Im ersten Teil dieser Rezension habe ich von den ersten beiden Kapiteln des Buches erzählt, in denen Feynman das Gravitationsgesetz erläutert und dann am Beispiel des Gravitationsgesetzes über den Zusammenhang zwischen Mathematik und Physik nachdenkt.

In den nächsten zwei Kapiteln betrachtet Feynman zwei grundlegende Themen der Physik: Erhaltungsgrößen und Symmetrien.

Über Erhaltungsgrößen und ihren Zusammenhang mit Symmetrien habe ich neulich bereits etwas geschrieben. Dabei habe ich allerdings die Bedeutung des Begriffs “Erhaltungsgröße” nur sehr kurz angerissen. Feynman ist da wesentlich gründlicher und widmet ihnen ein ganzes Kapitel.

Erhaltungsgrößen
Eine Erhaltungsgröße ist eine Zahl (oder physikalische Größe), die wir für ein physikalisches System messen können und die sich im Laufe der Zeit nicht ändert.

Feynman beginnt mit der elektrischen Ladung – eine einfache Erhaltungsgröße, die noch dazu den Vorteil hat, dass sie in “Paketen” kommt – es gibt in der Natur nur ganzzahlige Vielfache einer grundlegenden Ladungseinheit. An diesem Beispiel zeigt er einen weiteren schönen Zusammenhang in der Physik auf: Eine Erhaltungsgröße ist immer eine lokale Erhaltungsgröße. Lokal bedeutet, dass elektrische Ladung nicht einfach in meinem Zimmer verschwinden und in eurem wieder auftauchen kann, ohne den Raum dazwischen zu erklären.

Innerhalb der klassischen Physik wäre so etwas ohne weiteres möglich, aber wegen der Relativitätstheorie funktioniert das nicht, denn die Ladung, die bei mir verschwindet, müsste ja im selben Moment bei euch auftauchen. Was aber “derselbe Moment” ist, darüber sind sich unterschiedliche Beobachter ja nicht einig – jemand, der mit einer hohen Geschwindigkeit an uns vorbeifliegt, würde die Ladung bei euch auftauchen sehen, bevor sie bei mir verschwindet, und für ihn würde es deshalb keine Ladungserhaltung geben. Wegen der Relativitätstheorie ist also jede Erhaltungsgröße immer auch eine lokale Erhaltungsgröße.

Viel Raum widmet Feynman der Energie als Erhaltungsgröße. Er beginnt mit einer Analogie, die sich auch in den Feynman Lectures wiederfindet: Ein Junge hat 28 Bauklötze in seinem Zimmer. Jeden abend räumt die Mutter hinter ihm auf und zählt dabei die Bauklötze. Eines abends sind es nur 25, aber der Junge verbietet seiner Mutter, in seine geheime Kiste zu schauen. Die Mutter wiedt die Kiste und berechnet, dass die fehlenden Klötze dort drin sind. Dann sind plötzlich Klötze dazugekommen, weil ein Freund welche vergessen hat, dann wieder sind Klötze verschwunden, die im Waschbecken liegen (die Mutter entdeckt sie dadurch, dass sie den Wasserspiegel ansteigen lassen) usw.

Am Ende gibt es also eine Berechnungsvorschrift:
Zahl der Klötze= Klötze die man sehen kann + Zusatzgewicht Kiste geteilt durch Klotzgewicht + Erhöhung Wasserspiegel durch Klotzvolumen + …

So ähnlich ist es auch mit der Energie, mit dem einzigen Unterschied, dass es die “Klötze, die man sehen kann” nicht gibt – anders als gewisse Wissenschaftsoffiziere einen glauben machen wollen, gibt es im Universum keine “reine Energie” – Energie existiert immer in irgendeiner Form. Darüber habe ich übrigens auch schon vor längerer Zeit was geschrieben.

Als Beispiel dafür, was man mit der Energieerhaltung anfangen kann, verwendet Feynman sie, um das altbekannte Hebelgesetz herzuleiten. Wieder ein Fall, in dem es sehr viele verschiedene Möglichkeiten gibt, ein Gesetz zu verstehen – basiert das Hebelgesetz nun auf einem Kräftegleichgewicht oder auf der Energieerhaltung? Beides ist richtig, und es ist müßig sich zu fragen, welcher Ansatz nun fundamentaler ist.

Auch die Energieerhaltung kann man wieder nehmen, um neue Dinge herauszufinden: Wenn zum Beispiel Quasare unglaubliche Mengen an Energie abgeben, was ist dann ihre Energiequelle? Würden wir die Energieerhaltung nicht über den Bereich hinaus anwenden, in dem wir sie experimentell getestet haben, dann würden wir vielleicht mit den Schultern zucken und sagen “Ja, gut, für Quasare gilt sie halt nicht”. Nein, wir wenden Gesetze immer auch in Bereichen an, in denen sie noch nicht getestet sind:

How is it possible that
we can extend our laws into regions we are not sure about?
Why are we so confident that, because we have checked the
energy conservation here, when we get a new phenomenon
we can say it has to satisfy the law of conservation of energy ?
Every once in a while you read in the papei that physicists
have discovered that one of their favourite laws is wrong.
Is it then a mistake to say that a law is true in a region where
you have not yet looked? If you will never say that a law is
true in a region where you have not already looked you do
not know anything. If the only laws that you find are those
which you have just finished observing then you can never
make any predictions. Yet the only utility of science is to
go on and to try to make guesses. So what we always do is
to stick our necks out, and in the case of energy the most
likely thing is that it is conserved in other places.
[Wie ist es möglich, dass wir unsere Gesetze in Bereiche erweitern, bei denen wir us nicht sicher sind? Warum sind wir so zuversichtlich dass wir, weil wir die Energieerhaltung hier geprüft haben, auch bei einem neuen Phänomen sagen können, dass es die Energieerhaltung erfüllen muss? Ab und zu liest man in einer Zeitung dass Physiker herausgefunden haben, dass eins ihrer liebsten Gesetze falsch ist. Ist es deshalb ein Fehler zu sagen, ein Gesetz sei korrekt in einem Bereich wo man noch nicht nachgeschaut hat? Wenn man nie sagt, dass ein Gesetz in einem Bereich, in dem man noch nie nachgeschaut hat, korrekt ist, dann weiß man gar nichts. Wenn die einzigen Gesetze, die man kennt, die sind, die man gerade beobachtet hat, dann kann man nie Vorhersagen machen. Aber der einzige Nutzen der Wissenschaft ist es, loszugehen und Vorhersagen zu machen. Deshalb lehnen wir uns immer weit aus dem Fenster, und im Fall der Energie ist es am wahrscheinlichsten, dass sie auch anderswo erhalten ist.]

Das ist einer der zentralen Punkte, die von vielen Leuten nie richtig gewürdigt werden – auch hier in den Kommentaren auf den Scienceblogs merkt man das häufig. Physikalische Gesetze sind immer Verallgemeinerungen über das tatsächlich getestete hinaus. Wahrscheinlich hat noch nie jemand das Gravitationsgesetz für ein rosa-grün gestreiftes Fahrrad mit Bananensattel und Rennlenker getestet – muss ich mir deshalb sorgen machen, dass ich abhebe, wenn ich mir morgen eins zusammenschraube? Die Physik muss immer mit diesem Dilemma leben, dass wir einerseits Gesetze extrapolieren müssen (ansonsten würden wir nie etwas neues und interessantes herausbekommen), dass wir aber andererseits bei dieser Extrapolation niemals ganz sicher sein können, was passiert. (Im Fall des geschacksverirrten Fahrrads stehen die Chancen für einen E.T.-mäßigen Flug aber eher schlecht…)

Symmetrien
Im vierten Kapitel behandelt Feynman dann Symmetrien, also die Tatsache,
dass sich die Gesetze der Physik unter bestimmten Veränderungen nicht ändern. Der Reihe nach geht es um die Unveränderlichkeit bei einer Ortsveränderung, bei einer Veränderung der Anfangszeit eines Experiments (wobei er darauf hinweist, dass das für das Universum als Ganzes nicht gilt, weil das Universum einen Anfang hatte), und die Symmetrie gegenüber Rotationen. In Analogie dazu gibt es einen kleinen Ausflug in die spezielle Relativitätstheorie, die letztlich auch eine Symmetrie ist – die Gesetze der Physik sind unabhängig von einer konstanten Geschwindigkeit, sie sind dieselben für jemanden, der “ruht” wie für jemanden, der sich mit konstanter Geschwindigkeit am “ruhenden” Beobachter vorbeibewegt – weswegen man letztlich nie definieren kann, wer es denn nun ist, der “ruht”.

Nach diesem eher konventionellen Abschnitt – den viele Physikerinnen sicher ganz ähnlich geschrieben hätten – kommt dann wieder ein typischer Feynman-Blickwinkel: Eine weitere Symmetrie in der Natur besteht darin, dass wir gleichartige Elementarteilchen austauschen können, ohne dass sich etwas ändert. Elektronen kann man zum Beispiel nicht unterscheiden, sie sind alle gleich. Was sind gleichartige Elementarteilchen? Solche, bei deren Austausch sich nichts ändert. Ist das eine Tautologie? “Nein!”, sagt Feynman, denn diese Aussage beinhaltet, dass es solche Teilchen gibt. Und dass man Elementarteilchen oder Atome in Gruppen einteilen kann, so dass alle Mitglieder einer Gruppe absolut identisch sind, hat natürlich weitreichende Auswirkungen.

Nach diesen vielen Symmetrien diskutiert Feynman Symmetrien, die in der Natur nicht vorkommen – damit die Leserinnen nicht denken, in der Natur sei alles symmetrisch gegen alles. Beispielsweise ist die Natur nicht symmetrisch, wenn man die Längenskala ändert – das habe ich am Beispiel Biologie auch mal erklärt.

Auch gegen eine Rotation mit konstanter Drehgeschwindigkeit ist die Natur nicht symmetrisch – wir merken diese Rotation an der Zentrifgalkraft. Feynman diskutiert kurz das Mach-Prinzip, nach dem wir nichts mehr merken würden, wenn wir das gesamte Universum mitrotieren, aber – typisch Feynman – hält sich mit dem Problem nicht lange auf, weil es keine experimentell überprüfbaren Vorhersagen macht. (Das ist eine der Besonderheiten von Feynman – obwohl selbst theoretischer Physiker, sucht er immer den Kontakt zum Experiment. Deswegen hielt er auch nie viel von der Stringtheorie.)

Den letzten Teil dieses Kapitels widmet er der Spiegelsymmetrie – ist die Natur unter Spiegelung symmetrisch? Er macht einen Ausflug in die Biochemie, weil es in der Natur nur eine von zwei möglichen symmetrischen Formen von Zuckermolekülen gibt (Zuckermoleküle sind “chiral”), und diskutiert, dass das letztlich ein historischer Zufall war, nichts weiter.

Aber es gibt tatsächlich Experimente, die die Spiegelsymmetrie verletzen. 1964, als Feynman die Vorträge hielt, war das eins der heißesten Physik-Themen übrhaupt – Ludmilla hat darüber vor einiger Zeit was geschrieben. 1964 waren aber die Zusammenhänge noch nicht so klar wie heute, und gerade die CP-Verletzung war absolutes Neuland.

Nach einem kurzen Ausflug zum Noether-Theorem kommt Feynman noch einmal auf die Spiegelsymmetrie zurück. Das Kapitel schließt mit der – auch heute noch letztlich ungeklärten – Frage, warum die Natur zu 99,99% spiegelsymmetrisch ist, aber eben nicht ganz.

Kommentare (12)

  1. #1 Dr. Webbaer
    31. Juli 2011

    Beispielsweise ist die Natur nicht symmetrisch, wenn man die Längenskala ändert – das habe ich am Beispiel Biologie auch mal erklärt.

    Leserwunsch: Wenn Sie Bedarf sehen, dürfen Sie gerne einmal die Symmetrie im Sinne der Naturlehre erneut erklären, die einer Wiederherstellung eines Zustandes in einem gleich erscheinenden Zustand gleichzukommen scheint, wobei sich hier Fragen zu Ihrem Beispiel ergeben und die Frage, wie ein Zustand, der beim Beobachtenden ja immer nur als Ausschnitt ankommen kann, nicht als Vollbild, als ‘gleich’ bestimmt werden kann und wie die wegen der Ausschnittartigkeit bestehenden Unsicherheiten bearbeitet, in diesem Fall anscheinend ausgeschlossen wurden.

    MFG
    Dr. Webbaer

  2. #2 Sascha Vongehr
    1. August 2011

    “die bei mir verschwindet, müsste ja im selben Moment bei euch auftauchen. Was aber “derselbe Moment” ist, darüber sind sich unterschiedliche Beobachter ja nicht einig – jemand, der mit einer hohen Geschwindigkeit an uns vorbeifliegt, würde die Ladung bei euch auftauchen sehen, bevor sie bei mir verschwindet, und für ihn würde es deshalb keine Ladungserhaltung geben. Wegen der Relativitätstheorie ist also jede Erhaltungsgröße immer auch eine lokale Erhaltungsgröße.”
    Dies ist so nicht richtig. Wenn kein Bezugssystem ausgezeichnet ist, kann man so argumentieren, aber das Verschwinden und Auftauchen sind zwei Ereignisse (space-time events) welche zusammen ein Bezugssystem auszeichnen zu dem es relativ gleichzeitig ist. Relativ zu einem anderen System taucht die Ladung auf bevor sie verschwand, aber solange der Austausch immer bezueglich eines bestimmten Systems ist (e.g. tunnel barrier, Scharnhorst effect metal plates, …), kann nie Information in einen past-light-cone gesendet werden und alles ist in Ordnung.

  3. #3 MartinB
    1. August 2011

    @Sascha
    Verstehe ich nicht. Wenn du schreibst:
    “Relativ zu einem anderen System taucht die Ladung auf bevor sie verschwand”
    dann ist doch in diesem anderen System die Ladung keine Erhaltungsgröße.
    Über Kausalität habe ich ja gar nicht geredet.

  4. #4 Frank Wappler
    1. August 2011

    Martin Bäker schrieb (31.07.11 · 12:00 Uhr):
    > […] ein Fall, in dem es sehr viele verschiedene Möglichkeiten gibt, ein Gesetz zu verstehen – basiert das Hebelgesetz nun auf einem Kräftegleichgewicht oder auf der Energieerhaltung? Beides ist richtig, und es ist müßig sich zu fragen, welcher Ansatz nun fundamentaler ist.

    Wohl eher ein beispielhafter Fall für den müßigen Charakter des “Charakters physikalischer Gesetze”.
    Die Basis des Hebelgesetzes ist doch (hoffentlich) ganz eindeutig und unstrittig, nämlich:

    Die (geometrische) Definition des Begriffes “Hebel”,
    ausgehend von der Definition wie zu messen ist, ob und inwiefern gegebene Beteiligte zueinander “starr” waren; und

    die (geometrische) Definition des Begriffes “Drehung”,
    ausgehend von der Definition wie zu messen ist, ob und inwiefern gegebene Beteiligte zueinander “ruhten”.

    Der Rest ist bloß Dynamik; wobei man die auftretenden konjugierten Größen insbesondere “Drehimpuls” und “Drehmoment” nennt.

  5. #5 Florian W.
    1. August 2011

    Ich habe die deutsche Übersetzung (“Vom Wesen physikalischer Gesetze”) bei mir im Regal stehen, muss aber gestehen, dass es mir doch ein wenig zu abstrakt gewesen ist. Schön hier die Zusammenfassung zu lesen.

    Möchte aber doch noch etwas zur “fehlenden” Würdigung vom extrapolativen Charakter der Physik (und meine Abneigung zur Stringtheorie und Herrn Greene) schreiben.

    Angenommen tief unter einer Wiese ist ein Rohr verlegt ist, bei dem alle 20 Jahre eine Dichtung ausgetauscht werden muss. Wenn es soweit ist, so braucht man einen Landvermesser, der die exakte Stelle ermittelt, wo gegraben werden muß. Hat er alles richtig vorher ausgemessen und findet sich nach dem Grabung dort das Rohr mit der Dichtung ist er der Held – falls er sich irgendwo vertan hat eben nicht.

    Soweit mir bekannt, wurde auch Einstein erst berühmt, als sich bei einer Sonnenfinsternis die Krümmung des Raumes zeigte. Sonst wäre sein Name wohl eher unbekannt.

    Dann gibt es Berufe, die ebenfalls die Natur interpretieren und dann mit viel Aufwand extrapolieren, aber bei denen es eben nicht darauf ankommt, dass nachprüfbare Vorhersagen entstehen, sondern die Extrapolation selbst wird zum gefeierten Werk.

    Wenn z.B. ein Kreationist aus der Einsinktiefe der Mondlandfähre extrapoliert, dass die Erde nur 6000 Jahre alt ist und dies so erläutert, dass dies für Laien logisch klingt, dann kann man wirklich Respekt haben – vor allem wenn das Buch voll von solchen Beispielen aus verschiedenen Bereichen ist.

    Persöhnlich viel schlimmer sind aber Unternehmensberater, die ebenfalls Unsinn von sich bringen – die rhetorisch aber auf einem Level operieren, dass (fast) alle an der Diskussionsrunde Beteiligten bedächtig mit dem Kopf nicken – und man bei kritischen Gegenfragen nur noch giftige Blicke erntet.

    Ich kann nun die Stringtheorie nicht beurteilen. Ebensowenig ob Greene nun ein genialer Physiker ist oder nicht. Ich sehe nur nur die klingt-super-Rhetorik in seinen Büchern und dass die Theorie bisher nicht zu Vorhersagen taugt. Damit ist er für mich in der Quacksalber-Schublade (kann einfach nicht anders).

    Nachtrag zum Kreationisten: Die Argumentation lief darauf zurück, dass bei einem Alter von 4.5 Millarden Jahren, die Staubschicht auf dem Mond viel größer hätte sein müssen – deswegen hat die Fähre auch so große Landefüße gehabt (kann und will ich als Laie nicht beurteilen; entscheidend ist aber, dass es logisch klingt)

  6. #6 MartinB
    2. August 2011

    @FlorianW
    “Soweit mir bekannt, wurde auch Einstein erst berühmt, als sich bei einer Sonnenfinsternis die Krümmung des Raumes zeigte. Sonst wäre sein Name wohl eher unbekannt.”
    Nein – das machte ihn auch außerhalb von Fachkreisen populär – aber ehrlich gesagt, angesichts der Schwierigkeiten bei der Messung der Lichtablenkung an der Sonne habe ich große Zweifel, dass man die ART allein deshalb verworfen hätte. Die Vorhersage der Merkur-Perihel-Drehung war ja auch ein wichtiger Testfall – nur nicht so schlagzeilenträchtig.

    Deine Abneigung der Stringtheorie teilte Feynman übrigens auch. Ich halte ebenfalls wenig von den ganzen Multiversums-Ideen – die sind ja geradezu die Antithese von Ockham’s Razor: Man multipliziert die Entitäten nicht nur, sondern denkt sich gleich unendlich viele, um die Theorie (besser: Hypotehse) zu retten.

  7. #7 fred
    2. August 2011

    Zu den Themen des Buches gibts auch eine sehr schöne Vortragsreihe von Feynman:

    https://research.microsoft.com/apps/tools/tuva/index.html

    Viel Spaß beim angucken!

  8. #8 W.S.
    2. August 2011

    @MartinB:

    Ich halte ebenfalls wenig von den ganzen Multiversums-Ideen – …

    Das muss ja auch keiner 😉 Btw: im neuen SdW steht ein inflationskritischer Artikel, aber wem sage ich das …

    Dessen ungeachtet finde ich den Diskurs um “Das Leben, das Universum und den ganzen Rest” 😉 per se unglaublich spannend. Irgend jemand wird im Lauf der Zeit Belege für die eine oder andere These beibringen. Und — ehrlich gesagt — neige ich der Auffassung mancher Physiker zu, die sich den Kracher wünschen, dass das Higgs unauffindbar bleibt …

  9. #9 Stefan Seider
    2. August 2011

    Hallo Martin,

    zu diesem Punkt habe ich eine Frage:

    “…in die spezielle Relativitätstheorie, die letztlich auch eine Symmetrie ist – die Gesetze der Physik sind unabhängig von einer konstanten Geschwindigkeit, sie sind dieselben für jemanden, der “ruht” wie für jemanden, der sich mit konstanter Geschwindigkeit am “ruhenden” Beobachter vorbeibewegt – weswegen man letztlich nie definieren kann, wer es denn nun ist, der “ruht”. ”

    Nach meinem Eindruck sollte dies streng genommen nur nur für den Augenblick gelten, an dem die Messung stattfindet, beide Beobachter haben ja eine Vorgeschichte, da mindestens einer von beiden vorher beschleunigt wurde. In diesem Rahmen sollte die Situation nur dann symmetrisch sein, wenn beide Beobachter in gleichem Maße in gegenläufige Richtungen beschleunigt wurden. Kann man das so sagen?

    Viel Spaß im Urlaub

    Stefan

  10. #10 MartinB
    3. August 2011

    @WS
    Ja, wenn’s kein Higgs gäbe, das fände ich auch toll, dann müsste man sich was seehr kreatives für’s Standardmodell einfallen lassen.

    Moin Stefan
    “In diesem Rahmen sollte die Situation nur dann symmetrisch sein, wenn beide Beobachter in gleichem Maße in gegenläufige Richtungen beschleunigt wurden. Kann man das so sagen?”
    Das würde ich so nicht sagen: Wenn die Beschleunigung ausgeschaltet wird, bin ich von dem Moment an in einem Inertialsystem und mit dem “unbeschleunigten” Beobachter gleichberechtigt. Es gibt ja keine “Geschihstvariable”, die abspeichert, ob ich irgendwann in der Vergangehheit beschleunigt wurde. Wenn ich einen klassischen Massenpunkt nehme, dann hat der Ort und Geschwindigkeit, und wenn er im freien Fall ohne Schwerkraft ist, dann ist sein Verhalten unabhängig davon, wann er wie beschleunigt wurde.

    Bis denn,

    Martin.

  11. #11 Dr. Webbaer
    4. August 2011

    Persöhnlich viel schlimmer sind aber Unternehmensberater, die ebenfalls Unsinn von sich bringen – die rhetorisch aber auf einem Level operieren, dass (fast) alle an der Diskussionsrunde Beteiligten bedächtig mit dem Kopf nicken – und man bei kritischen Gegenfragen nur noch giftige Blicke erntet.

    Dr. W dachte eher, dass man mit einem Unternehmensberater bewusst einen Sichtenträger einkauft, der rein theoretisch-ideologisch oder statistisch, was sich “ein wenig” unterscheidet, Statistiker und Stochastiker sind abgefeimter, leiden aber ebenso an den Problemen der Ratekunst gerade auch das Prädiktive betreffend (Rückblicke sind natürlich auch spekulativ), vorträgt und gerne gehört wird. [1]

    Der Vergleich ist aber gut. 🙂

    MFG
    Dr. Webbaer

    [1] solange es kein offensichtlicher Powerpoint-Consultant ist

  12. #12 Frank Wappler
    5. August 2011

    MartinB schrieb (03.08.11 · 12:19 Uhr):
    > Wenn die Beschleunigung ausgeschaltet wird, bin ich [als derjenige, der bis dahin beschleunigt wurde] von dem Moment an in einem Inertialsystem und mit dem [schon immer] “unbeschleunigten” Beobachter [mit dem ich erst koinzident war, seit die Beschleunigung ausgeschaltet wurde] gleichberechtigt.

    Das würde ich (nicht mal) so sagen:
    Zur Beurteilung, gegenüber wem der besagte “unbeschleunigte Beobachter” ruhte und (ggf.) weiterhin ruht bzw. wer mit “mir (dem einstmals Beschleunigten)” seit Abschalten der Beschleunigung zu einem Inertialsystem gehört,
    sind (zunächst) nach wie vor die Urteile des “unbeschleunigten Beobachters” über Koinzidenz oder Reihenfolge seiner Wahrnehmungen von Pingsignalen zu anderen Beteiligten maßgeblich; und nicht “meine”.

    > Es gibt ja keine “[Geschichtsvariable]”, die abspeichert, ob ich irgendwann in der Vergangehheit beschleunigt wurde.

    ???
    Aber selbstverständlich doch:
    jedem Beteiligten wird doch (in der RT) zumindest im Prinzip zugestanden, die Reihenfolge seiner (Signal-)Anzeigen in Erinnerung behalten zu können und beurteilen zu können, welche seiner (Wahrnehmungs-)Anzeigen entsprechende Ping-Echos von anderen Beteiligten beinhalteten.
    Genau daraus definiert sich doch, welche Beteiligten ständig zueinander ruhten, bzw. bis zu welcher (Ausschalt-)Anzeige andere Beteiligte demgegenüber “beschleunigt” gewesen wären, usw.

    > Wenn ich einen klassischen Massenpunkt nehme, [… nachdem die Beschleunigung ausgeschaltet wurde, ist sein …] Verhalten unabhängig davon, wann er wie beschleunigt wurde.

    Sofern mit “Verhalten” ausschließlich gemeint ist, dass dieser Massepunkt nun koinzident mit einem Beobachter war, der schon immer ein Mitglied eines Systems zueinander ruhender Beteiligter war und blieb, natürlich — das ist ja durch deine Versuchsanordnung vorgegeben.

    Ansonsten, im weiteren Sinne, ist z.B. das Verhalten einer Kanonenkugel (nämlich: mit wem sie zusammenstößt bzw. mit wem nicht) sehr wohl davon abhängig, gegenüber wem sie ruht nachdem die Beschleunigung ausgeschaltet wurde und gegenüber wem nicht; und demnach auch davon, wann und wie sie vorher beschleunigt wurde.