Wenn man an Dino-Fossilien denkt,dann denkt man sicher vor allem an Knochen. Aber Dinos haben noch mehr zu bieten als das. Heute gucken wir uns drei besonders spektakuläre Fossilien an, bei denen es nicht um Knochen geht.

Wenn es um Dinos geht, sind es ja meist die Raubsaurier, die im Rampenlicht stehen – groß, gefährlich,spektakulär und dann auch noch die Vorfahren der Vögel, kein Wunder, dass Raubsaurier beliebt sind. Aber auch andere Dinos haben einiges zu bieten, und die ersten beiden Fossilien die wir uns angucken, stammen nicht von Raubsauriern, sondern von den Ornithischiern oder Vogelbecken-Sauriern.

Zu den bekannten Exemplaren der Ornithischier gehören die Entenschnabel-Dinosaurier. Als ich Kind war, war der Standard-Entenschnabel-Dino, der in allen Büchern auftauchte, der Trachodon, der Name ist aber – ebenso wie der ebenfalls oft gehörte Name Anatosaurus – nicht mehr gültig, weil die Fossilien alle zum Edmontosaurus gehören. Hier ein Bild (das schon einen Spoiler enthält…)

Edmontosaurus BW.jpg
Edmontosaurus BW“ von Nobu Tamura (https://spinops.blogspot.com) – Eigenes Werk. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons.

Von Edmontosaurus kennt man einige sehr gut erhaltene Fossilien, insofern ist dieser Klumpen hier auf den ersten Blick wenig spektakulär:

edmonto1

Aus Bell et al., s.u.

Wie ihr sehen könnt, ist vom Schädel nur der hintere Teil erhalten (der Schädel ist als Skizze eingezeichnet, damit man etwas erkennt); ein paar Knochen ragen aus dem Stein heraus, aber das war’s dann scheinbar auch. Doch wenn man genau hinguckt, dann sieht man einen komischen “Knubbel” (mit c markiert) im Bild. Hier eine andere Aufnahme, in der er etwas deutlicher ist (gegenüber dem Bild oben rotiert):

edmonto2

Aus Bell et al., s.u.

Der Knubbel ist direkt an den Knochen angelagert und zeigt Falten – es handelte sich also um eine weiche Struktur, die auch tatsächlich zum Tier gehörte (wie auch CT-Untersuchungen bestätigten). Edmontosaurus hatte also nicht – wie in früheren Bildern dargestellt – einen langweiligen, flachen Kopf, sondern trug auf dem Kopf einen auffälligen Kamm und dürfte etwa so ausgesehen haben (die Farben sind natürlich Spekulation):

edmonto3

Aus Bell et al., s.u.

Viele der Entenschnabel-Dinos hatten ja sehr auffällige Knochenkämme auf dem Kopf – eine schöne Übersicht findet ihr auch in diesem Artikel hier. Bisher dachte man, dass Edmontosaurus da nicht mithalten konnte, aber ein fleischiger Kamm ist ja doch ziemlich schick.

Wenn ihr euch das Bild oben nochmal anguckt, seht ihr übrigens noch etwas anderes: Abdrücke von Schuppen. Dass Dinos schuppig waren, ist ja nicht wirklich etwas neues. O.k., von einigen Raubsauriern kennt man Protofedern (oft liebevoll “Dino-Fuzz” genannt), aber Entenschnabeldinos sind von denen ja evolutionär weit weg und haben natürlich Schuppen und keine Federn, oder?

Nein, so klar ist das auch nicht mehr. Bereits vor ein paar Jahren sorgte die Entdeckung von federartigen Fortsätzen am Schwanz eines Psittacosaurus für Aufsehen, aber das waren eher Borsten, und ob sie irgend etwas mit Federn oder Dino-Fuzz zu tun hatten, war nicht klar:

Psittacosaurus mongoliensis whole BW.jpg
Psittacosaurus mongoliensis whole BW“ von Nobu Tamura (https://spinops.blogspot.com) – Eigenes Werk. Lizenziert unter GFDL über Wikimedia Commons. (An dieser Stelle mal ein Dank an Nobu Tamura, der unglaublich viele Rekonstruktionen produziert und sie bei Wikipedia mit einer CC-Lizenz zur Verfügung stellt.)

Gerüchte von einem Vogelbecken-Dino mit Federn kursierten allerdings schon seit einiger Zeit. Letzten Sommer wurden die Ergebnisse endlich in Science veröffentlicht. Kulindadromeus (“Läufer von Kulinda”) ist ein eher basaler (also “urtümlicher”) Ornithischier, ähnlich dem etwas bekannteren Hypsilophodon,  der allerdings weiter oben im Dino-Stammbaum sitzt (Einen detaillierten Überblick über den Stammbaum der Ornithischier gibt es hier auf der Seite von Tom Holtz (mit dem ich bei der SVP-Konferenz gequatscht habe, yay!)) Von Kulindadromeus gibt es diverse Fossilien, bei denen auch die Hautstruktur erhalten ist. Der kleine Dino hatte Schuppen am Schwanz, hatte aber am Körper, Hals und Kopf Dino-Fuzz, also einfache, haarartige Strukturen. An den Armen und Beinen hatte er komplexere Protofedern, bei denen mehrere einzelne Fasern von einer Schuppenplatte ausgingen. Solche Strukturen kannte man bisher nur von einigen wenigen Raubsauriern, die sehr eng mit den Vögeln verwandt sind. Und dann gab es noch seltsame, eher bandartige “Federn” an den Unterschenkeln. Insgesamt sah Kulindadromeus damit etwa so aus:
Kulindadromeus by Tom Parker
By Tomopteryx (Own work) [CC BY-SA 4.0], via Wikimedia Commons

Ein gefiederter Ornithischier wirft natürlich jede Menge Fragen auf: Da sich die Ornithischier und die Saurischier (zu denen die Raubsaurier gehören) ganz am Anfang der Dino-Evolution getrennt haben, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder die beiden Gruppen haben unabhängig voneinander sehr ähnliche Feder-Strukturen entwickelt (was recht unwahrscheinlich ist), oder der letzte gemeinsame Vorfahre von beiden hatte ebenfalls schon Federn. Waren dann vielleicht alle Dinos (zumindest stellenweise, wir kennen ja auch Schuppenabdrücke) gefiedert? Das würde unser Bild der Dinos noch einmal ziemlich umkrempeln.

Als drittes werfen wir noch einen Blick auf einen Raubsaurier – tatsächlich ist es sogar ein echter Vogel, nämlich Jeholornis. Der lebte in der frühen Kreidezeit in China und ist von zahlreichen Fossilien bekannt. An einigen waren auch Federn erhalten, und so wusste man, dass Jeholornis an der Schwanzspitze einen dekorativen Federkranz hatte. Eine genauere Untersuchung einiger der Fossilien zeigte aber etwas ungewöhnliches: weitere Schwanzfedern, die aber am Ansatz des Schwanzes saßen. Hier ein Blick auf eins der Fossilien:

jeholornis1

O’Connor et al., s.u.

Hinten erkennt ihr den Federkranz am Ende des Schwanzes, aber vorn, am Schwanzansatz, sitzen auch lange Federn. Jeholornis hatte also eine Art Doppelschwanz – einen Federkranz vorn und einen weiteren hinten, etwa so:

jeholornis2

O’Connor et al., s.u.

Die vorderen Schwanzfedern waren dabei robust und ähnlich gebaut wie die Flugfedern an den Flügeln – das spricht dafür, dass sie eine aerodynamische Funktion hatten, möglicherweise ähnlich wie beim Schwanz von modernen Vögeln. Eine Abschätzung zeigt, dass der Auftrieb des Vorder-Schwanzes zwar klein, aber nicht vernachlässigbar ist, während die Federn hinten am Schwanz wohl nichts zum Auftrieb beitrugen. Möglich ist auch, dass sowohl die vorderen als auch die hinteren Schwanzfedern zur Steuerung oder Stabilisierung des Fluges dienten, aber das genau herauszubekommen dürfte extrem schwierig werden.

Leider gibt es nur wenige Fundstellen, in denen die Fossilien so gut erhalten sind, dass man Kämme oder Federn erkennen kann. Man darf also durchaus ein wenig spekulieren, welche Strukturen uns an anderen Dinos, die wir nicht so gut kennen, möglicherweise entgehen (auch wenn das hier vermutlich etwas übertrieben ist).

                       

Bell, Phil R., et al. “A Mummified Duck-Billed Dinosaur with a Soft-Tissue Cock’s Comb.” Current Biology 24.1 (2014): 70-75.

Godefroit, Pascal, et al. “A Jurassic ornithischian dinosaur from Siberia with both feathers and scales.” Science 345.6195 (2014): 451-455.

O’Connor, Jingmai, et al. “Unique caudal plumage of Jeholornis and complex tail evolution in early birds.” Proceedings of the National Academy of Sciences 110.43 (2013): 17404-17408.

Kommentare (8)

  1. #1 mafjosnik
    Molbergen
    7. Januar 2015

    Nicht schlecht

    Spamlink entfernt MartinB

  2. #2 Bettina Wurche
    8. Januar 2015

    Danke für den herrlichen Artikel über Dino-Federn, -Fuzz und Kopfschmuck!

    Der “Anatosaurus” war auch in einem meiner Dino-Kinderbücher. Es ging da um eine Mumie. Wie habe ich mich gefreut, als ich 2000 bei meinem ersten Besuch im Senckenberg-Museum tatsächlich genau diese mittlerweile Edmontosaurus benannte Mumie persönlich traf, mit Haut- und Huferhaltung!

    Im gleichen Museum ist auch ein Abguß der Typus-Platte von Psittacosaurus mongoliensis und eine gute Rekonstruktion. Das Original wurde von Gerald Mayr beschrieben und anschließend nach China zurückgegeben. Die “Schwanzbürste” wird als “Display function” interpretiert, z. B. um potentielle Paarungs-Partner zu beeindrucken.
    https://www.miketaylor.org.uk/tmp/papers/gmayr43.pdf

    Kulindadromeus? Den kannte ich noch gar nicht – oh wie knuffig : )))

    Mein persönlicher Favorit ist Bambiraptor in dieser Version:
    https://www.google.de/search?q=bambiraptor&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ei=KcquVKL-EMP6PK3AgVA&ved=0CAgQ_AUoAQ&biw=1600&bih=1052

    Im Naturkundemuseum Stuttgart gab es bei meinem letzten Besuch eine sehr gute Ausstellung zu gefiederten Dinos – sehr sehenswert!

  3. #3 MartinB
    8. Januar 2015

    Ja, Senckenberg ist super.
    Und ja, gefiederte Dinos sind gleichzeitig knuffig und cool.
    Der bambiraptor-Link führt aber bei mir auf die google-Suchseite mit 1000 Versionen.

  4. […] Hier Wohnen Drachen hat eine sehr nette Übersicht über neue Forschung zu Dinos mit Kämmen, Federn und geschmückten Schwänzen. Es scheint so also ob unser klassisches Bild von Dinos als nackthäutige Riesenechsen nicht so wirklich mit dem übereinstimmt, wie es damals tatsächlich aussah. Vielleicht hatten die sogar alle Federn? Im Blog gibt es auch tolle Bilder! […]

  5. #5 Bettina Wurche
    9. Januar 2015
  6. #6 MartinB
    10. Januar 2015

    Schick – und bunt…

  7. #7 Omnivor
    12. Januar 2015
  8. #8 MartinB
    12. Januar 2015

    @Omnivor
    Das Foto ist super.
    Und spielende Dinos hatten wir hier ja schon:
    https://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2014/09/11/tyrannosaurier-beim-ballspielen-erwischt/