Wir haben also etwa 1e7 Kilogramm Stahl (ich nehme mal an, dass der ganze Tanker aus Stahl besteht) – das sind etwa 1,25E3 (also 1250) Kubikmeter Stahl. (Stahl hat eine Dichte von so etwa 8000kg/m³.) Wie viel freie Oberfläche schaffen wir beim zerschneiden? Dazu stelle ich mir erst einmal vor, ich würde den ganzen Tanker der Länge nach komprimieren, so dass er nicht mehr 200 Meter lang ist und im wesentlichen aus Luft besteht, sondern zu einem massiven Klotz wird. Der Klotz ist etwa 30 Meter breit und vielleicht 20 Meter hoch (typischer Tiefgang für so ein Schiff sind etwa 10 Meter). Das sind etwa 600 Quadratmeter. Unser Klotz ist dann also 2 Meter dick (und der Tanker besteht zu 99% aus Luft).
Zerschnitten wird nur das Material, das oberhalb der Wasseroberfläche liegt. Das wird aber der größte Teil des Materials sein, denn da der Tanker im wesentlichen aus Luft besteht, hat er auf Grund der Verdrängung auch nicht so sehr viel Tiefgang. Egal – nehmen wir sicherheitshalber die Hälfte der Masse. Wir haben also einen Klotz von 30x10x2 m³, den wir in der Höhe (10 Meter) alle 0,5 Meter zerschneiden (so wird es im Buch beschrieben, damit auch die Menschen zuverlässig mit zerschnitten werden, was sind schon ein paar Kollateralschäden…). Pro Scheibe macht das eine Fläche von 2*30=60m² – halt, nein, wir schaffen ja zwei mal die freie Oberfläche, oben und unten (das vergisst man bei Rechnungen dieser Art immer…). Insgesamt also 120m² pro Scheibe, und davon 20 Scheiben (19 oder 18, wenn ihr pingelig sein wollt, weil ganz oben und ganz unten evtl. keine Scheibe mehr schneiden kann). Mach 2400m², also (mit dem Wert für die Oberflächenenergie von oben) schlappe 4000Joule.
Besonders viel ist das in der Tat nicht – klar ist jedenfalls, dass unser Tanker durch die Schneiderei nicht abgebremst wird.
Ist das ganze also durchaus realistisch? Dazu müssen wir uns noch angucken, was unsere Nanodrähte zu leisten haben. Wir müssen 4000J Arbeit leisten. Arbeit ist Kraft mal Weg – der Weg sind hier die etwa 200 Meter Länge unseres Schiffs (denn über die verteilt sich die Schnittarbeit ja – das Modell mit dem massiven Block können wir für diese Rechnung nicht verwenden), also ist die Kraft etwa 20 Newton. Scheint auf den ersten Blick nicht viel – bei 20 Nanodrähten muss jeder eine Kraft von 1 Newton aushalten, also etwa die Gewichtskraft einer handelsüblichen Tafel Schokolade.
Die Materialien mit der höchsten Zugfestigkeit, die wir heute kennen, sind Kohlenstoff-Nanoröhrchen mit (laut Wikipedia) einer Zugfestigkeit von 63 Gigapascal. Wem die Einheit nichts sagt, das sind 63000 Newton pro Quadratmillimeter. Ein Nanoröhrchen-Draht mit einem Qudratmillimeter Querschnittsfläche kann also eine Kraft von 63000 Newton (entsprechend einer Gewichtskraft von 6,3 Tonnen) tragen. Ziemlich fest.
Unsere Drähte müssen also – wenn sie 1 Newton Kraft aushalten sollen, ohne zu reißen – eine Querschnitssfläche von 1/63000 mm² haben. Das sind etwa 65 Quadrat-Mikrometer. Als Drähte bräuchten sie also einen Radius von etwa 4,5 Mikrometern, ungefähr so dick wie ein Spinnenseiden-Faden. Ziemlich dünn – aber leider immer noch um Größenordnungen zu dick.
Wenn wir nämlich wirklich sauber nur die Atomlagen trennen wollen, damit wir wirklich nur die Oberflächenenergie im Material einbringen müssen, um es zu trennen, dann müssen unsere Drähte so dünn sein, dass sie zwischen zwei Atombindungen durchschneiden können. Und der Abstand zwischen zwei Atomen liegt so in der größenordnung von 0,3 nanometer, also 0,0003 Mikrometer. Wir bräuchten Drähte, deren Durchmesser im Nanometerbereich liegt, also 10000 Mal kleiner. Weil die Festigkeit mit der Fläche geht, müsste die Festigkeit also hundert Millionen mal höher sein als die der Nanoröhrchen – da die Festigkeit locker (naja, sehr locker, aber zumindest für Größenordnungen passt es) mit der Bindungsenergie korreliert, müsste auch die Bindung zwischen den Atomen unseres Nanomaterials um so grob das Hundert-Millionenfache größer sein als bei den Nanoröhrchen. Solche immens hohen Bindungsenergien hat man innerhalb von Atomkernen, aber durch chemische Bindung von Atomen ist sie nicht zu erreichen. (Und aus Kernmaterie können die Drähte nicht bestehen, dann wären sie unglaublich schwer.)
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