Damit hat vermutlich so ziemliche jede gerechnet, die die Wissenschaftsszene verfolgt: Der diesjährige Nobelpreis für Physik wurde für die Entdeckung von Gravitationswellen vergeben, an Kip Thorne und Rainer Weiss, die in den 70er Jahren theoretisch untersucht haben, wie man Gravitationswellen detektieren könnte, und an Barry Barish, Leiterin des LIGO-Projekts.

(Ja, wie üblich, generisches Femininum, regt hoffentlich wirklich niemanden mehr auf, wenn doch, tut es hier.)

Jetzt sollte ich eigentlich etwas über Gravitationswellen schreiben, richtig? Zum Glück ist das aber gar nicht nötig, denn direkt nach der Entdeckung der Wellen hatte ich bereits reichlich dazu geschrieben (auch vorher gab es schon Artikel dazu). Deshalb hier nur ein kurzer Überblick für alle, die sich orientieren wollen.

Den historischen Moment habe ich seinerzeit live verbloggt, und zwar hier:

Gravitationswellen sind entdeckt (mehr oder weniger live-blogging)

Weil kurz danach immer wieder dieselben Fragen gestellt wurden, habe ich die wichtigsten Antworten hier zusammengefasst:

Fragen zu Gravitationswellen (mit Updates…)

Das Unanschauliche an Gravitationswellen ist ja, dass sie irgendwie “den Raum verzerren”. Und da alles, was wir beobachten, ja irgendwie im Raum steckt, muss dann sicher auch alles mitverzerrt werden, oder? Warum das nicht so ist und was es genau bedeutet, wenn sich der Raum verzerrt, habe ich in diesen beiden Texten zu erklären versucht:

Was bedeutet es, wenn sich “der Raum verzerrt”?

Noch einmal die Raumverzerrung

Einen ausführlichen Blick auf die Veröffentlichung zu den Gravitationswellen habe ich hier geworfen

Gravitationswellen – die Veröffentlichung im Detail

Noch vor der Entdeckung habe ich die Grundlagen von Gravitationswellen schon erklärt:

Was sind Gravitationswellen?

Gravitationswellen sind ja eine Vorhersage der Allgemeinen Relativitätstheorie von Einstein. Die war hier auf dem Blog schon sehr oft Thema. Wer mehr über die ART wissen will, kann sich an dieser Übersicht orientieren:

Kleiner Blog-Überblick zum 100. Geburtstag der Allgemeinen Relativitätstheorie

Und wer noch mehr über die ART wissen will, der muss sich noch etwas gedulden, aber nächstes Jahr…

Kommentare (19)

  1. #1 Bjoern
    3. Oktober 2017

    Ich hatte eigentlich erwartet, dass mit dem Nobelpreis gewartet wird, bis auch mal eine Identifizierung der Quelle im elektromagnetischen Spektrum gelungen ist – so als zusätzliche Absicherung, dass man da wirklich was vorhandenes misst und nicht nur Rauschen fehlinterpretiert oder so. (klar, letzteres war sowieso schon extrem unwahrscheinlich)

  2. #2 MartinB
    3. Oktober 2017

    @Bjoern
    Das ist aber vermutlich schwierig, oder? Wenn da zwei SL irgendwo verschmelzen, wird es ja nicht viele Signale geben; und falls bei der Verschmelzung durch umliegende Materie irgendwelche em-Strahlung emittiert wird, wird die in der Entfernung ja vergleichsweise schwach seiN, da müsste man dann schon vorher wissen, wo man die Teleskope hinhalten muss, oder nicht?

  3. #3 Jürgen Schönstein
    4. Oktober 2017

    Den Hinweis kann ich mir nun doch nicht verkeifen: Bei konkreten Personen gibt es kein “generisches” Geschlecht. Barish ist eine konkrete Person, keine generische. In der Mathemathik oder Physik würden wir mit den Grundregeln ja auch nicht nach Belieben umgehen düfen – auch wenn es manchmal leichter wäre, mit Pi=3 zu rechnen, beispielsweise…

  4. #4 MartinB
    4. Oktober 2017

    @Jürgen
    Auch das habe ich ja im verlinkten Artikel bis zum Abwinken diskutiert – ja, ich hätte das vielleicht “exklusives Femininum” nennen sollen, aber nachdem mir in den Diskussionen mehrere Leute gesagt haben, dass man selbstverständlich Lise Meitner als Physiker und Emmy Noether als Mathematiker bezeichnen kann…

  5. #5 RPGNo1
    4. Oktober 2017

    Apropos Physik-Nobelpreis – ich möchte gerne folgende Aussagen hervorheben, da sie ein Problem beschreiben, welches immer öfter auftreten wird.
    Quelle: https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/physik-nobelpreis-2017-geht-an-rainer-weiss-kip-thorne-barry-barish-a-1170996.html

    “Etliche andere Institute weltweit haben an der Gravitationswellen-Messung mitgearbeitet. Die Veröffentlichung im Februar 2016 in den “Physical Review Letters” hat mehr als tausend Autoren.”

    “In einem Telefonat mit dem Nobelpreiskomitee sagte Weiss: “Ich sehe die Auszeichnung vor allem vor dem Hintergrund, dass sie die Arbeit von Tausenden ehrt.”

    “In den vergangenen 25 Jahren wurde der Physikpreis stets von mehreren Gewinnern geteilt. Doch die Statuten der schwedischen Akademie der Wissenschaften erlauben höchstens drei Preisträger für eine Entdeckung. Das wurde schon häufiger kritisiert. Als Peter Higgs und François Englert 2013 für die Vorhersage des Higgs-Bosons ausgezeichnet wurden, gingen Forscher am Cern in Genf, die das Partikel mithilfe des Teilchenbeschleunigers LHC nachgewiesen hatten, leer aus.”

    Man sollte sich Gedanken machen, ob die Statuten des Nobelpreises für zukünftige Vergaben nicht geändert werden sollten. Der Friedensnobelpreis darf schließlich auch an eine Organistation vergeben werden.

  6. #6 MartinB
    4. Oktober 2017

    @RPGNo1
    Ja, das wäre sicher nicht verkehrt, wenn man den Preis an die LIGO-collaboration o.ä. vergeben hätte; und beim Higgs-Teilchen an Englert, Higgs und das CERN.

  7. #7 Alderamin
    4. Oktober 2017

    @MartinB

    Wenn da zwei SL irgendwo verschmelzen, wird es ja nicht viele Signale geben; und falls bei der Verschmelzung durch umliegende Materie irgendwelche em-Strahlung emittiert wird, wird die in der Entfernung ja vergleichsweise schwach seiN, da müsste man dann schon vorher wissen, wo man die Teleskope hinhalten muss, oder nicht?

    Es wird immer noch gemunkelt, dass auch ein Paar kollidierener Neutronensterne geortet worden sein soll. Die gelten aber als Auslöser für kurze Gamma-Ray-Bursts und die haben oft auch ein optisches Nachleuchten (aber der Burst selbst wäre ja auch schon zu orten und zeitlich mit dem Gravitationswellenereignis zu korrelieren). Die Bursts sind auch quer durch den Kosmos zu beobachten. Man muss aber als Beobachter halbwegs in Richtung der Achse des Jets liegen, um diese Reichweite zu erhalten, d.h. man wird ein paar Ereignisse abwarten müssen, bis es statistisch passt. Für nähere Kollisionen besteht darüber hinaus die Möglichkeit, dass man übrig gebliebenes Neutronensternmaterial in einer Akkretionsscheibe um das mutmaßlich entstehende schwarze Loch nachleuchten sieht.

    Es lohnt sich also, wenn ein Gravitationswellenereignis gefunden wird, zumindest die Aufzeichnungen der Gamma-Weltrausmteleskope FERMI, INTEGRAL und AGILE zur entsprechenden Zeit zu prüfen, die wiederum (soviel ich weiß) auch automatisch Teleskope auf der Erde triggern können, welche dann nach optischen Quellen der GRBs suchen.

    https://www.forbes.com/sites/startswithabang/2017/08/31/5-facts-we-can-learn-if-ligo-detects-merging-neutron-stars/#30b98af13d1c

    Tatsächlich soll FERMI übrigens schon beim allerersten LIGO-Ereignis einen GRB innerhalb von 0,4 s Sekunden im von LIGO nur sehr grob verorteten Quellbereich des Ereignisses nachgewiesen haben, der durch INTEGRAL und AGILE jedoch nicht bestätigt wurde und im Nachhinein als statistischer Ausrutscher in der Auswertung gewertet wurde.

  8. #8 MartinB
    4. Oktober 2017

    @Alderamin
    Danke für die Zusatzinfo. Ich wollte ja auch nicht sagen, dass es unmöglich ist,d a was zu finden, aber es wäre schon ein bisschen unfair, mit dem Nobelpreis auf so einen Glücksfall zu warten – der gute Rainer Weiss ist ja auch nicht mehr der Jüngste…

  9. #9 Alderamin
    4. Oktober 2017

    @MartinB

    Da gehe ich mit. Dass es sich tatsächlich um Gravitationswellen handelte, ist ja schon dadurch ziemlich klar, dass das Ereignis mehr oder weniger simultan an weit entfernten Orten registriert wurde. Egal, welcher Natur die Quelle am Ende war.

  10. #10 Bjoern
    4. Oktober 2017

    Danke, @Alderamin – genau das meinte ich. 🙂

  11. #11 JoJo
    10. Januar 2018

    Eine allgemeine Frage zum Verschmelzen 2er schwarzer Löcher (SL):

    Was geschieht mit den Ereignishorizonten der ursprünglichen SL? Verschmelzen diese ähnlich 2er Wassertröpfchen (mit der Möglichkeit einer Volumenänderung etc.) oder bildet sich irgendwann ein neuer Horizont aus, der die beiden alten Horizonte umfasst?

    Im Falle eines “neuen” Horizonts: Ist es möglich, dass dieser teilweise innerhalb eines der alten Horizonte verläuft, d.h. dass Objekte, die vor dem Merge innerhalb eines Horizonts waren, während oder nach dem Merge zumindest zeitweise außerhalb eines Horizonts liegen? Besteht die Möglichkeit, dass ein Horizon weiter nach “innen” wandert, so dass ein Objekt außerhalb des Horizonts kommt?

    Horizonte sind ja Beobachtungseffekte, z.B. bildet sich für einen gleichmäßig beschleunigten Beobachter ein Horizont hinter diesem aus. Wird die Beschleunigung dann bis auf 0 reduziert (so dass der Beobachter in einem Inertialsystem ist), dann löst sich der Horizont ja auch auf. Und es wäre spannend zu wissen, ob sowas ähnliches auch bei einem SL-Merge auftreten kann, welcher ja von großer Dynamik geprägt ist.

  12. #12 MartinB
    10. Januar 2018

    @JoJo
    Es bildet sich ein neuer Horizont, der die alten umfasst, bei der Verschmelzung kann nichts entkommen.

  13. #13 JoJo
    10. Januar 2018

    Es bildet sich ein neuer Horizont, der die alten umfasst, bei der Verschmelzung kann nichts entkommen.

    Wow, das ging aber fix! Danke für die Info.

  14. #14 JoJo
    11. Januar 2018

    …zur Evolution des Ereignishorizonts hab ich ein interessantes Video gefunden: Baby event horizon in equal mass BBH merger

    Aus der Beschreibung:

    …a small event horizon shows up between the two large event horizons before the merger of all three. This is possible because the topology of the event horizon depends on the slicing of the spacetime. In fact, it is possible to view the event horizon in a slicing where any number of “baby” event horizons spawning between the black holes before the merger.

    Schon faszinieren, was da alles an Effekten auftreten kann.

  15. #15 MartinB
    11. Januar 2018

    @JoJo
    Das wusste ich gar nicht, ja, man lernt nie aus.

  16. #16 Physik-Fan
    6. April 2018

    @Alderamin #7

    Es wird immer noch gemunkelt, dass auch ein Paar kollidierener Neutronensterne geortet worden sein soll.

    Schaue in den Blog gerade wieder mal rein. Zu dem Thema hat sich was Wichtiges getan. In Spektrum 1/18 waren mit “Das Raumzeitbeben von NGC 4993” und “Im Inneren eines Neutronensterns” zwei Artikel darüber. Vielleicht ist es im Blog von Florian Freisetter schon behandelt worden, aber ich will mir jetzt sparen, den zu durchforsten, ggf. ist es redundant dazu.

    Im August letzten Jahres gelang es nämlich einen solchen Prozess nachzuweisen und zwar in der 130 Mio. LJ entfernten Galaxis NGC 4993. Einige Neutronenstern-Paare sind ja bereits bekannt (z.B. der Hulse-Taylor-Pulsar), aber beobachtet hatte man einen Verschmelzungsprozess noch nicht. In einer als beispiellos bezeichneten Beobachtungskampagne konnte eine große Frage geklärt werden, nämlich die Entstehung der schweren Elemente. Für die meisten Atomkerne ab Ruthenium (Kernladungszahl 44) war es i.W. unklar, wie sie entstehen. Für Gold z.B. kannte man nur einen geringen Prozentsatz, für Polonium, Thorium oder Uran gar nichts. Es gab natürlich schon die Überlegung, dass es bei der Verschmelzung zweier Neutronensterne passiert, wegen der Neutronendichte und Hitze. So ist es möglich, dass Nukleotide durch Neutroneneinfang schneller wachsen, als sie zerfallen. Aber das war nur theoretisch, nichts nachgewiesen.

    Am 17. August empfing Fermi einen kurzen Gammablitz und meldete es per E-mail weiter. Daran war noch nichts Besonderes, denn Gammablitze registriert man mehrmals pro Woche. Aber dann kam die Sensation, auch LIGO hatte angeschlagen. Die Dauer der Graviationswellenerregung war wesentlich länger wie bei der Verschmelzung von SLs (ist im Millisekundenbereich) und damit deutete alles daraufhin, dass es sich um Neutronensterne handelt. Dann ging die Post ab. 70 Observatorien, mehrere Satelliten (darunter VLT, Hubble Space Telescop, Chandra), 4000 Wissenschaftler waren wochenlang im Einsatz. Mit einigem Glück konnte die Quelle identifiziert werden (u.a. weil der modernisierte Gravitationswellendetektor Virgo wieder im Einsatz war und NICHTS registrierte, obwohl er in der Lage dazu gewesen wäre) und mit dem Swope-Teleskop konnte im eingegrenztem Raumbereich eine Galaxis mit einem neuen hellen Lichtpunkt gefunden werden. Damit war NGC 4993 als Quelle identifiziert.

    Zu den weiteren Beobachtungsdetails der sog. Kilonova (ein irres Ding, das mit 1/4 LG expandiert) s. den erstgenannten Artikel. Der andere Artikel beschreibt den aktuellen Stand zur Struktur eines Neutronensterns. Der Kern könnte keine Neutronenmaterie sein, sondern ein Gas aus u- und d-Quarks oder Stange-Hadronen. Man kann das nicht mal genauer berechnen, wegen der üblichen Rechenprobleme in der Quantenchromodynamik.

    Jedenfalls, weiß man jetzt, dass Ehegatten mit ihrem goldenen Ehering höchstwahrscheinlich ein Stück Neutronensternmaterie herumtragen …

  17. #17 MartinB
    7. April 2018

    @Physik-Fan
    Danke; ich hatte das auch mitbekommen, aber das Buch-Schreiben hat mich davon abgehalten, dazu zu bloggen.

  18. #18 Alderamin
    7. April 2018

    @Physik-Fan

    Vielleicht ist es im Blog von Florian Freisetter schon behandelt worden, aber ich will mir jetzt sparen, den zu durchforsten, ggf. ist es redundant dazu.

    Ja, haben wir mitbekommen, bei Florian gab’s einen Gastartikel dazu. Hat ziemlich die Welle gemacht. Das ist genau das Ding, über das man in meinem Twitter-Link in #7 gemunkelt hatte. Große Neuigkeiten sind schwer zu verschweigen, obwohl die an der Beobachtung beteiligten Institute eine Art Schweigegelübde hatten unterschreiben müssen, dass nichts vor der offiziellen Veröffentlichung verlautbaren dürfte. Hätte auch fast geklappt.

    Bisschen Eigenwerbung: habe selbst einen Artikel über so ein Neutronensternpaar geschrieben, das irgendwann mal so eine Kilonova verursachen wird, uns aber jetzt schon wichtige Daten zur Überprüfung der ART liefert.

  19. #19 Physik-Fan
    7. April 2018

    Ein blöder Tippfehler ist mir passiert, aber das habt Ihr sicher auch bemerkt. Es muss natürlich “Strange-Hadronen” heißen, wo mindestens ein Quark ein s-Quark ist.