Im ersten Teil haben wir gesehen, dass es gar nicht so leicht ist, herauszubekommen, wie und wie schnell Dinosaurier laufen konnten – im Laufe der letzten Hundert Jahre gab es sehr unterschiedliche Meinungen dazu. Die Wissenschaft aber bleibt zum Glück nicht stehen. Ein wesentlicher Fortschritt in der Debatte gelang im Jahr 2002. Bevor ich den erklären kann, müssen wir aber noch etwas ganz Grundlegendes anschauen: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Gehen und Laufen?

Gehen und Laufen
Das ist weniger leicht zu definieren, als man vielleicht denkt – und zwar deshalb, weil sich gehen und Laufen (zumindest bei Menschen) in mehrfacher Hinsicht unterscheiden. Am besten experimentiert ihr kurz selbst und geht und lauft ein Stück durchs Zimmer (es sei denn, dann halten euch die Kollegen für durchgeknallt). Achtet dabei besonders auf eure Hüfte.

Wenn ihr geht, dann ist eure Hüfte (und damit der Schwerpunkt) in der Schrittmitte am höchsten – ihr “fallt” von dort aus nach Vorn und fangt euch mit dem anderen Bein wieder auf. Ein solcher Schritt kann mathematisch-physikalisch wie ein “inverses Pendel” angesehen werden, also ein Pendel, das am Anfang nicht nach unten hängt, sondern eben senkrecht nach oben zeigt und dann kippt. Was ihr auch merkt ist, dass der zweite Fuß den Boden berührt, bevor der erste ihn verlässt – ihr habt also immer Bodenkontakt.

Beim Laufen ist das anders: Der Schwerpunkt ist in der Schrittmitte am tiefsten – ihr katapultiert euch von dort aus in die Höhe. Laufen ist sozusagen eine Abfolge von kleinen Sprüngen. Außerdem gibt es beim Laufen einen Moment, wo beide Füße den Boden verlassen – man spricht manchmal von einer “Schwebphase”. Diese Schwebphase erhöht die Schrittlänge (bei 100-Meter-Weltrekordlern auf über 2 Meter) und damit auch die Geschwindigkeit. Dieses Bild (Quelle siehe unten) zeigt den Unterschied schematisch:

i-f9a37f188e0398a4a6ae33a174d57733-federmodellLaufenClip-thumb-550x150.jpg

Weil sich Laufen und Sprinten in zwei Punkten (Schwerpunktposition in der Schrittmitte und Schwebphase) unterscheiden, kann man beide zur Definition heranziehen. Meist geht man aber davon aus, dass der entscheidende Unterschied die Schwerpunktsposition ist: Ist sie in der Schrittmitte am niedrigsten, so dass man sich abstößt, dann ist es Laufen, ansonsten ist es Gehen. (Bei den Schnellgehern im Sport gilt aber der Bodenkontakt als entscheidend, außerdem muss noch das Bein in bestimmter Weise gestreckt sein.)

Es gibt übrigens auch eine Fortbewegungsart, bei der es keine Schwebphase gibt, der Schwerpunkt aber trotzdem in der Schrittmitte am tiefsten ist. Dazu “läuft” man mit stark eingeknickten Knien. Das ganze wird auch als “Groucho running” bezeichnet. Diese Fortbewegungsart (manchmal auch “grounded running” – sozusagen “geerdetes Laufen” genannt) findet man bei vielen Vögeln, wenn sie nicht mit Höchstgeschwindigkeit laufen. Das liegt daran, dass ihr Oberschenkel meist vergleichsweise kurz ist und relativ horizontal gehalten wird wegen des vorn liegenden Schwerpunkts bei Vögeln.

Beim Menschen ist die Höchstgeschwindigkeit beim Gehen etwa 6-7 km/h (von den Schnellgehern mal abgesehen), bei einem Strauß liegt der Wert ähnlich. Ein Tyrannosaurus mit knapp viermal so langen Beinen sollte also eine Gehgeschwindigkeit von so etwa 14km/h haben, wie man mit der Froudezahl vom letzten Mal ausrechnen kann.

Wenn also ein Tyrannosaurus deutlich schneller sein soll als ein gemütlicher Jogger, dann muss er dazu laufen, nicht gehen. Egal ob das “echtes” Laufen oder “Groucho running” ist – der Schwerpunkt muss dabei in der Schrittmitte am tiefsten liegen, so dass sich der T. rex bei jedem Schritt von dort abstoßen muss.

Die Reaktionskraft
Wir idealisieren jetzt die Bewegung beim Laufen und tun so, als wäre der Körperschwerpunkt an einer Feder befestigt; ein bisschen wie bei einem Pogo Stick:

Pogo Stick.jpg
By Srd2005 – Own picture, originally uploaded to en.wp as en:Image:Pogo Stick.jpg, CC BY-SA 3.0, Link

(Vielleicht hatten Tyrannosaurier ja deswegen kurze, aber kräftige Vorderarme? Damit sie ihre Pogo-Sticks festhalten konnten?)

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Kommentare (9)

  1. #1 Dr. Webbaer
    29. April 2011

    Schöner Artikel, hübsches Bild ganz unten!
    MFG, DrW

  2. #2 Jürgen Bolt
    30. April 2011

    Einmal mehr herzlichen Dank! Besonders für diesen Satz: “Da Sehnen aber immer an Muskeln befestigt sind, ändern sie nichts an der aufzubringenden Kraft (wohl aber an der zu leistenden Arbeit).” Das ist natürlich völlig richtig, ich habe es aber bisher nicht so klar gesehen.

  3. #3 Jürgen Bolt
    30. April 2011

    Einmal mehr herzlichen Dank! Besonders für diesen Satz: “Da Sehnen aber immer an Muskeln befestigt sind, ändern sie nichts an der aufzubringenden Kraft (wohl aber an der zu leistenden Arbeit).” Das ist natürlich völlig richtig, ich habe es aber bisher nicht so klar gesehen.

  4. #4 Jürgen Bolt
    30. April 2011

    Einmal mehr herzlichen Dank! Besonders für diesen Satz: “Da Sehnen aber immer an Muskeln befestigt sind, ändern sie nichts an der aufzubringenden Kraft (wohl aber an der zu leistenden Arbeit).” Das ist natürlich völlig richtig, ich habe es aber bisher nicht so klar gesehen.

  5. #5 stl
    30. April 2011

    Super Artikel, nur… warum wurde er nicht mit einem Känguruh verglichen, der T Rex? Die sähen sich körperlich oberflächlich ähnlicher allerdings kann ich mir einen so hopsenden T Rex nicht vorstellen (was, weiß ich, nichts zu sagen hat). Ein Schritt, ein Erdbeben. Oder wurde er? Rex war nur zu groß? Und die Sache mit dem kontrollierten Fallen und dem Test – ich habe Muskelkater 😉

  6. #6 MartinB
    30. April 2011

    @stl
    Nein, biomechanisch passt ein Känguru gar nicht – da sind ide Bein/Fuß-Proprtionen ganz andere und auch die Hebelarme der Muskelansätze. Kängurus Stehen/hüpfen ja auf dem Fuß, nicht nur auf den zehen wie ein T. rex:
    https://www.sammlungen.hu-berlin.de/media2/sammlung/dokument/0000/0000/0000/0000/0000/0004/4483/content.800.jpg
    Richtig ist aber, dass man solche Vergleiche vor 100 Jahren mal gemacht hat – ganz abwegig ist die Idee also nicht.

    @Jürgen
    Ja, das ist lustig – die Frage nach den Sehnen kommt nämlich *immer*, obwohl sie mit einem Satz beantwortet werden kann, selbst von erfahrenen Biomechanikern. Manchmal sieht man halt die naheliegendsten Sachen nicht.

  7. #7 Christian A.
    30. April 2011

    Aber das erzähle ich dann im dritten Teil der wie üblich nicht enden wollenden Geschichte…

    Kanns kaum erwarten 🙂

  8. #8 Wiete
    7. Oktober 2014

    Frage: Wie groß war denn nun die Schrittfolge eines bsp. rennenden T-Rex, also Längenabstand zw. den Hinterläufen?

  9. #9 MartinB
    8. Oktober 2014

    @Wiete
    Ja, gute Frage. Bei gehenden Sauriern kennt man einige Fußabdrücke großer Theropoden, bei denen die Schrittlänge etwa 1,70m war (von einem fuß zum nächsten) bei Fußlänge 65cm. Fußabdrücke großer schnell laufender Tyrannosaurier haben wir nicht (vermutlich, weil ein großer Dino da, wo fußabdrücke gut erhalten bleiben, nicht schnell läuft, weil es zu matschig ist).

    Man kann natürlich ein bisschen mit den Daten spielen, wie ich das im 3. teil gemacht habe. Explizit ausgerechnet habe ich die Schrittlänge nie, soweit ich mich entsinne, aber wenn man eine Spitzengeschwindigkeit von etwa 40km/h nimmt (relativ hoch), dann sind das 11m/s. Ein Strauß hat eine Schrittfrequenz von etwa 2Hz bei 7m/s; ein T.rex sollte weniger haben. Schätzt man 1,5 Hz ab, dann wären das 7.33 Meter für einen kompletten Schritt, also etwa 3,6Meter zwischen dem linken und dem rechten Fuß. Das ist aber schon ziemlich weit an der Grenze (der duty factor dürfte da schon grenzwertig sein) und nur eine grobe Abschätzung.