“Wie sah es wohl damals wirklich aus?” Diese Frage stellt man sich ja eigentlich immer, wenn man antike Stätten wie die Akropolis besichtigt. Meistens braucht man viel Phantasie, aber so richtig leicht ist es nicht, sich das vorzustellen.

Nehmt zum Beispiel an, ihr wärt in Portugal und würdet die Ruinen von Conimbriga besichtigen, einer römischen Siedlung, in der ihr das “Quellenhaus” (ich hoffe, das ist die korrekte Übersetzung für “house of fountains”) besichtigt. So sieht es dort im sogenannten Jagdraum aktuell aus:

Aus Gonçalves et al., s.u.

Immerhin, man erkennt die Bodenmosaike und auch Reste von Fresken an den Wänden. Und mit viel Phantasie (ja, ich weiß, man schreibt das jetzt mit “F”…) gelingt es euch, euch auszumalen, wie es tatsächlich damals ausgesehen haben mag:

Aber sah es dort tatsächlich so aus? Vermutlich nicht. Denn was ihr in eurer Vorstellung nicht bedacht habt ist, dass die Römer ihre Räume nicht so gleichmäßig mit elektrischem Licht ausleuchten konnten wie wir das heute tun. Wesentlich realistischer erscheint deshalb dieses Bild hier:

Aus Gonçalves et al., s.u.

Diese Bilder sind keine nachgebauten Modelle oder Rekonstruktionen, sondern Computersimulationen. Ein Forscherteam aus Portugal und England hat versucht, mit Hilfe moderner Computersimulationen den optischen Eindruck der Villa aus Conimbriga möglichst genau nachzubilden. Dazu wurde der Raum natürlich zunächst genau vermessen. Anschließend kann dann eine Rendering-Software verwendet werden, um den optischen Eindruck zu rekonstruieren, den ein Betrachter des Raumes hätte (so ähnlich wie in modernen Computerspielen, wenn ihr euch von hinten an den Drachen ranschleicht…).

Für eine realistische Darstellung muss man sich aber auch Gedanken über das Licht machen – wie groß der Effekt der Beleuchtung ist, habt ihr ja auf dem Bild oben schon gesehen. Deshalb haben die Forscher römische Öllampen nachgebaut (wobei sie verschiedene Olivenölsorten ausprobiert haben, weil die Römer meist mit Olivenöl geheizt haben) und dann das Lichtspektrum angeschaut, das von diesen Lampen ausgesandt wird:

Aus Gonçalves et al., s.u.

Wie man sieht, unterscheiden sich die untersuchten Lampenarten nicht sehr stark. Damit konnten die Forscher dann das Licht einer Öllampe simulieren – über die Art des Öls mussten sie sich nicht so viele Gedanken machen.

Anschließend wurde der Raum dann in unterschiedlicher Weise virtuell beleuchtet. Hier noch zwei Impressionen. Einmal mit “künstlichem Licht”:

Aus Gonçalves et al., s.u.

Und so sieht es aus, wenn man die Öllampen – wie damals üblich – auf Kandelaber stellt:

Aus Gonçalves et al., s.u.

Der Unterschied ist schon ziemlich drastisch, oder?

Die Bilder wurden aber nicht nur einfach generiert, sondern dann auch verschiedenen Versuchspersonen vorgelegt, die Fragen zur Wahrnehmung beantworten sollten. Beispielsweise erscheinen die Kreise im Mosaikboden den meisten Menschen im (simulierten) künstlichen Licht braun, im Licht der Öllampen dagegen rot (wodurch sie wohl auch besser mit den roten Fresken harmonieren). Zugegebenermaßen fand ich die anderen Wahrnehmungsexperimente nicht so aufregend (dass das Licht in einem Fall eher als farbneutral und im anderen eher als gelblich wahrgenommen wird, ist jetzt nicht soo irre überraschend).

Einige Versuchspersonen wurden auch nach ihrem generellen Eindruck gefragt – wenig überraschend waren auch hier die Ergebnisse; die mit Öllampen beleuchteten Szenen wurden generell als farbreicher, “gemütlicher” (im Original steht “comfortable”) und wärmer wahrgenommen.

Interessant sind noch die Ergebnisse einer Untersuchung der Augenbewegung. Wenn die Versuchspersonen (damit niemand hier schlechte Wissenschaft unterstellt, sei dazugesagt, dass für jedes Experiment andere Personen befragt wurden) einfach aufgefordert wurden, frei über das Bild zu schauen, dann hingen die Augenbewegungen stark davon ab, wie die Szene beleuchtet war:

Aus Gonçalves et al., s.u.

Wie ihr sehen könnt, verführt die Öllampenbeleuchtung das Auge dazu, auch weiter zur Seite auf die Fresken zu schauen, während die künstliche Beleuchtung das Auge eher an der mittleren Säule festklebt.

Insgesamt zeigt die Studie sehr eindrucksvoll, wie stark sich der Seheindruck mit der Beleuchtung ändert. Wenn ich das nächste mal eine antike Ruine anschaue, werde ich versuchen, dran zu denken…

                                                                                                    

Alexandrino Gonçalves,  João Paulo Moura , Luís Magalhães , Alan Chalmers

Perceptual images of Conimbriga using High Dynamic Range
Journal of Archaeological Science 40 (2013) 116e128

(gefunden via nature)

Kommentare (3)

  1. #1 WM
    11. November 2012

    Außer den “natürlichen” Lichtquellen werden in den Räumen aber auch noch Möbel und andere Gegenstände des täglichen Gebrauchs vorhanden gewesen sein, die in eine zutreffende Vorstellung mit einzubeziehen sind.

    Bruß, WM

  2. #2 MartinB
    11. November 2012

    @WM
    Das ist sicher richtig. Es ging hier allerdings vor allem um die Frage der Farbwahrnehmung, wenn ich es richtig verstehe. Und natürlich wird es auch immer spekulativer, weil man ja nicht weiß, wo welche Möbel gestanden haben.

  3. #3 Wilhelm Leonhard Schuster
    19. November 2012

    “Die Antike im neuen Licht” spricht von Räumen, die in Europa damals gar nicht so selten ,verstreut auf dem Lande ,vom Hadrianswall , zum Rhein und Donau über den Balkan und die Türkei bis an die Grenzen Arabiens und Nubiens, in ähnlicher Form und Schönheit, erbaut worden sind.
    Irgendwie bedauert man , daß die Lichter in diesen wunderschönen Räumen verlöschten.
    Da die damals nicht die Beleuchtungsmöglichkeiten heutiger Tage hatten,
    gab es halt in den Räumen “allzuviele dunkle Schatten” ,(und Brutalitäten) die letztlich zum Untergang all dieser Herrlichkeiten geführt haben.
    Möchten wir doch, Bitte!- klarer sehen denn die Römer in ihren, gewißlich auch nicht all zu schlecht ausgeleuchteten, Räumen.