Der heutige Mensch unterscheidet sich ja in vielem Dingen von seinen nächsten Verwandten, den Menschenaffen: Großes Gehirn, aufrechter Gang und geschickte Hände sind vielleicht die auffälligsten Merkmale – aber auch Dinge wie die Proportionen der Gesichtsknochen sind bei uns auffallend un-äffisch. Gerade die Form unseres Gesichts und die bei einigen Urmenschen sehr massiven Geischtsknochen stehen in deutlichem Kontrast zu dem, was wir bei den Menschenaffen finden. Eine neue, kürzlich veröffentlichte Theorie argumentiert jetzt, dass dies nicht so sehr an der Ernährung liegt, sondern daran, dass unsere Vorfahren Faustkämpfer waren. Klingt merkwürdig? Schauen wir mal, was die Argumente sind.

Das paper beginnt mit einer Statistik über die Häufigkeit von Verletzungen am Schädel. Wenig überraschend kommen bei Faustkämpfen (die nahezu ausschließlich zwischen Männern stattfinden) insbesondere Knochen im Gesicht zu Schaden. Entsprechend wird geschlossen, dass das Gesicht das häufigste Ziel bei Faustkämpfen ist.

Wenn das so ist, und wenn man annimmt, dass Faustkämpfe in der Menschen-Evolution eine große Rolle gespielt haben, dann sollte man erwarten – und das ist die Kernidee das papers – dass sich das Gesicht im Laufe der Evolution an solche Belastungen angepasst hat. Dafür spricht zunächst einmal, dass die Schädelknochen der Vormenschen oft wesentlich robuster waren als die von Menschenaffen (und auch von heutigen Menschen). Dieses Bild des Jochbogens eines Gorillas und eines Ausralopithecus afarensis (im paper gibt es noch deutlich mehr Bilder auch von anderen Knochen) macht das an einem Beispiel sehr deutlich:

zygomatic

Aus Carrier&Morgan, s.u.

Ihr seht, dass der Jochbogen bei A. afarensis wesentlich massiver ausfällt. Ähnliches gilt auch für andere Knochen, beispielsweise den Unterkiefer. Berechnungen der auftretenden Lasten auf diese Knochen zeigen auch, dass sie zum Kauen wohl tatsächlich überdimensioniert waren – bei normaler Kaulast waren die Spannungen in den verstärkten Knochen sehr klein.

Auch die Hals- und Kaumuskeln sind bei Menschen und Hominiden wohl etwas überdimensioniert. Experimente an Menschen zeigen, dass wir beim Kauen unsere Muskeln gar nicht bis zum Maximum ihrer möglichen Kraft einsetzen (werden die Nerven betäubt, dann erhöht sich die maximale Bisskraft), und auch die Hominiden haben sehr große Ansätze für Kaumuskeln. Die überdimensionierten Muskeln könnten aber dazu dienen, einen Teil der beim Zuschlagen auftreffenden Kräfte abzufangen (das paper enthält dazu eine sehr grobe Abschätzung) – immerhin scheint es so zu sein (faszinierend, was man alles im Internet lernt), dass Boxer ihre Kiefermuskeln vor einem Kampf aufwärmen und diese Muskeln auch trainieren. (Grusel, Boxen ist echt nix für mich…) Starke Kiefer- und Halsmuskeln helfen also, Faustschläge besser wegzustecken.

Ein anderer Aspekt sind die Zähne (vor allem die Backenzähne) der Hominiden. Bei einigen von ihnen (beispielsweise Paranthropus boisei) geht man davon aus, dass sie Gras gefressen haben (mehr über die Nahrung der Urmenschen findet ihr hier und hier) . Grasfresser haben allerdings normalerweise Zähne mit Schneidkanten – stattdessen findet man eigentlich bei allen Urmenschen Zähne mit eher runden, mahlenden Höckern drauf (so wie auch bei uns). Solche Mahlzähne sind zwar gut, wenn man Nüsse oder ähnliches zerkauen will, aber laut dem paper gibt es eigentlich wenig Hinweise darauf, dass die Urmenschen sich bevorzugt von Nüssen und ähnlichem ernährten. Die Zähne könnten aber auch dazu dienen, Schläge abzufangen, indem die Energie vom Unter- in den Oberkiefer geleitet wird – und dazu sind scharfkantige Zähne nicht so gut geeignet.

Gerade an den Gesichtsknochen und den Kau- und Halsmuskeln beobachtet man auch einen ausgeprägten sexuellen Dimorphismus – sie unterscheiden sich bei Männern und Frauen sehr stark. Wenn Männer (oder spricht man bei frühen Hominiden eher von Männchen?) mit Faustkämpfen Zweikämpfe austrugen, um sich zum Beispiel einen guten Platz in der Rangordnunng zu sichern, dass wäre das durchaus plausibel. Dafür spricht auch, dass man – jedenfalls bei heutigen Männern – an Hand des Aussehens des Gesichts und sogar an Hand der Stimme relativ gut abschätzen kann, wie stark die jeweilige Person ist; das zeigen jedenfalls verschiedene Experimente.

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Kommentare (24)

  1. #1 sternchen77
    9. Juli 2014

    Diese “Faustkampf-Theorie” überzeugt mich
    auch nicht. Evolution ist ein spannendes Thema …
    mal sehen zu welchen Erkenntnissen die Theorien führen …
    und vielen Dank für die interessanten Beiträge 🙂

  2. #2 rolak
    10. Juli 2014

    überzeugt?

    Dem (bisher) allgemeinen ‘nein’ schließe ich mich an – so faszinierend der Gedanke zuerst wirkt.

  3. #3 A_Steroid
    10. Juli 2014

    mit derselben Logik könnte man auf die Idee kommen, das Frauen weniger behaart sind (Brust-Toupet), weil sie sich in den diversen Zicken-Kriegen dauern an den (Brust-)Haaren gezogen haben, bis die Evolution dem eine Ende bereitet hat… (und als Ersatz wuchsen ihnen lange Kopfhaare… die sich bis heute erhalten haben – weil die Evolution resigniert hat)

  4. #4 MartinB
    10. Juli 2014

    @A_Steroid
    Nein, die Langen Haare waren, damit die Männer sie besser aus dem Kampf zurückziehen können…

    Aber ein klein wenig plausibler ist die Faustkamp-Idee schon.

  5. #5 Alderamin
    10. Juli 2014

    @MartinB

    Allerdings ist es trotzdem durchaus denkbar, dass diese Robustheit doch etwas mit der Nahrungsaufnahme zu tun hatte – auch wen die Lasten im Normalbetrieb eher gering ausfielen, mag es ja besondere Anforderungen gegeben haben. Beispielsweise geht man davon aus, dass zumindest einige Australopithecinen auch Fleisch gefressen haben.

    Statt des Gorilla-Kiefers hätte ich jetzt lieber einmal einen Schimpansen-Kiefer im Vergleich gesehen, die fressen nämlich auch öfters Fleisch. Hab’ leider mit Googles Bildersuche keinen gefunden.

    So ganz abwegig finde ich die Idee der Autoren dann auch wieder nicht. Mag sein, dass andere Homininen ihre Rangkämpfe durch Imponiergehabe ausführen. Der Mensch gibt sich damit jedoch nicht zufrieden, er prügelt sich (man denke z.B. an Hooligans) und führt Kriege. Wenn das bei Vormenschen auch schon regelmäßig der Fall war, sind entsprechende Anpassungen zu erwarten. Ob es jetzt speziell das Boxen war, das die Anpassungen beförderte, sei dahingestellt – jedenfalls führt der Mensch Auseinandersetzungen mit Feinden kämpferisch aus, mindestens seit er es aufschreiben konnte. Und da haben überwiegend Männer miteinander gekämpft.

    Die vorstehende Nase spricht dagegen. Die haben aber auch in dieser Prominenz vor allem die Europäer, so dass uns z.B. die Chinesen “Langnasen” nennen. Irgendeinen Druck für die Entwicklung unserer europäischen Nasen wird es wohl gegeben haben, und wenn dieser stark genug war, hat er vielleicht den Nachteil beim Kämpfen wettgemacht.

    Interessant ist in diesem Zusammenhang vielleicht auch, dass ausgeprägte Kieferknochen ein Zeichen für einen hohen Testosteronspiegel sind, der wiederum mit der Aggressivität korreliert.

  6. #6 MartinB
    10. Juli 2014

    @Alderamin
    Nein, ganz abwegig ist die Idee nicht, sonst wäre sie ja nicht interessant anzugucken. Ich finde sie eben nur nach Abwägung der Argumente nicht überzeugend genug und lückenhaft.

    Soweit ich weiß, haben aber nicht nur europäische Boxer Probleme mit gebrochenen Nasen.

  7. #7 roel
    *****
    10. Juli 2014

    @Alderamin Hier ist eine schöne Gegenüberstellung: https://cdn4.sci-news.com/images/enlarge/image_1976e-Hominins.jpg

  8. #8 Alderamin
    10. Juli 2014

    @roel

    Danke. Aha, also beim Schimpansen trotz gelegentlichen Fleischkonsums eher zierliche Kiefer und Jochbögen. Bei den Australopithecinen und Homo Erectus allerdings kräftigere als bei uns. P. Bosei war aber Pflanzenfresser. Mit Homo Erectus kam das gebratene Fleisch auf.

    Soweit ich weiß, haben aber nicht nur europäische Boxer Probleme mit gebrochenen Nasen.

    Ob es wohl darüber eine Statistik gibt, wie häufig Verletzungen der Nase von ihrer Länge abhängen?

  9. #9 CM
    10. Juli 2014

    Die Idee, dass sexueller Dimorphismus auf sexuelle Präferenzen zurückzuführen ist (die letztlich manches Mal auf Zufall beruhen), ist so neu auch nicht. Allzu männliche Gesichtszüge gehen bei Frauen zu Lasten der Attraktivität – und umgekehrt. Klar, dass widerlegt nicht die Kampf-Hypothese, doch schliesst es auch nicht aus, dass Zufall im Spiel ist.

    Wie sieht also der Dimorphismus über die Zeit und über die Genera hinweg aus?

  10. #10 A_Steroid
    10. Juli 2014

    also für mich sind die Zeiträume einfach zu “kurz” als das im Laufe eines Urmensch-Lebens sich aus Faustkämpfen etwas evolutionäres entwickeln sollte… Technisch müsste ja der mit den stärksten Knochen und dem widerstandsfähigsten Gesicht mehr überlebenschancen haben als andere (und das auch noch durch Boxen). So faszinierend und “populär” das auch sein mag… ich denke eher, das sich über die Jahrtausende und Generationen einfach ein bestimmter Typ rauskristallisiert hat – und das ist eben der immer menschenähnliche Typus. Modern könnte man auch denken, das das andersartige eines Typen vielleicht sogar attraktiver war als der “Standard”. Der haarlose Affe mit dem intelligenten Kinn, bestehend aus “Haut und Knochen” war begehrenswerter als der fettgepolsterte hängebackige Klops 🙂

  11. #11 Alderamin
    10. Juli 2014

    @CM

    Die Idee, dass sexueller Dimorphismus auf sexuelle Präferenzen zurückzuführen ist (die letztlich manches Mal auf Zufall beruhen), ist so neu auch nicht.[…] doch schliesst es auch nicht aus, dass Zufall im Spiel ist.

    Nein, neu ist die Idee nicht, aber das heißt nicht, dass solche Präferenzen völlig zufällig wären, eher im Gegenteil. Bei vielen Tierarten konkurrieren die Männchen kämpferisch untereinander und entwickeln entsprechende Merkmale (Hörner, Geweihe, eine vor Prankenhieben schützende Löwenmähne und dergleichen), oder bezeugen durch besonders üppige Farben oder Körperformen ihre Vitalität gegenüber den Weibchen. Mehr dazu in dem Wiki-Artikel.

    Interessant auch die Sexy-Sohn-Hypothese, nach der sich ein ursprünglich für das Überleben nutzbringendes Merkmal verselbstständigen kann und am Ende nur deshalb erhalten bleiben, weil es von den Weibchen als attraktiv empfunden wird, da spielt dann der Zufall zumindest mit hinein. Der verlinkte Artikel erwähnt auch die These, die Ihr bestimmt schon einmal irgendwo gelesen habt, dass Frauen während fruchtbarer Tage anscheinend eine Präferenz für kantige Gesichter mit höherem Testeronsspiegel (aggressiverem, weniger fürsorglichem Verhalten) zeigen als während des übrigen Zyklus, woraus man schließen könnte, dass die Weibchen (weiß jemand eine neutralere Übersetzung für “females”, der Mensch und Tier einschließt?) beim Menschen oder zumindest seinen Vorfahren sich auf diese Weise die kompetitiven Gene und die fürsorglichen Partner gleichzeitig sichern konnten.

  12. #12 MartinB
    10. Juli 2014

    @A_steroid
    Dass die Zeiträume zu kurz waren, sehe ich nicht. Man muss sich ja auch nicht vortstellen, dass da immer bis zum Tod gekämpft wurde oder so; es reicht ja völlig, wenn der mit den schwächeren Muckis und den dünneren Knochen früher aufgibt. (Allerdings würde das die Idee nahelegen, dass – insbesondere wegen der Korelation Gesichtsform-Stärke – die dickeren Knochen vor allem als Signale dienten, ähnlich wie ein Hrschgeweih ja auch meist nicht zum Einsatz im Kampf kommt, sondern schon so abschreckt).

    @CM
    Klar, sexuelle Selektion ist eine andere Erklärung, aber um die geht es in dem paper eben nicht.

  13. #13 Alderamin
    10. Juli 2014

    @A_Steroid

    also für mich sind die Zeiträume einfach zu “kurz” als das im Laufe eines Urmensch-Lebens sich aus Faustkämpfen etwas evolutionäres entwickeln sollte

    Es reicht besispielsweise schon, wenn der Zeitraum lange genug ist, um sich in einer Gruppe von Heranwachsenden als Anführer (oder wenigstens anerkanntes Mitglied) zu positionieren, der dann bessere Chancen bei den Mädels hat. Man muss nicht ständig auf die Nase bekommen, um dickere Knochen zu bekommen. Es reicht, wenn man im entscheidenden Moment besser ausgerüstet ist, um diese Ausrüstung dann erfolgreich weitergeben zu können. Die Balz eines Pfauenhahns ist ja auch nur kurz im Vergleich zu seinem sonstigen Leben, trotzdem hat er die protzigen Federn entwickelt, die ansonsten eher stören dürften.

  14. #14 Chemiker
    10. Juli 2014

    @A_Steroid

    also für mich sind die Zeiträume einfach zu “kurz” als das im Laufe eines Urmensch-Lebens sich aus Faustkämpfen etwas evolutionäres entwickeln sollte…

    Dazu reichen fünf Generationen. Näm­lich dann, wenn die Sieger in Faust­kämpfen per multipler Fort­pflanzung die nächste Generation dominieren. Wenn die Damen eben auf entsprechende Brutalos stehen.

    Für die Evolution ist es egal ob ein Individuum früh oder spät stirbt; es kommt nur auf die Zahl der Nach­kommen an.

  15. #15 MartinB
    10. Juli 2014

    @Chemiker
    Etwas komplizierter ist es schon – man muss Populationen betrachten, nicht einzelne Individuen, entsprechende Gene müssten dann hinreichend dominant sein, um sich schnell durchsetzen zu können, sie dürfen auch keine Nachteile (z.B. erhöhter Kalzium-Bedarf, weil ich mehr Knochen aufbauen muss) mit sich bringen und auch der Zufall spielt eine Rolle, gerade bei kleinen populationen (um die es sich bei Urmenschen ja sicher handelte) ist die simple genetische Drift nicht ganz unwichtig.
    Und es gibt eigentlich wenig Grund zu der Annahme, dass die Urmenschen eine Sozialstruktur hatten, bei der sich nur Sieger paaren durften – Schimpansen haben so etwas z.B. nicht.

  16. #16 Alderamin
    10. Juli 2014

    @MartinB

    Und es gibt eigentlich wenig Grund zu der Annahme, dass die Urmenschen eine Sozialstruktur hatten, bei der sich nur Sieger paaren durften

    Das sicher nicht, aber Erfolg macht bekanntlich sexy, auch so funktioniert Evolution. Das ganze Imponiergehabe junger Männer ist ja z.B. kein Selbstzweck. Warum wohl wollen Menschen Erfolg, Macht und Reichtum? Nicht bewusst, um Partner zu finden, aber gerade die Erfolgreichen werden am meisten begehrt, wie man es am Beispiel von Popstars oder Sportlern sieht. Siehe auch Eckart Voland, “Die Natur des Menschen”, Kapitel 7 (“Auf dem Markt der Liebe”).

  17. #17 Flais
    10. Juli 2014

    Gesellschaftshistorisch betrachtet würde ich der Faustkampftheorie widersprechen, und zwar aus diversen Gründen:

    – Faustkampfstile scheinen eine relativ junge Entwicklung zu sein und kommen nicht in allen Kulturen vor und wenn doch – wie etwa bei den alten Griechen – wurde die Hand meistens zusätzlich mit einer härteren Schlagoberfläche versehen, etwa Rohhautriemen (ähnlich den mit Seilen umwickelten Fäusten der Thaiboxer noch Anfang des 20. Jahrhunderts). Der bloßen Faust dagegen wurde deutlich weniger Schadenspotential zugerechnet als etwa der offenen Hand, und in der Tat scheint es so gewesen zu sein, dass es häufig als brutal verschrieenen Pankration, wo mit der bloßen Faust zugeschlagen wurde, kaum jemals zu den Gesichtsverletzungen kam wie im Boxen mit Rohhautriemen. In diese Richtung geht auch, dass entgegen der Studie sehr viele Leute ihre Mittelhandknochen beim Zuschlagen verletzen – der Begriff “Boxer’s fracture” für einen gebrochenen Mittelhandknochen kommt ja auch nicht von ungefähr. Nur, wenn man mit gebrochener Schlaghand in die erste Hilfe geht, sind die natürlich alle die Treppe runtergefallen…

    – Effektiv wird die bloße Faust in erster Linie dann, wenn man sie gezielt abhärtet (wie etwa im Karate oder im Bare Knuckle Boxing üblich); trotzdem können Schläge immer noch dazu führen, dass das unter Umständen überlebenswichitge Greifvermögen vermindert wird. Wenn schon Evolution, dann hätten sich die Schlagoberflächen sicher auch weiterentwickelt, oder?

    – Im Gegensatz dazu gibt es in praktisch jeder Gesellschaft einen indigenen Ringstil, wobei die Quellen deutlich weiter zurückreichen (in Ägypten bis ins dritte vorchristliche Jahrtausend!).. Bei genaurer Betrachtung erfüllt dieser die Funktion eines “Rangkampfes” deutlich besser, denn auch im Tierreich geht es hierbei in aller Regel darum, Dominanz zu demonstrieren und nicht etwa, den Gegner schwer zu verletzen (denn da würde man selber auch einiges abbekommen!). Das Ringen auf einem einigermaßen weichen Untergrund kann zwar auch zu Verletzungen führen, jedoch ist das Schadensausmaß viel besser kontrollierbar.

    – Waffen: seit der erste Affe einen Stein oder Stock aufgehoben hat, um damit eine Nuss zu knacken dürfte klar gewesen sein: nur mit einem passenden Werkzeug gibts den optimalen Bumms. Mit der bloßen Faust zuzuschlagen ist im Vergleich dazu Zeitverschwendung und erfolgt überdies im gleichen Abstand. Ringen können ist aber auch im Kampf Waffe gegen Waffe von Bedeutung, denn zu einem Clinch – in dem auch waffenlos nicht mehr effektiv geschlagen werden kann – kommen kann es immer. Nicht zuletzt deswegen integrieren die meisten erfolgreichen Waffenstile – obin Europa, Indien, China, der Mongolei, Japan oder sonstwo – so gut wie immer auch Ringtechniken in ihr Arsenal, reine Faustkampftechniken aber höchst selten. Zu erwähnen ist auch, dass eine Panzerung (= Exoskelett) Schläge unwirksam werden lässt. Man sehe sich einmal ein mittelalterliches Fechtbuch an und zähle nach, wie viele Schläge man darin findet – und vergleiche dieses Wert mit den enthaltenen Ringerangriffen.

    Beste Grüße
    Flais

  18. #18 MartinB
    10. Juli 2014

    @Alderamin
    “Das sicher nicht, aber Erfolg macht bekanntlich sexy, auch so funktioniert Evolution”
    Klar – aber wenn das alles ist, dan brauchst du schon deutlich mehr als die 5 Generationen, die Chemiker annahm? Ich wollte ja nicht sagen, dass sexuelle Selektion nicht funktioniert, sondern nur, dass es nicht ganz so einfach ist, wie angenommen.

    @Flais
    Interesant. Ich hatte mich gefragt, ob es Faustkämpfe in allen Kulturen gibt, aber mir fehlte die Ahnung. Und klar, da man inzwischen davon ausgeht, dass vermutlich schon Australopithecus Werkzeuge verwendete, wären Fäuste schon eher schwache Argumente (es gilt das klassische Rollenspielermotto “Auch Keule macht Beule”). Den Punkt mit der Verletzungsgefahr für die Hand hatte ich ja auch im Artikel schon angesprochen – ich denke auch, dass da eine Verstärkung z.B. der Knöchel und der Mittelhand zu erwarten wäre.

  19. #19 MartinB
    10. Juli 2014

    Und zum Nachtrag stelle ich mir noch flgende Frage: Wenn ein Blogger und ne Handvoll Kommentatoren so viele Löcher in diese These schießen können, ohne dass ein einziger Anthropologe dabei ist: Wo zum Henker waren die Reviewer bei diesem Artikel? Waru,m wurden alle diese Punkte nicht im Begutachtungsprozess bemängelt?

  20. #20 Alderamin
    10. Juli 2014

    @MartinB

    aber wenn das alles ist, dan brauchst du schon deutlich mehr als die 5 Generationen, die Chemiker annahm?

    Natürlich, ich bezog mich nur auf Deine Aussage, dass die Urmenschen vermutlich keine Sozialstruktur hatten, bei der sich nur Sieger paaren dürften.

    Tatsächlich weiß man ziemlich wenig über die Sozialstrukturen unseren frühen Vorfahren. Schon die von Schimpansen und Bonobos unterscheidet sich erheblich, und Verhalten verändert sich evolutionär noch leichter als die Physis, habe ich bei Doris Bischof-Köhler gelesen.

  21. #21 MartinB
    11. Juli 2014

    @Alderamin
    “Tatsächlich weiß man ziemlich wenig über die Sozialstrukturen unseren frühen Vorfahren.”
    Das ist sicher richtig, aber ich denke, eine Alpha-Männchen-Harem-Struktur ist sehr unwahrscheinlich, spätestens bei den Hominiden, die größere Beute gejagt haben oder die komplexe Werkzeuge hergestellt haben.

  22. #22 Alderamin
    11. Juli 2014

    @MartinB

    Da bin ich ganz bei Dir. Die Tatsache, dass beim Menschen auch die Frauen um Männer konkurrieren, macht es wahrscheinlich, dass sich schon bei unseren Vorfahren die Väter ziemlich intensiv um die Kinder gekümmert haben (hohe paternale Investition), was bei Harems kaum möglich ist (man denke an Seeelefanten-Kolonien, da hat er der Boss genug mit der Konkurrenz zu tun, als dass er sich um die Kleinen kümmern könnte, über die er manchmal gar rücksichtlos hinwegrobbt).

  23. #23 MartinB
    11. Juli 2014

    @Alderamin
    “Die Tatsache, dass beim Menschen auch die Frauen um Männer konkurrieren”
    Ist das in allen Kulturen so? Und wenn ja , hat das Aussagekraft für frühe Hominiden?
    Nicht dass ich deine Schlussfolgerung (auch Väter kümmerten sich um die Kinder) nicht für richtig halte, aber das Argument scheint mir problematisch.

  24. #24 Alderamin
    11. Juli 2014

    @MartinB

    Ist das in allen Kulturen so? Und wenn ja , hat das Aussagekraft für frühe Hominiden?

    Das Argument des Parental/Paternal Investment ist nicht von mir, sondern ich hab’s bei Dawkins, Bischof-Köhler und auch bei Voland gelesen.

    Ich wüsste jetzt auf Anhieb auch keine Kultur, wo die Frauen sich nicht irgendwie versuchten, durch Schmuck, Kleidung oder Parfum attraktiv zu machen. Das wird eben soziobiologisch damit begründet, dass sie gegenüber Konkurrentinnen Aufmerksamkeit gewinnen wollen (nicht notwendigerweise bewusst).

    Umgekehrt gilt das natürlich für Männer ebenso, aber unter Männchen ist Konkurrenz im Tierreich viel verbreiteter, weil die überwiegend von den Weibchen verantwortete Aufzucht der Jungen mit sehr viel Aufwand verbunden ist (sofern Brutpflege betrieben wird), die Paarung hingegen nicht. Deswegen konkurrieren normalerweise die Männchen um die Weibchen und sind entsprechend bunt gefärbt oder protzig geformt, die Weibchen hingegen eher unscheinbar.