Freitag morgen gab es mal keine Session über Dinos, und so habe ich ein bisschen hier und da hineingehört – erst eine halbe Vortragssitzung über Temnospondylen (Verwandte der heutigen Amphibien), dann über Säugetiere. Bei den Temnospondylen ging es in mehreren Vorträgen um die Struktur ihrer Knochen und was man daraus schließen kann – das Thema hatten wir hier ja schon letztes Jahr. Außerdem wurden einige neue Fossilien vorgestellt (dazu schreibe ich nicht so viel, weil das ohne Bilder wenig ergiebig ist (Fotografieren war explizit untersagt – sonst könnte jemand Bilder im Vortrag machen und dann ein neues Fossil als erster veröffentlichen und benennen)). Außerdem gab es noch eine Analyse der Verbreitung unterschiedlicher Arten, in der geschaut wurde, in wie weit Temnospondylen zu welchen Zeiten endemisch waren (also an unterschiedlichen Orten mit nur dort zu findenden Arten vertreten waren) oder nicht und wie sich das mit anderen Tiergruppen vergleicht.

Anschließend habe ich dann bei den Säugetieren reingeschnuppert. Der erste Vortrag war in meinen Augen ein wenig seltsam – es wurden alle bekannten Großkatzen-Fossilien (und außerdem die Borhyaeniden) aus Europa räumlich und zeitlich eingeteilt und dann wurde geschaut, in wie weit sich über die Zeit Muster ergaben, bei denen Arten oder Gruppen durch andere ersetzt wurden. Statistisch schien mir das etwas fragwürdig – zum einen wurden für all die vielen untersuchten Muster immer nur p-Werte der Signifikanz angegeben (was mich hieran erinnerte), zum anderen frage ich mich, ob man bei etwa 300 Fossilien, die man in knapp 20 Zeiten aufteilt, die Fundlage wirklich gut genug ist, um daraus klare Schlüsse zu ziehen. Vielleicht hätte man mal spaßeshalber 10% der Fossilien zufällig aus der Stickprobe herausnehmen sollen und schauen sollen, ob sich dann etwas ändert. So schien mir das Ganze ein wenig als Zahlenspielerei. Solche eher statistischen Untersuchungen gab es einige in dieser Sitzung; mit den meisten davon konnte ich nicht so viel anfangen.

Faszinierend war aber der Vortrag über Tibet als “Eiszeit-Trainingslager”. Das tibetanische Hochplateau liegt zwar ziemlich weit südlich, ist aber trotzdem verdammt kalt und wird deswegen manchmal als dritter Pol der Erde bezeichnet. Tiere die dort leben, sind entsprechend an große Kälte angepasst – und das war auch vor der letzten Eiszeit so. Zumindest vom berühmten eiszeitlichen Wollnashorn weiß man inzwischen, dass seine Vorfahren in Tibet lebten und dort ihre Anpassungen an die Kälte erwarben. In dem Vortrag ging es darum, zu untersuchen, ob das auch für andere Arten gelten könnte. Hierfür gibt es inzwischen einige Hinweise – auch arktische Füchse hatten vermutlich ihre Vorfahren in Tibet, ebenso die eiszeitlichen Schneeleoparden und Hyänen. Die Idee von Tibet als Trainingslager für große Kälte könnte also auf einige Eiszeit-Tierarten zutreffen. (Und wirft natürlich die Frage auf, wie die Eiszeit-Fauna ausgesehen hätte, wenn es Tibet nicht gegeben hätte…)

Nachmittags ging es dann weiter mit urzeitlichen Reptilien – es gab ja nicht nur Dinos, sondern auch viele andere seltsame Viecher, insbesondere in der Zeit vor den Dinos. Eine gute Übersicht über die Verwandtschaftsverhältnisse findet ihr bei Wikipedia – hier ein Screenshot der Verwandtschaftsverhältnisse (aber Achtung: das Kladogramm ist nicht ganz aktuell und die Position der Schildkröten (Testudinae) ist höchstwahrscheinlich falsch, dazu gleich noch mehr):

reptiliaClado

Oben sind die Synapsiden – die Säugetiere und ihre Verwandten und Vorfahren. Dann kommen die Mesosaurier – wasserlebende, sehr urtümliche “Ur-Reptilien”. Und daran schließen sich die beiden großen Gruppen der eigentlichen Reptilien an – die Parareptilien und die “echten” Reptilien (Eureptilia).

Zu den Parareptilien gehörten auch die Pareiasaurier, urtümliche und meist etwas plump aussehende Tiere. Einer davon war Bunostegos. Schaut man sich die Vorderbein-Knochen von Bunostegos aber genauer an, stellt man fest, dass er gar nicht so plump war, wie man dachte. Anders als bei den anderen Pareiasauriern liegen das Schulter- und das Ellbogengelenk nämlich so, dass der Oberarmknochen gerade unter dem Körper gehalten wurde. Bunostegos lief also nicht mit abgespreizten Beinen, sondern aufrecht. Bunostegos ist damit – nach bisherigem Wissen – das erste Landtier, das diese Gangart entwickelte, die später zum Erfolg von Dinosauriern und Säugetieren beitrug.

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Kommentare (6)

  1. #1 dilopho
    10. November 2014

    Danke für diese sehr ausführliche Zusammenfassung. Wäre selbst gern da gewesen, aber die Zeit und das Geld braucht man halt auch.
    Jedenfalls sind viele interessante Dinge dabei und bei einigen freu ich mich schon drauf, dass sie publiziert werden. Gibts eigentlich so eine Art Faustformel, wann die Paper zu solchen Vorträgen spätestens draußen sind?

  2. #2 MartinB
    10. November 2014

    @dilopho
    “die Zeit und das Geld braucht man halt auch”
    Jupp, aber zum Glück konnte ich’s mir dieses Jahr leisten.
    Nein, es gibt keine Faustformel – das Datum kann zwischen “heute” (so war es bei dem Eunotosaurus-Vortrag) und “nie” beliebig schwanken.

  3. […] Tom Holtz – mit dem ich letztes Jahr bei der SVP-Tagung schnacken konnte, das war schon […]

  4. […] – am Schrank seht ihr das Plakat vom Dino-Spuren-Symposium, und passenderweise hatte ich mein SVP-T-Shirt […]

  5. […] sitzen. Dass Schildkröten Diapsiden sind, weiß man auch noch nicht so lange, ich habe darüber kurz hier berichtet.) Dann seht ihr Eunotosaurus – die erste Urschildkröte, die wir kennen, allerdings noch ohne […]

  6. […] das Melanin steckt, prinzipiell auch in Fossilien nachgewiesen werden können. (Kurz habe ich dazu in diesem Artikel was erzählt, war schon ne coole […]