Ich sag’s ganz ehrlich: Eigentlich langweilt mich das Thema “Wissenschaftskommunikation” oder “Bloggen und Journalismus”. Aber da jetzt hier auf den Scienceblogs schon drei Artikel zur Diskussion beim Spiegel erschienen sind, gebe ich auch mal meinen Senf dazu.

Erst mal ein Blick auf das, was gesagt wurde.

Die Diskussion fängt schon ein wenig seltsam an:

Fischer: Danke für den Kaffee, meine Herren, aber die Kaffeekanne steht vor dem Mikrofon, soll ich denn um die Kanne herumsprechen?

Wormer: Das geht schon, der Schall beugt sich ja glücklicherweise um das Hindernis.

Fischer: Das Huygens’sche Prinzip… Ja, aber was erklären solche Begriffe schon?

Ehrlich gesagt, finde ich das mit der Kaffeekanne eigentlich ganz witzig. Den Satz von Herrn Fischer verstehe ich aber nicht – nein, Begriffe erklären nichts, Begriffe sind nur Namen, die wir für Dinge oder in diesem Fall Phänomene haben. Dass es für die Beugung einen Begriff gibt, erklärt als solches nichts, weist allenfalls darauf hin, dass das Phänomen anscheinend wichtig ist, weil es einen Namen hat. Wenn ich einen Blogartikel zum Thema schreiben würde, dann würde ich kaum sagen “Das ist das Huygens’sche Prinzip” und es damit bewenden lassen. Man könnte die Kanne aber wunderbar als Aufhänger nehmen und sich fragen “Warum kann ich um eine Kanne herumsprechen, aber nicht herumgucken?”

Dafür kann ich dem, was danach kommen, nur zustimmen: Ja, die Wissenschaft verzaubert die Welt.

Dann geht es um die Frage, wie Wissenschaft im Fernsehen dargestelt wird. Da lesen wir als Argument dagegen, dass man Forscher nach Geschichten fragt:

“Im Fernsehen beispielsweise bricht die Quote ein, sobald ein Wissenschaftler vorm Bücherregal gezeigt wird.”

Ja. Das ist sehr überraschend. Würde man Sportler nur interviewen, aber die Sportereignisse nie zeigen, würde die Quote vermutlich auch einbrechen.

Fischer meint, dass man Wissenschaft am ehesten über Personen bekannt machen kann. Das mag für manche Leute so funktionieren – aber leider ist es ja inzwischen so, dass die Personalisierung der Wissenschaft dazu führt, dass so ziemlich jeder Wissenschaftsartikel (zumindest in der Zeit) erst mal erzählt, wie irgendein Wissenschaftler etwas tut, irgendwo steht, irgendwas gräbt, misst oder sonst irgendetwas tut, und sei es Spaghetti essen. (Ich überfliege diese Absätze immer.) Und die Personalisierung führt dazu, dass der Journalismus Geschichten der Art “Revolutionär gegen Mainstream” liebt, weil die sich gut an Personen festmachen lassen. Selbst da, wo es keinen Konflikt gibt, wird einer aufgebaut, und ich kann inzwischen nicht mehr zählen,wie oft in den letzten zehn Jahren z.B. die Evolutionsgeschichte “neu geschrieben” werden musste.

Außerdem sehe ich hier einen gewissen Widerspruch: Wenn wir zeigen wollen, wie Wissenschaft die Welt verzaubert und Leute zum Staunen bringen wollen, dann brauchen wir dafür keine Personen, sondern die Geschichten aus der Wissenschaft selbst – für die Faszination, die ich verspüre, wenn ich daran denke, dass alle Atome meines Körpers (vom Wasserstoff abgesehen) mal in einem Stern zusammengebacken wurden, brauche ich eben keine Geschichten von irgendwelchen Forschern, die das entdeckt haben. Die Welt ist auch aus sich selbst heraus faszinierend. (Natürlich ist manchmal auch die Entdeckungsgeschichte eines Phänomens spannend – beispielsweise bei den Pulsaren – aber eben nur manchmal.) Genau deswegen ist es auch langweilig, Wissenschaftlern vor Bücherwänden zuzuhören – wenn die keine guten Erzähler sind, dann wird es schnell langweilig, und wenn man sie auf kurze Worthäppchen beschränkt, dann können sie keine interessante Geschichte erzählen.

Ob Wissenschaftler in Talkshows die richtige Lösung sind, wie dann überlegt wird, wage ich zu bezweifeln. Das Argument ist ohnehin etwas widersprüchlich – später wird gesagt, dass Wissenschaftler nicht unbedingt am besten geeignet sind, um Wissenschaft zu vermitteln; was sollen sie also in Talkshows?

Bei der Frage, ob Wissenschaftskommunikation sich verbessert hat, sind sich die Teilnehmer nicht einig. Fischer sagt, dass sich nichts getan hat, während Wormer darauf hinweist, dass es in dritten Programmen oder im Kinderfernsehen gute Formate gibt (dem kann ich nur zustimmen – “pur+”, “Wissen macht Ah” usw. auf dem KiKa fand ich immer super). Nur im “Mainstream”-Fernsehen hinke man hinterher, aber z.B. bei den Online-Medien würden Forschungsthemen mit anderen erfolgreich konkurrieren. (Seltsam nur, dass er dann von Blogs so wenig hält – ich denke, den Internetlesern ist es ziemlich egal, ob sie interessante Texte auf einem Blog oder einer Zeitungsseite lesen.)

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Kommentare (10)

  1. #1 Florian Freistetter
    21. Februar 2015

    “Wissenschaftskommunikation hat viele Facetten- zu glauben, dass diese alle von Journalisten abgedeckt werden können und dass für alle diese unterschiedlichen Facetten dieselben Regeln gelten könnten, erscheint mir ziemlich abwegig.”

    Dass dieser eigentlich völlig offensichtlich und selbstverständlich Satz unter Journalisten immer noch diskutiert werden muss, überrascht mich eigentlich am meisten…

    Guter Artikel!

  2. #2 werner
    21. Februar 2015

    Viele Wissenschaftler sind nun mal nicht die geborenene Journalisten – aber ich würde mir wünschen, dass die Wissenschaftler, die sich dazu berufen fühlen, journalistisch tätig werden. Nicht jeder hat die Gabe, sich vor ein Publikum zu stellen und öffentlichkeitswirksam über trockene Themen zu plaudern. Aber die, die es können, sollten von der Wissenschaftsgemeinde aktiv gefördert werden. Warum sind viele sogenannte “Wissenschaftsjournalisten” solche N**ten? Weil sie entweder keine passende Ausbildung haben oder /und in diese Position gedrängt wurden (VORSICHT: Persönliche Meinung). Ein Wissenschaftler mit begrenzt journalistischen Fähigkeiten.

  3. #3 Stefan S.
    22. Februar 2015

    Ich kann mich bei der ganzen Diskussion eigentlich nur Herrn Freistetter anschließen.
    Ein Blog, eine Zeitung, eine Fernsehshow, das sind eben Medien in und mit denen verschiedenes gemacht werden kann.
    Es kann dort Journalismus stattfinden, oder eben nicht.
    Insofern ist diese Diskussion in meinen Augen auch ein wenig überflüssig.

    “Fischer: Wissenschaftler wollen Erfolg, Wissenschaftler wollen eine Frau, ein Hotelzimmer, eine Einladung oder ein Auto!”

    Ich verstehe nicht ganz was am Streben nach Erfolg so schlimm sein soll? Beziehungsweise was ist so toll an vollkommener Selbstlosigkeit?

    Natürlich wollen Wissenschaftler alle eine Frau.
    Denn sie sind entweder Männer (wie schon erwähnt wurde) oder wohl lesbisch.
    Und natürlich tun Männer das was sie tun aus keinem anderen Grund als irgendwann mal eine Frau zu bekommen.
    (ich bin irgendwie ziemlich unzufrieden mit dieser Ausdrucksweise, das hört sich so an als könne man eine Frau besitzen)

  4. #4 DasKleineTeilchen
    22. Februar 2015

    “debatte”, harhar: eigentlich isses doch so; ein ehemaliges nachrichtenmagazin, das nur ein schatten vergangener tage ist, über dessen berichterstattung wahlweise gelacht oder sich geärgert, aber nicht wirklich mehr ernstgenommen wird, hält ein stöckchen hin, und ein paar springen drüber, weil sie sich über die grottenschlechte simplifizierung und plattester pseudo”kritik”, insbesondere an wissenschaftsblogs, und der daraus resultierenden subjektiven wahrnehmung von “wissenschaftsjournalismus-in-blogs-gibt-es-eigentlich-nicht” quasie als fakt darstellend, zu recht aufregen. daß martin auf so einen bullshit eigentlich keinen nerv hat, ist nicht nur nachvollziehbar, sondern geboten. ps. daß frau Lüthje im interview genau *dreimal* zu wort kommt, muss vor dem hintergrund bezüglich, was wissenschaftler angeblich “wollen”, schon fast nicht mehr kommentiert werden. blome leistet offenbar ganze arbeit seit seinen wechsel von BLÖD zum SPEICHEL als chefredakteur des “hauptstadtbüros”.

  5. #5 MX
    22. Februar 2015

    Warum kann ich um eine Kanne herumsprechen, aber nicht herumgucken?

    Warum du das nicht kannst, weiß ich nicht, ich kann es, gerade experimentell getestet. Ich muss nur den Kopf etwas bewegen 😉

    Guter Blogartikel zu einer seltsamen “Debatte”.

  6. #6 MartinB
    22. Februar 2015

    @MX
    Damit gebührt dir die goldene rasierklinge für die erfolgreichste Haarspaltung des Tages.

  7. #7 CM
    22. Februar 2015

    Vielen Dank für diesen sprachlich und logisch feinen Beitrag!

    @werner
    Viele Wissenschaftler sind nun mal nicht die geborenene Journalisten … Umgekehrt gilt dasselbe – ja, und? Und gibt es “geborene Journalisten”? Nein! – Ja, und?

    … aber ich würde mir wünschen, dass die Wissenschaftler, die sich dazu berufen fühlen, journalistisch tätig werden.
    Also, was mich anbelangt: Ich ertrinke in der Arbeit, meine eigentliche Arbeit zu machen und anderen Wissenschaftlern beizubringen besser wissenschaftlich zu Arbeiten. Dabei sollen ich und meinesgleichen auch noch einen zweiten Job machen? Wie denn?

    Nicht jeder hat die Gabe, sich vor ein Publikum zu stellen und öffentlichkeitswirksam über trockene Themen zu plaudern. Aber die, die es können, sollten von der Wissenschaftsgemeinde aktiv gefördert werden. Das allerdings kann man so sehen und sehe ich auch so ähnlich (wobei ich das Element des Wollens hinzunehmen würde), woraus ich entnehme, dass es Dir vornehmlich um Wissenschaftskommunikation und weniger um Journalismus geht. Das Problem hierbei ist an den PR-Abteilungen führt nur ein Weg vorbei: Der privaten Initiative (z. B. über einen Blog wie diesen oder sich anheuern zu lassen und im TV zu sprechen oder meinetwegen in der Bütt etc.). Deshalb ja: Die institutionelle Unterstützung in Hinblick auf Wissenschaftskommunikation ist stark verbesserungswürdig. – Aber auch ein Thema für sich.

  8. […] Mutterschiff Wissenschaft im Dialog sich ja seit einigen Tagen dem unberechtigten Vorwurf einiger Wissenschaftsautoren ausgesetzt sehen, durch moderne Formen der Wissenschaftskommunikation im Vergleich zum […]

  9. #9 Hertha Kerz
    Hamburg
    15. März 2015

    Die Wissenschaftsjournalismusdebatte ist wichtig! Allerdings aus einem anderen Grund: Häufig schreiben Journalisten Dinge, die in sich falsch sind, weil sie den Auftrag vom Chefredakteur bekommen haben – nicht, weil sie vom Thema etwas verstehen. Und dann weigern sie sich, den Wissenschaftler noch einmal zu fragen, ob die Sache inhaltlich (inhaltlich) richtig ist. Viele bekommen irgendwie nicht mit, dass (sie) oft etwas anderes hören / verstehen, als gesagt / gemeint war. Deshalb bezweifle ich extrem stark, dass einer der Wissenschaftler sich darüber lustig gemacht hat, als SPON sagte: “Manche Wissenschaftsjournalisten schicken ihre Artikel vor Veröffentlichung zur Kontrolle an Wissenschaftler. Ist manchen die Zustimmung von Forschern wichtiger als unabhängige Berichterstattung?” Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Herr Fischer diese Antwort “So ist es wohl leider oft”, gegeben hat. Dazu kommt, dass ein Interview mit drei Interviewpartnern mindestens 45, eventuell sogar 90 Minuten dauert. Wer es also genau wissen will, sollte die Herren und die Dame selbst fragen, was dort gesprochen wurde – und vor allem: In welchem Zusammenhang…….
    H. Kerz
    Wissenschafts- / Industriejournalistin

  10. #10 flato
    26. Oktober 2015

    Ich tu mir das aus einfachem Grund nicht an: Zeitverschwendung

    Das digitale Altpapier von SPON hat in der Druckversion 11,3kB aber dieser Senf 16,6kB- Das ist vielzuviel Aufregung um heiße Luft + es gibt Produktiveres als Journaille. also nichteinmal ignorieren ツ