Schaut man sich die Planeten unseres Sonnensystems an, dann werden sie vom kleinen Merkur aus gesehen zunächst größer (Venus und Erde), weiter Außen kommt dann mit Jupiter der größte von allen, danach werden sie wieder kleiner (Saturn, Uranus, Neptun). Nur der Mars tanzt aus der Reihe, er hat nur etwa den halben Erddurchmesser.

Solare Planeten99.jpg
Von Horst Frank, modifiziert durch Filemon  CC BY-SA 3.0, Link

Modellrechnungen der Entstehung des Sonnensystems konnten dies bisher nicht korrekt wiedergeben. Ein paper in Nature legt jetzt den Grund nahe: Ein Spaziergang des Jupiter ist schuld.

Heutzutage bleiben die Planeten unseres Sonnensystems ja brav auf ihrer Umlaufbahnen. Die der Erde dürfte sich in den letzten Milliarden Jahren kaum verändert haben, sonst wäre es dem Leben auf der Erde schlecht ergangen.

Aber das war nicht immer so: Kurz nach der Entstehung des Sonnensystems war die Umgebung der Sonne noch voll von Gasen, Trümmern und sonstigem Zeugs, das mit den Urplaneten wechselwirkte und so ihre Bahn beeinflusste. So etwa sah es damals aus:

i-028301c8e9f3e0f0480f85a30705e651-main_jupiter-2-lg-thumb-550x440.jpg

(Quelle: NASA)

Man geht davon aus, dass zuerst die großen äußeren Planeten entstanden, also Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun, allerdings noch nicht auf ihren heutigen Umlaufbahnen, sondern dichter an der Sonne als heute, Jupiter zum Beispiel in einer Entfernung von etwa drei Astronomischen Einheiten (=AE, eine AE sind etwa 150Millionen Kilometer, der Abstand Erde-Sonne).

Die Planeten wechselwirkten dabei mit dem Gas. Dabei verloren sie an Drehimpuls, so dass sie dichter an die Sonne heranrückten. (Prinzipiell ist es auch möglich, dass es Planet durch Wechselwirkung mit dem Gas nach Außen wandert, das hängt davon ab, wie genau er mit dem Gas wechselwirkt – der Planet erzeugt beim Umlauf Dichtewellen, in die er dann selbst wieder hineingerät.)

i-a501d9d3f73bbf48fe60932c95de6ae1-WarnschildFormelKlein.jpgMathematische Anmerkung: Wenn ich richtig gerechnet habe (ist für Astronomen vermutlich Standardwissen), dann sieht man das so: Der Drehimpuls ist (für eine Kreisbahn) L=rmv, mit r=Bahnradius, m=Masse, v=Geschwindigkeit.
Nach dem dritten Keplergesetz ist die Umlaufzeit ins Quadrat proportional zum Radius hoch drei
T2~r3.
Die Geschwindigkeit ist Umlaufstrecke durch Umlauffrequenz v =2πr/T, also ist (mit T~r3/2)
v~1/√r
Und damit
L ~ √r
Je kleiner der Drehimpuls, desto dichter ist der Planet also an der Sonne.

Jupiter et al. wanderten also im Sonnensystem nach Innen – dabei räumten sie natürlich kräftig auf und entfernten jede Menge Gase und Teilchen.

Irgendwann kehrte sich die Bewegung aber wieder um. Das geschieht durch Bahnresonanz – durch die Anziehung zwischen Jupiter und Saturn beeinflussen sich die beiden gegenseitig, (sie geraten in ) was letztlich zu einer Wanderung nach Außen führt.

Diese Wanderung des Jupiter könnte erklären, wie die protoplanetare Scheibe im inneren Sonnensystem bei etwa einer Astronomischen Einheit abgeschnitten wurde, so dass für den armen Mars nur wenig Material überblieb. Wenn allerdings Jupiter in dieser Weise durchs Sonnensystem gewandert ist, was ist dann mit dem Asteroiden? Müsste Jupiter den Bereich des Asteroidengürtels nicht leergefegt haben?

Detaillierte Simulationsrechnungen, die vor kurzem in Nature veröffentlicht wurden, zeigen jetzt, dass das nicht so ist. Tatsächlich passierte Jupiter den Bereich des Asteroidengürtels “sanft” genug, dass er diesen dabei nicht zerstörte. Die Simulationsrechnungen zeigen sogar noch mehr: Beim Nach-Außen-Wandern erreichte Jupiter schließlich einen Bereich, in dem viele eishaltige Objekte herumsausten, die der Jupiter in den Asteroidengürtel hineinschickte. Das könnte erklären, warum der Asteroidengürtel aus zwei unterschiedlichen Typen von Asteroiden besteht: Den kohlenstoffreichen C-Typen (die man vor allem im äußeren Bereich findet und die nach diesen Modellrechnungen vermutlich ursprünglich noch weiter außen im Sonnensystem herumschwirrten) und den siliziumeichen S-Typen.

Hier das ganze Szenario ein bisschen quantitativer:

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Unten seht ihr, wie sich der Sonnenabstand (die große Halbachse der Ellipse) im Laufe der Zeit verändert: Jupiter startet knapp außerhalb von drei AE und wandert dann nach Innen. Als er bei etwas mehr als einer AE angekommen ist, gerät er in Resonanz mit Saturn: Saturn rückt dicht an den Jupiter heran und die beiden tanzen dann gemeinsam wieder nach Außen. Oben im Bild seht ihr, wie sich die Masse der Planeten verändert – insbesondere Saturn legt kräftig an Masse zu, während er der Sonne am nächsten ist.

Wie sich die Dichte an Material bei dieser Wanderung veränderte, zeigt das zweite Bild:

i-1b26439f2b0a24c098233cd039de35f8-jupiterMigration2-thumb-550x544.jpg

Hier nimmt die Zeit von oben nach unten zu. Die großen Scheiben sind die Planeten, die roten Punkte sind aus S-Typ-Material, die blauen aus dem kohlenstoffreichen C-Material. Innerhalb der einzelnen Plots zeigt die senkrechte Achse die Exzentrizität an, also wie stark die Bahn von einer Kreisbahn abweicht.

Man sieht sehr schön, wie die Wanderung der Planeten S-Material aus dem Innenbereich der Scheibe nach außen holt und wie umgekehrt blaues C-Material schließlich nach Innen gelangt, wenn die Planeten wieder außen angekommen sind.

Das letzte Teilbild hat gleich zwei Zeitangaben: Zum einen zeigt es Asteroidenmaterial und die großen Planeten nach 600000 Jahren, zum anderen wurde eine Simulation des Innenbereichs des Sonnensystems für 150 Millionen Jahre laufen gelassen um zu zeigen, wie dort die Planeten entstehen. Wie ihr seht, sind diese alle etwa am richtigen Platz, und Mars ist auch tatsächlich kleiner als Erde und Venus.

In der Arbeit wurde nicht nur eine einzige Simulation gerechnet, sondern gleich ein ganzer Haufen von Simulationen – mit einer einzigen könnte man ja womöglich quasi per Zufall ein passendes Ergebnis bekommen. Dabei wurden die Parameter aber immer so gewählt, dass Jupiter bei 1,5 AE seinen sonnennächsten Punkt erreicht – andere Parameter wurden dagegen stark variiert. Es zeigt sich, dass die Ergebnisse robust sind, sich also bei einer Änderung der freien Parameter nicht sehr stark ändern.

Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass Jupiter (im Verbund mit seinen Gasriesenkollegen) unser Sonnensystem formte, als er sich auf einem kleinen Spaziergang die Sonne aus der Nähe ansehen wollte.


Walsh, K., Morbidelli, A., Raymond, S., O’Brien, D., & Mandell, A. (2011). A low mass for Mars from Jupiter’s early gas-driven migration Nature, 475 (7355), 206-209 DOI: 10.1038/nature10201

Eine kurze Erklärung der Simulation (auf Englisch) findet ihr auch hier.

Kommentare (20)

  1. #1 Geoman
    3. September 2011

    Wenn Nature jetzt schon solche detailliert spekulativen Simulationsrechnungen veröffentlicht, dann kann es nicht mehr lange dauern, bis sich Nature Velokovsky’s ‘Worlds in Collision”-Spekulationen annimmt. Die handeln schließlich auch von ‘Weltraumspaziergängen’ unserer Planeten. Im Ernst: Wie lange ist nach Ihrer Einschätzung die Halbwertzeit von solchen spekulativen Simulationsrechnungen?

    Es ist doch absehbar, dass sie durch irgendeine neue (vielleicht sogar schon vorhandene) Beobachtung bald einen Platz in der Unterwelt einer wissenschaftlichen Klamottenkiste finden. Was ist über die Entstehung unseres komischen Planetensystems bzw. der seltsamen Anordnung der Planeten in der Vergangenheit nicht schon alles spekuliert worden und nichts davon hatte Bestand.

    Ich fände es besser, wenn Sie zu Beginn einer, wenn auch an prominenter Stelle veröffentlichten neuen Spekulation, sich etwas ausführlicher mit den Problemen bzw. der aussichtslosen Geschichte ihrer Lösung beschäftigen. Sonst bleiben Sie auf dem wissenschaftshistorisch unbefriedigenden Niveau von Freistetter stehen, der immer wenn was Neues zu einer Thematik, die ihn interessiert, publiziert wird, schreibt: Ups, gestern habe ich noch berichtet, dass …aber nun muss ich lesen…!

  2. #2 Dr. Webbaer
    3. September 2011

    Ischt halt eine “Rückwärts-Statistik”, die bezogen auf hoch komplexe (“chaotische”) Systeme eine begrenzte Aussagekraft hat. – Nichts dagegen einzuwenden, ist anthropogen, aber es bleibt halt so eine Sache.

    MFG
    Dr. Webbaer (der gestern noch ‘Armageddon’ mit Bruce Willis gesehen hat, gu-uter Film)

  3. #3 MartinB
    3. September 2011

    @geoman
    “Ich fände es besser…”
    Ist mir ehrlich gesagt egal, was Sie besser finden.

    Und was Sie für absehbar halten, ist auch von keiner Sachkenntnis getrübt.

    Können Sie sich nicht mit dem Webbär irgendwo anders unterhalten, z.B. auf den Kulturblogs?

  4. #4 Johannes K.
    3. September 2011

    @MartinB Wie immer guter Beitrag. Ich verstehe nicht was manche Leute für komische Ansichten vertreten. Es ist doch völlig irrelevant ob die dargestellten Publizierten Artikel wirklich der “Wahrheit” entsprechen. Wenn man nach dem ginge dürfte man auch nichts über so gut wie jede Theorie, wie zb die Relativitätstheorie schreiben, da keine Theorie bisher den Anspruch erfüllt alles perfekt zu beschreiben.

  5. #5 MartinB
    3. September 2011

    @JohannesK
    Geoman hält sich, wie es scheint, für einen Wissenschaftskritiker – meist nur bei Evolutionsthemen. Leider haben die Kritiken, wie sich beim Nachfragen zeigt, wenig Substanz.

    Den text des Bären hab ich nicht gelesen.

  6. #6 SCHWAR_A
    3. September 2011

    @MartinB:
    Mir ist nicht ganz klar, was eigentlich mit dem Drehimpuls passiert. Der nimmt ab während Jupiter sich der Sonne nähert, OK, aber wo geht der denn hin? Das ist ja eine Erhaltungsgröße – also muß doch Jupiter zu der Zeit “wahnsinnig” schnell rotiert haben, oder?

  7. #7 MartinB
    3. September 2011

    @SCHWAR_A
    Nein, der Drehimpuls beim Annähern landet im Gas und den Trümmern, mit der Planetenrotation hat das nichts zu tun. Deswegen werden die Trümmer ja auch rumgestreut. Wenn ich es richtig verstehe, sieht man das z.B. an der zunehmenden Exzentrizität der Trümmer – je exzentrischer eine Bahn, desto höher der Drehimpuls:
    https://en.wikipedia.org/wiki/Orbital_eccentricity

    Wie das beim Nach-Außen-Laufen funktioniert, weiß ich ehrlich gesagt nicht – den Mechanismus, mit dem Saturn und Jupiter wegen ihrer Resonanz nach außen tanzen, habe ich nicht wirklich verstanden.

  8. #8 SCHWAR_A
    3. September 2011

    @MartinB:
    danke.

    Wie das beim Nach-Außen-Laufen funktioniert, weiß ich ehrlich gesagt nicht

    Könnte es sein, daß der Mechanismus ähnlich ist wie der, bei dem sich der Mond immer mehr von der Erde entfernt, also quasi Gezeitenkräfte? Und das im Wechselspiel zwischen allen großen äußeren Planeten?
    Weiß man denn was über deren früheren Eigenrotationen?

  9. #9 nihil jie
    3. September 2011

    mal so eine Frage… Welche Dichte hätte den so eine Protoscheibe aus Gas und Staub, wie zb. die auf dem hypothetischen Bild ? Wie könnte man so etwas herleiten… durch die uns bekannten und addierten Massen der uns bekannten Objekte im System ?

  10. #10 perk
    3. September 2011

    @nihil jie im paper steht:

    In that simulation, the gas surface density was 100 g cm2 at 15 AU (in between two common estimated values 32, 33) and, inwards of this radius, it was carved by the presence of the two planets, with Jupiter at 5.2 AU (solid curve in Fig. S1). However, we are modeling the migration of Jupiter from its starting location down to 1.5 AU and then out to 5.4 AU. Thus, the gas profile needs to change as the planets migrate. We use the fact that the gas profile must be invariant with the location of Jupiter if the latter is assumed to be the unit of distance; moreover, assuming that the unperturbed surface density of the disk is proportional to 1/r, we scale the surface density profile by the factor 5.2/rJup, where rJup is the orbital radius of Jupiter in AU.

  11. #11 perk
    3. September 2011

    achso referenzen 32 und 33:

    32. Hayashi, C. Structure of the Solar Nebula, Growth and Decay of Magnetic Fields and Effects of Magnetic and Turbulent Viscosities on the Nebula. Progress of Theoretical Physics Supplement 70, 35–53 (1981).
    33. Weidenschilling, S. J. The distribution of mass in the planetary system and solar nebula. Astro. and Space Sci. 51, 153–158 (1977).

  12. #12 nihil jie
    3. September 2011

    @perk

    als ich gesehen habe, dass das Papier in englisch ist, dachte ich mir ich spare mir das lesen. aber jetzt nach dem kurzem Ausschnitt muss ich feststellen, dass ich es doch einigermaßen verstehen kann 🙂

  13. #13 Christian
    3. September 2011

    Wenn ich die Simulation und die quantitativere Graphik anschaue, dann entnehme ich daraus, dass Neptun und Uranus in der Zukunft noch schwerer werden könnten und die vier Gasplaneten noch geringförmig nach außen wandern?

  14. #14 perk
    3. September 2011

    @christian

    ja das ist richtig nach dem zeitpunkt 600 kyr (600.000 jahre nach simulationsstart) wandern neptun und uranus noch nach außen und werden schwerer

    heute leben wir aber n paar milliarden jahre danach und da ist alles schon stabilisiert

    in der einen grafik ist ja auch die situation bei 150 millionen jahren als vergleich angegeben um zu zeigen wie dann alles aussieht wenn es stabilisiert ist und die planeten ihre endgültige masse erreicht haben

  15. #15 Engywuck
    4. September 2011

    interessant ist auch, dass hier (also ganz ganz früh in der Entstehung des Sonnensystems) die äußeren Planeten in der uns bekannten Reihenfolge Jupiter-Saturn-Uranus-Neptun auftreten. Etwas später war dann Neptun “innerhalb” Uranus und wanderte erst durch eine weitere Jupiter-Saturn Resonanz nach außen. Jedenfalls wenn ich https://www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2009/11/wenn-planeten-wandern-gehen-planetare-migration.php richtig verstanden habe (da spielen dann noch diverse Asteroiden/Kometen mit rein)
    Das heißt Uranus/Neptun müssten zweimal die Plätze getauscht haben. Korrekt?

  16. #16 Nob
    4. September 2011

    Das ist eine faszinierende Geschichte. Laut Wikipedia hat Jupiter heute einen vermuteten Gesteinskern von ca. 20 Erdmassen, ist doch wenig, oder? Ansonsten alles nur Gas. Wird so ein Gebilde nicht in der relativen Nähe zur Sonne “nackig” geblasen? Und auch von der protoplanetaren Staubscheibe weiß man doch nicht so genau, ob sie relativ zu den Planeten ruhte oder sich drehte, das ist aber wichtig. Vielleicht ruhte sie anfangs, holte so die Großplaneten so abbremsend nach innen, und drehte sich erst später vollständig mit?

    Tut mir Leid, das hing im Spamfilter. Ich habe ihm schon gesagt, er soll dir vertrauen, aber das hilft anscheinend nichts…

  17. #17 Dr. Webbaer
    4. September 2011

    Niemand hat etwas gegen Rückrechnungen und Statistik, allerdings sind diese verwandt mit der Prognostik und insofern naturbedingt spekulativ oder – volksnah, aber nicht populistisch formuliert: Spekulatius: – “Man geht davon aus”, das gute alte “Könnte” und dazu das “Es ist also nicht unwahrscheinlich” weisen den Weg.

    Dementsprechend klare Hinweise sind ja auch erfolgt, vielen Dank an dieser Stelle, das Wesen der Rückschau ist eben ein Besonderes…

    MFG
    Dr. Webbaer

  18. #18 pate
    4. September 2011

    was ich an dem Diagram nicht ganz verstehe – Warum verändert Jupiter während der Migration seine Masse eigentlich nicht? Müsste er nicht ebenfalls schwerer werden so wie die anderen Gasplaneten?

  19. #19 perk
    5. September 2011

    ach webbaer, als bote der inkonkretia (schwester der inkontinentia) sollte man über spekulatius lieber keine worte verlieren, sie haben in inzwischen schon ca einem dutzend diskussionen, die ursprünglich oder erst durch ihre einwürfe um den islam gingen, nur mit spekulationen argumentiert und sich nach jeder frage nach konkreten daten in endlosen rückzugsgefechten davongemacht…

    dies ist der grund warum sie hier niemand mehr ernst nimmt und sie sich weitere antworten eigentlich auch sparen können

  20. #20 MartinB
    11. September 2011

    @Nob
    Kann ich persönlich nicht beantworten, dazu fehlt’s mir an Detailwissen. Ich gehe mal optimistisch davon aus, dass die Leute, die solche Rechnungen machen, diese Effekte auf der Reihe haben.