Ja, o.k., ich geb’s zu, die Titelzeile erfüllt vermutlich Florians Kriterien für eine schlechte Wissenschaftsschlagzeile, aber wir sind hier ja unter uns… Und immerhin – die Antwort auf die Frage lautet nicht einfach “nein” sondern “möglicherweise”.

Aber gut, ich fahre den Ton mal etwas herunter. Zunächst mal geht es hier um Knochen – wenig verwunderlich bei einem Dino-Artikel. An fossilen Knochen findet man ja häufig irgendwelche Spuren, die von Zähnen oder Krallen stammen. Meistens kann man davon ausgehen, dass sie beim Fressen oder beim Töten der Beute entstanden sind – ein Tyrannosaurus beispielsweise hatte Vorderzähne (da wo unsere Schneidezähne sitzen), die sich wohl gut zum Abschaben von Knochen eigneten, wenn er Appetit auf Fleisch ohne Knochen hatte (obwohl Tyrannosaurier auch Knochen fraßen). Solche Freß- oder Beißspuren erwartet man natürlich vor allem an Knochen, die entweder relativ exponiert waren (dann waren es möglicherweise Beißspuren, die beim Kampf mit der Beute oder beim Zerlegen entstanden) oder an solchen, die in der Nähe dicker Muskeln saßen.

Tyrannosaurier hatten (wie alle Dinos) Zähne, die immer wieder nachwuchsen, wenn man einer ausfiel. Deswegen sieht man an Dinoschädeln oft eine Abfolge von großen und kleinen Zähnen, wie zum Beispiel hier im Bild im Oberkiefer Vorn:

Tyrannoskull.jpg
By A.E. Anderson – https://digitallibrary.amnh.org/dspace/handle/2246/49, Public Domain, Link

Wenn ein T. rex oder anderer Raubsaurier mit seiner Beute kämpfte oder mit Kraft zubiss, dann konnte dabei schon mal einer der Zähne ausfallen – deswegen findet man häufig isolierte Zähne von Raubsauriern bei Fossilien, an denen es auch Bissspuren gibt. Das weist dann ziemlich klar auf Fressverhalten hin.

Es gibt aber auch manchmal Knochenfunde, bei denen einzelne Knochen gefunden werden, die weder besonders fleischreich waren, noch an exponierter Stelle saßen. Und solche Knochen weisen manchmal auch mehrfache Spuren von Zähnen auf. Beispielsweise hat man einen relativ dünnen Armknochen eines Saurolophus,eines Entenschnabel-Dinosauriers, der (der ganze Dino, nicht der Knochen) etwa so aussah:

Saurolophus_scalation

(Bild von L. Xing and Y. Liu. – https://www.plosone.org/article/info:doi/10.1371/journal.pone.0031295, CC Licence 2.5)

 gefunden, der mehrere Zahnspuren aufwies. Viel Muskeln waren an so einem Vorderbein nicht dran und ein T. rex könnte ihn auch mühelos mit einem einzigen Bissen durchtrennen – warum also mehrere Bissspuren?

Noch rätselhafter sind die Bissspuren an einem anderen Knochen – mangels deutscher bio-Kenntnisse kann ich euch nur den englischen Namen verraten: occipital condyle, ab jetzt kurz OC abgekürzt. Das ist der Knochen unten am Schädel, an dem der erste Halswirbel (der Atlas) ansetzt. Wir haben als Säugetiere zwei solcher Ansatzstellen, aber bei Dinos war das OC ein einzelner, meist etwa kugelförmiger Knochen. Insbesondere bei den Horn-Dinosauriern (Ceratopsiern) war er sehr ausgeprägt, vermutlich weil die ihren Kopf gut bewegen konnten, um ihre Hörner und den Knochenschild optimal zum Einsatz zu bringen.

So ein Knochen steckt jetzt wirklich ganz weit Innen in einem Dino, und viel Fleisch ist auch nicht dran. Trotzdem findet man, wie Bruce M. Rothschild nach einer Auswertung verschiedener Daten festgestellt hat, vergleichsweise häufig Zahnspuren an diesen Knochen, die vermutlich von T. rex und seinen nahen Verwandten stammten (andere große Raubsaurier lebten zumindest nicht mit Triceratops, dem berühmten Dreihornsaurier, zusammen). Man findet solche Spuren insbesondere an isolierten Knochen, nicht an solchen, die zu einem vollständigeren Fossil gehörten. (Eine genaue Statistik hierzu gibt es in dem paper allerdings nicht (oder ich habe eine der Tabellen nicht verstanden), es ist insgesamt leider etwas vage.)

Warum sollten aber gerade isolierte Knochen, die auch als Fleichquelle nicht besonders attraktiv waren, weil einfach nichts dran war, derartige Spuren aufweisen? Die Vermutung liegt nahe, dass die Knochen von einem Tyrannosaurier weggetragen und mit den Zähnen manipuliert wurden. Und zumindest eine Möglichkeit, warum ein T. rex so etwas tun sollte, ist Spielverhalten. (O.k., mir fallen noch andere ein – beispielsweise als Geschenk für die Werbung um einen Partner oder zur Dekoration eines Nestes, die sind aber auch ziemlich interessant.) Falls jemand einem simplen Dino solch ein Spielverhalten nicht zutraut: Immerhin kennt man Spielverhalten auch von Krokodilen, und die können sogar Werkzeuge benutzen, um sich zu tarnen. Und Tyrannosaurier sind ja eng verwandt mit den Vorfahren der Vögel – so ganz unplausibel ist ein komplexes Spielverhalten also nicht.

Zugegeben ist das ganze eine Spekulation – das paper bemüht das berühmte Sherlock-Holmes-Prinzip (wenn das Unmögliche ausgeschlossen ist…), um sie plausibler zu machen. Ob Tyrannosaurier wirklich mit OC-Bällen und anderen Knochen gespielt haben, ist also nicht eindeutig – aber unwahrscheinlich ist es nicht. Nach welchen Regeln allerdings die Dino-Bundesliga gespielt wurde (oder ob man damals lieber allein spielte), werden wir vermutlich so schnell nicht herausbekommen. (Ebenfalls nicht herausbekommen werde ich etwas anderes: Nämlich das Bild in meinem Kopf, dass einen T. rex zeigt, der ähnlich wie eine Katze hinter seinem Ball hertobt…)

                 

Bruce M. Rothschild (2014): Unexpected behavior in the Cretaceous:
tooth-marked bones attributable to tyrannosaur play, Ethology Ecology & Evolution,

DOI:10.1080/03949370.2014.928655

Dem paper hätte übrigens ein wenig Korrekturlesen gutgetan; zumindest ein Absatz taucht doppelt auf, das sollte eigentlich ja nicht passieren…

Kommentare (15)

  1. #1 Florian Freistetter
    11. September 2014

    “Ja, o.k., ich geb’s zu, die Titelzeile erfüllt vermutlich Florians Kriterien für eine schlechte Wissenschaftsschlagzeile”

    Buh!!

    😉 – nein – Die Schlagzeile ist ja nicht direkt irreführend; das passt schon.

  2. #2 Bernd
    11. September 2014

    Der geheimnisvolle Knochen ist der Hinterhauptshöcker (Condylus occipitale auf fachsprachlich, je 2 pro Genick) und ist eigentlich kein eigenständiger Knochen, sondern Teil des Hinterhauptsbeins.

    Und die Überschrift finde ich richtig knorke! 🙂

  3. #3 MartinB
    11. September 2014

    @Florian
    War nicht ganz ernst gemeint – ich bastelte gerade nur die Titelzeile und musste an deine Serie denken (und es schadet ja auch nix, mal die Blogger-Kollegen zu verlinken $$$)

    @Bernd
    Bei den Dinos (besonders den ceratopsiern) ist das aber schon ein ziemlich massives teil. Aber danke für’s fachwort – “Hinterhauptshöcker”.

  4. #4 sowhat
    11. September 2014

    @Florian
    War nicht ganz ernst gemeint – ich bastelte gerade nur die Titelzeile und musste an deine Serie denken (und es schadet ja auch nix, mal die Blogger-Kollegen zu verlinken $$$)

    Hr. Freistetter ist Freiberufler. Leicht hat er es wohl nicht (mit den €€€).

    Zum Thema: Könnten die Bißspuren nicht auch vom Wegschleppen der Beute kommen oder einfach vom Zubeißen beim Beutefang?
    Gegen die Variante “Ballspielen” spricht meiner Meinung nach, daß hierfür ja jeder beliebige (einigermaßen passende) Knochen genommen hätte werden könnte. Es wird aber vermutlich nur einen Fund geben, aber die Dinos (oder der Dino) hätten ja den Knochen wechseln können.

    Steht vielleicht ja alles im paper, habs aber (noch) nicht gelesen.

    PS: Für dich vielleicht Interessant:
    Größter bekannter Raubsaurier jagte im Wasser
    Die Dinos sind an sich ja schon cool, die Dedektivarbeit aber genauso.

  5. #5 sowhat
    11. September 2014

    @myself
    Hätte anders aussehen sollen. Zitat:

    “@Florian
    War nicht ganz ernst gemeint – ich bastelte gerade nur die Titelzeile und musste an deine Serie denken (und es schadet ja auch nix, mal die Blogger-Kollegen zu verlinken $$$)”

    und der Rest normal. Sorry.

  6. #6 MartinB
    12. September 2014

    @sowhat
    “Hr. Freistetter ist Freiberufler. Leicht hat er es wohl nicht”
    Stimmt wohl – die paar millicent, die ein Link auf meinem Blog ihm bringen, machen aber wohl keinen großen Unterschied, insofern waren die $-Zeichen eher humorvoll gemeint. Leben kann florian allein von Blogschreiben vermutlich nicht.

    “önnten die Bißspuren nicht auch vom Wegschleppen der Beute kommen oder einfach vom Zubeißen beim Beutefang?”
    Warum sollte aber gerade ein Knochen wie der OC oder ein dünner Oberarmknochen mehrere solcher Spuren aufweisen? Zumal man beim Zubeißen und Wegschleppen auch eher einzelne Spuren erwarten würde. Und zumindest beim OC würde das Wegschleppen nur Sinn ergeben, wenn noch ein Stück vom Schädel dranhängt – man findet diese Knochen mit den Bissspuren aber bevorzugt allein. (Wobei ich einschränkend allerdings sagen muss, dass das paper hier keine detaillierte Datenanalyse präsentiert.)

    Danke für den Spinosaurus-Link, ich glaube, da wird es heute oder Morgen mehr Details geben. Dass Spjnosaurier prinzipiell im Wasser jagten, ist nicht so neu; wenn sie aber wirklich gute Schwimmer waren, dann wäre das schon was. Mal sehen, ob es dazu eine echte Publikation gibt.

  7. #7 thorsten heitzmann
    12. September 2014

    Angeblich wurden neben einer T. rex Fundstelle auch versteinerte Netze gefunden.
    Die hatten schon eine NBL.

    Leider sind unsere Grundlagenforscher weniger am Ball.
    https://fm4.orf.at/stories/1734585
    und
    https://cdvolko.blogspot.co.at/2014/07/gibt-es-paradoxien.html

    MfG.

  8. #8 thorsten heitzmann
    12. September 2014
  9. #9 MartinB
    13. September 2014

    @thorsten
    Die links habe ich nicht verstanden., Haben die irgendwas mit diesem text hier zu tun?

  10. #10 thorsten heitzmann
    13. September 2014

    Nein.
    Aber mit meiner Aussage, dass die Grundlagenforscher “weniger am Ball sind”.

    Und übrigens sind die Kommentare unterhalb der erwähten Blogeinträge bewiesen.
    Auch wenn selbsternannte und verblendete “Grundlagenforscher” das nicht wahrhaben wollen !

    MfG.

  11. #11 MartinB
    13. September 2014

    @Thorsten
    “Nein.”
    Warum postest du sie dann hier?
    “Und übrigens sind die Kommentare unterhalb der erwähten Blogeinträge bewiesen.”
    Dieser Satz ergibt keinen Sinn (die Kommentare sind bewiesen?)

    “selbsternannte und verblendete “Grundlagenforscher” ”
    Wieder mal ne langweilige “Ach-Ihr-Wissenschaftler-Seid-Alle-Verblendet”-Tirade? Gääääähn.

  12. #12 thorsten heitzmann
    13. September 2014

    Die Aussagen der Kommentare sind (z.T. auch experimentell) BEWIESEN !
    Ganz ohne bescheuerter Wortklauberei.

    Es ist irrelevant ob Sie diese Links verstehen.
    Begabtere Leser realisieren diese Erklärungen und setzen hoffentlich etwas in Bewegung.

    Und Hass-Tiraden kommen zumeist von denen die nicht mithalten können (oder nicht wollen).
    Wer steht schon gerne als belämmert da.

    MfG.

  13. #13 MartinB
    13. September 2014

    @Thorsten
    KLar, einen psychisch kranken menschen wie Gödel als “irre” abzutun (als ob seine Sätze nicht nachprüfbar wären) ist natürlich ein super-Beweis; auch generell sympathisch, psychische Krankheit als Stigma zu benutzen.

    Man könnte natürlich (ähnlich wie bei dem Kommentar bezüglich Lemaitre) auch die Schlussfolgerung ziehen, dass es der Wahrheit und der Wissenschaft egal ist, wer eine korrekte Behauptung aufstellt, aber das wäre wohl nicht “kritisch” genug…

    Bitte hier nicht mehr posten, Kommentare wie deine verschwenden wirklich nur Ressourcen.

  14. #14 hubert taber
    14. September 2014

    https://scienceblogs.de/chevoja/2014/06/16/der-sinn-im-eiswuerfel/#comments

    auch dieser link betrifft nicht ballspielende saurier.
    aber sehr wohl dein fach !

  15. #15 MartinB
    14. September 2014

    @Hubert
    Danke, da postet also jemand willkürlich Kommentare unter unpassende Texte. Werd’ ich dann in Zukunft wohl einfach löschen.