…und das ist eine kleine wissenschaftliche Sensation.
Früher war das Weltbild der Biologen einfach – jedenfalls was Knochen angeht. Es gab die altmodischen langsam wachsenden wechselwarmen Tiere wie Eidechsen, Schildkröten und das ganze Schuppenviehzeugs, und dann gab es die modernen, total hippen und schnell groß werdenden gleichwarmen Säugetiere und Vögel.

Und diesen Unterschied konnte man – so dachte man jedenfalls – auch direkt an den Knochen sehen. Die ollen wechselwarmen Tiere mit ihrem langsamen Wachstum werden durch schlechte Zeiten stark beeinträchtigt. In unseren Breiten pennen Schlangen und Eidechsen eh den größten Teil des Winters, weil es da einfach zu kalt für sie ist, und das sieht man dann auch an den Knochen: Diese zeigen Wachstumslinien, auch LAGs genannt (LAG=Line of Arrested Growth, also Linie gestoppten Knochenwachstums). So sieht so ein Knochen mit LAGs (von einem Skink) aus:
i-c83c527f67d3214d63d64e76ea8f698b-LAGskink.jpg
(Quelle)

Das Bild (leider habe ich kein besseres mit LAGs in einem heutigen Reptil gefunden) zeigt einen Knochenquerschnitt, die Pfeile markieren die Wachstumslinien. Ein bisschen erinnert das Ganze an die Jahresringe von Bäumen.

Bei Säugetieren dagegen erwartete man keine solchen LAGs – Säugetiere haben schließlich die Effizienz gepachtet und sind überhaupt das tollste, was die Evolution je hervorgebracht hat. Solche Supertiere wachsen als Jungtiere schnell und auch im Winter machen sie keine Wachstumspause. Säugetierknochen sollte also LAG-frei sein. Man hat dieses Bild an einigen Knochen auch bestätigt gefunden und damit war die Sache erledigt.

O.k., nun könnte man natürlich mit Fug und Recht sagen, dass diese Feinheiten der Knochenstruktur ziemlich irrelevant sind, aber das ist nicht so ganz richtig. Sie haben nämlich Auswirkungen in dem wichtigsten Teilgebiet der Biologie überhaupt, nämlich der Dino-Forschung. (Hält da etwa jemand ein anderes Gebiet der Biologie für wichtiger?? Häretiker!!!)

Die Debatte, ob die Dinosaurier eher gleichwarme Tiere mit hoher Stoffwechselrate oder eher wechselwarme Tiere mit niedriger Stoffwechselrate oder irgend etwas dazwischen waren, tobt seit knapp 50 Jahren, seit nämlich John Ostrom den berühmten Deinonychus analysierte und fand, dass dessen Skelett nicht so richtig gut zu der Idee passte, dass sich Dinosaurier eher im Zeitlupentempo bewegten, wie man damals noch oft annahm. (Es gab ja Schätzungen, nach denen auch die agilsten Laufsaurier weniger als 10 km/h schnell waren – denen hätte selbst ich dann weglaufen können.) Ostrom setzte seinen Doktoranden Bob Bakker auf dieses Problem an, der dann zahlreiche (zum Teil aber sehr umstrittene) Hinweise darauf fand, dass Dinosaurier gleichwarme Tiere mit hohem Stoffwechsel waren. (Und hier ist ausnahmsweise mal der Doktorand derjenige, der berühmt wurde, nicht so sehr der betreuende Professor, was aber sicher auch an der etwas exzentrischen Art von Bob Bakker liegt, der ist so ein bisschen das enfant terrible der Dino-Paläontologen, bei dem geniale Ideen und überzogene Abstrusitäten manchmal eng benachbart sind. Lesetipp: Bakkers Buch “Dinosaur Heresies” – inzwischen 25 Jahre alt und stellenweise auch entsprechend veraltet, aber immer noch gut zu lesen.)

Die Debatte geht seit dem hin und her, wobei sie in den letzten Jahren wohl immer mehr zur Seite derer neigt, die einen hohen Stoffwechsel und gleichwarme Dinosaurier für plausibel halten. Ein Argument der Gegenseite war aber, dass eben viele Dinosaurierknochen zwar eine Struktur hatten, die auf schnelles Wachstum hindeutete, dass sie oft aber auch deutliche LAGs zeigten. (Allerdings nicht alle, wie ich neulich schon mal gezeigt habe.)

Und in dem einfachen Weltbild, nach dem wechselwarme Tiere LAGs haben und gleichwarme wie Säugetiere nicht, ist dies dann ein Hinweis darauf, dass Dinosaurier vielleicht doch wechselwarm waren.

In den letzten Jahren hat man aber immer mehr Zweifel an diesem einfachen Bild gehabt. Beispielsweise hat man Urzeitvögel aus der Kreidezeit gefunden, die auch Knochen mit LAGs zeigten, bei denen es aber eher unwahrscheinlich ist, dass sie wechselwarm waren. Auch an Kiwis (den knuffigen Vögeln, nicht dem pelzigen Stachelbeerverschnitt) hat man vor ein paar Jahren LAGs gefunden.

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Kommentare (12)

  1. #1 BreitSide
    1. Juli 2012

    xxx

  2. #2 Sebastian
    1. Juli 2012

    Sehr schöner Artikel, auch der eingesteute Humor ist großartig. Besonders das englische Sprichwort ^^

  3. #3 Bjoern
    1. Juli 2012

    Könnte es auch sein, dass einige Dinosaurier wechselwarm, andere aber gleichwarm waren? Oder geht das evolutionsbiologisch nicht, weil die zu eng verwandt waren?

  4. #4 MartinB
    1. Juli 2012

    @Bjoern
    Denkbar ist das durchaus. Es gab (oder gibt) beispielsweise Leute, die glauben, dass sich die Warmblütigkeit entweder nur bei den Theropoden (Raubsauriern) oder nur bei den Saurischiern (Raubsaurier+Langhalsdinos) entwickelt hat. Die Knochenstruktur ist aber bei fast allen Dinos die von schnell wachsenden Tieren mit hoher Stoffwechselrate, das spricht für ähnlichen Stoffwechsel.

  5. #5 BreitSide
    1. Juli 2012

    xxx

  6. #6 Dagda
    1. Juli 2012

    @ MartinB
    Wodurch bzw woraus entstehen den die Linien in den LAGs? Also wieso kommt es zu der sichtbaren Struktur?

  7. #7 MartinB
    1. Juli 2012

    @Dagda
    Ich muss ehrlich zugeben, dass ich das genau nicht sagen kann. Da wo das Wachstum aufhört, muss man sicherlich etwas sehen, weil sich ja da diese gewundenen Lamellenstrukturen im Knochen nicht fortsetzen. Warum die Linen so deutlich abgesetzt sind (die sind allerdings nicht immer so gut zu sehen wie hier), weiß ich ehrlich nicht – ich vermte, dass beim Aufhören oder wieder Anstarten eine etwas andere Knochenstruktur abgelagert wird. Wikipedia sagt
    “Lines of arrested growth, similar to annuli, are found between zones are avascular. They are, however, much thinner, and have relatively fewer bone fibers by volume.”

  8. #8 Spaceman Spiff
    2. Juli 2012

    Danke für diesen Artikel, interessante und amüsante Lektüre!
    Gibts die Grafik bei Nature auch in besserer Auflösung und mit Bildunterschrift? So wie sie jetzt ist ist sie ja gänzlich unbrauchbar…

  9. #10 MartinB
    2. Juli 2012

    @SpacemenSpiff
    Ich glaube, besser geht nur, wenn man Bezahl-Zugriff hat…

  10. #11 Nimmerang
    6. Juli 2012

    Dinos sind trotzdem Loser 😛

  11. #12 MartinB
    6. Juli 2012

    @Nimmerang
    Trollhandbuch gelesen? (Das war ja schon mal ne 1a absurde Einstiegsbehauptung…)