gerrothorax2

Modifiziert aus Schoch et al., s.u.

Sieht doch gleich völlig anders aus, oder? Nicht? Es haben sich nur die Knochen des HA etwas verschoben, meint ihr? Stimmt. Aber da steckt auch der Trick. Ich habe nämlich, um die Sache etwas spannender zu machen, ein Zwischenbild ausgelassen. So sah nach der neueren Untersuchung nämlich der Moment zwischen den beiden Teilbildern aus:

gerrothorax3

Modifiziert aus Schoch et al., s.u.

Hier ist der Kopf etwas angehoben, aber der Unterkiefer ist noch geschlossen und der HA ist vollständig zusamengeklappt. Wenn der Gerrothorax jetzt den Unterkiefer nach unten klappt (was jetzt ja geht, weil er nicht mehr auf dem Boden liegt) und gleichzeitig den HA auseinanderfaltet, dann vergrößert sich das Volumen des Rachenraums natürlich deutlich und die Beute wird ins Maul hineingesaugt. (Während ein einfaches Aufklappen des Deckelschädels die Beute eher wegspülen würde.) Machen Fische übrigens auch gern so, die meisten Knochenfische können ihr Maul beim Öffnen nach Vorn stülpen, könnt ihr bei den Guppies in eurem Aquarium wunderbar sehen.

Gerrothorax lag also im Wasser herum und lauerte auf Beute – wenn sie in seine Nähe kam, dann riss er auf die gezeigte Art das Maul auf und saugte sein Futter förmlich auf. Klingt alles in allem wie eine ganz gute Überlebensstrategie, oder?

Ist es auch – und das ist ein weiterer Aspekt, der Gerrothorax so interessant macht: Die Art lebte über einen Zeitraum von mehr als 35 Millionen Jahren, und das auch noch in ziemlich unterschiedlichen Lebensräumen. Diese Grafik illustriert das sehr schön:

gerrothoraxStrati

Aus Sanchez&Schoch, s.u.

Links seht ihr die jeweiligen Zeitepochen (Stufen) – das Ladinium liegt in der Mitteltrias und ist etwa die Zeit, zu der sich die ersten Dinos entwickelten – am Ende der Trias waren die Dinos dagegen schon ziemlich weit entwickelt und es gab viele unterschiedliche Arten. Aber die ganze zeit schwamm in den Gewässern der gute alte Grrothorax herum und wenn schon eine Wissenschaftlerin  am Ende der Trias gelebt hätte, hätte sie Gerrothorax vielleicht als “lebendes Fossil” bezeichnet.

Interessant ist aber nicht nur die lange Zeit, über die Gerrothorax existierte. Mindestens genauso interessant ist, dass er – anders als bei anderen Arten, die lange Zeit überlebt haben – ganz unterschiedliche Lebensräume besiedelte. O.k., für uns Landbewohner ist Wasser irgendwie immer vor allem Wasser, aber wie ihr oben im Bild rechts sehen könnt, lebte Gerrothorax über die Jahrmillionen in ganz unterschiedlichen Ökosystemen: Brackwasser, Seen, Deltas oder Flüsse – ganz egal, Gerrothorax kam anscheinend überall klar. Und das ist schon erstaunlich, denn diese unterschiedlichen Lebensräume unterscheiden sich beispielsweise stark in ihrem Salzgehalt (und für Tiere, die Kiemen haben und eine Amphibienhaut, ist der Salzgehalt schon ein wichtiger Umweltfaktor), und sie unterschieden sich sicherlich auch darin, welche Beutetiere es gab und wie oft Gerrothorax seinen Deckel erfolgreich aufklappen konnte.

Wie also schaffte Gerrothorax es, mit so unterschiedlichen Bedingungen klarzukommen? Und wie soll man das herausbekommen?

Aufmerksame “Hier-Wohnen-Drachen-Leserinnen” ahnen schon, dass die Antwort etwas mit der Knochenstruktur zu tun hat, darüber schreibe ich ja öfter mal. Und na klar, so ist es auch.

Dazu wurden Fossilien aus zwei unterschiedlichen Fundstellen in Deutschland analysiert, aus Kupferzell und Vellberg. Kupferzell war ein See mit klarem, leicht salzhaltigem (also brackigem) Wasser, der eher arm an Nährstoffen war. Der Wasserspiegel war variabel, was dazu führte, dass sich auch der Salzgehalt entsprechend änderte. Im Vergleich dazu war Vellberg, obwohl es auch ein Seenlebensraum war, ein deutlich stabilerer Lebensraum.

Analysiert man die Knochen von Gerrothorax aus den unterschiedlichen Lebensräumen, dann kann man feststellen, dass es deutlich unterschiedliche Knochenstrukturen gibt. Ich zeige hier nur zwei der vier Typen, die man für den Oberschenkelknochen gefunden hat (auch der Oberarmknochen wurde untersucht) – falls ihr die anderen sehen wollt: Dieses paper ist sogar open access, also für alle frei lesbar. Hier seht ihr den Histotyp B:

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Kommentare (14)

  1. #1 rolak
    8. Juni 2013

    Wer ist Gerrot? Welcher Hoax? Oh *flush* Vorsichtig lesen!

    Klammerteufel .. oder ist das der Klammeraffe?

    Weder noch, MartinB, interpunktorisches Lispeln.

    Ein mir völlig fremdes Thema, wieder mal gewürzt mit Trivia-Xrefs, doch nicht nur deswegen angenehm (unabschreckend) zu lesen.

    into the double digits

    1

  2. #2 Steffmann
    9. Juni 2013

    @Rolak:

    Was bitte sind “Trivia-Xrefs” ????

  3. #3 rolak
    9. Juni 2013

    “Trivia-Xrefs” ????

    a) Ein ‘?’ hätte zur Erkenntnis ‘Frage!’ gereicht
    b) TriviaXrefs oder sinnerhellende Querverweise zu Comic / Serie / Belletristik.etc.

  4. #4 Ludger
    9. Juni 2013

    Und warum war der wunderhübsche Gerrothorax nach 35 Megajahren am Ende? Die Umweltbedingungen waren es ja offensichtlich nicht. Fressfeinde? – kaum: die hätten spezialisiert sein müssen und gleichzeitig so flexibel bei den Lebensbedingungen wie Gerrothorax. Infektionen? Gibt es dazu Überlegungen?

  5. #5 RainerM
    9. Juni 2013

    Offenbar ist er dem Massenaussterben an der Trias-Jura-Grenze zum Opfer gefallen.

  6. #6 MartinB
    9. Juni 2013

    @Ludger, Rainer
    Ja, die Frage habe ich mir auch gestellt, es stand aber nichts dazu in den veröffentlichungen. Was genau an der TJ-Grenze passiert ist, das ihn dahingerafft hat, weiß ch nicht.

  7. #7 dilopho
    9. Juni 2013

    Was das ganze noch seltsamer macht: die ganzen verschiedenen Anpassungen gehören anscheinend zu einer Art und nicht (wie ich eigentlich gedacht hab) zu verschiedenen Arten der Gattung Gerrothorax.
    Kann man eigentlich sagen, durch was das Massensterben nach der Trias ausgelöst wurde?

  8. #8 Ludger
    10. Juni 2013

    Ich hab da mal was gefunden:
    https://derstandard.at/1343744726064/Massensterben-An-der-Trias-Jura-Grenze-waren-die-Ozeane-vergiftet :
    “Als vor rund 200 Millionen Jahren an der Grenze zwischen Trias und darauf folgendem Jura der globale Superkontinent Pangea auseinanderbrach und massive Vulkanausbrüche riesige Mengen an Kohlendioxid (CO2) und Schwefeldioxid (SO2) freisetzten, ging dies mit einem weltweiten Massensterben der Tier- und Pflanzenwelt zu Land und Wasser einher. ”
    unter Bezug auf:
    https://www.nature.com/ngeo/journal/v5/n9/full/ngeo1539.html

  9. #9 Bettina Wurche
    10. Juni 2013

    Klasse-Artikel, danke!!!!
    1. Hyobranchial-Apparat:
    könnte man vielleicht mit “Die umgebauten Kiemenbogen-Derivate (auf dem Weg vom Fisch zum Tetrapoden)” erklären. Es sind die festen und weichen Bestandteile der Schlundregion.
    Für Menschen sehr schwierig vorstellbar, weil es das alles bei uns Säugern schon lange nicht mehr gibt.
    2. Im Stuttgarter Museum am Löwentor gibt es ein herrliches Dioramea, in dem ein Panzerlurch in Lauerstellung in einem Flussabschnitt liegt.
    3. Soweit ich weiss/recherchiert habe, ist auch das T/J-Massensterben letztendlich nicht so richtig aufgeklärt. Es gibt so die üblichen Verdächtigen wie Absinken des Meeresspiegels, Klimaveränderung, extremer Vulkanimus.
    Die Klimaveränderungen sind z. B. an Molluskenschalen nachgewiesen worden.
    https://www.palaeontologie.geowissenschaften.uni-muenchen.de/personen/dozenten/nuetzel/publikation_nuetzel/index.html

  10. #10 MartinB
    10. Juni 2013

    @Bettina
    “Hyobranchial-Apparat:”
    Doch so einfach? Danke. Habe ich mich nicht getraut, so zu übersetze – das kommt davon, wenn man nur fachbücher auf Englisch hat…

    “Soweit ich weiss/recherchiert habe, ist auch das T/J-Massensterben letztendlich nicht so richtig aufgeklärt. ”
    Ich wusste schon, warum ich den Satz zum Aussterben wieder rausgenommen habe 😉

  11. #11 Theres
    12. Juni 2013

    Ein erstaunlich faszinierendes Tier, doch …
    Er starb wohl wegen “von allem ein bisschen zu viel” aus, :), doch, so hat unsere Biolehrerin das gern umschrieben. Es gibt doch nie nur eine Ursache, beziehungsweise, immer mehr als eine Wirkung derselben. Vergiftete Ozeane lassen darauf schließen, dass zu viele Vulkane ausbrachen usw.

  12. #12 Steffmann
    13. Juni 2013

    @rolak:

    a) Ein ‘?’ hätte zur Erkenntnis ‘Frage!’ gereicht

    Es ist einfach unnötig, in so einem thread die Leute zu nötigen, jeden Scheiss zu googlen (mich inbegriffen). Es wäre einfacher, wenn du/wir Begriffe benutzen, die jeder versteht.

  13. #13 rolak
    14. Juni 2013

    die Leute zu nötigen

    Tja Steffmann
    a) niemand wurde genötigt zu recherchieren
    b) niemand wurde genötigt eine bestimmte Suchmaschine zu nutzen
    c) niemand kann wissen, was dem Gegenüber bekannt ist, Reduktion auf Null ist sinnleer
    d) nichts davon rechtfertigt eine Satzzeichenkaskade

    Und selbstverständlich sind beide Begriffe Allgemeingut, zumindestens ebenso wie Microraptor, open access und fibrolamellar.
    Haben sie Dir das Förmchen weggenommen? Problem?

  14. #14 MartinB
    14. Juni 2013

    @Steffmann, rolak
    Habt euch mal wieder lieb, Streit haben wir hier schon anderswo genug…