Referat vor und würde diese Frage, falls sie gestellt werden sollte, gerne beantworten können.

    Mfg Andre

  86. #87 MartinB
    9. Januar 2016

    @Andre
    Wen die Funktion im zweiten Punkt auch Null wäre, dann müsste sie im ganzen Intervall Null sein (eine stetig differenzierbare Funktion, die auf einem intervall Null ist, ist überall Null, das hier wäre die “Punkt-Version” davon).
    Hoffe das hilft, viel Glück beim Referat (und gern Lehrerinnen/Dozentinnen/Mitschülerinnen/Kommilitoninnen den Blog weiterempfehlen 😉 )

  87. #88 Andre Grube
    10. Januar 2016

    @Martin Danke für die Antwort. Werde ich auf jeden Fall machen 🙂
    Eine weitere Frage hat sich mir gestellt:
    Bin beim recherchieren auf einen Youtuber (Physikstudent nach eigener Aussage) gestoßen, welcher meinte, dass Elektronen auf ihren Bahnen Energie verlieren würden, wenn sie keine stehenden Wellen bilden würden, weil sie sich ja durch ein el. Feld bewegen. Damit es keine wirkliche Ladungsbewegungen gibt, die Energie abstrahlen würden, brauche man eine stehende Welle auf der Bahn. Stimmt das? Und wenn ja. Warum würden sich dann Planeten nicht verlangsamen auf ihrer Bahn? Ist ja im Grunde nur ein anderes Feld, aber dasselbe Prinzip. Lässt sich das vergleichen mit einem Teilchenbeschleuniger, dessen Elektronen ja auch Energie verlieren bei jeder Umrundung?
    Danke nochmal für die Hilfe 🙂

  88. #89 MartinB
    11. Januar 2016

    @Andre
    Das Bild mit den stehenden Wellen stammt letztlich aus der Zeit vor der Schrödingergleichung (Bohr-Sommerfeld-Modell). Mit etwas gutem Willen kann man es auch in der Qm so betrachten.
    Das Argument mit der Energie halte ich aber für unsinnig – man mischt da in ziemlich seltsamer Weise Teilchen- und Wellenbild. Ich glaube, da tut man sich keinen Gefallen, zumindest meiner Anschauung hilft das nicht weiter.

    Was die Planeten angeht – die können auch Energie abstrahlen, das tun sie aber als Gravitationswellen, und deren Energien sind so winzig, dass der Effekt im Sonnensystem keine Rolle spielt. Es gibt ihn aber z.B., wenn sich zwei Pulsare umkreisen, die strahlen dann Gravitationswellen ab und verlieren Energie. Das ist dann in der Tat analog zu Teilchen im Beschleuniger – de sind aber auch nicht in einem Zustand mit festgelegter Energie (der ja immer zeitunabhängig ist).

  89. #90 Andre Grube
    11. Januar 2016

    @MartinB
    ok danke für die Antwort! 🙂 Ich habe jetzt die Begründung, dass der Radius n*lambda/2 sein muss, weil die Welle auf ihrer Bahn ansonsten destruktiv interferiert und sich selbst schwächt, was in der Natur ja beobachtbar nicht der Fall ist. Ansonsten wäre die Atomhülle ja längst in sich zusammengefallen. Deswegen braucht man eben eine bestimmte Wellenlänge bei der dies nicht passiert, sich also stehende Wellen bilden.
    Ist das so richtig oder sollte ich mich nur auf mathematische Erklärungen beschränken?

  90. #91 MartinB
    11. Januar 2016

    Ja, kann man so sehen, wenn man will.
    Siehe Hier:
    https://en.wikipedia.org/wiki/Atomic_orbital#Qualitative_understanding_of_shapes
    Die einfachen Bildchen, die man oft sieht, so wie das hier:
    https://hyperphysics.phy-astr.gsu.edu/hbase/ewav.html#c2
    sind dagegen etwas problematisch, weil die Wellenfunktion ja kugelförmig um den kern definiert ist, nicht wie ein Planet auf einer Ebene.

  91. #92 Andre Grube
    11. Januar 2016

    Ah ok jetzt habe ich es verstanden. Vielen Dank nochmal !

  92. #93 Jörg Starkmuth
    Hennef
    28. März 2020

    Hallo, vielen Dank für den tollen Artikel! Ein Aspekt fehlt mir noch zum Verständnis.

    Ich verstehe es so, dass die Quantisierung der Energie dadurch zustande kommt, dass in einem begrenzten Resonanzraum (etwa dem Feld eines Atomkerns) nur bestimmte stehende Wellen möglich sind, analog zu den Tönen in einer Flöte (wenn ich genügend stark reinblase, springt der Ton schlagartig um eine Oktave nach oben, ich bekomme also die erste Oberwelle statt der Grundschwingung). Ist das so weit richtig?

    Wenn ja, wie verhält es sich dann mit einem (z. B.) Elektron im freien Raum? Hier gibt es ja keine Resonanzraum-Begrenzung (oder doch?). Kann die Energie dann dort beliebige, nicht gequantelte Werte annehmen? Oder können wir darüber womöglich gar keine Aussage machen, weil wir die Energie überhaupt nur bei Interaktion des Elektrons mit Materie (etwa einem Messgerät) bestimmen können und dadurch wieder begrenzende Resonanzräume ins Spiel kommen?

  93. #94 MartinB
    28. März 2020

    @Jörg
    Erster Absatz: Ja, das mit der Schwingung ist eine gute Analogie.
    Zweiter Absatz: Ja, Elektronen im freien Raum können beliebige Energien besitzen. Es gilt soweit ich sehe folgende Regel: Wenn man die Energie eines ruhenden Elektrons im freien Raum (dessen Ort dann nach der Unschärferelation vollkommen unbestimmt ist), zu Null setzt, dann sind alle Zustände mit Energie kleiner Null gebundene Zustände und die Energie ist gequantelt, alle Energien größer-gleich Null sind möglich.
    Man kann sich als Beispiel für so ein Elektron eins aus dem Sonnenwind oder so vorstellen – das hat das ganze Universum Platz und keinen “Resonanzraum”, da gehen dann beliebige Energien.

  94. #95 Jörg Starkmuth
    Hennef
    28. März 2020

    Danke für die schnelle Antwort! Sehr schön, dann ist das Ganze auch intuitiv sehr einleuchtend. Die Annahme “Ruheenergie im freien Raum = 0” ist hier aber nur eine willkürliche Skalendefinition, richtig? Denn eigentlich können Energien ja nicht negativ werden, oder?