Das erklärt vielleicht auch, warum man früher die LAGs nicht entdeckt hat – es war nicht nur ein Fall von “Nicht sehen, was man nicht erwartet”, sondern vielleicht hat man auch den Fehler gemacht, keine Wildtiere zu untersuchen, und bei Tieren, die in Gefangenschaft leben und ganz luxuriös jeden Tag ihre wohldosierte Futterportion von Uwe Fischer oder KollegInnen bekommen, bilden sich LAGs nicht.

Zusätzlich haben die AutorInnen auch noch untersucht, welche physiologischen Veränderungen mit den LAGs einhergehen. Generell wird in der nahrungsarmen Zeit (Winter oder Trockenzeit) die Produktion der Hormone, die für das Knochenwachstum zuständig sind, heruntergefahren. In unseren Breiten senken die Tiere auch ihre Körpertemperatur ein wenig ab, um Energie zu sparen. Dafür aktivieren sie Hormone, die Fett abbauen. Insgesamt ist die ganze Strategie also auf das Energiesparen ausgelegt; das Verzögern des Knochenwachstums ist da ein wichtiges Element.

Es zeigt sich also, dass Säugetiere (zumindest Wiederkäuer, aber vermutlich auch die meisten anderen) die Strategie, das Knochenwachstum auch mal anhalten zu lassen, von ihren wechselwarmen Vorfahren übernommen und beibehalten haben. Neu entwickelt hat sich die Fähigkeit, die Knochen in der günstigen Jahreszeit schnell wachsen zu lassen. Im BiologInnen-Sprech klingt das übrigens so:

What appears to be new, however, is the pervasive association of maximum rates of bone accrual with high, sustained metabolic rates during the favourable season. This clearly apomorphic feature reflects the capability of efficiently exploiting and allocating abundant resources to growth when food is plentiful.

(Es sind halt nicht nur die Literaturwissenschaftler, die sich manchmal kompliziert ausdrücken.)

Findet man LAGs in Dinosauriern, so deutet das also nicht darauf hin, dass sie wechselwarme Tiere waren, sondern nur, dass sie in einem Klima lebten, in dem es auch eher ungünstige Jahreszeiten gab. Dass Dinosaurier gleichwarm waren, wird dadurch also noch ein wenig wahrscheinlicher.


Quellen:

Meike Kohler, Nekane Marın-Moratalla, Xavier Jordana, Ronny Aanes
Seasonal bone growth and physiology in endotherms shed light on dinosaur physiology
Nature, 2012, doi:10.1038/nature11264

Anusuya Chinsamy Andrzej Elzanowski
Bone histology: Evolution of growth pattern in birds
Nature 412, 402-403 (26 July 2001)

Estelle Bourdon et al.
Bone growth marks reveal protracted growth in New Zealand kiwi (Aves, Apterygidae)
Biol. Lett. 23 October 2009 vol. 5 no. 5 639-642

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Kommentare (12)

  1. #1 BreitSide
    1. Juli 2012

    xxx

  2. #2 Sebastian
    1. Juli 2012

    Sehr schöner Artikel, auch der eingesteute Humor ist großartig. Besonders das englische Sprichwort ^^

  3. #3 Bjoern
    1. Juli 2012

    Könnte es auch sein, dass einige Dinosaurier wechselwarm, andere aber gleichwarm waren? Oder geht das evolutionsbiologisch nicht, weil die zu eng verwandt waren?

  4. #4 MartinB
    1. Juli 2012

    @Bjoern
    Denkbar ist das durchaus. Es gab (oder gibt) beispielsweise Leute, die glauben, dass sich die Warmblütigkeit entweder nur bei den Theropoden (Raubsauriern) oder nur bei den Saurischiern (Raubsaurier+Langhalsdinos) entwickelt hat. Die Knochenstruktur ist aber bei fast allen Dinos die von schnell wachsenden Tieren mit hoher Stoffwechselrate, das spricht für ähnlichen Stoffwechsel.

  5. #5 BreitSide
    1. Juli 2012

    xxx

  6. #6 Dagda
    1. Juli 2012

    @ MartinB
    Wodurch bzw woraus entstehen den die Linien in den LAGs? Also wieso kommt es zu der sichtbaren Struktur?

  7. #7 MartinB
    1. Juli 2012

    @Dagda
    Ich muss ehrlich zugeben, dass ich das genau nicht sagen kann. Da wo das Wachstum aufhört, muss man sicherlich etwas sehen, weil sich ja da diese gewundenen Lamellenstrukturen im Knochen nicht fortsetzen. Warum die Linen so deutlich abgesetzt sind (die sind allerdings nicht immer so gut zu sehen wie hier), weiß ich ehrlich nicht – ich vermte, dass beim Aufhören oder wieder Anstarten eine etwas andere Knochenstruktur abgelagert wird. Wikipedia sagt
    “Lines of arrested growth, similar to annuli, are found between zones are avascular. They are, however, much thinner, and have relatively fewer bone fibers by volume.”

  8. #8 Spaceman Spiff
    2. Juli 2012

    Danke für diesen Artikel, interessante und amüsante Lektüre!
    Gibts die Grafik bei Nature auch in besserer Auflösung und mit Bildunterschrift? So wie sie jetzt ist ist sie ja gänzlich unbrauchbar…

  9. #10 MartinB
    2. Juli 2012

    @SpacemenSpiff
    Ich glaube, besser geht nur, wenn man Bezahl-Zugriff hat…

  10. #11 Nimmerang
    6. Juli 2012

    Dinos sind trotzdem Loser 😛

  11. #12 MartinB
    6. Juli 2012

    @Nimmerang
    Trollhandbuch gelesen? (Das war ja schon mal ne 1a absurde Einstiegsbehauptung…)