Im Erdmittelalter, zur Zeit der Dinos, lebten im Wasser die Ichthyosaurier oder Fischsaurier, die ja gern mit Delphinen verglichen werden. Anders als bei den Walen, deren evolutionäre Vorgeschichte wir dank neuer Fossilien seit einigen Jahren gut kennen, wusste man bisher über die Vorfahren der Fischsaurier nicht so viel. Das hat sich jetzt geändert.

Hier erst einmal ein Bild eines Ichthyosauriers für alle die, die als Kinder keine Bücher mit Urzeitviechern auswendig gelernt haben (solche Leute soll es ja geben…):

 

Ichthyosaurus BW.jpg
Ichthyosaurus BW“ von Nobu Tamura (https://spinops.blogspot.com) – Eigenes Werk. Lizenziert unter CC BY 3.0 über Wikimedia Commons.

Ihr seht hoffentlich die allgemeine Ähnlichkeit zu Delfinen (und auch zu Haien), die gern als Beispiel für das evolutionäre Phänomen der Konvergenz herangezogen wird: Ähnliche Lebensweise bedingt oft auch ähnliche Körpergestalt. Anders als bei Delfinen steht die Schwanzflosse des Ichthyosauriers allerdings senkrecht, nicht horizontal – Wale haben sich aus Säugetieren entwickelt, die beim Laufen die Wirbelsäule in der senkrechten Richtung krümmen, nicht wie Reptilien in der waagerechten. (Daran sieht man auch, dass trotz aller Konvergenz die evolutionäre Vorgeschichte meist doch ihre Spuren hinterlässt.)

Wie gesagt, wusste man bisher nicht sehr viel über die Ursprünge der Ichthyosaurier – man ging davon aus, dass sie mit den Hupehsuchiern verwandt sind (von denen ich auch schon mal erzählt habe), aber wie die ersten Ichthyosaurier selbst aussahen, wusste man bisher nicht.

Dank eines neuen Fossilfunds aus China wissen wir nun mehr:

cartorhynchus

Aus Motani et al., s.u.

Das ist Cartorhynchus lenticarpus, die schlankhändige Kurzschnauze aus China. Das Fossil selbst ist nur etwas mehr als 20cm lang, mit Schwanz maß es vermutlich nur etwa 40cm und ist damit kleiner als alle bekannten Fischsaurier.

Das auffälligste ist – neben der geringen Größe – sicher die sehr kurze Schnauze. Fischsaurier hatten alle eine lange Schnauze (wie oben im Bild), aber die von Cartorhynchus ist wirklich sehr kurz. Das spricht dafür, dass das Tier sich anders ernährte als es die meisten Fischsaurier taten (die besonders gern Kopffüßer wie zum Beispiel Ammoniten futterten) – wahrscheinlich saugte Cartorhynchus seine (entsprechend kleine) Beute durch Aufreißen des Mauls ein. Dafür spricht auch, dass er keine Zähne hatte und einen relativ ausgeprägten Knochen in der Kehle (Hyobranchium, der ist soweit ich weiß mit der Zunge verbunden, korrigiert mich, falls ich mich irre…)

Beim Anblick der vergleichsweise großen Augen könnte man überlegen, ob es sich nicht um ein Jungtier handelt – dagegen spricht aber, dass die meisten Knochen vollständig verknöchert sind (während sie bei Jungtieren ja eher knorpelig wachsen), das Tier ist also vermutlich ausgewachsen.

Interessant sind auch die relativ dicht liegenden Rippen, die vermutlich als Ballast dienten – das Tier lebte also eher im flachen Wasser (denn tief tauchende Tiere brauchen keinen Ballast, weil der Wasserdruck die Lungen zusammendrückt. Deswegen gibt es sehr dicke Knochen bei Seekühen, aber nicht bei Walen.)

Vorn erkennt man schließlich die relativ dicken Knochen der Vorderflossen (unten seht ihr einen kurzen dicken Oberarm, an dem die zwei Unterarmknochen hängen, außerdem ein paar einzelne “Fingerglieder”. Der große Abstand zwischen den Knochen deutet auf dicken Knorpel hin (wenn ich die Fachbegriffe richtig auseinandergedröselt habe), was für eine hohe Beweglichkeit der Flossen spricht. Weil die Flossen gut beweglich und sehr groß waren, könnte sich Cartorhynchus damit auch an Land vorwärtsgerobbt haben, ganz ähnlich wie das Meeresschildkröten tun. Das ist auch plausibel, denn ein Reptil, das sich gerade ans Wasserleben anpasst, legt ja vermutlich noch Eier an Land. (Dank der vielen spektakulären Fossilien von späteren Fischsauriern wissen wir, dass die lebende Junge zur Welt brachten.)

Wieder einmal hat ein Fossilfund unser Bild der Evolution weiter vervollständigt (Kreationisten können sich natürlich über gleich zwei neue evolutionäre Lücken freuen…).

                    

Motani, Ryosuke, et al. “A basal ichthyosauriform with a short snout from the Lower Triassic of China.” Nature (2014).

Kommentare (7)

  1. #1 Bettina Wurche
    24. Januar 2015

    Der ist ja wirklich oberknuffig!
    Das ausgeprägte Kindschenschema lässt wirklich ein Jungtier vermuten. Den Verknöcherungsgrad des Schädels kann ich so nicht beurteilen.
    So große Augen werden bei Ichthyosauriern sonst auch noch mit tief tauchenden Tieren in Verbindung gebracht. Motani hatte Ophthalmosaurus dahingehend interpretiert, dass er mit seinen besonders großen Augen auch noch im Dunkel tiefer Meeresregionen ausreichend sehen konnte.
    (R. Motani, B. M. Rothschild, W. Wahl, Jr: Large eyeballs in diving ichthyosaurs. In: Nature. 402, 1999, S. 747.)
    Fällt bei diesem Tierchen offenbar auch weg.
    Die Schnauze ist wirklich aussergewöhnlich geformt, wie ein sehr kurzer Delphinschnabel. Das Fressen mit Unterdruck ist bei Wassertieren sehr verbreitet, fast alle Wale machen das so. Und ich kann mir gut vorstellen, dass der Unterdruck auch bei Ichthyosauriern eine größere Rolle gespielt hat.
    Zu schade, dass der Schwanz nicht erhalten ist – aber da hoffen wir mal auf weitere Funde. Hoffentlich dann auch mit Weichteilerhaltung, um zu sehen, wie weit die Flossen an Schwanz und ggf. Rückenausgebildet sind : )

  2. #2 MartinB
    25. Januar 2015

    @Bettina
    “So große Augen werden bei Ichthyosauriern sonst auch noch mit tief tauchenden Tieren in Verbindung gebracht. ”
    Im paper steht, dass das Augen-zu-Schädel-Verhältnis aber nicht ungewöhnlich groß ist und es auch andere Echsen gibt, die ein ähnliches Verhältnis haben.
    Und ja, Megaknuffig. Den würde man wirklich gern mal live rumschwimmen und paddeln und krabbeln sehen.

  3. #3 Spritkopf
    25. Januar 2015

    Kreationisten können sich natürlich über gleich zwei neue evolutionäre Lücken freuen…

    Tun sie bereits. Bzw. ihr “Argument” lautet ein bißchen anders. Nämlich dass man sich auf Fossilien als Beleg nicht verlassen könne, da bislang keine einzige durchgehende Fossilienkette von einer Art zur anderen gefunden worden sei.

  4. #4 Hawk
    28. Januar 2015

    @große Augen:
    Auch wenn große Wassertiefen als Verdunklungsfaktor wegfallen, bleiben ja immer noch die profanen. Eventuell war das Tierchen ja einfach nacht- oder dämmerungsaktiv. Da wird es auch im Flachwasser dunkel…

    @2 neue Lücken für die Kreationisten:
    Es sind zwar 2 neue aber nur eine mehr als vorher. Die vorherige wurde schließlich nur einmal unterteilt…
    Die vollständige Fossilienkette ist einfach nur herrlich.

    Gruß Hawk

  5. #5 MartinB
    29. Januar 2015

    @Hawk
    Ja, das mit dem Dämmerungsleben ist natürlich eine Möglichkeit.

  6. #6 JoselB
    4. Februar 2015

    @vollständige Fossilienkette:
    Wie kommt ein Kreationist denn darauf, dass er von Adam abstammen könnte? Er müsste ja erst mal die vollständige Fossilienkette nachweisen?
    Achso… Fossilien sind ja kein Beleg. Dann frage ich mich aber, wie er ohne Evolution mit den ganz anders aussehenden Frühmenschen (zu denen Adam ja dann wohl auch gehört hat) verwand sein will, wenn unterschiedlich aussehende Tiere das nicht können.
    Bleibt dann noch, dass Adam ein Europäer war und all die Anderen und die Frühmenschen in Wirklichkeit Tiere. Sowas wurde ja auch schon mal geglaubt. Wenn man sich irgendwo festbeist, kann man sich alles zusammen fantasieren um nicht loslassen zu müssen.
    Sorry, aber bei Fossilienkette konnte ich jetzt nicht widerstehen.

  7. #7 Spritkopf
    4. Februar 2015

    @JoseIB

    Wie kommt ein Kreationist denn darauf, dass er von Adam abstammen könnte? Er müsste ja erst mal die vollständige Fossilienkette nachweisen?

    Da kommt halt ins Spiel, dass die Bibel das originäre Wort Gottes ist und folglich schon in sich einen ausreichenden Beleg darstellt.

    Ein Paläontologe hat die vollständige Kette von fossilierten Zwischenformen bis heute vorzulegen, ansonsten sind seine Fossilienfunde wertlos. Bei Kreationisten reicht es, dass irgendein Dorfpope im Kaukasus ein altes Stück Holz hochhält, um die Faktizität der biblischen Sintflut nachzuweisen.