Vögel fliegen ja häufig in Schwärmen herum. In einigen Fällen weiß man, dass sie dadurch Energie sparen. Aber ist das immer so? Ist Fliegen im Schwarm immer energetisch vorteilhaft? Aktuelle Forschungsergebnisse geben eine Antwort.


Viele Vögel wie Gänse, Enten oder (im Bild hier) Kraniche fliegen in einer typischen V-Formation, wenn sie große Strecken zurücklegen müssen.

Grus grus flocks.jpg
Von Andreas TrepteEigenes Werk, CC BY-SA 2.5, Link

Die V-Formation ist energetisch günstig, denn ein Vogel erzeugt beim Fliegen einen Wirbel, wenn er die Luft nach unten verdrängt. Nachfolgende Vögel können die entstehende Wirbelschleppe ausnutzen und so Energie sparen. Dadurch kann sich ihre Reichweite um bis zu 70% erhöhen. Es ist also nicht überraschend, dass große Zugvögel immer bemüht sind, in dieser Formation zu fliegen. (Wer eine detailliertere Erklärung sucht, findet sie hier.)

Viele Vögel fliegen aber in dichten und eher ungeordneten Schwärmen wie diesem hier:

Red-billed quelea flocking at waterhole.jpg
By Alastair Rae[1], CC BY-SA 2.0, Link

Ist auch das energetisch günstig? Gelingt es den Vögeln, auch in einem solchen Gewimmel die Wirbelschleppen der anderen auszunutzen und Energie zu sparen?

Das herauszubekommen ist natürlich deutlich schwieriger: Die einfache V-Formation ist ja sehr geordnet und im Prinzip statisch; deshalb ist sie auch vergleichsweise leicht zu analysieren. Im Schwarm aber muss man zunächst einmal herausfinden, was die einzelnen Vögeln tun, wie genau sie fliegen und wann sie sich anderen Vögeln wie weit annähern. Das ist schon technisch eine Herausforderung – und durch das chaotische Gewusel braucht man natürlich auch eine entsprechende Datenmenge, um statistisch saubere Aussagen machen zu können.

Trotzdem ist dieses Kunststück jetzt gelungen, und zwar Forschern des Royal Veterinary College in England (da wo auch einer meiner Dino-Kollaborateure arbeitet). Sie haben eine Gruppe von Tauben mit GPS-Empfängern und Beschleunigungssensoren ausgestattet und sie dann über mehrere Stunden beim Fliegen im Schwarm beobachtet. (Tauben fliegen ja aus irgendeinem Grund gern einfach im Schwarm herum – der Schwarm der früher jeden Morgen etwa eine Stunde ums Nachbarhaus flog, trug deshalb auch den Namen “Saus-ums-Haus-Vögel”.)
Insgesamt analysierten sie dabei 400 Taubenkilometer mit über 200000 Flügelschlägen. (Woran man sieht, dass ohne Computer auch in der Biologie vieles nicht erforscht werden könnte – so viele Studis kann man ja gar nicht als Hilfskräfte beschäftigen.)

Die detaillierte Analyse der Daten ist ziemlich kompliziert (und stellenweise über meinem aerodynamischen Niveau). Es zeigt sich, dass Tauben in einem engen Schwarm – wenig überraschend – schärfere Kurven und Manöver fliegen. Dabei schlagen sie nicht – wie man erwarten könnte – stärker mit den Flügeln (also mit größerer Amplitude), sondern schlagen im Gegenteil die Flügel weniger stark, aber dafür häufiger:

i-fb895532826a96cc218ebe98742550dc-natureflock.jpg

Die Ergebnisse sind hier gegen den “Flock factor” (Schwarmfaktor) aufgetragen, der misst, ein wie großer Teil des “Sichtfeldes” durch andere Tauben verdeckt wird wie an der Schemazeichnung unten zu sehen. Man erkennt, dass sich die Schlagfrequenz (flap frequency) erhöht, wenn die Vögel dichter fliegen, die Amplitude (also die Stärke des Schlages) verringert sich dagegen.
Da die Schlagfrequenz mit der Leistung korreliert, schließen die Forscher, dass Tauben zum Fliegen im Schwarm also mehr Energie benötigen. Einen Effekt wie beim V-Formationsflug können sie einigermaßen sicher ausschließen – die Wirbelschleppe ist dafür nicht stark genug.

Warum die Vögel lieber die Frequenz erhöhen, statt stärker mit den Flügeln zu schlagen, ist nicht eindeutig klar – man vermutet aber, dass sie so eine höhere Manövrierfähigkeit und eine bessere Flugstabilität erreichen. Energetisch gesehen ist das Fliegen im ungeordneten Schwarm aber anscheinend ungünstig – es muss also einen anderen Grund dafür geben.


Usherwood, J., Stavrou, M., Lowe, J., Roskilly, K., & Wilson, A. (2011). Flying in a flock comes at a cost in pigeons Nature, 474 (7352), 494-497 DOI: 10.1038/nature10164

Kommentare (39)

  1. #1 Roland
    28. Juni 2011

    Sicher schützt ein Schwarm, gerade ein ungeordneter, ganz gut vor Angreifern. Vermutlich ähnlich wie das Streifenmuster der Zebras Moskitos verwirrt, kann sich ein Greifvogel vermutlich schwer auf ein einzelnes Opfer konzentrieren, wenn alles so wild durcheinanderflattert.

  2. #2 ali
    28. Juni 2011

    Ich habe über diese Forschung im Nature Podcast gehört. Schöner Artikel dazu, hat einiges ergänzt. Danke.

    P.S.: Ich glaube ich verhörte mich jedes mal, wenn sie von “Clusterflock” sprachen. Ungeschickte Wortschöpfung.

  3. #3 Rainer
    28. Juni 2011

    Ich hätte ohnehin nie erwartet, dass Vögel in ungeordneten Schwärmen fliegen, um Energie zu sparen. Die Schutzwirkung vor Luftfeinden (Greifvögeln) ist lange bekannt. Dass dafür auch Kosten in Kauf genommen werden, überrascht nicht allzusehr. Auch sind Tauben keine Zugvögel und man kann daher nicht erwarten, dass sie bedeutende Kompromisse zwischen Schutz vor Feinden und Energiesparen machen müssen.

    Aber wieso wird in eigentlich angenommen, dass die Frequenz, und nicht die Amplitude, der Flügelschläge mit dem Energieverbrauch korrelieren? Sicher sollte doch beides Einfluss darauf haben, oder?

  4. #4 MartinB
    28. Juni 2011

    @Rainer
    Wenn ich es richtig verstehe (ist bei nature-papern immer nicht ganz einfach, weil die so knapp sind, und ich bin auch nicht der Ober-Aerodynamiker), dann wurde die Leistung aus der Beschleunigung berechnet und dann mit Amplitude und Frequenz korreliert. Dafür gibt es eigene Grafiken, die das belegen. Im paper steht dazu:
    “But it is reasonable to conclude
    from our measurements that, once the effects of speed are removed—
    that is, for a given speed—an increased power requirement is strongly
    associated with increases in flap frequency.”

  5. #5 roel
    28. Juni 2011

    @MartinB Schöner Beitrag, ich hätte auch nicht auf energiesparendes Fliegen sondern auf eine Schutzfunktion gegen Feinde, ähnlich wie bei Fischschwärmen getippt, aber das wird nicht alles sein.

    Es gibt eine Studie zum Schwarmfliegen aus 2009, bei der der Schwerpunkt auf die Hierarchie gelegt wurde. https://arxiv.org/ftp/arxiv/papers/1010/1010.5394.pdf

  6. #6 Theres
    28. Juni 2011

    Sehr interessant … Es geht immerhin fast um Dinos 😉
    Die Flugtechnik der Tauben, beziehungsweise die engen Manöver sollen vor Falken schützen, habe ich gelernt (Bio Schule und ein Taubenzüchter). Tauben fliegen aber recht geordnet im Vergleich zu Starenschwärmen, die atemberaubende Manöver fliegen ohne zusammenzustoßen. Dass dort kein Greifvogel mehr ein einzelnes Tier anfliegen kann, kann ich mir vorstellen, bei den eher großen, heute oft bunten Tauben nicht. Okay, es wäre zu beachten, wie der zuständige Fressfeind sieht …

  7. #7 Rainer
    29. Juni 2011

    O.K., danke. Da ich von zu Hause keinen Zugriff auf nature habe, konnte ich leider nicht selbst nachlesen.

  8. #8 Geoman
    29. Juni 2011

    Es fällt auf, dass bei ungewöhnlichen Verhalten (oder auch Merkmalen) von Tieren, die auf dem ersten oder auch zweiten Blick dem darwinistischen “survial of the fittest” widersprechen, immer wieder krampfhaft nach adaptionistischen Erklärungen gesucht wird, die dem Verhalten dann doch noch einen Fittnessvorteil andichten wollen.

    Wenn Brieftauben sich wirksam vor Greifvögelattacken schützen wollen dann Fliegen sie nicht im Schwarm, sondern bleiben am besten im Stall und meiden die Luft. Wenn ich die Tauben meines Nachbarn im Schwarm ihre Runden drehen sehen, dann kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie einfach Spaß am Fliegen im Schwarm haben und dass es beim Energieverbrauch auf ein paar Kalorien mehr oder weniger nicht ankommt. Ich vermute einmal, dass so 30 % allen tierischen Verhaltens nicht mit Umweltanpassung, sondern mit purer Lust an der Freude oder Übermut zu erklären ist.

    Auch bei ungewöhnlichen Morphologien sind mit Sicherheit andere Faktoren als der Pan-Adaptionismus mit im Spiel.

  9. #9 MartinB
    29. Juni 2011

    @geoman
    “Auch bei ungewöhnlichen Morphologien sind mit Sicherheit andere Faktoren als der Pan-Adaptionismus mit im Spiel.”
    Wissenschaft funktioniert nicht so gut mit Statements wie “das ist mit sicherheit so”.

  10. #10 Geoman
    29. Juni 2011

    @ MartinB

    Es ist genau umgekehrt, wie Sie beschwören, denn

    “mit Sicherheit” wird – wie auch dieser Blogbeitrag inclusive Ausgangsartikel und die Kommentare zeigen – von Evolutionsbiologen… nach adaptionistischen Erklärungen im Sinne von ‘survial of the fittest” gesucht, um Verhalten oder Morphologien zu erklären.

    Während ich geschrieben habe, dass bei “ungewöhnlichen” Morphologien oder Verhalten (erste Einschränkung) mit Sicherheit andere Faktoren als der Pan-Adaptionismus “mit im Spiel” sind (zweite Einschränkung).

  11. #11 Noblinski
    29. Juni 2011

    Wann treten denn Menschen in Schwärmen auf? Hat doch bestimmt irgendwie mit Nachahmung zu tun?
    Mochte unser Spamfilter nicht, warum auch immer

  12. #12 MartinB
    29. Juni 2011

    @geoman
    Ja, es wird danach gesucht. Das ist gute Wissenschaft: man hat ne Theorie und guckt, ob die ein Phänomen erklären kann oder eben nicht. Während ein “ach, da gibt’s ganz sicher ne andere Erklärung” wenig zielführend ist.

  13. #13 roel
    29. Juni 2011

    @Geoman und MartinB
    Ich denke das Spaß haben wollen und dann natürlich auch Spaß erleben nicht dem “survival of the fittest” widerspricht. Es geht ja nicht darum jede Kalorie zu sparen, weil jede zuviel verbrauchte dem Gegner bessere Chancen einräumt. Das wäre zu leicht. Es geht auch um schnelles Reaktionsvermögen, um Kraft, um Schnelligkeit, um Ausdauer etc. und die kann nur trainiert werden. Als (leider) ehemaliger Sportler (vielleicht wird es ja auch mal wieder was) weiß ich, dass es sich gemeinsam besser trainiert als alleine und das jedes Training noch so effektiv sein kann, auf die Dauer geht es nur mit Spaß.

  14. #14 MartinB
    29. Juni 2011

    @roel
    Klar, dem stimme ich voll zu – auch Spaß hat evolutionären Sinn.

  15. #15 Geoman
    29. Juni 2011

    Vielen darwinistischen Adaptionisten scheint bezüglich der existenziellen Bedeutung des Energieverbrauches die Geschichte oder der Mythos vom Gepard im Hinterkopf herumzuschwirren, der angeblich nach zwei oder drei erfolglosen Hochgeschwindigkeitsjagden tot umfällt oder doch zumindest elendig verhungert. Kein Wunder, dass da der Spaß und der Übermut auf der Strecke bleibt…

  16. #16 MartinB
    29. Juni 2011

    “Mythos vom Gepard im Hinterkopf herumzuschwirren, der angeblich nach zwei oder drei erfolglosen Hochgeschwindigkeitsjagden tot umfällt oder doch zumindest elendig verhungert.”
    Meines Wissens ist es so, dass Geparden eine sehr niedrige Erfolgsquote von (soweit ich mich erinnere) 20% oder weniger haben. Und nach jedem Sprint müssen sie eine Weile verschnaufen, weil sie eine Sauerstoffschuld in den Muskeln aufbauen. Zudem werden sie ziemlich leicht von anderen Raubtieren von ihrer Beute vertrieben. Gut beschrieben in Joy Adamsons Buch über die Gepardin Pippa (das ich als Teenager gelesen habe, deswegen sind die Details nur vage).

    Woher das komische Darwinisten-Zerrbild kommt, weiß ich nicht…

  17. #17 Geoman
    29. Juni 2011

    Der Gepard ist Träger diverser biologischer Mythen. So wurde behauptet, dass der Gepard so bedroht oder gefährdet sei, weil er genetisch so ‘einfältig’ bzw. in seiner Vergangenheit durch einen genetischen Flaschenhals gegangen sei, was ihn anfällig für Krankheiten etc. mache. Tatsächlich geht es dem Geparden überall dort sehr gut, wo man die Löwen bejagt oder kurz hält, was dann wieder zu ihren Erinnerungen passt.

  18. #18 Noblinski
    29. Juni 2011

    Das “komische Darwinisten-Zerrbild” mag daher kommen, daß man gerne annimmt, was logisch erscheint. Es ist aber nicht alles logisch in der Natur. Warum kriecht eine hungrige Schnecke in der Nacht meterweit durch Futter aller Art, steigt dann mühsam auf der Terasse die Außenwand eines Blumenkübels hinauf, nur um die paar Blüten von meinen Lobelien abzufressen. Man könne meinen, es macht ihr Spaß?

    Verstehe leider unseren Spam-Filter nicht – vielleicht mag der den namen “Noblinski” nicht?

  19. #19 Jörg Friedrich
    30. Juni 2011

    Ich glaube das Problem ist dass man als Außenstehender das Gefühl bekommen kann, dass Evolutionsbiologen um jeden Preis das Darwinsche Prinzip des “Survival of the fittest” erhalten wollen. Der Preis ist, dass das Attribut “fittest” immer mehr aufgeweicht wird. Vielleicht glauben die Wissenschaftler, dass der Kreationismus sofort siegen würde, wenn man dieses Prinzip in der öffentlichen Präsentation der Erkenntnisse aufgibt (meiner persönliche Erfahrung nach spielt das prinzip in der eigentlichen Forschung gar keine große Rolle).

    Nicht jede Entwicklung in der Evolution muss auf die Fittness einzahlen, sie darf sicherlich sicher nicht nachhaltig schaden. Manche sind neutral, bei anderen wird der Schaden durch Überfluss in den Umweltbedingungen ausgeglichen. Das ist doch gar nicht schlimm.

    Ein anderes Problem ist, dass die rede vom “Survival of the fittest” den Wettbewerbsgedanken unzulässig stärkt. Einer ist der fitteste, die anderen sterben. Das Bild ist von Anfang an schief, spätestens die Modellrechnung zum Räuber-Beute-Modell haben das gezeigt. Wer ist fitter, Hase oder Fuchs? Fuchs oder Wolf oder Hyäne? Letztlich gehen alle diese Arten Kooperationsbeziehungen ein, die Fittness der Hasen in der Vermehrung zahlt positiv auf die Fittness der Füchse in der Ernährung ein, und dass die Hyänen nur die Reste fressen sorgt für gute Lebensbedingungen für alle.

    Darwin hat sicher großes für seine Wissenschaft geleistet, aber deshalb muss man seine Sätze (auch die zentralen) nicht zum Dogma machen.

  20. #20 Jörg Friedrich
    30. Juni 2011

    Ich glaube das Problem ist dass man als Außenstehender das Gefühl bekommen kann, dass Evolutionsbiologen um jeden Preis das Darwinsche Prinzip des “Survival of the fittest” erhalten wollen. Der Preis ist, dass das Attribut “fittest” immer mehr aufgeweicht wird. Vielleicht glauben die Wissenschaftler, dass der Kreationismus sofort siegen würde, wenn man dieses Prinzip in der öffentlichen Präsentation der Erkenntnisse aufgibt (meiner persönliche Erfahrung nach spielt das prinzip in der eigentlichen Forschung gar keine große Rolle).

    Nicht jede Entwicklung in der Evolution muss auf die Fittness einzahlen, sie darf sicherlich sicher nicht nachhaltig schaden. Manche sind neutral, bei anderen wird der Schaden durch Überfluss in den Umweltbedingungen ausgeglichen. Das ist doch gar nicht schlimm.

    Ein anderes Problem ist, dass die rede vom “Survival of the fittest” den Wettbewerbsgedanken unzulässig stärkt. Einer ist der fitteste, die anderen sterben. Das Bild ist von Anfang an schief, spätestens die Modellrechnung zum Räuber-Beute-Modell haben das gezeigt. Wer ist fitter, Hase oder Fuchs? Fuchs oder Wolf oder Hyäne? Letztlich gehen alle diese Arten Kooperationsbeziehungen ein, die Fittness der Hasen in der Vermehrung zahlt positiv auf die Fittness der Füchse in der Ernährung ein, und dass die Hyänen nur die Reste fressen sorgt für gute Lebensbedingungen für alle.

    Darwin hat sicher großes für seine Wissenschaft geleistet, aber deshalb muss man seine Sätze (auch die zentralen) nicht zum Dogma machen.

  21. #21 Jörg Friedrich
    30. Juni 2011

    Ich glaube das Problem ist dass man als Außenstehender das Gefühl bekommen kann, dass Evolutionsbiologen um jeden Preis das Darwinsche Prinzip des “Survival of the fittest” erhalten wollen. Der Preis ist, dass das Attribut “fittest” immer mehr aufgeweicht wird. Vielleicht glauben die Wissenschaftler, dass der Kreationismus sofort siegen würde, wenn man dieses Prinzip in der öffentlichen Präsentation der Erkenntnisse aufgibt (meiner persönliche Erfahrung nach spielt das prinzip in der eigentlichen Forschung gar keine große Rolle).

    Nicht jede Entwicklung in der Evolution muss auf die Fittness einzahlen, sie darf sicherlich sicher nicht nachhaltig schaden. Manche sind neutral, bei anderen wird der Schaden durch Überfluss in den Umweltbedingungen ausgeglichen. Das ist doch gar nicht schlimm.

    Ein anderes Problem ist, dass die rede vom “Survival of the fittest” den Wettbewerbsgedanken unzulässig stärkt. Einer ist der fitteste, die anderen sterben. Das Bild ist von Anfang an schief, spätestens die Modellrechnung zum Räuber-Beute-Modell haben das gezeigt. Wer ist fitter, Hase oder Fuchs? Fuchs oder Wolf oder Hyäne? Letztlich gehen alle diese Arten Kooperationsbeziehungen ein, die Fittness der Hasen in der Vermehrung zahlt positiv auf die Fittness der Füchse in der Ernährung ein, und dass die Hyänen nur die Reste fressen sorgt für gute Lebensbedingungen für alle.

    Darwin hat sicher großes für seine Wissenschaft geleistet, aber deshalb muss man seine Sätze (auch die zentralen) nicht zum Dogma machen.

  22. #22 Ireneusz Cwirko
    30. Juni 2011

    @Geoman “Wenn Brieftauben sich wirksam vor Greifvögelattacken schützen wollen dann Fliegen sie nicht im Schwarm”

    Auch in diesem Fall legen die Erklärungen falsch, einfach aus dem Grund, weil sie entweder den falschen Verständnis der Evolution widerspiegeln oder die heutige falsche Physik verwenden.

    Das Fliegen in Schwarm hat sehr voll eine Begründung in der Physik und zwar den Schwarm kann man als eine Wolke der einzelnen oszillierenden Teilchen betrachten.

    So ein Schwarm bildet ein eigenes Gravitationszentrum und verhält sich wie ein Massenkörper.

    Was die Vögel nutzen ist die Tatsache das ein rotierende Körper auf einem Kreisbahn eine zusätzliche Beschleunigung durch die Rotationskomponente des GH erfährt.
    je enger der Radius ist, desto größer die Rotationskomponente (siehe Flybyeffekt)

    Auf der Erde ist das unter Magnuseffekt wahrnehmbar.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Magnus-Effekt

    Durch Vergrößerung der Frequenz der Flügelschläge wurde eine Vergrößerung des GH innerhalb des Schwarms erreicht. Dadurch wirkt auf die Vögel die Rotationskomponente des GH ein und die Tiere änder die Flugrichtung ohne aktiv zu steuern.

    So könnten die Vögel viel engere Kurven fliegen als die Greifvögel, und sie werden dabei sogar zusätzlich beschleunigt. Sie erreichen also höhere Geschwindigkeiten bei gleichen “Energieaufwand”

    Blieb im Spamfilter hängen, aber zur allgemeinen Belustigung (gibt es eigentlich irgendein Phänomen, dass im Cwirkoversum nicht mit dem “gravitativen Hintergrund” erklärt wird?) schalte ich das mal frei…

  23. #23 Theres
    30. Juni 2011

    @Jör Friedrich
    Wie will man “natürliche Auslese” denn aufweichen?
    Fitness im heutigen Wortsinn ist nicht das Substantiv zu “fittest” im damals gemeinten Sinn, außerdem hat Darwin diesen Begriff nicht zuerst verwendet (siehe https://www.phrases.org.uk/meanings/340400.html ). Natürliche Auslese heißtdas Überleben des am besten Angepassten, grob gesagt – und hat nichts mit Fitnsess zu tun – und Geoman und ähnlich Denkende machen diesen Satz zum Dogma.

  24. #24 MartinB
    30. Juni 2011

    @JF
    “dass Evolutionsbiologen um jeden Preis das Darwinsche Prinzip des “Survival of the fittest” erhalten wollen. ”
    Ich denke, das ist ein Missverständnis. Es wird versucht, Anpassungen mit diesem Prinzip zu erklären, weil es einen Bestandteil der fundamentale Theorie der Biologie darstellt. Deswegen muss es immer wieder geprüft, getestet und gegebenenfalls erweitert werden – das ist gute Wissenschaft.
    Schon die sexuelle Selektion stellt eine Erweiterung dar (die noch von Darwin selbst stammt) – und natürlich gibt es weitere und kann noch mehr geben.

    Falls sich bei einem Merkmal herausstellt, dass es nicht so erklärt werden kann, dann muss man nach anderen Erklärungen suchen – manche Dinge sind vielleicht neutral, manche sind vielleicht sogar selbst schädlich, aber mit nützlicheren Merkmalen gekoppelt.

    Für gute Wissenschaft braucht man doch eine möglichst starke Theorie (oder Hypothese) – eine, die auch falsifizierbar ist.
    “Merkmale können die Fitness steigern oder neutral sein oder vielleicht irgendwie anders selektiert werden” ist in diesem Sinne eben die schwächere (und deswegen weniger nützliche) Hypothese.

    “Wer ist fitter, Hase oder Fuchs?”
    ist übrigens eine völlig falsche Frage – die beiden stehen in keinerlei Konkurrenzkampf.

  25. #25 Jörg Friedrich
    3. Juli 2011

    MartinB, Hase und Fuchs stehen in keinem Konkurrenzkampf? Sagen Sie das mal den Hasen, die versuchen, die Zahl ihrer Nachkommen zu maximieren während der Fuchs versucht, die Zahl seiner Nachkommen zu maximieren indem er mit ihnen kleine Hasen zum Fressen besorgt.

    Größte Fittness bedeutet, die Zahl der wiederum Nachwuchs-Zeugungsfähigen Nachkommen zu maximieren und darin stehen Fuchs und Hase natürlich im Wettbewerb. Die Ressource, um die sie konkurieren, sind die kleinen Hasen.

    Aber ist auch egal.Gute Wissenschaft ist nicht unbedingt, Prinzipien immer wieder anzupassen sondern ihre Bedeutung klar zu bestimmen und ihre Gültigkeitsbereiche möglichst gut zu identifizieren. Nur so ist Falsifizierbarkeit überhaupt möglich. In der Physik ist das ganz üblich, in der Evolutionsbiologie geht man leider (soweit man öffentlich kommuniziert) genau umgekehrt vor.

  26. #26 Jörg Friedrich
    3. Juli 2011

    MartinB, Hase und Fuchs stehen in keinem Konkurrenzkampf? Sagen Sie das mal den Hasen, die versuchen, die Zahl ihrer Nachkommen zu maximieren während der Fuchs versucht, die Zahl seiner Nachkommen zu maximieren indem er mit ihnen kleine Hasen zum Fressen besorgt.

    Größte Fittness bedeutet, die Zahl der wiederum Nachwuchs-Zeugungsfähigen Nachkommen zu maximieren und darin stehen Fuchs und Hase natürlich im Wettbewerb. Die Ressource, um die sie konkurieren, sind die kleinen Hasen.

    Aber ist auch egal.Gute Wissenschaft ist nicht unbedingt, Prinzipien immer wieder anzupassen sondern ihre Bedeutung klar zu bestimmen und ihre Gültigkeitsbereiche möglichst gut zu identifizieren. Nur so ist Falsifizierbarkeit überhaupt möglich. In der Physik ist das ganz üblich, in der Evolutionsbiologie geht man leider (soweit man öffentlich kommuniziert) genau umgekehrt vor.

  27. #27 Jörg Friedrich
    3. Juli 2011

    MartinB, Hase und Fuchs stehen in keinem Konkurrenzkampf? Sagen Sie das mal den Hasen, die versuchen, die Zahl ihrer Nachkommen zu maximieren während der Fuchs versucht, die Zahl seiner Nachkommen zu maximieren indem er mit ihnen kleine Hasen zum Fressen besorgt.

    Größte Fittness bedeutet, die Zahl der wiederum Nachwuchs-Zeugungsfähigen Nachkommen zu maximieren und darin stehen Fuchs und Hase natürlich im Wettbewerb. Die Ressource, um die sie konkurieren, sind die kleinen Hasen.

    Aber ist auch egal.Gute Wissenschaft ist nicht unbedingt, Prinzipien immer wieder anzupassen sondern ihre Bedeutung klar zu bestimmen und ihre Gültigkeitsbereiche möglichst gut zu identifizieren. Nur so ist Falsifizierbarkeit überhaupt möglich. In der Physik ist das ganz üblich, in der Evolutionsbiologie geht man leider (soweit man öffentlich kommuniziert) genau umgekehrt vor.

  28. #28 Theres
    3. Juli 2011

    Rotfüchse in unseren Breiten fressen bevorzugt Mäuse, keine größeren Beutetiere, und wie ich öfter beobachten kann, sind sie in der Stadt an der Mülltrennung interessiert. Hasen wurden selten, Kaninchenbauten sind schwer auszugraben … Wären Füchse weniger anpassungsfähig, wären sie nicht so erfolgreich.
    Ach, siehe auch: https://www.natur-lexikon.com/Texte/HWG/001/00065/HWG00065.html

    Mal davon abgesehen ist Wissenschaft, die neusten Erkenntnisse zu berücksichtigen, in der Evolutionsbiologie genau wie in der Physik.

  29. #29 MartinB
    4. Juli 2011

    @JF
    “MartinB, Hase und Fuchs stehen in keinem Konkurrenzkampf?”
    Nein, nicht im evolutionären Sinne. Konkurrieren können Lebewesen ähnlicher ökologischer Nischen, nicht ein Pflanzenfresser mit einem Beutegreifer.
    Der “Kampf ums Dasein” findet vor allem zwischen Individuen derselben Art oder zwischen ähnlichen Arten statt – wenn Füchse mehr Hasen fressen, profitieren vielleicht die Kaninchen.

    “in der Evolutionsbiologie geht man leider (soweit man öffentlich kommuniziert) genau umgekehrt vor.”
    Das halte ich für eine vollkommen verfehlte Überzeugung – gibt es dafür Belege?

  30. #30 Geoman
    4. Juli 2011

    Ich würde sagen, dass Fuchs und Hase gerade im evolutionären Sinne konkurrieren bzw. in einem Wettbewerb stehen, denn Hasen haben ja nicht wegen anderer Hasen oder wegen der Kaninchen, sondern wegen Beutgreifern wie dem Fuchs das Hakenschlagen erfunden.

  31. #31 MartinB
    4. Juli 2011

    @Geoman
    Sie verwechseln evolutionäres Wettrüsten bzw Umweltbedingungen mit evolutionärer Konkurrenz.
    Ein Pferd konkurriert auch nicht mit dem Boden, nur weil es zum Laufen auf Boden adaptierte Hufe hat.

  32. #32 Geoman
    4. Juli 2011

    Mit wem ich im Wettbewerb stehe, mit dem konkurriere ich auch. Mir scheint der Begriff Konkurrenz in der Biologie kein eindeutig definierter Fachbegriff zu sein. Und Sie wollen doch hier wohl nicht zu Begriffsphilister werden, oder?

    Im Übrigen konkurrieren Pferde nicht mit dem Boden, sondern mit eher mit Wölfen. Und Räuber-Beutesysteme kann man meines Erachtens auch als Form der Konkurrenz bezeichnen.

  33. #33 MartinB
    4. Juli 2011

    “Und Räuber-Beutesysteme kann man meines Erachtens auch als Form der Konkurrenz bezeichnen.”
    Warum sollte das sinnvoll sein?
    Pferde und Wölfe stehen nicht in einem evolutionären Wettbewerb – der Wolf ist für das Pferd ein Umweltfaktor, der Anpassungen erfordert, ganz ählich wie der Boden. Für solche Situationen kann man den Begriff “Evolutionäres Wettrüsten” verwenden, man kann auch über Ko-Evolution reden (die Red-Queen-Hypothese), aber evolutionäre Konkurrenz im eigentlichen Sinne ist es nicht.

    “Sie wollen doch hier wohl nicht zu Begriffsphilister werden, oder?”
    Wenn Begriffe beliebig werden, werden sie sinnlos. Und es ist ein bisschen seltsam, den Biologen vorzuwerfen, sie würden die Evolutionstheorie immer weiter aufweichen und dann selbst vollkommen unscharfe Begriffe zu verwenden.

  34. #34 Geoman
    4. Juli 2011

    Das sollte schon alleine deshalb sinnvoll sein, um Sie in Ihrem naiven darwinistischen Adaptionismus zu irritieren: Die Aussage, dass Hufe eine Anpassung daran sind, dass es Boden gibt, ist in etwa so sinnig und spekulativ, wie zu behaupten, dass das Gehirn eine Anpassung daran ist, dass es Geist gibt, oder Religion ein Anpassung daran, dass es Gott gibt.

  35. #35 MartinB
    4. Juli 2011

    “Die Aussage, dass Hufe eine Anpassung daran sind, dass es Boden gibt, ist in etwa so sinnig und spekulativ”
    Naja, das stammt nicht von mir sondern von Konrad Lorentz (Der Huf ist ein Abbild es Bodens) und war ein Aspekt der evolutionären Erkenntnistheorie.

    “ist in etwa so sinnig und spekulativ, wie zu behaupten, dass das Gehirn eine Anpassung daran ist, dass es Geist gibt”
    ??? Ich sage es mal in einfachen Worten, dann ist es vielleicht verständlicher: Boden war vor Huf da, Geist nicht vor Gehirn.

  36. #36 rolak
    4. Juli 2011

    Boden war vor Huf da, Geist nicht vor Gehirn

    Das versuch mal einem Dualisten beizubringen, MartinB 😉

  37. #37 Kolev
    21. Juli 2011

    Hallo, ich hätte gern wissen, ob die Falken in Schwarm fliegen, bzw. – welchen Art von Falken?
    Grüße, Did Kolev

  38. #38 MartinB
    21. Juli 2011

    @Kolev
    Habe ich noch nie von gehört – das heißt aber nichts, ich bin jetzt nicht so der Ornithologie-Held…
    Falkenpärchen fliegen soweit ich weiß öfters zusammen.